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Info Daf Heft 6 Dezember 1998

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in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache

Nr. 6

25. Jahrgang

Dezember 1998

Inhalt

Artikel Sabine Horst

Faktoren der Lernzielbestimmung für fachsprachlich orientierte Seminare Deutsch als Fremdsprache an australischen

Universitä-ten 663

DaF im Ausland Hansgeorg Schmidt-Bergmann

Deutschstudium in der Slowakischen Republik. Traditionen und Tendenzen der Germanistik am Beispiel der

Comenius-Universi-tät Bratislava 672

Birgit Maria Fuchs

Über die Motivation tschechischer Studentinnen und Studenten, Deutsch bzw. Germanistik zu studieren. Eine Beispielstudie an der nordböhmischen Universität J.E. Purkyne in Ústí nad Labem 679 Zhao Dengrong

Chinesische Germanistik nach der Erstellung neuer Curricula 685

Didaktik DaF /

Aus der Praxis Stefan Schäfer und Martin SiegelTextkonzeption und Wissenschaftsspracherwerb 695

Cornelis Tuk

»Meine Heimat ist die Fremde meines Vaters, die Fremde meines Vaters ist meine Heimat«. Gedichte türkischer Migranten im

DaF-Unterricht 702

Hartmut Schönherr

Kulturelle Verbindungsarbeit und Netzgebrauch – von der Nütz-lichkeit des Internets als Informantensystem 712 Gabriele Müller

Literarische Texte lesen oder Texte literarisch lesen? 727 (Fortsetzung umseitig)

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Rezensionen »Für Sie gelesen« – Nachträge zur Kommentierten

Auswahlbi-bliographie 1998 738

Tagungsankündigung 3. Grazer Tagung Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache, 11./12. Juni 1999 in Graz 761

Über die Autoren 762

Abstracts 764

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Faktoren der Lernzielbestimmung für

fachsprach-lich orientierte Seminare Deutsch als

Fremdspra-che an australisFremdspra-chen Universitäten

1

Sabine Horst

Die Diskussion um fachsprachlich orien-tierte Seminare Deutsch als Fremdspra-che ist in ein breiteres Umfeld einzuord-nen, da entsprechende Angebote meist nicht den jeweiligen Fachdisziplinen zu-geordnet sind, sondern den Sektionen oder Bereichen der Universitäten, in de-nen Deutsch angeboten wird. Daher wer-den zunächst einige allgemeine bzw. übergreifende Überlegungen angestellt, die den Kontext und die Rahmenbedin-gungen der spezifischen Ausrichtung be-treffen.

Die Beschäftigung mit der Relevanz der Disziplin Deutsch als Fremdsprache an diversen Bildungsinstitutionen in unter-schiedlichen Ländern ist weit verbreitet, was zum Teil auf eine sich verändernde Nachfrage zurückzuführen ist, aber auch an – pauschal gesagt – den immer knap-per werdenden finanziellen Mitteln liegt, die zur Förderung von Sprache und Kul-tur zur Verfügung gestellt werden. Immer wieder taucht in diesem Zusam-menhang die Frage nach der Bedeutung eines – wie auch immer strukturierten – Faches Deutsch bzw. eines Fächerange-bots über deutsche Landeskunde und Kultur für das jeweilige Ausgangsland und damit einhergehend der

Legitima-tion dieses Angebots auf. Die Faktoren, die bei der Beantwortung einer solch allgemein formulierten Frage eine Rolle spielen, sind sehr vielfältig und abhängig von Bereichen wie gesellschaftlichen, hi-storischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes und der Beziehung zwischen Ausgangs- und Zielland bezo-gen auf diese Aspekte. Dadurch ergibt sich eine international sehr unterschiedli-che Situation mit dem Resultat, daß die für den einen kulturellen Kontext gülti-gen Argumentationen nicht ohne weite-res auf einen anderen zu übertragen sind. An australischen Universitäten sind die Zahlen der Deutsch Studierenden schwankend mit einer insgesamt sinken-den Tensinken-denz, wobei an einigen Universi-täten drastischere Rückgänge zu ver-zeichnen sind, während an anderen die Einschreibezahlen relativ stabil gehalten bzw. eventuell sogar erhöht werden kön-nen. Bei derartigen Entwicklungen stellt sich unmittelbar die Frage nach den Gründen, zu deren genauerer Untersu-chung hier einige Denkanstöße geliefert werden sollen.

Nicht nur Universitätsdepartments mit Deutsch als Angebot, sondern auch

ande-1 Der Beitrag ist die veränderte Fassung eines Vortrages, der im Rahmen der Konferenz »Deutsch unter Druck« in Sidney im September 1996 an der University of South Wales gehalten wurde.

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re europäische Sprachen erfahren derzeit in Australien drastische Kürzungen. »Re-think and restructure« sind die in diesem Zusammenhang oft zitierten Forderun-gen, die so allgemein formuliert alle mög-lichen Ansätze für eine Herangehenswei-se offen lasHerangehenswei-sen.

Einerseits ist hier die Frage nach der Bedeutung der deutschen Sprache und Kultur für den australischen Kontext ge-nauer zu untersuchen, aber weiterfüh-rend sollten auch der Aufwand der Ver-mittlung und die entsprechenden Resul-tate in Hinblick auf eine spätere Umsetz-barkeit kritisch hinterfragt werden, da-mit gesichert wird, daß auch tatsächlich ein bedarfsorientiertes Angebot geschaf-fen werden kann. Das impliziert eine intensivere Betrachtung der vermittelten Inhalte sowohl im Sprachunterricht als auch bezogen auf das, was im weiteren Sinne unter Kulturvermittlung zusam-mengefaßt wird und deren Aktualität in bezug auf Deutschland. Mit anderen Worten wäre zu untersuchen, ob die in Vorankündigungen geweckten Erwar-tungen des Lerners an den Fremdspra-chenunterricht z. B. in bezug auf die Ver-mittlung bestimmter Kompetenzen oder landeskundlicher Inhalte auch erfüllt werden.

So simpel die Lösung dieses Problems und der Auftrag »to restructure« erschei-nen mag, umso schwieriger stellt sich das in der praktischen Umsetzung auf-grund seiner Komplexität dar, hängt doch alleine schon die Feststellung eines Bedarfs von sich verändernden Faktoren wie z. B. (sprach-) politischem Auftrag und systemgebundener Bildungspolitik ab.

Aus der Perspektive der Wirtschaft be-trachtet sprechen für die Bedeutung der deutschen Sprache z. B. aktuelle Ent-wicklungen wie der Zusammenschluß der Europäischen Union und Deutsch-lands Rolle in der EU, wachsende

Inve-stitionen deutscher Unternehmen in Au-stralien, allgemeine Internationalisie-rungsprozesse etc., die Fremdsprachen-kenntnisse und die Beschäftigung mit anderen Kulturen unumgänglich ma-chen.

Es müssen demnach viele Faktoren ein-bezogen werden, um eine sinnvolle Ver-tretung von Deutsch als Fremdsprache im australischen Kontext zu untersuchen und ein entsprechendes Profil aufzubau-en.

Ein erfolgreicher Versuch, ein bedarfso-rientiertes und praxisbezogenes Ange-bot in der Fremdsprache Deutsch an Universitäten zu schaffen, war die Ein-führung des Studienfachs Wirtschafts-deutsch an der University of Queens-land im Jahre 1992. Seitdem hat sich dieses bislang in Australien immer noch einzigartige, viersemestrige Programm, das Studierenden ermöglicht, Wirt-schaftsdeutsch als Hauptfach zu bele-gen, bewährt und etabliert. Studierende rekrutieren sich mehr und mehr aus an-deren, meist wirtschaftsorientierten Fä-chern und Berufstätigen, die das Fach als Aufbaustudium belegen, die – ohne die-se fachbezogene Ausrichtung – nicht Deutsch studiert hätten. Der Erfolg die-ses Pogramms liegt in der Praxisorientie-rung der Inhalte, der kommunikativ-interaktiven Unterrichtsmethode, der Möglichkeit, während des Studiums für drei Monate ein Seminar und Praktikum in Deutschland zu absolvieren und Aus-tauschprogrammen im Rahmen einer Hochschulkooperation für ein Studium in Deutschland. Die enge Verbindung zwischen Universität und Wirtschafts-welt, durch zahlreiche Veranstaltungen von Vertretern beider Bereiche gemein-sam organisiert, ermöglicht den Studie-renden, einen unmittelbaren Bezug zwi-schen Theorie und Praxis herzustellen. Dieser Praxisbezug erfordert eine genaue Bestimmung relevanter Lerninhalte.

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1. Allgemeine Grundüberlegungen für Lernzielbestimmungen im Deutsch als Fremdsprachenunterricht bezogen auf Universitäten in Australien

Die Prämisse, daß Lernzielbestimmun-gen für den fremd- bzw. fachsprachlichen Unterricht u. a. abhängig sein müssen von:

– der jeweiligen Zielgruppe

– dem Bildungsanspruch bzw. -auftrag des zugrundeliegenden Systems – der jeweiligen Institution(-en), die in

dieses System eingebunden ist (sind) – dem späteren Handlungsrahmen ist schon lange allgemein in Fachkreisen anerkannt.

An der Ausarbeitung verschiedener Cur-ricula als Gerüst des fremdsprachlichen Unterrichts, der Erstellung bzw. der Aus-wahl konkreter Lehrmaterialien und Tex-te – auch im universitären Rahmen – und auch an der methodisch-didaktischen Umsetzung zeigt sich jedoch, daß die Interpretation dieses oben beschriebenen Anspruchs durchaus andersartig erfol-gen kann. Unterschiede zeierfol-gen sich auch in der Definition und Bestimmung der durchaus sehr heterogenen Zielgruppen und ihren Bedürfnissen. Zwar liegen Un-tersuchungen zu Zielgruppen für den Deutschunterricht bezogen auf Australi-en vor, jedoch gibt es unter diesAustrali-en keine durchgängige Systematik, und sie wur-den meist nur auf einzelne Gruppen be-zogen durchgeführt. So obliegt es den meisten Institutionen wie Universitäten, überwiegend auf Intuition und Erfah-rung beruhend Prognosen über einen entsprechenden Bedarf abzuleiten. Diese Einschätzungen – wie auch nicht anders zu erwarten – variieren daher sehr stark. In bezug auf fachsprachlich orientierte Kurse bzw. fremdsprachlichen Unterricht spielt der Anwendungsbezug eine beson-ders wichtige Rolle. Obwohl für beide Bereiche gültig, stellt sich dieser Aspekt für allgemeinsprachliche Kurse in einer

anderen Dimension dar als für fach-sprachlich ausgerichtete Kurse.

Für einige wissenschaftliche Fachberei-che bzw. Disziplinen reicht unter Um-ständen für den fremdsprachlichen Ziel-kontext oder -handlungsrahmen eine schwerpunktmäßig rezeptive Fähigkeit. Das ist z. B. dann der Fall, wenn der Fremdsprachenlerner befähigt werden soll, Fachliteratur zu bearbeiten. Hier wird deutlich, daß die Motivation, aus der die Sprache heraus gelernt wird, und der spätere – wenn auch teilweise nur hypothetisch anzunehmende – Anwen-dungsrahmen gezielte Vorgaben bietet.

2. Zur Relevanz wirtschaftssprachlich ausgerichteter Kurse im Rahmen der German Studies im australischen Kon-text

Der Titel »Deutsch unter Druck« einer in Sydney durchgeführten Konferenz im September 1996 signalisiert, daß ein Handlungsbedarf besteht, der auf die eingangs beschriebene Situation zurück-zuführen ist. Von einer Institution alleine kann jedoch dies nicht angegangen wer-den, vor allem, da Entscheidungen schon lange nicht mehr »hausintern«, sondern auf sprachenpolitischer Ebene und zwar bundesweit getroffen und Maßnahmen ergriffen werden, die sich auf die indivi-duellen Institutionen nachhaltig auswir-ken. Ein Dialog zwischen verschiedenen Vertretern der Disziplin bzw. der Bil-dungsinstitutionen, die an der Kultur- und Spracharbeit beteiligt sind, wäre not-wendig, ist bislang aber über Ansätze zu Kooperationen nicht hinausgekommen. Die Koordination verschiedener Pro-gramme und die Abstimmung ihrer In-halte aufeinander könnte eine Einschrän-kung der Autonomie der einzelnen Insti-tutionen mit sich bringen, so wird be-fürchtet, ein Resultat, was sich z. B. mit dem Prinzip der »akademischen Frei-heit« nicht gut vereinbaren läßt.

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In der Sprachenpolitik ist in Australien immer noch vor allem ein Trend zugun-sten asiatischer Sprachen und weniger zur Förderung europäischer zu verzeichnen. Ohne Zweifel sind asiatische Sprachen für den australischen Kontext von großer Be-deutung, und entsprechender Bedarf ist in einem übergreifenderen Rahmen – poli-tisch, historisch, wirtschaftlich etc. – leicht nachzuvollziehen. Neben pragmatischen Erwägungen wie der spätere Nutzen der Sprachkenntnisse etc. spielen hier aber auch noch andere Faktoren, wie z. B. die Definition einer australischen, nationalen Identität, eine wichtige Rolle. Seit dies in Australien in den siebziger Jahren auf politischer Ebene beschlossen wurde, ist diese Identität sehr eng mit dem Begriff Multikulturalität verbunden, ein Konzept, das sicherlich nicht nur, aber auch auf-grund der geographischen Lage Australi-ens völlig anders zu verstehen und inter-pretieren ist als z. B. im europäischen Kon-text. Alleine die immer noch diskutierte und umstrittene Notwendigkeit und Be-deutung, Fremdsprachen zu erlernen, ver-deutlicht die unterschiedliche Umgehens-weise mit dem oben genannten Konzept. Das Thema der Relevanz unterschiedli-cher Sprachen für ein Land wie Australi-en wäre unter hohem Zeitaufwand zu vertiefen, wichtig wäre hier eine fundier-te Analyse verschiedener Aspekfundier-te wie, um nur einige Beispiele zu nennen, neben der Bedeutung der einzelnen Sprachen auch der Aufwand, mit dem verschiede-ne Stufen der Sprachkompetenz erlernt werden (können), in Relation zu dem für Sprachunterricht und -ausbildung zur Verfügung stehenden Stundenumfang an Schulen und Universitäten, die Förde-rung durch die Kulturpolitik der jeweili-gen Zielsprachenländer und deren Aus-wirkungen auf Popularität bzw. Sprach-politik etc. Hierfür müßten in einem um-fangreichen Projekt geeignete Kriterien

erarbeitet werden, nach denen eine sol-che Einschätzung möglich wird.

Sicherlich spielt auch die gesamtwirt-schaftliche Situation eines Landes eine gro-ße Rolle, die sich letztendlich wiederum auf die Budgets der Universitäten und einzelnen Departments auswirkt. Dies zeigt sich gerade deutlich an den Hoch-schulen in Australien, die derzeit umstruk-turiert werden. An der University of Queensland hatte dies zur Folge, daß eine komplette Neueinteilung und zum Teil Neubenennung der verschiedenen Fakul-täten vorgenommen wurde und auch Ab-teilungen im geisteswissenschaftlichen Be-reich sich mehr und mehr zu einer Art Profit Center entwickeln. Eine Konsequenz dieser Orientierung besteht darin, daß auch für geisteswissenschaftliche Fächer mehr Drittmittel angezogen werden müs-sen und z. B. im Deutschdepartment mehr Angebote auf englisch geschaffen werden sollen, damit Fächer interdisziplinär ange-boten und die potentielle Klientel somit vergrößert werden können. Mit solchen Maßnahmen einher geht eine völlige Um-bestimmung der Studieninhalte und -aus-richtung und schließlich eine Neudefinie-rung einer ganzen Disziplin.

An diesem Punkt stellen sich folgende Fragen:

– Steht die Relevanz der deutschen Spra-che und Kultur in Relation zur aktuel-len und sich entwickelnden Repräsen-tation des Fachs u. a. an den Universi-täten?

Und daraus resultierend:

– Wie läßt sich eine solche Relevanz überhaupt bemessen? Kann es hierfür allgemeingültige Kriterien geben, die unter Umständen auch auf andere Sprachen übertragbar wären?

– Inwieweit entspricht das Angebot an Deutsch als Fremdsprache an den ver-schiedenen Institutionen und speziell an den Universitäten den tatsächlichen Bedürfnissen und Erwartungen der

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an-visierten und erreichten Zielgruppe bzw. den Anforderungen in Hinblick auf spätere potentielle Anwendungs-gebiete?

Wie also läßt sich die Bedeutung einer Sprache näher bestimmen?

Rösler (1993) kommt in Anlehnung an Coulmas (1993) und Ammon (1991) zur Aufzählung verschiedener Aspekte, nach denen sich der sogenannte »ökonomi-sche« Wert einer Sprache bestimmt (Rösler 1993: 41). Der Begriff »ökonomisch« wird hier so verstanden, daß das Angebot einer Sprache wie Deutsch in irgendeiner Art einen gesellschaftlichen Wert haben müs-se. Dieser »gesellschaftliche Wert« ist si-cherlich international bzw. kulturell sehr unterschiedlich definiert. Er solle in Rela-tion stehen zu den Kosten, die das Ange-bot entsprechender Sprache verursacht. Genau diese Überlegungen entsprechen den derzeitigen Diskussionen an den au-stralischen Universitäten. Umstrukturie-rungsmaßnahmen allgemein deuten sehr darauf hin, daß diese Wert-Kosten-Rela-tion in der gesamtuniversitären Politik sehr ausschlaggebend geworden ist, wo-bei hier der Wert-Aspekt mehr und mehr materiell im Sinne von Profit interpretiert wird.1 Aber gerade hier besteht dann der Druck auf »Deutsch« in der Aufgabe, die Legitimierung einer Disziplin unter Be-zug auf ihren gesellschaftlichen Wert zu propagieren und gegebenenfalls zu ver-teidigen.

Rösler kommt in seiner Reflexion über die Bedeutung des Deutschen als interna-tionale Sprache unter Bezug auf oben genannte Quellen zu folgenden Überle-gungen.

»Entscheidet die Zahl der Sprecher einer Sprache? […] Liegt es an der Häufigkeit der Verwendung einer Sprache als staatlicher Amtssprache? […] Fällt die Zahl der Län-der, in der eine Sprache die einer Minder-heit ist, ins Gewicht? Wie bedeutsam ist die Verwendung einer Sprache in internationa-len, politischen Verhandlungen, in wirt-schaftlichen Transaktionen, in diplomati-schen Kreisen, in EU und UNO, in wissen-schaftlichen Publikationen, auf Kongressen, im Tourismus für ihre internationale Stel-lung? […] Welchen Beitrag leisten politische Versuche, zur Verbreitung der Sprache bei-zutragen, zu ihrer internationalen Stellung, welchen missionarischen Aktivitäten? Es gibt, so zeigen die aufgeworfenen Fragen, kein alleiniges Kriterium für die Bedeutung einer Sprache für die internationale Kom-munikation, sondern ein Bündel von Krite-rien, auf unterschiedlichen Ebenen, so daß Vergleichbarkeit kaum möglich ist.« (Rösler 1993: 43)

Neben den oben genannten Faktoren spielen auch Maßnahmen zur Verbrei-tung der Sprache eine bedeutende Rolle, die u. a. Fonds zur Förderung von Kultu-rinstitutionen und Auslandsvertretun-gen im allgemeinen und deren Ausstat-tung inkludieren.

Untersuchungen haben bestätigt – so Rösler –, daß Deutsch zu den zehn, in manchen Fällen sogar fünf bedeutend-sten internationalen Sprachen zähle. Ohne Zweifel stellt die wirtschaftliche Be-deutung Deutschlands vor allem in be-zug auf die Entwicklungen in der EU eine wichtige Antriebsfeder in der Motivation zum Deutschlernen dar, was einen gro-ßen Einfluß auf Lernzielbestimmung und curriculare Entwicklungen im allgemei-nen hat bzw. haben sollte.

1 Entsprechende Tendenzen lassen sich natürlich nicht spezifisch im Sinne von aus-schließlich auf Australien zutreffend finden, sondern sind mittlerweile international verbreitet und werden auch in Deutschland sehr stark diskutiert. Immer stärker tritt hier die Frage nach der Anwendbarkeit des im Studium erworbenen Wissens in den Vordergrund. Einschätzungen hierzu divergieren allerdings sehr stark und sind von der jeweiligen Perspektive abhängig.

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Buhlmann und Fearns stellen hierzu bei-spielsweise in ihrem bereits 1987 erschie-nen Handbuch des Fachsprachenunterrichts fest, daß die Zahl der Lernenden, die allgemeinsprachlich ausgerichtetes Deutsch lernen wollen, weltweit ab-nimmt, man lerne Deutsch zunehmend aus praktischen Gründen und weniger aus allgemeinbildungspolitischen Grün-den (Buhlmann; Fearns 1987: 12). Auch Bolten stellt – dies bestätigend – 1991 fest, daß der Bedarf an Kursen in Wirtschafts-deutsch in der zweiten Hälfte der achtzi-ger Jahre erheblich gestiegen sei, »so daß hierdurch teilweise sogar das rückläufige Interesse an Deutsch als Kultursprache ausgeglichen werden konnte« (Bolten 1991: 71). Er bezieht sich hier auf zugrun-deliegende Zahlen aus Nord- und West-europa, Brasilien, Argentinien, Griechen-land, den USA und der VR China. Ein weiteres Indiz für die zunehmende Be-deutung des Wirtschaftsdeutschen sei, so Bolten, die Resonanz auf das »Diplom Wirtschaftsdeutsch für die USA« und die »Prüfung Wirtschaftsdeutsch Internatio-nal«, die vom Goethe Institut, den CDC und dem DIHT angeboten werden. In bezug auf Australien können verschie-dene Beweggründe für das Deutschler-nen genannt werden.

Nicht unbedeutend sind gerade in der heutigen Zeit wirtschaftlicher Probleme potentielle Berufsaussichten in bezug auf die Entscheidung, ob überhaupt und wenn ja, welche Fremdsprache intensiver gelernt wird. In einer an der University of Queensland zusammengestellten Bro-schüre »Why study German?«1 werden als Berufsfelder folgende aufgezählt: Lehrbetrieb an Schulen bzw. Bildungsin-stitutionen allgemein, bi- und

multinatio-nale Unternehmen, verschiedene Berei-che des ÖffentliBerei-chen Dienstes, Übersetzer sowie Dolmetscher und – ein an Bedeu-tung rasant zunehmender Bereich – Tou-rismus.

Bei allen perspektivischen Möglichkeiten muß allerdings die Sprache als ein Teil einer übergreifenderen Qualifikation ge-sehen werden. Bezüglich der Lehreraus-bildung sind gute Sprachkenntnisse die Grundlage, darüber hinaus ist aber eine fremdsprachendidaktische bzw. pädago-gische Ausbildung erforderlich. Auch ein Wirtschaftsdeutschstudium stellt keine vollständige Qualifikation dar, sondern ist immer in Zusammenhang mit einer anderen Ausbildung bzw. einem anderen Studienfach zu sehen. Ein Student kann mit einem Sprachstudium eine sehr wert-volle Zusatzqualifikation, die ihm sicher-lich große »Marktvorteile« gegenüber an-deren Mitbewerbern bringen kann, er-werben.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwi-schen Deutschland und Australien neh-men derzeit zu, was sich u. a. an steigen-den Investitionen deutscher Firmen in Australien zeigt, und reichen von direk-ten Handelsbeziehungen bis hin zur Nut-zung Australiens als Sprungbrett für Asi-en, womit Australien für sich selbst im europäischen Raum verstärkt und erfolg-reich wirbt.

Eine Studie der Deutsch-Australischen Industrie- und Handelskammer in Syd-ney über die Entwicklungen in den ver-gangenen 5 Jahren belegt deutlich den Trend der zunehmenden Investitionen aus Deutschland.

In diese bilateralen wirtschaftlichen Be-ziehungen involvierte Unternehmen wei-sen einhellig auf einen zunehmenden

Be-1 »Why study German?« ist eine vom Department of German Studies der University of Queensland herausgegebene Informationsbroschüre für Interessenten. Das Datum der Herausgabe ist leider nicht bekannt.

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darf an entsprechend sprachlich ausge-bildeten Fachkräften hin.

Hieraus resultiert, daß einerseits auf-grund des Bedarfs eine Anpassung des Angebots im fremdsprachlichen Bereich erforderlich ist. Andererseits gilt es aber auch, durch ein Angebot eine Nachfrage zu schaffen oder zu erweitern, vorausge-setzt, die Lerninhalte und -ziele entspre-chen und befriedigen die geweckten Be-dürfnisse. Mit dem Studienangebot Wirt-schaftsdeutsch ist es an der University of Queensland jedenfalls gelungen, stetig mehr Studenten anzuziehen. Die Studen-ten rekrutieren sich vermehrt aus Diszipli-nen wie Jura, Volkswirtschaft, Betriebs-wirtschaft, Politikwissenschaften und auch Maschinenbau. Da ein solches Ange-bot nur sinnvoll ist, wenn sämtliche, den Spracherwerb bestimmende Faktoren mit einbezogen werden, bedeutet dies, daß der Inhalt eines entsprechenden Kurses bestimmt ist durch drei Bereiche:

1. Sprache,

2. fachbezogene Inhalte und

3. Prozesse interkultureller Kommunika-tion.

Wichtig ist daher die integrative Betrach-tung von Wirtschaftsdeutsch als Teil der German Studies neben anderen Berei-chen wie Literatur, Philosophie und Ge-schichte, was letztenendes der Stabilisie-rung und Stärkung der Disziplin im Be-wußtsein der Umgebung bzw. Öffentlich-keit zugute käme. Immer noch sind aber Vorbehalte gegenüber einer fachsprachli-chen Ausrichtung im Rahmen eines Deutschstudiums zu bemerken, die häu-fig auf Berührungsängste aufgrund man-gelnder Information zurückzuführen sind. Aufklärungsarbeit und transparen-ter Informationsfluß sind hier zwingend notwendig.

Überprüft man alles in allem die Bezie-hungen der beiden Länder, sollte eigent-lich kein Zweifel daran bestehen, daß Deutsch für Australien in verschiedenen

Bereichen eine sehr wichtige Sprache ist, ist man sich einmal über die »English-only«-Frage zugunsten der Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen im kla-ren. Das heißt, daß der Druck, unter dem Deutsch steht, sich nicht auf die Legiti-mation an sich bezieht.

Allerdings muß festgestellt werden, daß es eine Diskrepanz zwischen der Bedeu-tung der Sprache einerseits und der Un-terstützung und Propagierung eines An-gebots andererseits gibt. So kann Deutsch beispielsweise unter den vom Depart-ment of Foreign Affairs und Trade aufge-listeten zehn Prioritätensprachen für aus-zubildende Trainées nicht aufgefunden werden, und als einzige europäische Sprache im Anschluß an diverse asiati-sche Sprachen wird Spanisch aufgeführt.

3. Forschungssituation unter linguisti-schem und lehrmaterialbezogenem As-pekt und deren Übertragbarkeit auf den australischen Kontext

Mehr und mehr öffnet sich die linguisti-sche Fachsprachenforschung übergreifen-deren Fragestellungen und Untersu-chungsgegenständen. Ein Beispiel hierfür ist der Band von Schröder (1993),

Fachtext-pragmatik, in dessen Beiträgen deutlich die

Einbeziehung verbaler, paraverbaler und nonverbaler Elemente bzw. auch interkul-tureller Fragestellungen eine ausschlagge-bende Rolle spielt. Ziel ist die Untersu-chung der Wirtschaftskommunikation und sämtlicher diese Kommunikation konstituierender Faktoren. Die Vermitt-lung der sprachlichen Inhalte verfolgt als grobes Lernziel die sprachliche Hand-lungsfähigkeit oder auch kommunikative Kompetenz. Der Bedarf an Fachkräften mit Deutschkenntnissen im Wirt-schaftsalltag und im beruflichen Umfeld in Australien kann in diesem Sinne nicht auf bestimmte Fähigkeiten bzw. Fertigkei-ten eingegrenzt werden, da spätere Tätig-keitsgebiete nur grob festzulegen sind.

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Demzufolge handelt es sich hier bei dem zu schaffenden Angebot um ein »All-round-Programm«, das lexikalische, grammatische, textsorten- bzw. kommu-nikationssituationsspezifische Elemente, fachlichen Hintergrund und kulturelle Aspekte miteinander verbindet. Ein ent-sprechendes Angebot erfordert daher ne-ben Sprachunterricht aus zeitökonomi-schen Gründen auch die Anwendung von Seminar- und Vorlesungsstil.

Zur Bestimmung lexikalischer, gramma-tischer und textsortenspezifischer Ele-mente liegen mittlerweile Grundlagen-untersuchungen vor, auf die man bei der Erstellung bzw. Auswahl geeigneter Lehrmaterialien zurückgreifen kann. Diese Untersuchungen hängen jeweils ab von den entsprechenden Modellen, mit denen ein Sprachbereich von anderen ab-gegrenzt wird. Sie haben einzelne Teilbe-reiche der Wirtschaftssprache, lexikali-sche bzw. grammatilexikali-sche Phänomene, be-stimmte Textsorten bis hin zum Gesamt-komplex Sprache des Sprachbereichs Wirtschaft als Gegenstand. Einen guten Überblick über entsprechende Modelle bietet Hundt in seiner 1995 erschienenen Dissertation zur Modellbildung in der

Wirt-schaftssprache. Vorhandene

Untersuchun-gen zu den jeweiliUntersuchun-gen Kommunikationssi-tuationen und deren Relevanz bezüglich proportionalen Auftretens in der berufli-chen Realität ermögliberufli-chen es, genauere Lernzielbestimmungen vorzunehmen. Unter dieser Voraussetzung kann auf in-ternational ausgerichtete Lehrwerke für Wirtschaftsdeutsch für den australischen Kontext als Basis zurückgegriffen wer-den. Allerdings muß darüber hinaus spe-zifischen Rahmenbedingungen Rech-nung getragen werden.

Hier ist z. B. der Bildungshintergrund und das daraus resultierende Wissen zu nen-nen, die Altersstruktur und der Erfah-rungshintergrund der Studenten, das Er-ziehungs- bzw. Bildungssystem an

Schu-len und die Heterogenität der sprachli-chen Vorkenntnisse, die in unterschiedli-chen Institutionen erworben wurden, um nur einige Faktoren aufzuzählen. Beispie-le hierfür sind die in weiten TeiBeispie-len sehr mangelhaften Grammatikkenntnisse bei Studenten, die bereits Deutsch an der Schule belegt haben, die mangelnde Er-fahrung und Vorstellungskraft in bezug auf berufliche Arbeitsabläufe bzw. -pro-zesse, Inhalte eines Studiums bzw. das Bewertungssystem der Studienleistungen und daraus resultierender zu erwartender Arbeitseinsatz und -umfang außerhalb of-fizieller Veranstaltungen etc.

Dies sind nur einige Beispiele für die Notwendigkeit der Adaption entspre-chender Lehrmaterialien für den spezi-fisch australischen universitären Kontext, die sich allerdings, kennt man einmal die entsprechenden Zielgruppen, ohne allzu großen Aufwand erarbeiten läßt.

Zwei Aspekte sind allerdings in bezug auf den australischen Kontext für fachzogenen Sprachunterricht noch nicht be-friedigend nachgewiesen. Zwar gibt es Untersuchungen in Form von Umfragen über die Bedeutung der verschiedenen schriftlichen Textsorten, in denen die deutsche Wirtschaftssprache im australi-schen Umfeld von Bedeutung ist. Eine entsprechende Untersuchung wurde an der University of Queensland von Jörg Braunert und Eva Mosler in den Jahren 1993 und 1994 durchgeführt (Braunert; Mosler 1995). Über die mündliche Kom-munikation liegen hier allerdings keine spezifischen Daten vor. Es bleibt nur der Rückgriff auf entsprechende Untersu-chungen zu anderen Ländern.

Der zweite Aspekt betrifft die Einbezie-hung kultureller Unterschiede, da die Lernzielbestimmung in bezug auf kultu-relle Inhalte immer noch ein großes Pro-blem darstellt. Diese Komponente bildet zwangsläufig einen zentralen Pfeiler je-des Sprachunterrichts, der mit dem Ziel,

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sprachliche Handlungsfähigkeit in der Zielsprache zu vermitteln, konzipiert und durchgeführt wird.

Zwar wird heute die sogenannte interak-tiv-interkulturelle Methode als Erweite-rung der kommunikativen bzw. kontra-stiven Methode gefordert. Kurskonzep-tionen und konkrete Übungsformen sind allerdings noch nicht befriedigend ent-wickelt.

Eine Lernzielbestimmung auf diesem Ge-biet für Australien bleibt daher bislang noch im subjektiven Ermessen desjeni-gen, der für die Kurskonzeption verant-wortlich ist.

Wichtige Aspekte der kulturellen Kom-ponente sind Selbst- und Fremdbild-wahrnehmung. Und hierzu scheinen zu wenig brauchbare Daten oder Untersu-chungen vorzuliegen, so daß geeignete Materialien für den Fremdsprachenun-terricht generell, nicht nur auf die Wirt-schaft bezogen, vorhanden sind.

Dies steht im Gegensatz zu Forderungen, wie sie nicht nur in der Broschüre »Why study German?« erhoben werden:

»There are, of course, many reasons why learning a foreign language is an enriching experience. It is not merely an academic exercise or an intellectual challenge; lear-ning another language teaches us to think and to feel in the context of a different logic. We soon begin to appreciate the cultural differences of the world´s population as well as the human sensibility which unites us all. […] We not only see the world in a different light, we acquire a better under-standing of the world itself. Learning lan-guages teaches tolerance, respect and a greater, more complex sensibility. It affects our judgement in virtually all areas of hu-man communication and decision making […]«. (Broschüre des Departments of Ger-man Studies, University of Queensland)

Dieses Postulat, einleuchtend und scheinbar klar, birgt viele Vagheiten. Die aufgezählten Werte sind in sich selbst schon kulturell sehr unterschiedlich in-terpretierbar, von Wörtern wie tolerance

über understanding bis hin zu sensibility. Was kann hier als allgemeingültiger Maß-stab gelten?

Welchen Einfluß hat die immer wieder um-strittene Politik zur Förderung einer natio-nalen Identität, propagiert z. B. in Medien mit Slogans wie »Think big« oder »proudly Australian« auf die Vermittlungsversuche einer kulturellen Sensibilität?

Hierzu gibt es meines Erachtens ebenso ein Defizit an Reflexion, und dies hat nicht nur Auswirkungen auf den Sprach-unterricht, sondern auf die Stellung einer ganzen Disziplin wie Deutsch in der australischen Öffentlichkeit.

Literatur

Ammon, Ulrich: Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Berlin; New York 1991. Bolten, Jürgen: »Fremdsprache

Wirtschafts-deutsch: Bestandsaufnahme und Per-spektiven«. In: Müller, Bernd-Dietrich (Hrsg.): Interkulturelle Wirtschaftskommu-nikation. München: iudicium, 1991 (Studi-um Deutsch als Fremdsprache – Sprach-didaktik 9), 71–92.

Braunert, Jörg; Mosler, Eva: »Business Ger-man in Australia: The Role of Foreign Language Skills in Industry and Trade«. In: Jurgensen, Manfred (Hrsg.): German-Australian Cultural Relations since 1945. Bern: Franke, 1995.

Buhlmann, Rosemarie; Fearns, Anneliese: Handbuch des Fachsprachenunterrichts. Ber-lin 1987.

Coulmas, Florian: »Was ist die deutsche Sprache wert?« In: Born, Joachim; Stickel, Gerhard (Hrsg.): Deutsch als Verkehrsspra-che in Europa. Berlin; New York 1993, 9– 25.

Hundt, Markus: Modellbildung in der Wirt-schaftssprache. Zur Geschichte der Institutio-nen- und Theoriefachsprachen der Wirt-schaft. Diss. Tübingen: Niemeyer, 1995 (Reihe Germanistische Linguistik 150). Rösler, Dietmar: Deutsch als Fremdsprache.

Stuttgart: Metzler, 1994 (Sammlung Metzler 280).

Schröder, Hartmut (Hrsg.): Fachtextpragma-tik. Tübingen: Narr, 1993 (Forum für Fachsprachen-Forschung 19).

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Deutschstudium in der Slowakischen Republik

Traditionen und Tendenzen der Germanistik am Beispiel der

Comenius-Universität Bratislava

Hansgeorg Schmidt-Bergmann

»… ein inzwischen fast vergessenes Land, das auch irgendwie fast vergessen bleiben wird«, so schildert der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel die Slowaki-sche Republik, die er anläßlich einer Le-sung in Bratislava nach der Trennung von Tschechien bereist hat. Halb resi-gniert reflektiert er darüber, daß diese spannungsreiche Kulturlandschaft wie-der einmal von europäischen Interessen übergangen wird, aber aufgrund der slo-wakischen national-autokratischen Poli-tik nicht einmal schuldlos daran ist, je-doch mit Sympathie für die Möglichkei-ten, die er ganz zu Recht in Land und Leuten angelegt sieht.1 Randlage oder Durchgangsort, in dieser Konstellation und in dieser Bewußtseinstopographie taucht Bratislava, Poszony oder Preßburg immer wieder in der deutschsprachigen Literatur auf. »Ich verlore aber zu Preß-burg nicht allein diesem meinen Lieb-sten«, so läßt beispielsweise

Grimmels-hausen in seiner Courasche diese den Ver-lust ihres in Preßburg noch schnell ange-trauten Rittmeisters beklagen. Von Wien kommend und in den deutschsprachigen Regionen der heutigen Slowakei herum-ziehend, mit den durch den Dreißigjähri-gen Krieg erzwunDreißigjähri-genen Stationen der Courasche deutet schon Grimmelshau-sen auf die Spezifik der regionalen Lage der Donaustadt, die das gegenwärtige Bratislava noch heute bestimmt. Die slo-wakische Hauptstadt ist gelegen zwi-schen den ehemaligen Zentren des ehe-maligen habsburgischen k. u. k.-Reiches, und sie liegt unmittelbar hinter der deutschsprachigen Kultur- und Sprach-grenze, die bei Hainburg so sinnfällig durch die mittelalterlichen Burganlagen den Übergang zu dem slawischen Kul-turraum ankündigen, der allerdings, ebenfalls seit dem Mittelalter, im Rahmen einer gelebten Multiethnizität immer auch wichtige deutschsprachige

Sprach-1 Vgl. Peter Bichsel: »Ein vergessenes Land«. In: Peter Bichsel: Gegen unseren Briefträger konnte man nichts machen. Kolumnen 1990–1994. Frankfurt 1995.

Info DaF 25, 6 (1998), 672–678

DaF im Ausland

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inseln zu integrieren wußte. Dies jedoch muß heute ebenso wieder in das Bewußt-sein gehoben werden wie das selbstver-ständliche Nebeneinander von jüdischen und christlichen Traditionen bis Ende der dreißiger Jahre.

So wie die Imagologie der Slowakei in der deutschsprachigen Literatur noch zu schreiben wäre, von Grimmelshausen über Thomas Mann, der die entscheiden-de Episoentscheiden-de seines Doktor Faustus in »Preßburg, ungarisch Pozsony genannt«, angesiedelt hat, so ist auch die Geschich-te der deutschsprachigen LiGeschich-teratur in den Gebieten der heutigen Slowakei in einem umfassenden Sinne neu zu schreiben, dies nicht allein als Sicherung des noch vorhandenen Materials und der Quellen, sondern auch im Sinne der Reflexion eines Kulturtransfers, der immer auch die deutsche und österreichische Litera-tur für die kulLitera-turelle Entwicklung der Slowakei nutzbar zu machen verstand. Genau dies sollte heute für eine demo-kratisch-pluralistische Identitätsfindung der Slowaken fungibel gemacht werden. Was die Tradition der Germanistik in Bratislava angeht, so gibt es derzeitig jedoch bereits Ansätze zu einer Ge-schichtsschreibung, die insbesondere das Überleben der Wissenschaft seit 1968 in Bratislava dokumentiert. In den Jahren der fast völligen Isolation von westlichen wissenschaftlichen Methoden und Dis-kursen war dieses dem slowakischen Germanisten Elemír Terray zuzuschrei-ben, der zwischen 1966 und 1985 den selbständigen germanistischen Lehrstuhl an der Comenius-Universität inne hatte und Generationen von slowakischen Lehrern, Hochschuldozenten und Über-setzern prägte (Kostálová 1995: 231–238). Was die Literaturgeschichte betrifft, und diese war durch die Ausrichtung der Germanistik in Bratislava traditionell eher marginal, sind die inhaltlichen Schwerpunkte Terrays auf seine

Schüle-rInnen übergegangen. Terray, der aus der multikulturell und deutschsprachig ge-prägten Zipser Region stammt und selbst viersprachig aufgewachsen ist, habilitier-te sich mit einer Arbeit über Johann Gott-fried Herders Humanitätsidee und ihre Ausstrahlung auf die »slowakische Lite-ratur der nationalen Wiedergeburt«. Die Literatur der Aufklärung war seitdem immer eines der bevorzugten literaturhi-storischen Themen für die slowakischen Germanisten zwischen der Niederschla-gung des »Prager Frühlings« und der endgültigen Wende 1989. Von der aktuel-len deutschsprachigen Literatur war ver-ständlicherweise fast ausschließlich die DDR-Literatur präsent – und neben Heinrich Böll erstaunlicherweise das Werk von Erich Maria Remarque –, so wie auch methodisch die DDR-Literatur-wissenschaft für die slowakische Germa-nistik, die im Windschatten von Prag sich zu legitimieren hatte, dominierend gewe-sen ist. Dies jedoch konnte Terray durch-aus produktiv für die slowakische Ger-manistik nutzen. Konferenzen mit jungen Germanisten aus der DDR wurden regel-mäßig in Bratislava durchgeführt, so wie auch die Partnerschaft mit der Universi-tät Halle gepflegt wurde, die für die meisten GermanistInnen aus Bratislava über Jahre hinweg die einzige Möglich-keit der Qualifizierung in einem deutsch-sprachigen Land garantierte. Was das 18. Jahrhundert betrifft, einige bundesrepu-blikanische Institutsbibliotheken würden sich den Bestand an Erstausgaben der germanistischen Bibliothek der Comeni-us-Universität aus dieser Zeit wünschen; heute sind diese Bücher in einem eigenen Leseraum auch für die Studierenden zu-gänglich.

In der Schriftenreihe »Philologica« hat Dagmar Kostálová, selbst eine Schülerin von Elemír Terray und derzeitige Vertre-terin des germanistischen Lehrstuhls an der Comenius-Universität, anläßlich des

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fünfundsiebzigjährigen Jubiläums der Germanistik in Bratislava eine Samm-lung von literaturhistorischen und lin-guistischen Beiträgen herausgegeben (Kostálová 1996). Die Aufsätze aus den Bereichen der deutschen Kultur- und Li-teraturgeschichte, der Sprach- und Über-setzungswissenschaft sowie der Didaktik des Deutschunterrichts dokumentieren das gegenwärtige Profil und das wissen-schaftliche Niveau der Germanistik an der ältesten Universität der Slowakei und können, ohne die wichtige und qualifi-zierte Arbeit der germanistischen Institu-te in Nitra, Banská-Bystrica und Presov zu übergehen, stellvertretend für den derzeitigen wissenschaftlichen Stand der Germanistik in der slowakischen Repu-blik stehen.1 Programmatisch wird die Sammlung eröffnet mit einem von Elemír Terray verfaßten Aufsatz über die Proble-me der »Übertragung literarischer Tex-te«. Dies stellt gerade für die aktuelle Diskussion in der Slowakei einen wichti-gen Beitrag dar, da seit der Wende die großen literarischen und geisteswissen-schaftlichen Texte im Sinne eines ver-bindlichen slowakischen Kanons neu übersetzt werden. Dies auch in positiver Abgrenzung zu den tschechischen Über-setzungen und im Hinblick auf eine sich rapide weiterentwickelnde slowakische Literatursprache, die von neuen Überset-zungen, von Musils Mann ohne

Eigen-schaften bis zu Elfriede Jelineks

Theater-stücken, durchaus zu profitieren vermag. Da die slowakische Literatursprache die »Urbanität« der tschechischen erst noch zu erreichen hat, ist die aktuelle

Überset-zungspraxis ein entscheidendes Vermitt-lungsglied zur derzeitigen europäischen intellektuellen Diskussion. Dagmar Kostálová nimmt Christa Wolfs

Nachden-ken über Christa T. zum Hintergrund von

Reflexionen über das weibliche Schrei-ben, ein Thema, das, was die Identität von Frauen angeht, ebenfalls unmittelbar auf die gesellschaftlichen Diskussionen zu projizieren ist. In einem Staat, in dem sich ein reflektierter »Feminismus« allein theoretisch zu artikulieren vermag und gesellschaftliche Positionen erst noch er-obern muß, Positionen, die er in einigen westlichen Ländern bereits produktiv ge-winnen konnte, wird die Auseinander-setzung mit der Literatur aus einem ver-gleichbaren vergangenen gesellschaftli-chen Kontext zu einem relevanten Schritt über diese Bedingungen hinaus. Inge-borg Stahlová, ebenfalls eine Schülerin Terrays und ausgewiesene Expertin für das Werk Adalbert Stifters, handelt von »Bemühungen um eine gesellschaftlich-politisch engagierte Literatur« am Bei-spiel des Exils, und Margita Gáborova untersucht den Einfluß von Leibniz auf Lessing unter der Perspektive der Mög-lichkeit der »historischen Wahrheit«. Die literarhistorischen Themen, soviel ist durch die alleinige Nennung vielleicht schon deutlich, sind solche, die aus ihrer Geschichtlichkeit heraus auf die gegen-wärtigen gesellschaftlichen Probleme be-zogen werden: Möglichkeiten und Gren-zen weiblicher Identität, eine engagierte Literatur und die Frage nach der jeweili-gen Perspektivität von »historischer Wahrheit« sind im Kontext des

gegen-1 Die germanistische Forschung und Lehre in der Slowakischen Republik ist keineswegs allein in Bratislava angesiedelt, ganz eigene Schwerpunkte haben die anderen Institute in der Slowakei aufgebaut, unter schwierigen materiellen und personellen Bedingun-gen, aber durchaus mit eigenen Fragestellungen. Nur ein Beleg dafür ist die Mitarbeit der GermanistInnen von Presov an dem vom DAAD herausgegebenen Periodikum brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien-Slowakei; vgl. beispielsweise die »Neue Folge 4« (1996).

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wärtigen ökonomischen und gesell-schaftlichen Transformationsprozesses in der Slowakei sicher keine abstrakten Fra-gestellungen. So ist auch unschwer zu konstatieren, daß die literarhistorischen Themen des wissenschaftlichen Nach-wuchses, d. h. derjenigen, die derzeit pro-movieren, Themenbereiche betreffen, die sich auf Identitätsdiskurse beziehen las-sen: deutschsprachige Literatur der emi-grierten SlowakInnen seit 1968, Formen des weiblichen Schreibens bei Ingeborg Bachmann, Formen der Imagologie der Slowakei in der Literatur nach 1945, Pro-bleme der »Grenze« zwischen den Kultu-ren, hermetische Lyrik in der Tradition Paul Celans, deutschsprachige Literatur um 1848 etc. Dies genau ist die Chance für ein literarhistorisches Curriculum der slowakischen Germanistik, die zwar an-steigende Zahlen im Bereich des Lehr-amtsstudiums verzeichnen kann, in der aber die Dolmetscherausbildung auf-grund des derzeitigen ökonomischen Be-darfs eindeutig dominiert. Daher täuscht die vorliegende Bestandsaufnahme auch ein wenig über den Stellenwert der deutschsprachigen Literatur innerhalb der germanistischen Ausbildung. Im

Lehrplan nimmt sie gerade einmal etwa ein Zehntel der zu absolvierenden Kurse ein. Darum auch ist darüber nachzuden-ken, inwieweit literarische Texte stärker in die Sprachpraxis integriert werden können.1

Doch zentraler sind im Moment die Fra-gen und Probleme des Dolmetschens auch aus der Perspektive einer berufli-chen Verwendung. Im Zuge der wirt-schaftlichen Transformation muß sich das Spektrum der germanistischen Aus-bildung nachhaltig verändern, insbeson-dere hinsichtlich der Vermittlung von hoch spezialisierten Fachsprachen, der Übersetzungskritik auch von »Ge-brauchs«- und Fachtexten, der modernen Linguistik und der pragmatischen Kon-zeption der Fremdsprachenlehrerausbil-dung, und dies unter dem Aspekt, daß das Deutsche heute nur eine der zu ler-nenden Sprachen ist.2 Es sind diese The-men, die in den übrigen Beiträgen des Sammelbandes von Elena Ehrgangová, Taida Novákova, Jozef Pallay, Jana Raksányiova und Marta Klementisová informativ und teilweise innovativ be-handelt werden. Auf längere Sicht sollten sie in einen völlig modifizierten

Studien-1 Vgl. dazu auf Mittel- und Osteuropa bezogen: Hans-Jürgen Krumm: »Curriculare und methodische Aspekte des Fremdsprachenunterrichts in den mittel- und osteuropä-ischen Ländern«, Schulheft 68 (1993), 130ff. Richtig ist, daß man auch die literarische Orientierung des Fremdsprachenunterrichts wieder stärker akzentuieren sollte: »Es wäre daher falsch, die Entwicklung des Faches Deutsch als Fremdsprache, die sich zunächst auf sprachliche, methodische und landeskundliche Schwerpunkte in Osteuro-pa wird konzentrieren müssen, auf die Dauer ohne eine literaturwissenschaftliche und literaturdidaktische Komponente fortzuentwickeln« (Krumm ebd., 132).

2 Vgl. dazu auch Hans-Jürgen Krumm: »Was kann das Fach Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Ländern zur Entwicklung der Deutschlehrerausbildung außer-halb des deutschen Sprachraums (nicht) beitragen?«, Info DaF 23, 5 (1996), 523–540. Was die Deutschlehrerausbildung in der Slowakei angeht, auf die Krumm sich bezieht, kann man den Ausführungen gerade im Hinblick auf die »Mehrfachausbildung« der Studie-renden zustimmen. Krumm irrt allerdings, wenn er davon ausgeht, daß die Studieren-den »bereits erstaunliche Leseerfahrungen« von der Schule mitbringen, und unter-schätzt hier die mögliche Funktion der Literaturvermittlung für die angehenden Deutschlehrer. Auch bei den sprachlich hoch qualifizierten slowakischen Studierenden tendiert die Kenntnis der deutschsprachigen Literatur am Beginn des Studiums immer noch gegen Null.

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plan einmünden, der zu berücksichtigen hätte, daß auch die Germanistik eine Kombination aus traditionellem Fremd-sprachenunterricht, aus fachspezifischen und berufspraktischen Bedürfnissen und Studienkomponenten, aber auch wissen-schaftlichen Orientierungen anzubieten hat. Dabei ist die frühzeitige Festlegung auf einen Ausbildungszweig aufzugeben und durch Wahlmöglichkeiten abzulö-sen, um so schneller auf gesellschaftliche Bedürfnisse zu reagieren, aber auch, um individueller auf eine mögliche Interes-senverlagerung der Studierenden reagie-ren zu können. Daß das Fach »Deutsch als Fremdsprache« andere Aufgaben als die Binnengermanistik hat, dürfte heute kaum noch strittig sein. Doch ebensowe-nig sollte man sich, was die wissenschaft-liche Entwicklung der slowakischen Ger-manistik angeht, und damit die Perspek-tive derjenigen, die später an den dorti-gen Hochschulen lehren werden, Illusio-nen darüber hingeben, daß hier von ei-nem Nullpunkt aus die wissenschaftli-chen Grundlagen erst noch zu erarbeiten und zu vermitteln sind. Die Gefahr einer »Re-Philologisierung« der Germanistik besteht daher für die Slowakei gerade nicht, eher schon die des völligen Verlu-stes wichtiger kritischer philologischer Einsichten. Für den Aufbau einer slowa-kischen Identität, die sich in Anverwand-lung und Ablehnung »fremder« Litera-tur- und Wissenschaftssysteme entwik-kelt, sollten die positiven Anstöße von außen so genutzt werden, daß einseitig slowakisch-nationale Übersteigerungen im Kontext der Geschichtsinterpretation

und Realpolitik emanzipativ relativiert werden können.1 Komparatistische Fra-gestellungen, die eigene kulturelle Ent-wicklungen berücksichtigen, nehmen da-her gerade bei denjenigen zu, die in der Phase der wissenschaftlichen Qualifizie-rung sind. Langfristig werden so auch für die deutschsprachigen Mittler die slowa-kischen Traditionen transparenter, die slowakische Kultur und Literatur würde so nicht mehr die terra incognita sein, die sie heute für uns überwiegend darstellt. Doch auch die Institutionen werden sich von innen heraus verändern müssen, was eine Generationsfrage sein wird. Die Strukturen für ein gemeinsames Arbeiten von Studierenden und Lehrenden wird immer noch stark von restriktiven Tradi-tionen behindert, beispielsweise den be-stehenden Hierarchien, die aus dem alten System mit transportiert werden. So ist auch der Unterricht fast immer noch von einer »kollektiven« Pädagogik geprägt, wo die Bedürfnisse der besser Qualifi-zierten meist unberücksichtigt bleiben. Des weiteren muß sich die Universität als wissenschaftliche Forschungsstätte erst noch behaupten, da die Slowakische Akademie der Wissenschaften in Bratis-lava die Forschung vor der Wende weit-gehend monopolisiert hat. Dies betrifft stärker noch die Institute außerhalb der slowakischen Hauptstadt, die unter er-schwerten Bedingungen arbeiten müs-sen. Nur wenige werden ermessen kön-nen, was es für die Interessierten bedeu-tet, daß es in Kosice einen vom Goethe-Institut eingerichteten deutschsprachi-gen Leseraum in der Städtischen

Biblio-1 Vgl. dazu auch Dagmar Kostálová: »Zu Bedarf und Begründung wissenschaftlicher Weiterqualifizierung in der Slowakei«, Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 22 (1996), 97: »Dank der Arbeit von einer Handvoll Germanisten erster und zweiter eigener Generati-on wird heute Deutsch dennoch als die verbreitetste Fremdsprache unterrichtet, werden bemerkenswert viele deutschsprachige Bücher übersetzt und rezensiert, Dolmetscher ausgebildet, es wird geforscht. Trotzdem fehlt der germanistischen Forschung in der Slowakei Kontinuität und Systematik.«

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thek gibt, der als gut sortierte Präsenzbi-bliothek unverzichtbare Arbeitsbedin-gungen garantiert – achtzig Kilometer vor der ukrainischen Grenze!

Liest man die vorliegende Dokumenta-tion des germanistischen Instituts der Co-menius-Universität als eine Bestandsauf-nahme, so wird deutlich, daß sich die Germanistik in Bratislava und in der Slo-wakei notwendigerweise noch in der Pha-se der Orientierung befindet und ein eige-nes Profil erst noch zu finden hat, wenn sie künftig den Ansprüchen der nachwach-senden Generationen gerecht werden will. Die heute Studierenden sind europä-isch orientiert und werden jetzt begün-stigt durch die Randlage Bratislavas un-mittelbar an der Westgrenze des slowaki-schen Kulturraums, und sie bewegen sich nicht nur sprachlich auf einem hohen Ni-veau. Die Erstsemester kommen in der Regel bereits mit einer sehr ausgeprägten praktischen und theoretischen Sprachbe-herrschung des Deutschen an die Univer-sität (in Bratislava jährlich etwa einhun-dert Studienanfänger), und die Informati-onssuche übers Internet ist für die jünge-ren slowakischen Studiejünge-renden ebenso selbstverständlich wie in den westlichen Ländern – der Sprung über die »Grenze« nach Wien wird unter verbesserten mate-riellen Bedingungen schon bald eine Selbstverständlichkeit sein. Die Rolle und Funktion der Germanistik, natürlich ab-hängig von den derzeitigen schwierigen politischen Vorgaben in der slowakischen Republik, wird zwischen pragmatischer Dolmetscherausbildung, Lehrerausbil-dung und Kulturvermittlung der deutsch-sprachigen Länder angesiedelt sein. Ein-zig ein ausgearbeitetes Curriculum im Sinne der »German Studies«, das neben Sprachvermittlung, Geschichte, Gesell-schaft, Literatur auch Film, Theater, die neuen Medien und die anderen Künste umfassen sollte, wird der Beschleunigung im europäischen Kulturtransfer und den

Interessen der nachwachsenden Genera-tionen auf Dauer gerecht werden können. Daß dabei die historische Tiefe nicht ver-nachlässigt werden, Sprache als Ausdruck kultureller Prägung verstanden und ver-mittelt werden und auch die notwendige Dokumentation der deutschsprachigen Traditionen in der heutigen Slowakei ei-nen gewichtigen Bereich einnehmen soll-te, mag man sich wünschen. Denn auch dieses Erbe gehört zu einem Teil des natio-nalemanzipatorischen Prozesses der Slo-wakei und könnte verschüttete Traditio-nen, die lediglich noch in Archiven über-dauert haben, wenigstens im kollektiven kulturellen Gedächtnis bewahren und die Slowakei so mehr in die Mitte Europas rücken.

Die slowakische Germanistik wird sich gerade durch die Nähe zum deutschspra-chigen Sprachraum und durch das Ne-beneinander verschiedener Kulturen in den letzten Jahrhunderten eine ganz eige-ne Ausrichtung geben köneige-nen. Das Offe-ne des historischen Prozesses im SinOffe-ne einer übernationalen Identität muß mit aufgenommen werden, will man die Er-wartungen der jüngeren Generation nicht enttäuschen, die sich von der Peri-pherie aus zu den europäischen Zentren hin bewegt. Die Germanistik der Slowa-kei bedarf daher weiter der Unterstüt-zung durch die deutschsprachigen Mitt-lerorganisationen, das wird auch noch eine Zeit so bleiben, und jede Form von materieller Kürzung ist für das bisher Erreichte kontraproduktiv. Dies gilt für Österreich und die Bundesrepublik glei-chermaßen und sollte auch in Zukunft so bleiben, damit die Slowakei nicht wirk-lich zu einem »vergessenen Land« wird, denn die nachwachsenden Generationen sollen nicht haftbar gemacht werden für die Engstirnigkeit der derzeitig Regieren-den.

Die innovativen Ansätze, die in dem er-sten Sammelband des germanistischen

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Lehrstuhls an der Comenius-Universität deutlich werden, zeigen schon jetzt, daß die slowakische Germanistik auf Dauer ein eigenständiges Profil gewinnen kann, und das nach einem historischen Prozeß, den Dagmar Kostálová am Schluß ihres Vorwortes nachdrücklich in Erinnerung ruft, wenn sie schreibt: »Der bisherige umbruchhafte Werdegang kostete die slowakische Germanistik viel Kraft und bedeutet immer wieder einen neuen An-fang.«

Literatur

Bichsel, Peter: »Ein vergessenes Land«. In: Bichsel, Peter: Gegen unseren Briefträger konnte man nichts machen. Kolumnen 1990– 1994. Frankfurt 1995.

brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien-Slowakei. Hrsg. von Berger, Michael; Kro-lop, Kurt; Papsonová, Mária: Neue Folge 4 (1996).

Kostálová, Dagmar: »Elemír Terray im Kon-text der slowakischen Germanistik«. In: König, Christoph (Hrsg.): Germanistik in Mittel- und Osteuropa. Berlin; New York 1995, 231–238.

Kostálová, Dagmar (Redaktion): Philologica XLVII. Universitas Comeniana. Bratislava 1996 (Schriftenreihe der Comenius-Uni-versität Bratsilava). – ISBN 80-223-1110-3. Kostálová, Dagmar: »Zu Bedarf und Be-gründung wissenschaftlicher Weiterqua-lifizierung in der Slowakei«, Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 22 (1996), 95– 104.

Krumm, Hans-Jürgen: »Curriculare und methodische Aspekte des Fremdspra-chenunterrichts in den mittel- und osteu-ropäischen Ländern«, Schulheft 68 (1993), 123–137.

Krumm, Hans-Jürgen: »Was kann das Fach Deutsch als Fremdsprache in den deutschsprachigen Ländern zur Entwick-lung der Deutschlehrerausbildung au-ßerhalb des deutschen Sprachraums (nicht) beitragen?«, Info DaF 23, 5 (1996), 523–540.

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Über die Motivation tschechischer Studentinnen

und Studenten, Deutsch bzw. Germanistik zu

studieren

Eine Beispielstudie an der nordböhmischen Universität

J. E. Purkyne in Ústí nad Labem

Birgit Maria Fuchs

Voraussetzungen der Fremdsprachen-ausbildung in Osteuropa

Seit 1989 haben sich im Fremdsprachen-unterricht in Osteuropa große Verände-rungen vollzogen. Da vor allem in den ersten Jahren ein großer Mangel an Lehr-kräften für westliche Sprachen herrschte, wurden auch in der Tschechischen Repu-blik mehrere Universitäten neu errichtet bzw., wie auch im Fall Ústí nad Labem, von Pädagogischen Hochschulen in Volluniversitäten umgewandelt. Dies soll-te sicherssoll-tellen, daß die zukünftige Fremdsprachenausbildung auf sicherer Basis steht. Dabei wurde vor allem von Deutschland eine wichtige Rolle über-nommen, das durch verschiedene Lekto-renprogramme, besonders durch den DAAD, hier noch zusätzlichen Anreiz schaffte. Schon 1990 wurde festgestellt, daß Deutschland hier in einer wichtigen Position war und ist, was die bessere Anbindung der Nachbarstaaten durch die Förderung der Sprachausbildung angeht.

»Im Rahmen der wachsenden politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Westorien-tierung der mittel- und osteuropäischen Staaten wächst der Bundesrepublik Deutschland die Rolle eines privilegierten

Gesprächspartners der neuen reformorien-tierten Führungsschichten zu. Bei der ange-strebten ›Rückkehr nach Europa‹ gewinnt auch Deutsch als Sprache, das bisher schon einen festen Platz im Bildungswesen dieser Länder hatte, an zusätzlicher Attraktivität«. (Wittmann 1993: 14)

Inzwischen sind diese anfänglich hohen Erwartungen zwar teilweise erfüllt, manchmal aber auch bitter enttäuscht worden. Nachdem in den ersten Jahren nach 1989 durch Geld und vor allem auch Initiative sowohl auf privater als auch auf Regierungsseite ein Aufschwung für den Fremdsprachenunterricht und andere völkerverständigende Projekte erzielt wurde, hat nun ein rigides Sparpro-gramm eingesetzt. Einerseits strömt durch die schlechtere wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland weniger Geld in die Tschechische Repu-blik, andererseits hat die Regierung Klaus ein Sparprogramm gerade im Kul-tur- und Bildungsbereich verabschiedet, so daß nun, 1997, Stellen an germanisti-schen Instituten gestrichen und weniger StudentInnen aufgenommen werden können. Auch der Regierungswechsel im Herbst 1997 änderte hier nichts.

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Trotzdem steigt durch die Öffnung nach Westen auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Attraktivität der westlichen Spra-chen, vor allem Englisch, aber auch Deutsch immer mehr, da die Kenntnis dieser Sprachen gute Berufschancen ver-spricht. An den Universitäten zählen die Studiengänge für Englisch zu den belieb-testen, Deutsch hat zwar für die Studen-tinnen und Studenten ein weniger hohes Image und Prestige, wird aber insbeson-dere in Ländern, die direkt an deutsch-sprachige Länder grenzen, also Polen, der Tschechischen Republik, der Slowa-kischen Republik und Ungarn, gerne stu-diert. Genaue Zahlen sind schwer zu erreichen, Heinrich P. Kelz sah die welt-weite Situation 1993 so:

»Man schätzt, daß heute etwa 19 Millionen Menschen auf der Erde Deutsch lernen, davon rund 16 Millionen in der Schule, die übrigen drei Millionen in der Hochschule und anderen Erwachsenenbildungseinrich-tungen«. (Kelz 1993: 5)

Zahlenmäßig dürfte sich seit damals we-nig verändert haben, auch kann als sicher gelten, daß je näher das Zielland der Fremdsprache liegt, desto größer ist auch deren Attraktivität.

In Ost- und Mitteleuropa wird vor allem im Schulunterricht eine große Anzahl an DeutschlehrerInnen benötigt. Während im universitären Bereich zumindest teil-weise auch MuttersprachlerInnen unter-richten, ist dies an Schulen nicht üblich, da sich die jeweiligen Länder ihre Schul-lehrerInnen gerne selbst aussuchen. In der Tschechischen Republik wird der Zugang von MuttersprachlerInnen in den Schulbereich durch restriktive Aus-ländergesetze außerdem noch er-schwert. Es besteht also ein Bedarf an gut ausgebildeten einheimischen Deutschlehrern und -lehrerinnen. Es gab seit 1989 in ganz Osteuropa Umschu-lungsprogramme für RussischlehrerIn-nen, die so zu EnglischlehrerInnen und

auch DeutschlehrerInnen ausgebildet wurden; diese Programme sind mittler-weile jedoch abgeschlossen oder in ihrer Endphase. Gleichzeitig wurde aber auch die Ausbildung von JunglehrerInnen ge-fördert. Zudem sind die meisten Stellen nun besetzt und es wird wohl in weni-gen Jahren mehr Lehrer und Lehrerin-nen geben als von den Schulen aufge-nommen werden können.

Bisher profitierten die Staaten Mittel- und Osteuropas von großzügigen Aus-tausch- und Schenkungsprogrammen. So wurden bis 1995 zahlreiche Bücherspen-den verschieBücherspen-dener Verlage, aber auch of-fizieller Stellen in die verschiedenen Län-der Osteuropas geliefert. Die deutsche Bundesregierung hatte 1997 etwa 84 Mil-lionen DM für Deutschkurse in den russi-schen Republiken investiert, um so eine weitere Zuwanderung von Rußlanddeut-schen zu verhindern; dieses Geld wird jedoch auch anderwärtig benötigt und vor allem im Bereich der Förderung der akademischen Ausbildung fehlen. Zahl-reiche Programme versuchen auch gleichzeitig mit der Förderung der deut-schen Sprache im Ausland die Jungaka-demikerInnenarbeitslosigkeit in den ei-genen Ländern zu mindern, indem junge UniversitätsabsolventInnen mit Stipen-dien ins Ausland geschickt werden, um dort Erfahrungen und Qualifikationen zu sammeln. Dazu zählen etwa das Assi-stenzlektorenprogramm des DAAD, die Programme der Robert Bosch-Stiftung oder die Zuschüsse der Österreichkoope-ration.

Zur speziellen Situation der Tschechi-schen Republik und der Universität in Ústí nad Labem

Die Besonderheiten der Aufnahmeprü-fungen an tschechischen Universitäten bringen es mit sich, daß so manche Stu-dentin und so mancher Student sich in einem Deutschstudium wiederfinden,

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obwohl sie eigentlich ein Wirtschaftsfach, Englisch oder Jura studieren wollten. Für diese Studenten und Studentinnen ist das Deutschstudium zwar nur die zweite Wahl, aber sie sehen darin einen Nutzen für ihre berufliche Zukunft, der ihren ursprünglichen Wünschen nahe kommt. Es bleibt jedoch zu bedenken, daß dies nur eine sekundäre Motivation ist und der Wunsch Deutsch zu studieren nicht von einem primären Interesse für die deutsche Sprache oder Literatur her-rührt.

An den Universitäten der Tschechischen Republik wiederholen sich alljährlich kleine Dramen und große Freudenfeste. Zur Zeit der Aufnahmeprüfungen versu-chen Tausende junge Abiturientinnen und Abiturienten an den Hochschulen des Landes ihr Glück und legen dort Aufnahmeprüfungen ab. Viele melden sich trotz teilweise hoher Anmeldege-bühren an mehreren Universitäten für die Tests an, um damit ihre Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen. Beliebte-ste Universität ist die traditionsreiche Karlsuniversität in Prag, die jährlich Tau-sende Studierwilliger abweist und so ih-ren Standard und ihr Prestige weiter aus-bauen kann. So kamen etwa im Herbst 1996 und 1997 auf jeden freien platz für Jura etwa einhundert Studien-bewerber, die abgewiesen wurden. Bei Germanistik war das Verhältnis 1996 im-merhin noch 1 zu 10. Auch an den kleine-ren Universitäten gibt es genügend Stu-dierwillige, die bereit sind, quer durch die Republik zu fahren, um ihrem er-träumten Studium nachgehen zu kön-nen. An der Universität Ústí nad Labem wurden 1996 mehr als 90 Aufnahmeprü-fungen für das Ein-Fach-Studium Ger-manistik abgelegt, jedoch nur 30 Studen-tinnen und Studenten konnten

aufge-nommen werden. 1997 wurden fast 300 Prüfungen für nur 15 freie Plätze abge-legt. Dieser Studienzweig wurde 1996 zum ersten Mal angeboten.

Hier stellt sich nun die Frage nach der Motivation der tschechischen Studentin-nen und Studenten, Deutsch als Studien-fach zu wählen. Prinzipiell würde der Andrang auf die Aufnahmeprüfungen ja auf eine hohe Motivation bei den Studen-tInnen schließen lassen. Die Befragung von 150 Studentinnen und Studenten vom 1. bis zum 3. Studienjahr1 zu Seme-sterbeginn 1996 zeigte vor allem eines deutlich: die Studentinnen und Studen-ten sind an Deutschkenntnissen interes-siert. Sie studieren demzufolge weniger das Fach Germanistik als vielmehr Deutsch im Sinne eines erweiterten Sprachkurses. Nun ist dies bei vielen Auslandsgermanistiken so und sollte kei-neswegs von vorne herein gering ge-schätzt werden.

Der Spracherwerb ist für die StudentIn-nen somit der wichtigste Anreiz, Deutsch zu studieren. Weitere Faktoren wie die Ausbildung zur Lehrerin, zum Lehrer, wie das an einer Pädagogischen Univer-sität selbstverständlich wäre, steht für viele der Studierenden eher im Hinter-grund. Ebenso verhält es sich mit dem zweiten Fach, das die meisten eher ge-zwungenermaßen studieren, entweder weil sie keinen Studienplatz für das Ein-Fach-Studium bekommen haben oder weil zum Zeitpunkt ihres Studienbeginns kein Ein-Fach-Studium angeboten wur-de.

Die Studentinnen und Studenten geben in der Untersuchung auf die Frage nach ihrer Motivation, das Studium zu wäh-len, nach ihren Hauptinteressen und auch nach ihren Erwartungen an das Studium und ihren Berufsvorstellungen

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immer wieder die Antwort, daß sie ihre Deutschkenntnisse verbessern, besser Deutsch sprechen, fehlerlos Deutsch sprechen wollen (85% der Antworten, Mehrfachnennungen waren möglich). Die Hauptkritik an den angebotenen Lehrveranstaltungen ist demzufolge auch die fehlende Konversationspraxis; wie diese jedoch in ausreichendem Maße erreicht werden könnte, wird von den Studentinnen und Studenten nicht beant-wortet.1

Es besteht also eine grundsätzliche Dis-krepanz zwischen den Erwartungen der Studentinnen und Studenten an das Stu-dium und dem, was die Universität laut Studienplan vorschreibt. Eben dieser Studienplan ist jedoch den meisten Stu-dienanfängerInnen vor Studienbeginn wenig oder gar nicht bekannt, bzw. wird er von ihnen anders interpretiert als was die spätere Realität zeigt. So sind die meisten StudentInnen schon kurz nach Studienbeginn von ihrem Studium ent-täuscht, da ihre Erwartung, an der Uni-versität rasch und gründlich ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, im all-gemeinen nicht in dem Ausmaß erfüllt wird, wie es sich die Studenten und Studentinnen dachten. In persönlichen Interviews wurde von den Studierenden vor allem immer wieder beklagt, daß sie im 3. oder 4. Studienjahr weniger Deutsch könnten als zu Beginn des Stu-diums. Diese Klage ist zwar empirisch nicht nachweisbar, da es sich hierbei um eine subjektive Einschätzung der Stu-dentInnen handelt, die ihre Sprach-kenntnisse zu Beginn des Studiums mit ihren SchulkollegInnen im Gymnasium, in der Mitte und am Ende des Universi-tätsstudiums jedoch mit ihren

Mitstu-dentInnen und den Lehrenden verglei-chen. In der Schule zählten sie zu den besten, im Studium sind sie dann im allgemeinen Durchschnitt. Dadurch ent-steht eine gewisse Frustration, die sich auch negativ auf die weitere Motivation auswirkt, insbesondere wenn, wie oben erwähnt, der grundsätzliche Anreiz für das Studium das möglichst perfekte Er-lernen der Fremdsprache war.

Die Studentinnen und Studenten die mehr Interesse für Literatur, für das Lehr-amt, aber auch für ihr Zweitfach aufbrin-gen sind aus obenaufbrin-genannten Gründen gegen Ende des Studiums am motivierte-sten und haben auch die konkretemotivierte-sten Änderungsvorschläge.

Ergebnisse der Befragung im Einzelnen

Einige der Fragen im Fragebogen bezo-gen sich auf das Wunschstudium und die Wunschuniversität, da die Universität J. E. Purkyne zwar einen guten Ruf ge-nießt, die Stadt Ústí nad Labem aber besonders aufgrund der Umweltsituati-on und des nicht besUmweltsituati-onders schönen Stadtbildes als nicht besonders attraktiv gilt. Eine Hypothese war deshalb, daß sich wohl die meisten Studierenden auch an anderen Universitäten beworben hat-ten. Weiters sollten diese Fragen auch zeigen, ob die StudentInnen primär Deutsch studieren wollten oder ob sie auch andere Studienrichtungen in Be-tracht gezogen hätten.

Die StudentInnen im 1. Jahr geben am häufigsten an, sich auch an anderen Uni-versitäten beworben zu haben. Diese Tat-sache kann aber auch darauf beruhen, daß sie sich noch besser erinnern und ihnen das noch wichtiger erscheint als den StudentInnen im 2. und 3.

Studien-1 Der Studienplan für Germanistik in Ústí nad Labem sieht vom Studien-1. bis 4. Jahr erst 4, später 2 Wochenstunden sprachpraktische Übungen vor, wobei zumindest 2 von Mutter-sprachlerInnen gehalten werden, Kursgröße maximal 15 Teilnehmende.

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jahr.1 Der Großteil der StudentInnen (38% der Nennungen) hatte sich auch in Prag beworben, es führt die Pädagogi-sche Fakultät vor der PhilosophiPädagogi-schen und Juridischen Fakultät. Die restlichen Nennungen entfallen auf Universitäten in der ganzen Tschechischen Republik, die Auswahl war wahrscheinlich abhän-gig von den jeweiligen Heimatorten der StudentInnen. Auch werden meist Päd-agogische Fakultäten genannt (Pilsen, Brünn, Budweis, …). Etwa ein Drittel der Befragten hatte sich für andere Fächer, meist Jura, beworben.

Im 2. Studienjahr geben die Studierenden auffällig seltener an, sich auch an ande-ren Universitäten beworben zu haben, das mag aber, wie schon erwähnt, eher an der Erinnerung als an einer tatsächlichen Bevorzugung von Ústí nad Labem liegen. Am häufigsten wird wieder die Karlsuni-versität Prag (57% der Gesamtnennun-gen) genannt. Andere Studienfächer wer-den von wer-den Stuwer-dentInnen im 2. Jahr kaum angegeben. Neben Prag werden noch die Pädagogischen und Philosophi-schen Fakultäten in Pilsen und Liberec angegeben.

Im 3. Studienjahr fallen mehr als drei Viertel der Angaben, bei welchen ande-ren Universitäten die StudentInnen sich beworben hatten, auf Prag, wobei etwa die Hälfte die Philosophische Fakultät nennt, die andere Hälfte jedoch die Juri-dische Fakultät.

Die Akzeptanz des Lehramtsstudiums scheint sowohl von der Dauer des Studi-ums als auch von der Fächerkombination abzuhängen.2 Die Ein-Fach-StudentIn-nen im 1. Jahr äußern noch sehr oft den Wunsch, später etwas anderes als

Lehre-rIn zu werden. Im 2. und 3. Jahr, in beiden Fällen wurden StudentInnen mit Kombi-nationsfächern (Tschechisch bzw. Ge-schichte) befragt, will der überwiegende Teil der Befragten LehrerIn werden. Dies kann auch an der pädagogischen Ausbil-dung liegen, die dann schon begonnen hat.

Während etwa die StudentInnen im Ein-Fach-Studium Germanistik im 1. Jahr zu 18% ÜbersetzerInnen oder Dolmetsche-rInnen werden wollen, ist das im 2. Jahr nur der Wunsch von 13% der Befragten. Insgesamt wollen 40% der Befragten im 1. Jahr etwas anderes als LehrerIn wer-den, hingegen äußern nur 25% im 2. Jahr diesen Wunsch. Das 3. Studienjahr liegt mit den Angaben 30% anderes zu 70% LehrerIn dazwischen.

In allen drei Studienjahren ist die stärkste Motivation Deutsch zu studieren das Ver-bessern der Sprachkenntnisse. Ein Teil der StudentInnen (16%) war bereits in Deutschland, meist als Au-Pair, was zu-sätzliche Anreize zu schaffen scheint. Ob-wohl alle StudentInnen Interesse an deut-scher Literatur und Landeskunde bekun-den, ist die Motivation für das Studium fast ausschließlich das Erweitern der Kenntnisse der deutschen Sprache. Mög-lichst perfekt und fehlerfrei wollen die StudentInnen Deutsch lernen, sie wollen an der Universität ihre fachlichen Kennt-nisse erweitern, eine Weltsprache erler-nen, eine gute Aussprache erwerben und diese in mehr Konversationsstunden üben und anwenden. Es zeigt sich also, daß die Studentinnen und Studenten sehr genau wissen, was sie von ihrem Studium erwarten, nämlich eine fundier-te Ausbildung in der deutschen Sprache,

1 Ich spreche von Studienjahren, da dies die übliche Einteilung ist; das Studienjahr ist zwar in 2 Semester unterteilt, QuereinsteigerInnen gibt es aufgrund des Lehrangebotes und des Studienplanes jedoch selten.

2 Das Ein-Fach-Studium wurde, wie schon erwähnt, erst 1996 eingerichtet, bis dahin war unbedingt ein zweites Fach zu studieren.

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