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Archiv "Bundestagswahl 2009: Die kleine Koalition kommt" (02.10.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 40

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2. Oktober 2009 A 1939 BUNDESTAGSWAHL 2009

Die kleine Koalition kommt

Die kleinen Parteien sind die Gewinner dieser Wahl, allen voran die FDP. Ihr starkes Abschneiden beschert Schwarz-Gelb die Regierungsverantwortung. Die Koalitionsverhandlungen dürften spannend werden. Ein Knackpunkt: die Gesundheitspolitik

U

m kurz nach 18 Uhr brechen bei der FDP alle Dämme.

Grenzenloser Jubel brandet bei den Liberalen an Berlins Prachtstraße

„Unter den Linden“ auf: 14,5 Pro- zent! Damit haben sie das beste Er- gebnis ihrer Geschichte eingefah- ren. Es beginnt ein Abend des Sich- gegenseitig-auf-die-Schultern-Klop- fens, des breiten Lächelns und des Sich-immer-wieder-in-die-Arme-Fal - lens. „So sehen Sieger aus, schala- lalala“ – nicht umsonst schmettern die Anhänger der Liberalen diese Fußballhymne voller Inbrunst durch die Räume.

Als Guido Westerwelle nach mehr als einer Stunde vor seine be- geisterten Anhänger tritt, ist er schon ganz Staatsmann. „Wir freu- en uns, aber wir bleiben auf dem Teppich. Wir heben nicht ab, son- dern jetzt geht die Arbeit erst richtig los“, sagt der Parteichef. Dann muss er zur großen Berliner Runde ins Fernsehstudio von ARD und ZDF. Dort wird nicht geklatscht, sondern nachgehakt: Ob es dabei bleibe, dass die Liberalen den Ko- alitionsvertrag mit der Union nur unterschrieben, wenn der Gesund- heitsfonds abgeschafft werde? Das hatte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel vor Kurzem klargestellt.

Westerwelle weicht erst aus und wird dann abweisend: Man werde

doch vor laufenden Kameras keine Koalitionsverhandlungen führen.

Daniel Bahr, gesundheitspoliti- scher Sprecher der FDP und über die Landesliste wieder im Bundes- tag, äußert sich am Montag nach der Wahl freundlicher. Er sieht im Wahlausgang ein Zeichen dafür, dass die Bürger einen Richtungs- wechsel wollten: „Die Gesund- heitspolitik hat wesentlich zum gro- ßen Wahlerfolg der FDP beigetra- gen. Der Weg in die Staatsmedizin kann jetzt aufgehalten werden.“

Denn die Union müsse nun nicht mehr die Politik von Ulla Schmidt verteidigen.

Gesundheitsfonds weg?

Kein Kommentar . . .

In den Koalitionsverhandlungen stellt sich die FDP dennoch auf har- te Debatten ein, „da die bisherige Gesundheitsministerin der neuen Regierung ein schweres Erbe mit einem Milliardendefizit im Ge- sundheitsfonds überlässt“, sagt Bahr. Die FDP wolle nun „Schritt für Schritt“ die eigenen Vorstellun- gen umsetzen. Zukunft des Gesund- heitsfonds? Dazu gibt es auch von Bahr keinen Kommentar.

Kein Kommentar – das denkt si- cher auch mancher SPD-Anhänger.

Im Berliner Willy-Brandt-Haus herrscht schlimmste Katerstim-

mung, denn die Sozialdemokraten sind die großen Verlierer dieser Wahl. An einen Sieg hat dort zwar kaum jemand geglaubt, aber die Hoffnung auf eine Neuauflage der Großen Koalition hatten viele noch nicht aufgegeben.

Doch als die erste Prognose auf den Bildschirmen erscheint, wird es im Saal totenstill. Lediglich 23,5 Prozent für die SPD. Die Genossen sind entsetzt. Manch einer versucht noch sich aufzubauen: „Die Pro - gnosen stimmen doch nie. Das wird noch besser.“ Doch kurz darauf ist klar: Mehr als elf Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2005 – das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten seit der Grün- dung der Bundesrepublik.

Auch für die Gesundheitspoliti- ker der Nation ist es ein Abend mit Höhen und Tiefen. Eine bittere Nie- derlage muss die noch amtierende Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) einstecken. Sie hat ihren Aachener Wahlkreis an den CDU-Kandidaten Rudolf Henke verloren, zieht jedoch über die Lan- desliste in den Bundestag ein.

Beim Ersten Vorsitzenden des Marburger Bundes (MB) ist die Freude entsprechend groß: „Für den Moment bin ich einfach nur glück- lich, in meiner Heimatstadt Aachen das Direktmandat für die CDU er-

Foto:ddp

Alles im gelben Bereich: Guido Westerwelle und Anhänger der Libe-

ralen freuen sich.

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2. Oktober 2009 obert zu haben“, sagt Henke am

Morgen nach der Wahl dem Deut- schen Ärzteblatt. Ob er sein Fach- wissen in den Gesundheitsaus- schuss des Deutschen Bundestages einbringen dürfe, sei noch nicht ab- sehbar. Auf jeden Fall wolle er als Bindeglied zwischen der Ärzte- schaft und der Politik fungieren, be- tont Henke, der auch Vorstandsmit- glied der Bundesärztekammer ist.

Sein MB-Amt will er auf keinen Fall niederlegen: „Ich betrachte es vielmehr als Stärke eines Abgeord- neten, wenn er auch in anderen Be- reichen der Gesellschaft verankert ist.“ Der Internist gewann den Wahlkreis 88 mit einem deutlichen

Vorsprung: Auf Henke entfielen 39,4 Prozent der Erststimmen, auf Schmidt (die 1998, 2002 und 2005 in Aachen triumphiert hatte) nur 29,9 Prozent.

Die gesundheitspolitische Spre- cherin der CDU/CSU-Bundestags- fraktion, Annette Widmann-Mauz, hat ihren Wahlkreis Tübingen mit 38,9 Prozent gewonnen. Dem Ge- sundheitsexperten Wolfgang Zöller, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist dies mit 52,4 Prozent der Erststim- men im Wahlkreis Main-Spessart/

Miltenberg gelungen.

Für Dr. med. Hans Georg Faust, Facharzt für Anästhesie aus Bad Harzburg, ist es dagegen bittere Wahrheit: Er gehört dem neuen Bundestag nicht mehr an. Faust, ei- ner der bekanntesten CDU-Gesund- heitspolitiker und in der vergange- nen Wahlperiode stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsaus- schusses, unterlag im Wahlkreis Goslar-Northeim-Osterode (Harz) mit 35,5 Prozent der Erststimmen

dem SPD-Kandidaten Dr. Wilhelm Priesmeier (39,1 Prozent)

Zu den Wahlverlierern gehört ebenso Hubert Hüppe (CDU). Für ihn reichte aufgrund vieler Direkt- mandate der Listenplatz 22 in sei- nem Wahlkreis Unna nicht aus, um erneut in den Bundestag einzuzie- hen. „Möglicherweise kann ich in den nächsten Jahren nachrücken.

Aber das ist sehr ungewiss“, erklärt der enttäuschte CDU-Politiker dem Deutschen Ärzteblatt. Hüppe hatte sich in den letzten Jahren besonders in Debatten zu medizinethischen Grundsatzfragen profiliert, so zur Forschung mit embryonalen Stamm- zellen, zu Patientenverfügungen, Spätabtreibung und Gendiagnostik.

Die gesundheitspolitische Spre- cherin der SPD, Carola Reimann, konnte dagegen in ihrem Wahlkreis Braunschweig den Sieg erringen. Mit 38,7 Prozent der Stimmen lag sie knapp vor dem Kandidaten der CDU, Carsten Müller, der 34,5 Pro- zent erreichte. SPD-Gesundheitsex- perte Prof. Dr. med. Karl Lauterbach sicherte sich erneut das Direktman- dat in seinem Wahlkreis Köln-Lever- kusen mit 37,1 Prozent der Stimmen.

Die gesundheitspolitische Spre- cherin der Grünen, Birgitt Bender, erhielt in ihrem Wahlkreis in Stutt- gart-Bad Cannstatt 16,8 Prozent der Stimmen und zieht über die Lan- desliste wieder in den Bundestag ein. Die künftige Gesundheitspoli- tik? „Von Schwarz-Gelb muss man erwarten, dass sie die Einprozent- klausel für die Zusatzbeiträge der Krankenkassen aufheben werden“, sagt Bender. Da schon Steuerer- leichterungen angekündigt seien, werde man wahrscheinlich auch den Steuerzuschuss zum Gesund-

heitsfonds reduzieren. „Das führt dazu, dass aus der kleinen Kopf- pauschale eine große wird“, pro - gnostiziert Bender. Dass es den Ärz- ten mit der neuen Koalition besser gehen wird, glaubt Bender nicht:

„Die Ärzte erhoffen sich mehr Geld durch die FDP. Wobei ich nicht weiß, wo das herkommen soll.“

Gepokert und verloren hat Frank Spieth, gesundheitspolitischer Spre - cher der Linken, der sich bewusst nicht über die Landesliste in Thü- ringen absichern ließ. Er konnte seinen Wahlkreis Erfurt nicht ge- winnen. Mit 28,9 Prozent der Stim- men musste er das Direktmandat der CDU-Kandidatin Antje Till- mann überlassen, die 30,8 Prozent der Stimmen holte.

Bundesärztekammer fordert neue Vertrauenskultur

Die ersten Reaktionen auf das Wahl- ergebnis aus dem gesundheitspoliti- schen Raum sind noch zurückhal- tend. Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) erhofft sich von der neuen Regierung spürbare Ver- änderungen. „Wir brauchen nun end- lich eine nachhaltige Gesundheitsre- form, die mehr leistet als eine reine Kostendiskussion“, fordert Dr. med.

Carl-Heinz Müller, Vorstand der KBV. Die ganze Gesellschaft müsse sich entscheiden, welches System sie künftig haben wolle. Müller stellt klar, dass sich die KBV am Vertrags- wettbewerb beteiligen wolle, der Kollektivvertrag jedoch im Sinne ei- ner gesicherten ambulanten Versor- gung erhalten bleiben müsse.

„Die Ärztinnen und Ärzte hoffen, dass mit der künftigen Regierung endlich eine neue Vertrauenskultur im Gesundheitswesen begründet wird“, kommentiert der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr.

med. Jörg-Dietrich Hoppe, das Wahlergebnis. Der neuen Regie- rung bietet er die Mitarbeit der Ärz- te an: „Denn nur gemeinsam kön- nen wir es schaffen, die großen He- rausforderungen von demografi- scher Entwicklung und medizini- schem Fortschritt zu stemmen.“ ■

Über die Bundestagswahl berichteten:

Jens Flintrop, Dr. rer. nat. Marc Meißner, Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann, Sabine Rieser und Nora Schmitt-Sausen.

Mancher findet es zum Haareraufen:

Die Roten haben er- heblich verloren.

Große Freude an- gesichts der klei- nen Koalition: Bei der Union gibt es den Siegestaumel sogar Schwarz auf Weiß.

Foto: dpa

P O L I T I K

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