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Fritz Stern. (Es gilt das gesprochene Wort.) fort: Genannt wurde ich nach Fritz Haber, der auch mein Taufpate war; meine weiteren

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Präsidialamt

Fritz Stern

Grußwort des Präsidenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena,

Prof. Dr. Walter Rosenthal, „In memoriam. Fritz Stern. 1926-2016“, 02.02.2017, Allianz Forum, Berlin

(Es gilt das gesprochene Wort.)

„Ich wurde am 2. Februar 1926 geboren, zwei Wochen vor der abschließenden

Lehrerprüfung meiner Mutter,“ schreibt Fritz Stern in seinen Erinnerungen. Und er fährt fort: „Genannt wurde ich nach Fritz Haber, der auch mein Taufpate war; meine weiteren Namen waren Richard und Oskar, nach meinen beiden Großvätern. Habers Namen zu tragen, hat mir mein Leben lang etwas bedeutet: ein Geschenk und eine Last. Zugleich wiesen mein Vor- und mein Nachname auf unterschiedliche Ursprünge hin: Fritz ist jedenfalls sehr deutsch, während Stern erkennbar jüdisch ist.”1

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

dass der heutige Tag, Fritz Sterns 91. Geburtstag, genau die richtige Gelegenheit für eine Rückschau auf sein Leben und Wirken bietet, darin fühle ich mich mit Blick auf seine

Autobiographie bestätigt, die 2005 unter dem Titel Fünf Deutschland und ein Leben erschien.

In der von mir zitierten Passage wird deutlich, wie unlöslich Sterns Leben mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts verwoben ist. 1926 in Breslau geboren, muss die Familie 1938, als in Deutschland die Synagogen brannten, in die USA fliehen. Das Erlebnis der Weltkrise wird Sterns persönliche und berufliche Entwicklung leiten.2 Aber auch die starke Prägung der Familie Stern

1 Fritz Stern: Fünf Deutschland und ein Leben. Erinnerungen. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. 7. Aufl., München 2007, S. 88.

2 Ebd., S. 208.

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durch die Naturwissenschaften und Medizin tritt in dem Buch deutlich hervor.

Alle vier Urgroßväter, die beiden Großväter sowie der Vater sind Ärzte. Der Patenonkel Fritz Haber sowie der leibliche Onkel Otto Stern sind Nobelpreisträger der Chemie beziehungsweise der Physik. Und sogar Albert Einstein berät Fritz Stern später in Berufsfragen. Ob gut oder schlecht sei dahingestellt: Denn als ihm der 18jährige Stern gesteht, dass er nicht schlüssig sei, welchen Beruf er ergreifen solle, rät ihm Einstein: „Das ist einfach: Medizin ist eine

Wissenschaft und Geschichte nicht. Also Medizin.“3 Aber Stern folgt seinem „Instinkt“ und entscheidet sich für Geschichte, die – so Stern – „schließlich auch Wissenschaft ist.“4

Als Arzt könnte ich nun bedauern, dass Stern mit der Familientradition gebrochen hat, aber dass er den Mut dazu hatte, das freut uns in Jena umso mehr. Denn der Name Fritz Stern ist auf besondere Weise mit der Friedrich-Schiller-Universität verbunden, genauer noch: mit dem Jena CenterGeschichte des 20. Jahrhunderts.

Verehrte, liebe Frau Sifton, verehrte Vortragende,

liebe Gäste und liebe Freunde,

ich begrüße Sie alle herzlich hier im Allianz Forum zu unserer Ehrenveranstaltung in Erinnerung an Fritz Stern. Unsere Veranstaltung steht unter dem Titel „in memoriam“. Damit ist zugleich das Programm des heutigen Nachmittages bezeichnet. Heute, so möchte ich sagen, geht es uns um die Frage nach der Präsenz des nun Abwesenden.

Als das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts im Januar 2006 eröffnet wurde, hielt Fritz Stern die Festrede – und sah in der Gründung, ich zitiere, „eine Notwendigkeit, eine

Herausforderung und eine Verpflichtung“5. Möglich gemacht wurde das Jena Center durch eine

3 Stern 2007, S. 209.

4 Ebd.

5 Fritz Stern: Ein ungewöhnliches Leben in ungewöhnlichen Zeiten. Politik und Zeitgenossenschaft im 20.

Jahrhundert. In: Was heißt und zu welchem ende studiert man Geschichte des 20. Jahrhunderts? Hrsg. v.

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großzügige Spende des in der Schweiz und in den USA lebenden Ehepaares Dr. Christiane und Dr. Nicolaus-Jürgen Weickart.

Ihnen möchte ich dafür meinen herzlichsten Dank aussprechen. Ebenso danke ich meinem Kollegen Norbert Frei. Seinem Engagement verdanken wir nicht nur das Zustandekommen der heutigen Veranstaltung, sondern auch die Gründung des Jena Centers und damit die

institutionelle Anbindung Sterns an unsere Universität.

Der Sternschen Forderung entsprechend, dass „Geschichte in ihrem globalen Kontext

verstanden werden muss“6, lenkt das Jena Center den Fokus seiner Arbeit auf die Verknüpfung unterschiedlicher historischer Deutungsansätze und internationaler Forschungsperspektiven.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Folgewirkungen in Deutschland und Europa – bis in die Gegenwart hinein.

Dafür bringt das Jena Center über eine internationale Gastprofessur und ein

Gastdozentenprogramm jedes Semester hochrangige Gelehrte und Geschichtsvermittler nach Jena. Darunter sind nicht nur akademisch tätige Historiker, sondern auch Journalisten, Dokumentarfilmer, Publizisten, Lektoren und Archivare aus den USA, Großbritannien, Israel, Frankreich, Russland, den Niederlanden und aus Deutschland.

Mehr als 80 Promovierende aus dem In- und Ausland sind seit 2006 Mitglied der

Doktorandenschule des Centers gewesen. Sie alle haben in einer Atmosphäre der intellektuellen Lebendigkeit und akademischen Diversität neueste Forschungsfragen zur Geschichte des 20.

Jahrhunderts diskutieren können. Einer, der als Gastprofessor unmittelbar zu dieser

Atmosphäre beigetragen hat – neben anderen wie Saul Friedländer, Michael Stolleis, Volker Berghahn oder Mary Fulbrook –, war Fritz Stern.

Norbert Frei. Göttingen 2006, S. 14-33, hier S. 16.

6 Ebd.

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In seiner Rede zur Eröffnungsveranstaltung des Jena Center mahnt Stern auf eindrucksvolle Weise:

„Das 20. Jahrhundert lastet auf uns allen, wir leben in seinem Schatten und in seinem Schutt. […] Jena und seine Universität erscheinen mir [dabei] ein selten guter Ort für die Erforschung der Geschichte des 20. Jahrhunderts zu sein.“7

Der erste dieser zwei Sätze – „das 20. Jahrhundert lastet auf uns allen“ – spricht mich auch persönlich an. Er ruft mir die Geschichte eines Teils meiner eigenen Familie ins Bewusstsein:

die Bedrohung meiner Großeltern durch nationalsozialistische Nachbarn, oder das Erlebnis meiner damals 10jährigen Mutter, die 1938 die Synagoge in unserer Heimatstadt Siegen brennen sah. Dieses Erlebnis hat sich fest in unser Familiengedächtnis eingeprägt. Derlei Erfahrungen und Berichte haben mir schon als Kind verdeutlicht, dass die Diktatur des Nationalsozialismus auch etwas mit mir zu tun hat.

Sterns Hinweis auf „Jena und seine Universität“ – hat mich aufhorchen lassen, weil er für unsere Universität eine Pflicht formuliert. Sie besagt, dass die in Weimar und Jena entwickelte Idee der Humanität und Weltbürgerlichkeit – mit der die Namen Goethes und Schillers

verbunden sind – heute auch vor dem Hintergrund des Scheiterns eben jener Bildungstradition erforscht werden muss.8

Nicht nur Buchenwald, unübersehbar über der Kulturstadt Weimar gelegen, vergegenwärtigt uns die Mitschuld am Zivilisationsbruch des 20. Jahrhunderts, auch die Friedrich-Schiller-Universität war nur allzu bereit, sich zu einer „SS-Universität“9 ausbauen zu lassen. Gerade unter Berufung

7 Ebd., S. 14.

8 Vgl. zu diesem Thema z.B. Paul Kahl: Die Erfindung des Dichterhauses. Das Goethe-Nationalmuseum in Weimar.

Eine Kulturgeschichte. Mit einem Vorwort von Hellmut Th. Seemann. Göttingen 2015.

9 Am 22.09.1937 formuliert der damalige Universitätsrektor, Karl Astel, in einem Brief an Heinrich Himmler das Ziel:

„Jena zu einer ‚rassisch einheitlichen ausgerichteten SS-Universität‘ auszubauen, […] und sich auf den verschiedenen Gebieten der Unterstützung durch wissenschaftliche Erkenntnisse [zu] versichern […].“ Zit. n.

Annett Hamann: „Männer der kämpfenden Wissenschaft.“ Die 1945 geschlossenen Institute der Universität

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auf das Erbe von Ernst Haeckel, der bis zu seinem Tod 1919 jahrzehntelang in Jena lehrte, versuchte sie, der menschenverachtenden Rassenlehre der Nazis ein wissenschaftliches Fundament zu bieten.10

Es ging hier um nicht weniger als um einen Paradigmenwechsel im Wissenschaftsverständnis:

An die Stelle einer „universitas litterarum“ sollte in Jena eine rassenpolitisch ausgerichtete

„universitas vitae“ treten.11

Vor ein paar Monaten, an dem besonders denkwürdigen 09. November, hat sich unsere Universität in einer öffentlichen Gedenkveranstaltung einmal mehr ihrer dunklen Geschichte gestellt: Es ging um die Rehabilitation von 45 Promovierten unserer Universität, denen im

„Dritten Reich“ aus „rassischen“ oder politischen Gründen ihr akademischer Grad entzogen worden war. Viele der Opfer jener sogenannten Depromotionen wurden – ähnlich wie Fritz Stern – zur Flucht und ins Exil gezwungen. Den symbolischen Akt der Rehabilitation, den wir im letzten Jahr vollzogen haben, verstehe ich als ein bedeutsames Zeichen, denn er hat die 45 Träger und Trägerinnen des Doktortitels wieder zu einem Teil ihrer Alma Mater Jenensis gemacht.

Sie sehen, der Name Fritz Stern bedeutet in Jena viel: Er steht vor allem für eine andauernde Aufgabe. Denn die Aufarbeitung unserer Geschichte, insbesondere während der Nazi-Zeit, ist ein fortlaufender Prozess.

Darüber hinaus zeigt mir der Blick in die Runde der hier Anwesenden, wie viele Gesichter und Namen die Erinnerung an Fritz Stern trägt. Für diese besondere Gelegenheit gilt es Dank zu sagen. Mein Dank gebührt insbesondere meinem Kollegen Norbert Frei und Frau Dr. Kristina

Jena. In: „Kämpferische Wissenschaft.“ Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Hrsg. v. Uwe Hoßfeld u.a. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 202-234, hier S. 214. Vgl. auch Universitätsarchiv Jena, Bestand U, Abt. IV, Nr. 16, Astel an Himmler am 22.09.1937.

10 Vgl. Hamann 2003, S. 215.

11 Vgl. Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Rüdiger Stutz: „Kämpferische Wissenschaft.“ Zum Profilwandel der Jenaer Universität im Nationalsozialismus. In: „Kämpferische Wissenschaft.“ Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Hrsg. v. Uwe Hoßfeld u.a. Köln/Weimar/Wien 2003, S. 23-121, hier S. 66.

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Meyer für die gelungene Vorbereitung der heutigen Veranstaltung.

Ebenso danken möchte ich dem Verlag C.H.Beck, vertreten durch Altverleger Dr. Wolfgang Beck, und der ZEIT-Stiftung Ebeling und Gerd Bucerius, vertreten durch ihren Vorsitzenden Michael Göring. Auch der Konrad-Adenauer-Stiftung, heute hier vertreten durch den Ehrenvorsitzenden Bernhard Vogel, und der American Academy in Berlin, vertreten durch ihren Programmdirektor Thomas Rommel, möchte ich herzlich danken. Sie alle haben die heutige Veranstaltung nicht nur finanziell, sondern auch ideell unterstützt – eben weil sie eng mit dem Wirken von Fritz Stern verbunden waren. Auch allen Rednern möchte ich herzlich für ihre Teilnahme an unserem Festakt danken.

Dass wir als eine deutsche Universität heute den Geburtstag Fritz Sterns feiern können, halte ich keineswegs für selbstverständlich. Aber es freut mich sehr, denn, um es mit den Worten des Dekans unserer Theologischen Fakultät, Manuel Vogel, zu sagen: „Die Universität ist eine Institution, die auf dem Begriff vom Ganzen beharrt, und daran festhält gegen alle notwendigen oder unvermeidlichen Prozesse der Ausdifferenzierung und Segmentierung.“12

In diesem Sinne wünsche ich uns anregende Gespräche und eine Veranstaltung, die uns allen im Gedächtnis bleiben wird.

12 E-Mail von Manuel Vogel an Walter Rosenthal zum Thema „Hinweis auf die ‚Lichtgedanken‘ als studentische Lektüre“, 12.12.2016. Herr Vogel zitiert hier einen Passus aus einer Semestereröffnungspredigt, die ein unbenannter Verfasser Herrn Vogel zur Verfügung gestellt hat.

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