Presseerklärung | Sonderschwerpunkt Fritz Bauer 1
Forschungsjournal Soziale Bewegungen Pressetexte zu Heft 4/2015
PRESSEERKLÄRUNG, Berlin, den 20. August 2015 50. Jahrestag des Urteils im Auschwitz-Prozess
Fritz Bauer
Menschenrechte als Herausforderung von Rechtspraxis und Rechtspolitik
Vorankündigung und Vorveröffentlichung
Forschungsjournal Soziale Bewegungen - erscheint im Dezember 2015 Verlag Lucius & Lucius, Stuttgart, http://forschungsjournal.de/
Sonderschwerpunkt Heft 4, mit Beiträgen unter anderem von:
Herta Däubler-Gmelin, Hartmut Hanauske, Stephan Jaeger, Werner Koep-Kerstin, Daniel Kothenschulte, Dietrich Kuhlbrodt, Heiko Maas, Kurt Nelhiebel, Erardo C. Rautenberg, Thomas Walther, Stephan Weil,
Rebecca Wittman, Irmtrud Wojak, Nobert Wolf
Vorab veröffentlicht werden hier der Beitrag von Kurt Nelhiebel („Offizielles Gedenken und politische Wirklichkeit“) sowie der 1964 erschienene Beitrag von Fritz Bauer („Nach den Wurzeln des Bösen
fragen“)
Heute vor 50 Jahren endete der erste Auschwitz-Prozess (1963–1965). Der von Generalsstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer initiierte Prozess führte den Deutschen und der Welt erstmals vor Augen, was
Auschwitz wirklich war – niemand kann das mehr leugnen.
Der Prozess war ein Wendepunkt in der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen. Ans Tageslicht kam die Ermordung von mehr als 1,2 Millionen Frauen, Männern und Kindern aus verschiedenen Nationen, von verfolgten Juden, Sinti und Roma, Behinderten, von Sozialdemokraten und
Kommunisten und von Homosexuellen. Erstmals berichteten Überlebende in großer Zahl vor einem deutschen Gericht über die Geschehnisse in dem Lager, über die unendlichen Demütigungen und Misshandlungen, die ihnen von den SS-Wachmannschaften zugefügt wurden.
Für Generalsstaatsanwalt Dr. Bauer aber bedeutete das Urteil auch das Ende seiner Hoffnungen, dass deutsche Gerichte in den Verfahren wegen KZ-Verbrechen doch noch zu einem gerechteren Urteil finden würden. Von den am Ende noch übrig gebliebenen 20 Angeklagten wurden – bei drei
Freisprüchen – die meisten nur wegen Beihilfe verurteilt. Sogar der stellvertretende Kommandant von Auschwitz, Robert Mulka, der an der Rampe von Auschwitz die Befehle gab, das Zyklon B für die Gaskammern zu holen, war für das Gericht bloß ein „Gehilfe“. Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen alle Angeklagten des Mordes beschuldigt.
Das Urteil im Auschwitz-Prozess markierte insofern einen Tiefpunkt der juristischen
Auseinandersetzung mit dem Massenmord und kam einer Verhöhnung der Opfer und Überlebenden
Presseerklärung | Sonderschwerpunkt Fritz Bauer 2
Forschungsjournal Soziale Bewegungen Pressetexte zu Heft 4/2015
nahe. Es ist daher unzutreffend, den Auschwitz-Prozess nachträglich als Ende der Verdrängung der NS- Geschichte zu deuten und in eine deutsche Erfolgsgeschichte einzureihen, die nach dem
Wirtschaftswunder nun auch ein „Vergangenheitsbewältigungswunder“ aufzuweisen hatte. Erst in jüngerer Zeit hat sich das Rechtsverständnis – das machen auch neuere Rechtsprechungen zu Auschwitz deutlich – teilweise im Sinne Bauers geändert.
Das Forschungsjournal Soziale Bewegungen publiziert aus Anlass des 50. Jahrestages des Auschwitz- Urteils vorab den 1964 in der Wochenzeitung „Die Tat“ erstmals erschienenen Beitrag von Fritz Bauer
„Nach den Wurzeln des Bösen fragen“ sowie eine Erinnerung des früheren stellv. Chefredakteurs der Zeitschrift, Kurt Nelhiebel, an den Auschwitz-Prozess „Offizielles Gedenken und politische Wirklichkeit“.
Der Sonderschwerpunkt zu Fritz Bauer erscheint Ende Dezember. Die Beiträge würdigen das Lebenswerk von Fritz Bauer, der als Sozialdemokrat KZ-Haft und Exil erleiden musste und dessen Todesumstände weiterhin ungeklärt sind. In einem ersten Teil wird die rechtspolitische Wirkung der von Bauer geführten oder initiierten großen Prozesse analysiert. In einem zweiten Teil wird die erinnerungspolitische Auseinandersetzung mit Fritz Bauer in Ausstellungen, Filmen und Büchern dargestellt.
In der Anlage zur Presseerklärung finden sich die Beiträge von Fritz Bauer und Kurt Nelhiebel, siehe auch: http://forschungsjournal.de/