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DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2011 | www.pta-aktuell.de

FORTBILDUNG DEPRESSIONEN

Depressionen sind mehr als nur Stimmungs-

schwankungen.

Aber wann haben Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit einen Krankheitswert?

Neuronales

Ungleichgewicht

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oder ob es einen regelrechten Sprung gibt, der normales psychisches Er- leben von psychischer Krankheit trennt. Unbestritten ist jedoch eines, eine Depression beeinträchtigt den ganzen Menschen – und zwar nicht nur in seiner Gestimmtheit und sei- nen Gefühlen, sondern auch in sei- nem Denken, seinem körperlichem Befinden und letztlich im Bezug zur eigenen Person und seinem Umfeld.

Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer Depression zu er- kranken, liegt für Männer bei 12 und für Frauen sogar bei 23 Prozent. Viele Depressionen treten phasenweise auf.

Eine solche depressive Phase entsteht meist innerhalb von Tagen bis Wo- chen und kann unbehandelt Monate oder auch Jahre anhalten. Bei einem Teil der Patienten tritt nach der ers- ten Phase keine weitere Depression auf, bei anderen rezidiviert die Er- krankung. Wieder andere befinden sich in einem dauerhaft depressiven Lebensgefühl. Die frühzeitige Diag- nose und eine adäquate Therapie sind bei der Depression sehr wichtig, denn die Erkrankung kann zu Zu- rückgezogenheit und Vereinsamung und damit zum sozialen Abstieg füh- ren. Noch dazu ist die Depression po- tenziell lebensbedrohlich, da sie nicht selten im Suizid endet.

Charakteristische Hauptsymp- tome Depressiv kranke Menschen leiden unter vielfältigen Beschwerden und bei weitem nicht jedem sieht man die Depression auf den ersten Blick an. Dennoch gibt es typische Symptome, die von Betroffenen im- mer wieder genannt werden. Zu den affektiven, also Stimmung und Ge- fühle betreffenden, und kognitiven Symptomen gehören depressive Herabgestimmtheit, Freud- und Ge- fühllosigkeit und häufiges Grübeln, aber auch Angstzustände und über- steigerte Befürchtungen, beispiels- weise vor dem Tag und seinen

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Anforderungen oder ganz allge- mein vor der Zukunft. Dazu kom- men häufig Selbstvorwürfe und Schuldgefühle wegen des Nichtkön- nens und Versagens. Manche De- pressive äußern auch den Wunsch nach Ruhe oder nach Davonlaufen oder haben gar Suizidideen. Die Lust- und Antriebslosigkeit und das Nichtkönnen werden zu den An- triebs- und psychomotorischen Störungengezählt. Daneben kennt man vegetative Symptome, wie rasche Erschöpfbarkeit und Vitali- tätsverlust, Müdigkeit und unzurei- chende Belastbarkeit, aber auch Li- bidostörungen und Appetitlosigkeit.

Ebenso kann der Schlaf beeinträch- tigt sein, was sich durch Ein- oder Durchschlafstörungen, aber auch als morgendliches Früherwachen oder einfach durch fehlende Erholung nach dem Schlaf äußern kann. Ty- pisch für eine Depression sind au- ßerdem das Morgentief, also die Herabgestimmtheit am Morgen, und die abendliche Aufhellung. Auch wenn das Symptombild sehr breit ist, gibt es bestimmte Symptome, die

üblicherweise nicht zur Depression gehören. So ist ein Depressionskran- ker in der Regel nicht bewusstseins- getrübt oder desorientiert, sondern bei klarem Bewusstsein, selbst in einer tiefen Depression. Üblicher- weise diagnostiziert man heute eine Depression oder depressive Episode, wenn über einen Zeitraum von min- destens zwei Wochen fünf der zen- tralen Symptome gleichzeitig auf- treten und dies zu einer Änderung

der vorher bestehenden Leistungs- fähigkeit führt. Unter diesen zentra- len Symptomen muss entweder die depressive Stimmung oder die Inte- resselosigkeit zu finden sein.

Endogene DepressionenEine De- pression kann nicht nur unterschied- lich stark ausgeprägt sein, man un- terscheidet auch verschiedene Er- krankungsformen. Zu den endoge- nen Depressionsformen gehören die unipolaren und bipolaren De- pressionen. Unipolar nennt man die Krankheit, wenn sie immer nur als Depression auftritt. Von bipolaren Erkrankungen spricht man dann, wenn neben den depressiven Phasen auch solche mit manischer Sympto- matik auftreten. In der Gruppe der endogenen Depressionen findet man am häufigsten die klassische Melan- cholie. Hier liegt das Vollbild des de- pressiven Syndroms mit durch- gehender affektiver Herabgestimmt- heit vor. Dazu kommt die fehlende oder mangelnde Reaktionsfähigkeit auf freudige Ereignisse und ein Ge- fühl der Gefühllosigkeit sowie häufig

Schuldgefühle und eine Selbstwert- problematik, die bis zum depressiven Wahn gesteigert sein kann. Darunter versteht man eine ausgeprägte Ein- engung im Denken, die durch äußere Faktoren nicht zu korrigieren ist. Der Patient empfindet sich nicht mehr als krank, sondern als schuldig und sün- dig. Bei einer depressiven Wahnsymp- tomatik ist eine stationäre psychiatri- sche Behandlung unbedingt erfor- derlich. Im vegetativen Bereich fallen

bei Patienten mit endogenen Depres- sionen unspezifische Leibgefühls- störungen, wie zum Beispiel Druck- gefühle im Kopf, aber auch tageszeit- liche Schwankungen, Appetit- und Gewichtsverlust sowie Schlafstörun- gen mit verkürztem, zerhacktem Schlaf und morgendlichem Früh- erwachen auf.

Das Grundgefühl des manischen Syndromsist das gehobene Lebens- gefühl, das mit einer heiter-eupho- rischen Gestimmtheit und einem enorm gesteigerten Selbstvertrauen bzw. mit Selbstüberschätzung bis hin zu wahnhaften Größenfantasien so- wie gesteigerter Unternehmungslust einhergeht. Körperlich fühlt sich ein manisch Erkrankter äußerst vital, bei sehr geringem Schlafbedürfnis, ge- steigerter Libido und überhöhtem Leistungs- und Kraftgefühl. Krank- heitseinsicht und Realitätskontrolle fehlen. Letzteres ist das größte Prob- lem der Manie, denn die Enthem- mung und der Verlust sozialer Regeln führen nicht selten zum Abbruch von Beziehungen und zur wirtschaft- lichen Gefährdung.

Charakteristisch für die endogene Depression ist ein Verlauf mit wie- derkehrenden unipolaren oder bipo- laren Zuständen. Die Zeitdauer einer depressiven Episode kann dabei sehr schwanken. Am häufigsten werden Zeiträume von vier bis sechs Mona- ten angegeben. Die Zahl der wieder- kehrenden Erkrankungsphasen ist bei manisch-depressiven Erkrankun- gen größer als bei unipolaren Stö- rungen.

Psychogene DepressionenHier besteht ein deutlicher Zusammen- hang zwischen einem nachweisbaren seelischen Anlass, also einem Aus- löser, und der depressiven Sympto- matik. Häufig ist dies schon für Au- ßenstehende offensichtlich. Man un- terscheidet die reaktive Depres- sion, die depressive Entwicklung sowie die neurotische Depression.

Die reaktive Depression ist vermut- lich die häufigste Form, die man in der Allgemeinbevölkerung findet. Sie tritt beispielsweise nach dem Tod Viele Menschen leiden an einer leichten Form der Depression, die jahreszeitlich

bedingt auftritt, vorzugsweise im Herbst und/oder im Frühling. Man vermutet, dass hier die Veränderungen des Tageslichtes einen Einfluss ausüben. Für die saisonale Verstimmung im Winter werden zu wenig Bewegung und ebenfalls weniger Tageslicht als Hauptursache angesehen. Bewegung an der frischen Luft, möglichst mindestens drei Mal wöchentlich, soll dagegen helfen. Eine moderate Ausdauerbelastung sorgt generell nicht nur für mehr Fitness und gesteigerte Abwehrkräfte, sondern auch für eine erhöhte Ausschüttung von Serotonin.

SAISONALE DEPRESSION

FORTBILDUNG DEPRESSIONEN

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eines Angehörigen, nach einem selbstverschuldeten Unfall oder nach einem Schwangerschaftsabbruch auf.

Auch reaktiv-depressive Verstim- mungen in Trennungssituationen oder nach der Mitteilung einer schlechten medizinischen Diagnose sind häufig. Manchmal bewirken diese Auslöser den Verlust des Le- benskonzeptes, beispielsweise wenn nach einer Krebsdiagnose oder in- folge längerer Arbeitslosigkeit der bisherige Lebensplan aufgegeben werden muss. Die depressive Ent- wicklung, die auch als Erschöp- fungsdepressionbezeichnet wird, entsteht unter einem chronischen affektiv-emotionalen Druck und äu- ßert sich zunächst meist durch soma- tische Beschwerden. So sind Rü- ckenschmerzen sehr oft die Folge von Dauerbelastungen. Dabei ist nicht körperlicher Stress der auslösende Faktor, sondern der chronische emo- tionale Druck. Dies kann ein jahre- lang anhaltender Beziehungskrieg sein oder eine chronisch schwierige Arbeitssituation. Die Betroffenen füh- len sich eingespannt zwischen Ehe- mann und Kindern oder Vorgesetz- ten und Kollegen und versuchen, es beiden Seiten recht zu machen. Dies liegt in ihrer Persönlichkeitsstruktur begründet. In den meisten Fällen trifft es Menschen, die nach Perfek- tionismus streben und für die Pflicht- erfüllung, Ordentlichkeit und Har- monie sehr wichtig sind. Die aus die- ser Situation resultierende depressive Entwicklung ist mit einem Gefühl von Resignation, Ohnmacht und Ausgeliefertsein verbunden und geht mit vegetativen Symptomen einher.

bensgeschichte erworbene neuroti- sche Problemlösungsstrategien und ein auslösendes Ereignis zugrunde.

Somatogene DepressionenDiese körperlich begründbaren Depressi- onsformen treten als psychische Be- gleitsymptome anderer Erkrankun- gen auf. Es besteht also ein direkter kausaler Zusammenhang mit einer körperlichen Krankheit, wobei es eine ganze Reihe von Erkrankungen gibt, die mit depressiver Symptoma- tik verbunden ist. Hierzu zählen neu- rologische Krankheiten, wie Demenz, Epilepsie, AIDS, Migräne, Multiple Sklerose, Hirntumoren, Morbus Par- kinson und zerebrale Durchblu- tungsstörungen, aber auch Schild- drüsenerkrankungen oder Morbus Cushing als endokrine Störungen.

Auch bestimmte Medikamente kön- nen depressionsauslösend wirken. So ist dies von einigen Bluthochdruck- mitteln, zum Beispiel Reserpin, Kor- tikosteroiden, älteren oralen Kontra- zeptiva, Antiepileptika, Neuroleptika, Hypnotika und Zytostatika bekannt.

Sogar chronisch konsumierter Alko- hol kann bei disponierten Menschen eine Depression auslösen.

Besondere Lebenslagen Häufig treten Depressionen erstmalig in be- stimmten Situationen auf. Am be- kanntesten ist wohl die Wochen- bettdepression. Sie beginnt meist in der ersten oder zweiten Woche nach der Entbindung. Hier spielt die körperlich-hormonelle Umstellung eine auslösende Rolle. Bei später auf- tretenden Depressionen gewinnen auch psychologische Faktoren an Be- deutung. Hier sind vor allem Über- forderung mit der neuen Situation und Beziehungsstörungen zu nen- nen. Klimakterische Depressio- nen treten erstmals im Rückbil- dungsalter auf. Bei der Frau beginnt das mit den Wechseljahren, beim Mann etwa zwischen dem

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sozialen und beruflichen Akti- vitäten fortzusetzen. Bei einer schweren Depression gelingt dies gar nicht mehr.

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50. und dem 65. Lebensjahr. Hier sind neben hormonellen Umstel- lungsprozessen häufig auch psycho- logische Veränderungen in der Part- nerbeziehung, zu den Kindern und in der eigenen Lebenskonzeption zu be- wältigen. Unabhängig von der Zu- ordnung zu endogenen oder reak- tiven Depressionsformen bezeichnet man Depressionen, die erstmals in höherem Lebensalter auftreten, als Altersdepression. Jeder siebte bis achte Mensch jenseits des 65. Le- bensjahres soll davon betroffen sein.

In Einrichtungen, wie Alters- und Pflegeheimen, soll der Anteil noch höher sein. Damit wäre nicht die Demenzerkrankung die häufigste psychische Störung in höherem Le- bensalter, sondern die Depression, die sich als Reaktion auf die Lebens- situation und häufig auch als lang- dauernde Trauerreaktion zeigt. Alte Menschen können ihre Einstellungen und ihre Lebenskonzepte weniger schnell ändern als junge. Sie müssen vom Vergangenen Abschied nehmen, auch von Wünschen und Fantasien, die sich nicht verwirklichen ließen.

Dazu kommt häufig die Abhängig- keit von der jüngeren Generation, manchmal auch das Gefühl des Ab- geschobenseins oder auch die reale Erfahrung der Vereinsamung. Bei alten Menschen ist die depressive He- rabgestimmtheit allerdings oftmals nicht so rasch zu spüren, denn die Generation der heutigen alten Men- schen hat vielfach noch gelernt, keine Gefühle zu zeigen. Bei ihnen werden eher Klagen über körperliche Be- schwerden (Jammerdepression) im Vordergrund stehen. Daher wird die Depression im Alter oftmals nicht er- kannt oder als vorzeitiger Hirnabbau diagnostiziert. Auch Depressionen im Kindes- und Jugendalterwei- sen einige Besonderheiten auf. Ältere Schulkinder und Jugendliche zeigen ein Bild, das dem Symptommuster im mittleren Lebensalter sehr ähnelt.

Hier stehen Grübeln, Suizidgedan- ken, Minderwertigkeitsgefühle, Be- drücktheit und Kopfdruck im Vor- dergrund, während bei jüngeren Schulkindern Reizbarkeit, Unsicher-

heit, Lernstörungen, gestörtes Spiel- uns Sozialverhalten und nächtliches Einnässen beobachtet wird.

Multifaktorielles GeschehenVie- le Bedingungen sind an der Entste- hung und Aufrechterhaltung einer depressiven Erkrankung beteiligt.

Wenn man von der Ätiologie einer Krankheit spricht, meint man die Faktoren, die die Grundvorausset- zungen für die Entstehung der Krankheit sind. Sind sie vorhanden, bedeutet dies allerdings noch nicht, dass der Mensch zwangsläufig krank werden muss. Er hat lediglich eine er- höhte Disposition, beim Auftreten zusätzlicher auslösender Faktoren zu erkranken. Auch für die Depression gibt es körperliche, seelische und soziale Bedingungen, die zur Dispo- sition führen. Eine Studie von 1987 zum familiär gehäuften Auftreten von depressiven Erkrankungen konnte zeigen, dass es tatsächlich eine fami- liäre Belastung gibt. Die Geschwister von unipolar, also nur depressiv Er- krankten tragen ein 13 bis 31 Prozent erhöhtes Risiko, selbst zu erkranken.

Bei bipolaren, also manisch-depres- siven Störungen, sind es 13 bis 53 Prozent. Eineiige Zwillinge haben ein Risiko von 70 Prozent. Dies macht deutlich, dass genetische Fakto- rendurchaus eine Rolle spielen. El- tern geben körperliche und vielleicht auch psychische Charakteristika an ihre Kinder weiter. Von großer Be- deutung sind natürlich auch psy- chologische Faktoren, im Wesent- lichen frühkindliche Erfahrungen, vor allem in der Beziehung zur Mut- ter oder anderen frühen Bezugsper- sonen. Frühkindliche Mangelerfah- rungen sind beispielsweise die unzu- reichende emotionale Förderung oder die mangelnde Anerkennung durch die Bezugsperson, aber auch schwere Versagenserlebnisse. Dies führt zum Gefühl des Nicht-geliebt- und Nicht-anerkannt-Werdens und kann die Grundlage des Selbstwert- problems sein, das bei vielen im spä- teren Leben depressiv erkrankten Menschen zu finden ist. Ein typischer Kompensationsmechanismus ist, das

geringe Selbstwertgefühl durch ent- sprechende Fremdwertschätzung aus- zugleichen. In unserer Gesellschaft anerkannte Mechanismen hierfür sind die extreme Leistungsanforde- rung an sich selbst im Sinne des

„Workoholics“, aber auch unnatürlich enge Liebesbeziehungen. Diese Me- chanismen sind noch keine Erkran- kung, sie bergen jedoch die Gefahr, in einer Depression zu münden

u FORTBILDUNG DEPRESSIONEN

PHYTOTHERAPIE

Erkrankungen, wie Unruhezustände und Schlafstörungen sowie Angstzustände und Depressionen mit leichtem Verlauf eignen sich auch für eine Therapie mit pflanzlichen Wirkstoffen.

Nicht indiziert ist die Phytotherapie bei akuten Krisen oder schweren Depressionen. Pflanzliche Sedativa sind Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse. Lavendel hat eine angstlösende Wir- kung, während Johannis- kraut antidepressiv wirkt.

Vom Johanniskraut weiß man, dass es ähnlich wie andere Antidepressiva die Wiederaufnahme der Neu- rotransmitter Noradrenalin, Serotonin und Dopamin hemmt. Darüber hinaus scheint es aber noch weitere Reaktionsmecha- nismen zu geben. Laven- del wirkt modulierend an den Synapsen der erre- genden Nerven und eignet sich besonders bei Angst- zuständen und innerer Unruhe. Bei beiden Phyto- pharmaka setzt die volle Wirkung erst nach etwa zwei Wochen ein, darauf sollten Sie Ihre Kunden hinweisen, ebenso auf mögliche Interaktionen von Johanniskraut mit anderen Arzneimitteln, wie zum Beispiel der Pille, und die erhöhte Lichtemp- findlichkeit.

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und sie kennzeichnen Menschen, die ein erhöhtes Risiko dafür tragen.

Neben diesem tiefenpsychologischen Modell zur Entstehung der erhöhten Depressionsneigung gibt es weitere spannende Ansätze, die auf psycho- logischer Ebene die Ursache für die Entstehung einer Depression erklä- ren. Interessant ist auch das Konzept der gelernten Hilflosigkeit, das die Depression als Folge man- gelnder Kontrolle ansieht. Da- nach entwickeln Menschen de- pressive Symptome, wenn sie die Nichtkontrollierbarkeit von Er- eignissen im Leben erwarten. Sie führen alles, was schief geht, auf sich selbst zurück und erwarten auch zukünftig nur selbst ver- schuldetes Negatives. So lassen sich vor allem Depressionen bei älteren Menschen erklären, die sich Umweltereignissen zuneh- mend hilflos ausgeliefert sehen.

Auch bei verwitweten Ehefrauen, die ihre bisherige positive Ver- stärkung über den nun verstorbe- nen Ehemann erhalten haben, lässt sich dieser Gedankengang anwenden. Fasst man die ver- schiedenen Konzepte zusammen, so lässt sich ein zur Depression neigender Mensch als übertrieben leistungsorientiert mit hohem Ideal-Ich-Bild, extrem normbezo- gen im Sinne von Angepasstheit und sich rasch einstellenden Schuld- und Schamgefühlen, aber auch als ganz stark beziehungsab- hängig beschreiben.

Besondere Bedeutung kommen den Neurotransmittern im zen- tralen Nervensystem als biologi- schen Faktoren zu. Am besten erforscht ist dabei die Rolle von Se- rotonin und Noradrenalin. Zahlrei- che Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Depressionskranken ein Mangel an diesen Neurotransmittern besteht. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass bei der Entstehung einer Depression sowohl genetisch- biologische als auch lebensgeschicht- lich-biografische Faktoren eine Rolle spielen. Sie führen zu einer erhöhten Krankheitsbereitschaft und, falls aus-

lösende Lebensereignisse dazukom- men, unter Umständen zum Aus- bruch der Depression.

Auslöser der Depression Von der psychologischen Seite gesehen sind die klassischen Auslöser der Zusam- menbruch der Kompensationsme- chanismen. Jede Form der erwar-

teten, angedrohten oder vollzogenen Trennung, jede Infragestellung der Fremdwertschätzung, beispielsweise Kritik an der eigenen Leistungsfähig- keit, aber auch der Unfähigkeit den überhöhten Leistungsnormen nach- zukommen, kann eine Depression auslösen. Vor kaum etwas haben de- pressiv Erkrankte mehr Angst als vor dem Herausfallen aus der Geborgen- heit oder vor dem Verlust der Fremd- achtung. Dies löst sofort Gefühle von

Hilflosigkeit und Ohnmacht aus.

Darum vermeiden Depressive häufig jegliche Kritik in Partnerschaften. Sie passen sich an, vermeiden auch am Arbeitsplatz Streit und nehmen statt- dessen beispielsweise lieber Über- stunden ohne Bezahlung in Kauf. Es spielen aber auch biologische Fakto- ren eine Rolle. So können Verände-

rungen im Hormonsystem, wie im Wochenbett oder während des Kli- makteriums, aber auch körperliche Erkrankungen der Beginn einer De- pression sein. Da mit diesem biologi- schen Auslöser meist auch eine psychische Bewertung verbunden ist, spielen in vielen Fällen beide Fakto- ren zusammen. So kennt man bei- spielsweise die Post-stroke-Depres- sion, die nach einem Schlaganfall auftritt. Die Depression ist hier die

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2011 | www.pta-aktuell.de 39 Folge der Auseinandersetzung mit

der Erkrankung und der Verände- rung des Lebensstils. Es sind also Veränderungen im Leben, Störungen des gewohnten Ordnungssystems, die zur Neuordnung zwingen, auf die zur Depressivität neigende Menschen mit der Auslösung der depressiven Symp- tomatik reagieren.

Wie in der SteinzeitDie Stressre- aktion ist die Antwort von Körper und Psyche auf Belastungen und Überbelastungen. Die Mechanismen der Stressreaktion wurden bereits vor Jahrtausenden geformt, um unsere Vorfahren bei der Lösung ihrer Prob- leme zu unterstützen. Fast immer er- forderte dies körperlichen Einsatz, nämlich Kampf oder Flucht. Entspre- chend werden in einer Stresssituation alle Mechanismen angekurbelt, die

die Energieversorgung der Muskula- tur steigern. Anders ausgedrückt: der Sympathikus wird aktiviert. Hierzu wird Adrenalin ausgeschüttet. Or- gansysteme, deren Funktion zur Kampf- oder Fluchtsituation keinen Beitrag leistet, wie das Immunsystem oder die Sexualorgane, werden dage- gen heruntergefahren. Auch auf der

Gefühlsebene entstehen Emotionen, die zu Kampf oder Flucht antreiben, nämlich Ärger, Wut, Hass, Furcht oder Angst. Sie können sich in der Stressreaktion aufschaukeln und zu einer Art Tunnelblick werden. Das Denken dreht sich nur noch um den Gefahrenmoment. Verhalten und Denken werden sprunghaft, hektisch und planlos. Scharfes analytisches Denken ist gar nicht mehr möglich.

Dieses Verhalten ist für die Probleme,

mit denen wir heute kämpfen, natür- lich absolut kontraproduktiv, aber unser Organismus funktioniert in Stresssituation noch immer wie bei unseren Vorfahren in der Steinzeit.

Ein gewisses Maß an Belastung und Stress ist durchaus nützlich und not- wendig, um unsere Kompetenzen zu entwickeln. Dieser gesunde Stress wird als „Eustress“ bezeichnet. Im Eustress ist man aktiviert und etwas angespannt, insgesamt überwiegen jedoch die positiven Gedanken, weil man davon aus- geht, die Herausforderung meis- tern zu können. Negativer Stress, auch „Dysstress“ genannt, ent- steht dann, wenn diese Zuversicht schwindet. Akuter, nicht allzu lang anhaltender Dysstress führt lediglich zu negativem Befinden und zu Leistungseinbußen. So- lange immer wieder Phasen mit ausreichender Entspannung und Erholung folgen, entsteht kein wirklicher gesundheitlicher Scha- den. Das ändert sich aber, wenn der Dysstress zum Dauerzustand wird. Jetzt ist nicht mehr nur Adrenalin für die Reaktionen ver- antwortlich, sondern auch das Stresshormon Kortisol. Während Adrenalin in Sekundenschnelle Effekte auslöst, bindet Kortisol zunächst an die Glukokortikoid- rezeptoren und verändert die Genexpression zur Produktion verschiedener Proteine. So hat es Einfluss auf den Stoffwechsel und eine Reihe von Körperfunktio- nen. Damit lassen sich die er- höhte Infektanfälligkeit, Schlaf- störungen, Diabetes, Herz-Kreis- lauf-Störungen und auch psy- chische Beschwerden erklären. Hinzu kommt jedoch noch etwas anderes.

Für den Körper ist eine geregelte Stressreaktion von größter Wichtig- keit. Wird das im Blut zirkulierende Adrenalin nicht abgebaut, weil wir auf heutige Probleme nur selten mit Flucht oder Kampf, also körperlicher Aktivität reagieren, versucht vor allem das Gehirn schnell wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Hier kommt nun Serotonin ins Spiel.

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Der Neurotransmitter ist durch Aktivierung bestimmter Hirnregio- nen an der Regulation der Wahrneh- mung beteiligt. Gelingt der Stress- abbau auf diesem Wege nicht, kommt der Mensch nicht zur Ruhe kommt, sondern lebt quasi im Dauerstress bzw. reagiert auf Herausforderungen mit einer unangemessenen Stress- reaktion. Langanhaltender Stress kann zu hormonellen und Neuro- transmitterstörungen führen und da- durch Auslöser für eine depressive Erkrankung sein. Dies gilt als erwie- sen. Neuere Erkenntnisse untermau- ern andererseits die These, dass auch

umgekehrt, die Depressionserkran- kung durch einen Serotoninmangel Schwierigkeiten bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben macht und daher leicht zu Stressmomenten und Situationen der Überforderung füh- ren kann.

Burn-out, Angst und Depression Die Erschöpfung, die unter chroni- schem Dysstress einsetzt, ist ein häu-

figer Weg in eine depressive Erkran- kung. Das Burn-out-Syndrom, also das Ausgebranntsein, ist ein solcher Zustand großer körperlicher, emotio- naler und geistiger Erschöpfung, der mit reduzierter Leistungsfähigkeit einhergeht. Häufig beginnen Berufs- wege mit Enthusiasmus und großem Engagement. Dann kommt es zu Ent- täuschungen, zu kräftezehrenden Kämpfen und dem Versuch, die Ideale doch noch zu erreichen. Ge- lingt dies nicht, folgt der Absturz in Dauerfrust, Zynismus und Apathie.

Bis zu einem gewissen Grad kennt wohl fast jeder solche Momente –

Routine, allmähliche Ausreizung aller Entwicklungsspielräume oder Überforderung. Kommen dazu nun noch die bereits genannten Persön- lichkeitszüge als Disposition, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Abwärtsspirale eines Burn- outs mit Krankheitswert in Gang kommt. Einen fortgeschrittenen Burn-out-Prozess kann man als eine Untergruppe der depressiven Erkran-

kungen, nämlich als Erschöpfungs- depression betrachten.

So ziemlich alle Empfindungen, die im Zusammenhang mit Angst- störungenauftreten, sind ebenfalls Momente des Dysstressgeschehens.

Auch Angst ist ein Gefühl, dass das menschliche Verhalten steuert, um sich auf eine Gefahr einzustellen und Unheil abzuwenden. Wenn die Angst in Relation zur tatsächlichen Ursache viel zu intensiv ausfällt, wie bei der Phobie, in Bezug auf irreale Ursachen entsteht, wie bei der generalisierten Angststörung oder ohne jede erkenn- bare äußere Ursache auftritt, wie die Panikstörung, dann wird die normale Stressempfindung Angst zur Angst- erkrankung. Auch bei Angststörun- gen wird die Rolle verschiedener Neurotransmitter diskutiert. Die in- hibitorisch wirkende Gamma-Ami- no-Buttersäure (GABA) wird am häufigsten damit in Verbindung ge- bracht. Aber auch Serotonin ist an der Angstmodulation beteiligt.

TherapieDa die Auslöser einer de- pressiven Erkrankung fast immer be- lastende Veränderungen zwischen- menschlicher Beziehungen sind, ist das Mittel der ersten Wahl die Psy- chotherapie bei einem erfahrenen Therapeuten. Eine gute Psychothera- pie kann das Risiko eines neuen Schubs senken. Bei entsprechender Schwere der Erkrankung kommt eine medikamentöse Behandlung dazu.

Bei der biologischen Hypothese der Depressionsentstehung stehen, wie erwähnt, bestimmte Neurotransmit- ter, nämlich Noradrenalin und Sero- tonin, im Fokus. Sie dienen der Übertragung eines Nervenreizes von einer Nervenzelle zu nächsten, also von der Präsynapse zur Postsynapse.

Hier befindet sich der synaptische Spalt, in den die Neurotransmitter bei einem ankommenden Reiz von der Präsynapse ausgeschüttet wer- den, um sich dann an der postsynap- tischen Membran an speziellen Re- zeptoren anzulagern und dort wie- derum einen Reiz auszulösen, der dann elektrisch weitergeleitet wird.

Sofort danach wird, als Schutz

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Langanhaltender Stress kann zu hormonellen und Neurotransmitterstörungen führen und dadurch Auslöser für eine depressive Erkrankung sein.

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42 DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2011 | www.pta-aktuell.de

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vor Übererregung, ein Teil der Neurotransmittermoleküle von der Präsynapse wieder aufgenommen (Reuptake) und gleichzeitig der en- zymatische Abbau der Neurotrans- mitter durch die Monoaminoxidase (MAO) eingeleitet. Ein Mangel an Neurotransmitter führt zu einer Stö- rung der Erregungsübertragung und ist, wie man heute weiß, an der De- pression beteiligt. Es gibt zwei Wege, den Mangel zu beseitigen. Man kann entweder durch eine Hemmung der Wiederaufnahme oder durch Blo- ckade der MAO die Konzentration an Serotonin bzw. Noradrenalin erhö- hen.

Antidepressiva werden nach ihrer chemischen Struktur in trizyklische und tetrazyklische sowie Serotonin- Wiederaufnahmehemmer, Monoa- minoxidase-Hemmer (MAO-Hem- mer) und einige weitere eingeteilt.

Die ältesten antidepressiv wirksamen Substanzen sind die trizyklischen Antidepressiva. Imipramin wurde bereits Ende der 1950er-Jahre als Nebenprodukt bei der Herstellung eines Neuroleptikums entdeckt. Die Substanz wurde dann vielfach abge- wandelt, es entstanden unter ande- rem Amitriptylin, Trimipramin, Clo- mipramin und Doxepin. Sie alle hemmen unselektiv die Wiederauf- nahme von Noradrenalin und Sero- tonin. In der Folgezeit wurden tetrazyklische Antidepressiva, wie

Maprotilin und Mianserin, entwi- ckelt. Es sind Wiederaufnahmehem- mer des Noradrenalins. Bereits kurze Zeit nach der Entdeckung des Imi- pramins wurde der erste MAO-Hem- mer gefunden, das Tranylcypromin.

Es wird heute wegen des hohen Ne- benwirkungsrisikos und der Wech-

selwirkungen nur noch selten ein- gesetzt. Mirtazapin, ein sedierend- anxiolytisches Antidepressivum wirkt serotonerg und noradrenerg. Dulo- xetin und Venlafaxin wirken dagegen hauptsächlich über das Noradrenalin und daher aktivierend, ähnlich wirkt Reboxetin. Bupropion wirkt zusätz- lich auf den Neurotransmitter Dopa- min. Einen anderen Mechanismus hat Agomelatin, das seit zwei Jahren in Deutschland zugelassen ist. Es ist ein Agonist an den Melatonin- und

den Serotonin-Rezeptoren. Am häu- figsten verwendet werden jedoch zurzeit jene Substanzen, die aus- schließlich die Wiederaufnahme von Serotonin hemmen, weshalb sie als selektive Serotonin-Reuptake-Inhi- bitoren (SSRI) bezeichnet werden.

Auf dem deutschen Markt sind mo- mentan Fluvoxamin, Fluoxetin, Pa- roxetin, Citalopram und Sertralin verfügbar. Anders als bei den tri- und tetrazyklischen Antidepressiva gibt es hier kaum Nebenwirkungen auf Herz- und Kreislauf. Werden SSRI zusammen mit Migränemitteln aus

der Gruppe der Triptane genommen, kann es wegen der serotoninähnli- chen Wirkung der Triptane zum le- bensgefährlichen Serotoninsyndrom kommen. Es äußert sich durch Un- ruhe, Wahnvorstellungen, Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.

Die Bedeutung von Tranquilizern, wie den Benzodiazepinen, ist in der Behandlung der Depression stark zu- rückgegangen. Sie dienen nur noch zur kurzfristigen Herbeiführung von Entspannung und Schlaf, um die

Latenzzeit bis zur Wirkung der Anti- depressiva zu überbrücken.

Da vor allem die endogenen Depres- sionen mehrfach im Leben auftreten können, kann in diesen Fällen zur Rezidivprophylaxe nach der Akut- therapie Lithium, Lamotrigin, Val-

proinsäure oder Carbamazepin ver- ordnet werden. Lithium dient auch zur Behandlung manischer Phasen, die anderen Wirkstoffe sind als An- tiepileptika bekannt.

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Sabine Bender, Apothekerin, Redaktion

FORTBILDUNG DEPRESSIONEN

»Depression, Burn-out und Angststörungen sind eng miteinander verbunden.«

Alle Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend (antidepressiv, thymo- leptisch). Manche dämpfen anfangs und sind angstlösend (anxiolytisch), andere aktivieren und steigern den Antrieb. Die Sedierung und damit die Besserung von Schlafstörungen und Unruhe treten rasch ein, die stim- mungsaufhellende Wirkung benötigt zwei bis drei Wochen. Antidepres- siva müssen einschleichend dosiert, außerdem ausreichend hoch sowie lange genug eingenommen werden (in der Regel vier bis sechs Monate zur Akutbehandlung und weitere sechs Monate zur Rückfallprophylaxe).

EIGENSCHAFTEN VON ANTIDEPRESSIVA

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