_________________________________________________________________________________________________________________
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Verantwortlich: Claus Matecki, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Kontakt: carina.ortmann@dgb.de Abonnement für „klartext“ und „standpunkt“ unter: http://www.dgb.de/service/newsletter
Nr. 22/2013 06. Juni 2013
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Sozial gerechte Wohnungspolitik jetzt!
Da bleibt kein Stein auf dem anderen: In Sachen Woh- nungspolitik scheinen sich die Parteien in Vorwahl- kampfzeiten gegenseitig überbieten zu wollen. Plötzlich hat auch die Bundeskanzlerin – zum Leidwesen ihres Koalitionspartners FDP – ihr Herz für die Mieter ent- deckt und plädiert wie vorher schon die SPD für eine Wiedervermietungs-Bremse. Kein Wunder, die Mieter- Innen sind eine große und an diesem Thema interessier- te Wählergruppe, denn in Deutschland leben über die Hälfte der Menschen zur Miete und bringen dafür z.T.
deutlich mehr als ein Drittel ihres Einkommens auf.
Wohnen macht viele arm: Gerade hat das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) herausgefunden, dass besonders in Regionen mit hohem Mietniveau viel mehr Menschen Anspruch auf ergänzendes Hartz IV hätten, als sie tatsächlich geltend machen. So müsste in Mün- chen der Stundenlohn in einem Single-Haushalt bei 9,66 Euro liegen, um nicht schlechter gestellt zu sein als ein Hartz IV-Haushalt, dessen Wohnungskosten vom Jobcenter anerkannt werden. Doch etliche Beschäftigte erhalten ein geringeres Salär, gehen aber aus Unkennt- nis oder Scham nicht zum Amt. Die Mietpreisspirale schraubt sich gerade in Großstädten immer schneller nach oben – besonders in Berlin. Mit einem Plus von über 40 Prozent (!) in fünf Jahren fiel hier der Anstieg bei Wiedervermietung bundesweit am stärksten aus.
Nicht nur die Nettomiete steigt und steigt. Hinzu kommt noch die so genannte 2. Miete – die rasant steigenden Kosten für Energie. Und die nun anstehenden energeti- schen Sanierungen werden überwiegend den MieterIn- nen aufgebürdet – bis zu 11 Prozent der Modernisie- rungskosten darf der Vermieter auf die Jahresmiete aufschlagen. Das führt zu Mietpreissprüngen, die sich durch die Heizkostenersparnis erst nach Jahrzehnten amortisieren – wenn überhaupt. Sogar das Mietminde- rungsrecht während der Bauarbeiten hat Schwarz-Gelb
zusammengestutzt. Kurzum: Es braucht eine sozial gerechte Wohnungspolitik, gut koordiniert zwischen Bund, Land und Kommune. Der Bund muss den Ländern deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen, um den Neu- baubedarf bei Sozialwohnungen mitzufinanzieren. Dar- über hinaus muss die Umwandlung von leerstehenden Büro- und Gewerbeflächen in Wohnraum erleichtert werden. Es muss zudem alles daran gesetzt werden, dass noch bezahlbare Mietwohnungen nicht durch Luxussanierungen oder Zweckentfremdung als Ferien- wohnung gefährdet werden. Dafür sind städtische Wohnungsunternehmen und Genossenschaften – also nachhaltig und nicht profitorientiert wirtschaftende Sektoren – zu stärken. Dabei sollten besonders alters- gerechte und barrierefreie Wohnungen öffentlich geför- dert werden. Und natürlich braucht es Mietobergrenzen bei Wiedervermietungen. Die Obergrenze sollte bei max. 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, da es nicht länger geduldet werden kann, dass Vermieter bei Wiedervermietungen völlig losgelöst von ortsüblichen Vergleichsmieten Phantasiepreise verlan- gen können. Wohnen gehört zur öffentlichen Daseins- vorsorge. Damit auch Durchschnitts- und Geringverdie- ner bezahlbaren Wohnraum erhalten können, muss ein handlungsfähiger Staat aktiv eingreifen und die nötige Rahmengesetzgebung schaffen.
Mietentwicklung und -preise in ausgewählten Großstädten -1.Q. 2013 -
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
Berlin Düsseldorf Stuttgart München Hamburg Frankfurt am
Main
in Prozent
0 2 4 6 8 10 12 14 16
in Euro
Veränderung seit 2008 (linke Skala) Miete pro qm (rechte Skala)
Anm.: P reise von 2008 basieren auf anderer Datengrundlage Quelle: empirica; eigene Berechnungen.