Zur Fortbildung Aktuelle .Medizin
NOTIZEN
Der mögliche Zusammenhang zwi- schen der Einnahme von bestimm- ten Hormonkombinationen (in der Öffentlichkeit vor allem diskutiert am Beispiel des Duogynon-Präpara- tes) in der Frühschwangerschaft und dem Auftreten von Mißbildun- gen bei Neugeborenen*) stand im Mittelpunkt eines Fachgespräches, das Wissenschaftler des Bundesge- sundheitsamtes am 10. und 11. Ok- tober mit Kollegen aus dem In- und Ausland führten. Sämtliche weltweit hierzu bekanntgewordenen Studien wurden kritisch beleuchtet und unter pharmakologisch-toxikologi- schen, klinischen und epidemiologi- schen Gesichtspunkten bewertet.
Einsichten in derartige Zusammen- hänge können nur gewonnen wer- den durch Beobachtung und Aus- wertung von Schwangerschaftsver- läufen und Geburten.
Inzwischen sind zusammen mehr als 80 000 Schwangerschaftsverläufe in verschiedenen Studien dokumen- tiert. In diesen Studien wurden alle Mißbildungen erfaßt und hinsicht- lich Art und Häufigkeit analysiert.
Die besonderen Schwierigkeiten ih- rer Bewertung liegen darin, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Arzneimitteleinnahme beob- achteten Mißbildungen abzugren- zen von Art und Häufigkeit der ohne erkennbare äußere Ursachen auftre- tenden Mißbildungen.
Einige dieser Studien wurden spe- ziell angelegt unter dem Gesichts- punkt der Hormongabe in der Früh- schwangerschaft. Bei anderen Stu- dien war Untersuchungsgegenstand
*) Vergleiche Bekanntgabe der Arzneimittel- kommission im „DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT" Heft 30/1978, Seite 1751
der Zusammenhang zwischen Arz- neimitteln jeder Art, die während ei- ner Schwangerschaft eingenommen wurden und kindlichen Mißbildun- gen, wobei in dem im Bundesge- sundheitsamt geführten Fachge- spräch die Auswertung von hormon- haltigen Präparaten interessierte. In einigen Studien wurden auch Grup- pen von mißgebildeten und gesun- den Kindern retrospektiv unter Be- rücksichtigung der Einnahme von Medikamenten — speziell Hormon- präparaten — durch die Mütter in der Frühschwangerschaft verglichen.
Unter den untersuchten Schwanger- schaften waren mehrere tausend, bei denen in der Frühschwanger- schaft Hormonpräparate aus unter- schiedlichen Gründen angewendet worden waren. Der Vergleich der Mißbi ldungshäufigkeit zwischen den Untergruppen mit und ohne Hormonbehandlung ergab so gerin- ge Unterschiede, daß von einem Nachweis eines ursächlichen Zu- sammenhangs von Mißbildungen und Medikamenteneinnahme nicht gesprochen werden kann.
Die Annahme eines Zusammenhan- ges zwischen Hormoneinnahme und allgemeiner Zunahme der Mißbil- dungshäufigkeit ließ sich nicht bele- gen. Diese Feststellung gilt auch für die Boston-Studie (Boston-Collabo- rative Perinatal Project), die von Hei- nonen, Slone und Shapiro ausge- wertet worden ist und insgesamt et- wa 50 000 Schwangerschaften über- blickt. Allerdings findet sich in der Untergruppe derjenigen Frauen, die Hormonpräparate der unterschied- lichsten Art in den ersten vier Schwangerschaftsmonaten erhiel- ten, eine erhöhte Häufigkeit von Mißbildungen des Herz-Kreislauf-
Die Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Verabreichung von Sexu- alhormonen in der Früh- schwangerschaft und von Mißbildungen bei Neugebore- nen stand im Mittelpunkt ei- nes Fachgesprächs, an dem Wissenschaftler des Bundes- gesundheitsamtes und Exper- ten aus dem In- und Ausland teilnahmen. Das Bundesge- sundheitsamt sieht sich auf- grund der Ergebnisse dieses Gesprächs in seiner Auffas- sung bestätigt, daß bei der An- wendung von Sexualhormo- nen in der Frühschwanger- schaft größte Zurückhaltung geboten ist. Zum Nachweis oder Ausschluß einer Schwangerschaft stehen an- dere Methoden zur Verfü- gung, bei der Behandlung ei- ner Amenorrhö müssen be- stimmte Grundsätze streng beachtet werden, das Problem der Behandlung drohender Fehlgeburten mit gestagenen Steroiden bedarf erst noch eingehender klinischer Studien.
Systems bei Neugeborenen. Gegen- über Mutter-Kind-Paaren ohne Hor- mongaben stieg das relative Risiko von 7,8 auf 18,2 bezogen auf jeweils 1000 Mutter-Kind-Paare an. Mit die- sen Zahlenwerten ist die Zufalls- grenze gerade eben überschritten.
In diesen Zahlen sind auch die Kin- der mit schweren Mißbildungen ent- halten, die ab der 20. Schwanger- schaftswoche nicht lebensfähig ge- boren wurden. Außerdem wurden Schwangerschaften, bei denen im ersten Drittel des Schwanger- schaftsverlaufs Blutungen aufgetre- ten waren — solche Schwanger- schaften sind ihrerseits ohnehin im weiteren Verlauf mit einem erhöhten Risiko belastet — und bei denen we- gen der Blutung und der drohenden Frühgeburt Hormone gegeben wur- den, nicht gesondert ausgewertet.
Sexualhormone
in der Frühschwangerschaft
Expertengespräch im Bundesgesundheitsamt
Heft 44 vom 2. November 1978 2577
DEUTSCHES ARZTEBLATT
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Sexualhormone in der Frühschwangerschaft
Daher bleiben auch bei dem hier be- richteten Ergebnis der Boston-Stu- die noch Fragen hinsichtlich eines eventuell erhöhten Risikos offen.
Im Interesse der Arzneimittelsicher- heit verdient dennoch diese im Er- gebnis ungünstigste Studie Beach- tung, auch wenn aus anderen Stu- dien, von denen allerdings keine ei- ne vergleichbar große Zahl von Schwangerschaftsverläufen über- blickt, sich die Befunde nicht stati- stisch gesichert belegen lassen.
Das Bundesgesundheitsamt sieht sich in seiner Auffassung bestätigt, daß bei der Anwendung von Sexual- hormonen in der Frühschwanger- schaft größte Zurückhaltung gebo- ten ist.
Das Sachverständigengespräch er- brachte folgendes Ergebnis:
• Die Anwendung von Hormonprä- paraten zum Nachweis oder Aus- schluß einer Schwangerschaft hat außer Betracht zu bleiben, da hierfür andere geeignete Methoden zur Ver- fügung stehen.
Q Die Behandlung einer sekundä- ren Amenorrhö mit derartigen Prä- paraten soll frühestens acht Wochen nach der letzten Regel und nach Ausschluß einer Schwangerschaft durch zweimaligen immunologi- schen Test im Abstand von minde- stens acht Tagen erfolgen. Im übri- gen sollte der behandelnde Arzt ei- ner gezielten Therapie auf der Grundlage gesicherter Diagnose den Vorzug geben vor einer nur symptomatischen Behandlung.
fp
Es gibt gegenwärtig keine wis- senschaftlich begründete Aussage, die den Nutzen der Behandlung ei- nes drohenden Abortes (Blutungen während der Schwangerschaft) mit gestagenen Steroiden als hinrei- chend gesichert erscheinen läßt. Die bisher vorliegenden Untersuchun- gen schließen jedoch andererseits die Möglichkeit einer Wirksamkeit dieser Therapie bei bestimmten Pa- tientengruppen nicht aus. Es wur- den deshalb kontrollierte klinische Studien zur Klärung dieser Frage fürerforderlich gehalten. Diese Studien können sinnvollerweise nur in den Fällen durchgeführt werden, in de- nen gesichert ist, daß der Fötus lebt.
Sie sollten gleichzeitig an mehreren Kliniken nach einheitlicher Planung und unter Beteiligung der wissen- schaftlichen Fachgesellschaften stattfinden.
Im Bundesgesundheitsamt werden zur Zeit die nach dem Arzneimittel- gesetz notwendigen Schritte einge- leitet, um diese Forderungen in die Praxis umzusetzen.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft rät den Ärz- ten, bei der Behandlung einer se- kundären Amenorrhöe mit Sexual- hormonen genaue Aufzeichnungen über die zur Diagnose und zum Schwangerschaftsausschluß durch- geführten Untersuchungen zu ma- hen.
Normung
in der Ton- und Sprachaudiometrie
Der für Normungsfragen in der Ton- und Sprachaudiometrie zuständige Arbeitskreis 741. 1. 6. „Hörgeräte, Audiometer und Kuppler" der Deut- schen Elektrotechnischen Kommis- sion im DIN und VDE (DKE) emp- fiehlt, im Interesse der Vergleichbar- keit und Reproduzierbarkeit sprach- audiometrischer Untersuchungen Kopien der Aufnahme der Wortgrup- pen nach DIN 45 626 zu benutzen.
Alte Einspielungen, die zum Teil noch im Gebrauch sind, sollten nicht mehr verwendet werden.
Im Auftrag:
Professor
Dr. med. Wolfhart Niemeyer Vorsteher der Abteilung
für klinische und experimentelle Audiologie der Universitäts- Hals-Nasen-Ohrenklinik Deutschhausstraße 3 3500 Marburg
FÜR SIE GELESEN
Statische
Nierenszintigraphie mit 99mTc-DMSA
Für die statische Beurteilung der Nierenfunktion mit nuklearmedizini- scher Methodik soll das markierte Radiopharmakon möglichst selektiv von der Niere angereichert werden, ohne daß eine Ausscheidung in das ableitende Harnwegssystem erfolgt.
Als Ersatz für die bisher verwende- ten mit Radioquecksilber markierten Diuretika (Chlormerodrin) bietet sich eine Reihe von Sacchariden an, die mit dem kurzlebigen 99mTechne- tium markierbar sind. Dimercapto- succinic acid (DMSA) ist am besten für die statische Nierenszintigraphie geeignet, da es fast selektiv kortikal gespeichert wird und eine langsame renale Ausscheidung aufweist.
Die Einspeicherung erfolgt rasch, so daß schon mit niedrigen Aktivitäts- dosierungen 1 bis 2 Stunden nach Injektion optimale Szintigramme zu erhalten sind. Bei Verdacht auf Raumforderung, Abklärung kleiner Parenchymdefekte oder Aufdek- kung pyelonephritischer Narben ist die Verwendung dieser Substanz angezeigt. Auch zur Ermittlung des seitengetrennten Funktionsanteils liegen erste Erfahrungen vor.
So läßt sich mit Hilfe einfacher Me- thoden der EDV (Kernspeicher) die in jede Niere aufgenommene Aktivi- tät ermitteln; das Seitenverhältnis beider Nieren korreliert bei gesun- den und erkrankten Nieren für klini- sche Zwecke ausreichend gut mit den Ergebnissen der dynamischen Methoden ( 131 J-Nippuran). Mhs
Arnold, R. W.; Subramanian, G.; McAfee, J. G.;
Blair, R. J.; Thomas, F. D.: Comparison of
99mTc complexes for renal imaging, J. Nucl.
Med. 16 (1975) 357-367, Richard W. Arnold, Div. of Nuclear Medicine, State University of New York, 750 E. Adams St. Syracuse, N. Y.
13210 - Mariß, P.; Thiede, G.: Abschätzung der seitengetrennten Nierenfunktion mittels der
99mTc-DMSA-Aufnahme, Fortschr. Röntgenstr.
126 (1977) 442-446, Dr. P. Mariß, Med. Hoch- schule Hannover - Departement Radiologie, Abt. IV: Nuklearmedizin und spezielle Biophy- sik, Postfach 61 01 80, 3000 Hannover-Kleefeld