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Info Daf Heft 6 Dezember 2015

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Informationen Deutsch als Fremdsprache

Akademischen Austauschdienst in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache

Inhalt

Inhalt

Allgemeine Beiträge Ingo Schöningh

Deutsch in Japan. Geschichte, Gegenwart und Konsequen-zen für eine zukünftige Bildungskooperation Deutsch 537 Jean-Claude Bationo

Kulturelles Gedächtnis und kulturelles Lernen im DaF-Un-terricht. Einsatz des Brandenburger Tors im

Deutschunter-richt in Burkina Faso 558

Julia Augart

Literaturvermittlung – kreativ. Beispiele zum Umgang mit

Literatur im Südlichen Afrika 576

Aus der Praxis Katharina Herzig, Anne Biedermann, Kristina Peuschel, Valeria Wilke und Norma Wucherpfennig

Zielgruppenorientierung zwischen Standardisierung und Differenzierung: DaF an lateinamerikanischen Hochschulen 591 Andrea Bies

Erstkontakt: Behandlung einer kommunikativen Gattung im DaF-Unterricht anhand von Transkripten 628 Inhaltsverzeichnis der Nummern 1–6, 42. Jahrgang (2015) 650

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Zu Heft 6/2015

Heft 6/2015 führt uns in unterschiedliche Gegenden der Welt, in denen Deutsch vermittelt wird. Ingo Schöningh beschreibt zunächst die Situation der deutschen Sprache in Japan und die Herausforderungen, die sich etwa durch das Interesse an anderen Sprachen ergeben. Seine Empfehlung: eine gründliche Politur! Der Beitrag von Katharina Herzig, Anne Biedermann, Kristina Peuschel, Valeria Wilke und Norma Wucherpfennig führt uns auf den lateinamerikanischen Kontinent. Im Beitrag werden für Sie die Sprachlernkonzepte an fünf Standorten analysiert. Einen Einblick in den Deutschunterricht in Burkina Faso bietet Jean-Claude Bationo in seinem Beitrag zur Arbeit mit Lehrwerken bei der Sprach- und Kulturvermittlung. Über den Deutschunterricht in Namibia und Südafrika berich-tet Julia Augart. In ihrem Beitrag werden kreative Zugänge zum Umgang mit Literatur im Deutschunterricht beschrieben. Im einzigen Beitrag ohne einen Regionalbezug zeigt Andrea Bies, wie man mit Transkripten von Gesprächssitua-tionen arbeiten kann.

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Deutsch in Japan

Geschichte, Gegenwart und Konsequenzen für eine

zukünftige Bildungskooperation Deutsch

Ingo Schöningh

Zusammenfassung

Laut Statistik des Netzwerk Deutsch (2010) lernen in Japan etwa viermal so viele Studie-rende studienbegleitend Deutsch wie in China, Indien und Brasilien zusammen: Eine Tatsache, die auch in Fachkreisen wenig präsent ist. Vorliegender Beitrag zeigt den his-torischen Rahmen, in dem sich Deutsch in Japan entwickelte, beleuchtet aktuelle Ent-wicklungen, wagt einen Ausblick und behandelt schließlich die Frage, welche Maßnah-men ergriffen werden sollten, um Restpotentiale nicht zu verspielen: Denn 1995 waren es nach zitierter Statistik nicht vier-, sondern 14mal so viele studierende Lernerinnen und Lerner wie in den zuvor exemplarisch angeführten Ländern, so die damalige Über-sichtsstudie.

1. Die Ursprünge des Deutschunterrichts in Japan

Die Anfänge der »doitsu-gaku« (Deutschstudien) dürften u. a. auf den histori-schen Zufall zurückzuführen sein, dass der spätere Präsident der Tokyo-Universität Kato Hiroyuki (1836–1916)1 einst dazu verdonnert wurde, »Deutsch zu lernen, damit er die Gebrauchsanweisung des Telegrafen entziffern konnte, den die preußische Expedition unter Eulenburg 1860 als Geschenk für den 1 Kato Hiroyuki, auch Kato Kozo genannt (z. B. Naka 1994: 237), gilt zusammen mit

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Shogun mitgebracht hatte« (Opitz 1984: 25).1 Dies erscheint im Rückblick als ein umso glücklicherer Zufall, als Japan aufgrund seiner unmittelbar vorhergehen-den 200jährigen Abschließung (1630–1853) keinerlei Kontakt mit der deutschen Sprache und Kultur gehabt hatte, wenn man von den ganz vereinzelt einge-drungenen, sich angeblich als »Bergholländer« ausgebenden Deutschen (u. a. Engelbert Kaempfer, Philipp Franz von Siebold; vgl. Takahashi 2006: 38 ff.) absieht.2

Nun entwickelte sich dieser aus der Perspektive eines deutschen Muttersprach-lers sprachpolitisch so glückliche Zufall positiv weiter: Bis in die Gegenwart findet sich Deutsch in den Lehrplänen nahezu jeder zweiten Universität. Als einen eindrucksvollen Beleg – und vielleicht zugleich mögliche Verortung des Zenits – dieser besonderen Wertschätzung führt Iwasaki (1994: 7) an, dass man »in den Eliteschulen Japans in der Vorkriegszeit […] nur Englisch und Deutsch (ausnahmsweise auch Französisch) lernen [konnte]«. Als ein Grund für diese hervorgehobene Position des Deutschen wird u. a. angeführt, dass »das autori-täre deutsche Kaiserreich […] den konservativen Kräften Japans eher nachah-menswert [erschien] als die liberaleren, demokratischeren Staatsmodelle der angelsächsischen Länder« (Ammon/Michels 1994: 21); so forderte der spätere Kultusminister Inoue Kowashi (1843–1895) als eine Reaktion auf staatlicherseits ungewünschte Demokratisierungstendenzen: »Wenn man die Stimmung des Volkes in eine konservative Richtung führen will, so sollten die Wissenschaften Preußens gefördert werden« (Dokkyo-Gakuen 1979, zit. nach Naka 1994: 243). Einen etwas anders gelagerten Grund für die Popularität der deutschen Sprache im Japan des 19. Jahrhunderts führt Mori an, dass nämlich »der damalige japanische Regierungschef […] eine gewisse Verwandtschaft mit den Preußen gefühlt hatte, indem er beide Länder als Entwicklungsländer erkannte« (Mori 1994: 52). Man könnte also zugespitzt – und abgesehen von der zuvor erwähn-ten Wertschätzung des Deutschen als Wissenschaftssprache, die im Folgenden noch exemplarisch ausgeführt wird – zusammenfassen: Die Erfolgsgeschichte der deutschen Sprache in Japan basiert auf der akademischen Karriere des Übersetzers einer Gebrauchsanweisung, die der Zufall aus einem fernen Ent-wicklungsland auf die Insel herübergeweht hatte. Interpretiert als Idiom einer reaktionär-konservativen Kultur fand Deutsch seinen Eingang in die Curricula der höheren Bildungsanstalten, um fortan den Nachwuchs von libertären Tendenzen abzulenken. Soviel zur Tradition.

1 Graf Friedrich zu Eulenburg (1815–1881): Leiter der preußischen Ostasien-Expedition,

deren Ergebnis der erste Handelsvertrag zwischen Preußen und Japan war.

2 Lediglich den Holländern war während der Isolationszeit ein beschränkter

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Im Zuge dieser erfolgreichen Markteinführung erlebte Deutsch nun insbesondere auf den Feldern der Medizin, des Staatsrechts und des Militärs große Popularität. Für die Medizin galt dies etwa von 1870 bis 1945, dann übernahm das Englische (Kakinuma 1994: 36); inzwischen werden Anamnesen zumeist ausschließlich auf Japanisch verfasst. Die häufig zitierte Ableitung des japanischen Bürgerlichen Ge-setzbuchs aus einer deutschen Vorlage erweist sich zwar, so Mori, bei genauer Be-trachtung als »übertrieben« (Mori 1994: 55), doch wurde zumindest »der juristische Nachwuchs der damaligen Zeit [also gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts; is] in Deutschland [ausgebildet]« (ebd.).1 Mit Kriegsende, einer »Amerikanisierung Japans« (Hirataka 1994: 198) und der damit einhergehenden Neuformation des japanischen Staatswesens übernahm das US-amerikanische Recht weite Bereiche, auch wenn unverändert im Rechtsdiskurs »auf deutsche juris-tische Literatur sowie auf deutsche Rechtsprechung hingewiesen wird«. »Infolge-dessen«, so Mori weiter, »wird auch die deutsche Sprache für japanische Rechtswis-senschaftler weiter wichtig bleiben« (Mori 1994: 56 f.). Andererseits »erreichen die Studierenden der juristischen Fakultäten […] kein gutes Kenntnisniveau in der deutschen Sprache [mehr]«, und »[d]er Bedeutungsverlust […] wächst« (ebd.: 61).2

2. Zur aktuellen Verbreitung von Deutsch in Japan

2.1 Japanisch-Deutsche Gesellschaften, Lektorinnen und Lektoren, Koopera-tionen

In der kulturell-bildungspolitischen Zusammenarbeit zwischen Japan und Deutschland betont die deutsche Botschaft Tokyo »[d]as dichte kulturelle Netzwerk mit über 60 Japanisch-Deutschen Gesellschaften in Japan, 50 Deutsch-Japanischen Gesellschaften in Deutschland, 450 bilateralen Hochschulkooperationen, ca. 250 deutschsprachigen Lektoren, derzeit 66 Städtepartnerschaften« (AA Japan). Zudem wird als ein Erfolg hervorgehoben, dass »[d]ie Gesamtzahl der japanischen Studie-renden in Deutschland [..] seit Anfang der 90er Jahre um ca. 50 % auf 2100, die Zahl deutscher Studierender in Japan trotz der Sprachbarriere im Jahr 2010 auf rund 550 gestiegen« ist (ebd.).3 Eine Förderung von Deutsch wird nicht explizit erwähnt.4

1 Rösler (2000: 58) grenzt »von den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bis zum Anfang

der 20er Jahre« ein.

2 Ein Gutachter des vorliegenden Textes bezweifelt dieses Urteil von Mori in seiner

Pau-schalität.

3 Zum Vergleich: Trotz aller aktuellen politischen Differenzen studieren über 15.000

Japa-ner in China, während die Zahl der in Japan studierenden Chinesen mit 76.175 angege-ben wird (DAAD 2012).

4 Dieses Fehlen eines DaF-Hinweises überrascht, wenn man beispielsweise die

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Tatsächlich stellen die 250 (gemeint sind vermutlich muttersprachliche, nicht le-diglich »deutschsprachige«) Lektorinnen und Lektoren das Fundament der Bil-dungsarbeit: Sie verkörpern an den Universitäten die deutschsprachigen Länder und werden durchaus wertgeschätzt, wie sich z. B. an der institutionellen Einbin-dung zeigt.1 Darüber hinaus bietet die bildungsgeschichtlich fundierte Tradition eine Grundlage für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP). Diese sollte intensiv gepflegt werden, denn Deutsch ist in Japan kein Perpetuum mobile, wie eine nähere Analyse der aktuellen Situation zeigt.

2.2 Deutsch an Universitäten

Wie bereits einleitend erwähnt, stellt Japan immer noch außerhalb der deutsch-sprachigen Länder mit ca. 220.000 Lernern (w/m) (JGG 2013: 64) nach Russland die zweitgrößte Anzahl Deutsch lernender Studierender (nicht: Schüler!) weltweit (vgl. Netzwerk Deutsch 2010: 4 ff.). Besonders deutlich wird dies im direkten Ver-gleich mit Brasilien, China und Indien (siehe Diagramm 1, S. 541).

Dies entspricht über 7 % der gesamten japanischen Studierendenschaft (Stand: 5/ 2013, vgl. MEXT1 2013; eigene Berechnung) und belegt die starken traditionell-beharrenden Kräfte innerhalb der japanischen Kultur2: Denn bereits im Juni 1991 hob das japanische Kultusministerium die bis dato bestehende Verpflichtung aller Studierenden zu einem Studium generale auf, dessen immanenter Bestandteil »in aller Regel eine zweite Fremdsprache, neben Englisch, [war], und die insgesamt am häufigsten gewählte zweite Fremdsprache war Deutsch« (Ammon 1994: 10; vgl. auch Slivensky/Boeckmann 2000: 24).3

Doch 23 Jahre nach dieser Aufhebung ist immer noch an fast jeder zweiten japanischen Universität das Erlernen einer zweiten Fremdsprache obligatorisch, 1 z. B.: »der Bereich Deutsch als Fremdsprache« ist ein »Schwerpunkt […] bei der

Zusam-menarbeit« (AA: Brasilien); die Deutsch-Chinesische Kooperation verfolgt das Ziel, die »deutsche Sprache in China und die chinesische Sprache in Deutschland zu fördern« (AA: China), und in den deutsch-indischen Beziehungen wird betont, dass die Sprach-arbeit »[n]eben der Veranstaltung und Organisation von Kulturprogrammen […] einen wichtigen Schwerpunkt [bildet]« (AA: Indien).

1 Allerdings scheinen die Universitäten zunehmend auf mehr »Hijokin« (zumeist

freibe-rufliche Lehrbeauftragte) zurückzugreifen und immer weniger auf festangestellte (und entsprechend unkündbare) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – was allerdings auch auf Vorgaben des Bildungsministeriums zurückzuführen ist, welches der demographischen Entwicklung Rechnung trägt.

2 Kurt Singer spricht von der »einzigartig […] unvergleichlichen Kontinuität,

Homoge-nität und Plastizität seines [d. h. Japans] politischen und kulturellen Lebens« (Singer 1991: 139 f.).

3 Laut Shimokawa wurden damit »[d]ie allgemeinbildenden und Fremdsprachen-Fächer

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und nur so erklärt sich auch die weiterhin beeindruckend hohe Anzahl an Deutschlernern. Zwar führen inzwischen Chinesisch-Angebote in der Statistik der zweiten Fremdsprachen vor Französisch und Deutsch, während sich auf dem vierten Platz Koreanisch positioniert – es gibt also durchaus auch alterna-tive Angebote, und die vergleichsweise hohen Einschreibezahlen für Deutsch sind sicherlich nicht (bzw. nicht mehr) nur darauf zurückzuführen, dass es schlicht an anderen Optionen mangele (vgl. Albrecht 1998: 32).1 Doch generiert sich die Nachfrage nach Deutsch eben vor allem aufgrund des häufig verpflich-tenden Charakters einer zweiten Fremdsprache, gepaart mit aktuellen politi-schen Entwicklungen recht willkürlicher Natur. So führte die deutsche Wieder-vereinigung zu einer verstärkten Nachfrage bzw. einer deutlichen Abschwä-chung des generellen Rückgangs (vgl. Yoshijima 1996: 49), aktuell sind es die Territorialkonflikte in Ostasien, welche offenbar zahlreiche Japanerinnen und Japaner davon abhalten, sich mit den Nachbarsprachen Chinesisch und Korea-nisch zu beschäftigen.

Neben dieser aus entspannungspolitischer Perspektive durchaus zu begrüßenden Konkurrenz durch die Sprachen der Nachbarländer ist dennoch letztlich der Um-stand, dass an immer weniger japanischen Hochschulen das Erlernen einer weite-ren Fremdsprache obligatorisch ist, ursächlich für den sukzessiven Niedergang des Deutschen in Japan:

1 Chinesisch: 620 von ca. 760 Hochschulen; Französisch: 517; Deutsch: 506 (Stand 2011;

vgl. MEXT2 2013: 09).

Diagramm 1: Vergleich der Anzahl Deutschlernende an Universitäten (vgl. Netzwerk Deutsch 2010)

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1 2 3

Tabelle 1: Anzahl deutschlernender Studierender

(StADaF-Grunddaten 2000; StADaF 2000; StADaF 2005; Netzwerk Deutsch 2010; JGG 2013) Die teilweise gravierenden Schwankungen sind sicherlich nicht zuletzt auf Inter-pretationen unterschiedlicher Quellen zurückzuführen; dies dürfte insbesondere für die tendenzielle Abweichung der erfassten Zahl im Jahr 2000 gelten. Die Zahl von 2013 darf jedoch meines Erachtens als belastbar bewertet werden, da sie auf einer Vollerhebung beruht. Ebenfalls einleuchtend und nachvollziehbar erscheint mir eine Reduktion der Lernerzahlen um fast 50 % in den vergangenen 20 Jahren. Das sprachliche Niveau der Lernenden an den Universitäten variiert logischerweise stark je nach Unterrichtsumfang, wobei »die Zahl der Lernenden auf der Stufe »An-fänger 1« [d. h. <60 h Unterricht; is] […] überwältigend hoch [ist]« (JGG 2013: 31); Tsuji geht bereits 1989 davon aus, dass »der Unterricht in der deutschen Sprache in Japan quantitativ enorm breit und qualitativ enorm seicht« sei (Tsuji 1989: 14). Fol-gendes Diagramm, an der JGG-Erhebung orientiert, soll einen Überblick über die erreichten Niveaustufen an Universitäten (im Sinne der auch in Tabelle 1/Fußnote 1 herangezogenen Subsumierung) geben (siehe Diagramm 2, S. 543):

2.3 Deutsch an Schulen

In Relation zu den anderen angebotenen zweiten Fremdsprachen ähnlich wie an den Universitäten, allerdings in absoluten Zahlen vergleichsweise unbedeutend positioniert sich Deutsch in der Sekundarstufe II, also an Oberschulen; in Mittel-schulen spielt Deutsch kaum eine Rolle (das »Verbandsorgan der Deutschlehrer an den Oberschulen in Japan« listet für den April 2013 lediglich fünf Schulen auf; vgl. VDO 2013: 48). Derzeit bieten 106 Schulen Deutsch an (MEXT5 2013: 5; im VDO 2013 finden sich weniger); die Gesamtzahl der Schüler (w/m) beträgt nach MEXT 3.348 (MEXT ebd.), nach JGG 3.634 (JGG 2013: 67). Damit liegt Deutsch hinter Französisch (8.959 Schülerinnen an 222 Schulen), Koreanisch (11.441 Schü-ler an 348 Schulen) und Chinesisch (22.061 SchüSchü-ler an 542 Schulen; alle Zahlen

1995 2000 2005 2010 2013 400.0001 Ler-nende 246.465 bzw. 260.565 Lernende2 345.196 Lernende 285.000 Ler-nende 219.274 + 5.011 (an KOSEN)3 + 1.639 an Kurzzeituniversitäten

1 Hier zusammen erfasst: Germanistik, Deutschlehrerausbildung, DaF-Sprachkurse für

Studenten.

2 Unterschiedliche Angaben aufgrund widersprüchlicher Quellen (245.465: StaDaF 2000;

260.565: StaDaF-Grunddaten 2000).

3 KOSEN: Mischung aus Fachober- und Fachhochschulen, die fakultativ mit einem BA

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nach MEXT ebd.). Während sich die höhere Anzahl von Lernerinnen und Lernern der Nachbarsprachen regional erklärt, basiert das statistisch auffällige stärkere In-teresse an Französisch offenbar vor allem auf dem Engagement frankophiler Pri-vatschulen. Darüber hinaus ist überraschend, dass sich die Anzahl der Deutsch anbietenden Schulen in den vergangenen Dekaden leicht erhöhte,1 während die Anzahl der Deutsch lernenden Schülerinnen und Schüler seit den 1990er Jahren rückläufig ist. Nur ein Bruchteil der Schülerinnen und Schüler erreicht im Laufe der schulischen Deutsch-Ausbildung Kenntnisse auf einem soliden A2-Niveau; ca. 90 % der Oberschüler haben insgesamt weniger als 120 Stunden Unterricht (vgl. JGG 2013: 31; eigene Berechnung).

2.4 Deutsch am Goethe-Institut, an der Deutschen Schule Tokyo-Yokohama und an weiteren Institutionen

Das Goethe-Institut ist in Japan an drei Standorten vertreten, nämlich in Tokio, Osaka und mit einer Künstlerresidenz in Kyoto, wobei in letzterer Präsenz der Deutschunterricht administrativ an das Institut in Osaka angebunden ist und im Folgenden damit gemeinsam erfasst wird. Nach einem schließungsbedingten Ein-1 Itoi (1994: 215) berichtet von einer Untersuchung »Mitte der sechziger Jahre«, in der

»un-gefähr 50 Schulen, in denen Deutsch als zweite Fremdsprache unterrichtet wurde«, ge-zählt wurden, Mitte der neunziger Jahre gab es ca. 90 Schulen mit DaF.

Diagramm 2: Anzahl Deutschlernende an Universitäten in Japan nach Niveau (vgl. JGG 2013: 31; eigene Berechnung)

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bruch im Jahr 2011 infolge des Ostjapan-Erdbebens erreicht Tokyo nun jährlich ca. 3.400 Einschreibungen, wobei diese Zahl seit 2012 erstaunlich stabil ist (2012: 3.429; 2013: 3.400; 2014: 3.438). In Osaka/Kyoto wurden 2013 insgesamt 1.234 Ein-schreibungen erzielt.

Nach einer Restrukturierung des Kursbetriebs im Jahr 2011, die vor allem dazu führte, dass sich die Frequenz der Kursanfänge erhöhte, konnte im Folgejahr ein signifikanter Zugewinn an Neukunden verzeichnet werden. Dieser hat sich inzwi-schen stabilisiert:

Historisch betrachtet ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass ein Höchststand an Einschreibungen am GI Tokio Mitte der 1990er Jahre mit ca. 5.500 Einschreibungen im Jahr erreicht wurde. Eventuell befeuert durch die deutsche Wiedervereinigung, zudem vielleicht noch von der (allerdings im Jahr 1990 ge-platzten) Bubble Economy »verwöhnt«, kam es in dieser Zeit allerdings auch zu parallelen Mehrfachbuchungen der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, so dass von dieser Zahl nur mit dieser Einschränkung auf die Reichweite (im Sinne von »erreichten Personen«) rückgeschlossen werden kann.

Neben dem Goethe-Institut unterhält auch die Deutsche Schule Tokyo-Yokohama einen Sprachkursbetrieb mit dem Namen »Seminar für deutsche Sprache und Kultur«. Hier werden derzeit in acht Kleingruppen zwischen vier und zehn Teil-nehmerinnen und -teilnehmer vor allem im Anfängerbereich unterrichtet; jährlich werden so 40–50 Personen erreicht.

Nur vage Schätzungen existieren bezüglich kommunaler und privater Instituti-onen, die Deutschunterricht anbieten. Japanweit könnten so durchaus noch weitere ca. 3.000 Lernerinnen und Lerner erreicht werden (Schätzung eines Expertengremiums DaF in Tokyo anlässlich einer aktuellen Grunddatenerhe-bung).

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2.5 Prüfungen für Deutsch

Aus Sicht des Goethe-Instituts Tokyo sehr erfreulich ist die aktuell zu verzeich-nende Zunahme beim Prüfungsbetrieb: So konnte die Anzahl der Prüfungsteil-nehmerinnen und -teilnehmer im Vorjahresvergleich um 15 % gesteigert werden, was eine positive Entwicklung der vergangenen Jahre in diesem Segment fort-schreibt. Derzeit werden um die 1.300 Prüfungen im Jahr abgenommen.1

Unverändert sehr beliebt ist als Sprachleistungsnachweis die Prüfung »Diplom Deutsch in Japan«, vor allem bekannt als »DOKKEN«. Mit derzeit zwei Prüfungs-terminen im Jahr, an denen auf bis zu sechs unterschiedlichen Niveaustufen ge-prüft wird, werden jährlich konstant um die 15.000 Personen erreicht (2013: 14.942; 2012: 15.549; 2011: 15.056). In der Wahrnehmung japanischer Deutschler-nerinnen und -lerner und auch deren Dozentinnen wirkt DOKKEN eher als Nach-weis mit hoher Relevanz in Japan, während die Goethe-Prüfungen tendenziell als »nach außen« gerichtet wahrgenommen werden, also z. B. als Qualifikationsnach-weis gegenüber deutschen Institutionen.

In der bereits zitierten JGG-Vollerhebung wurde u. a. auch gefragt, ob – und gege-benenfalls welche – externe(n) Deutsch-Prüfungen von höheren Bildungseinrich-tungen empfohlen werden. Hier zeigte sich eine klare Präferenz für die DOKKEN-Prüfung: Bei der größten Stichprobe (N=674) sprachen 50,9 % keine Empfehlung aus, 44,7 % empfahlen DOKKEN und lediglich 7,9 % die Prüfungen des Goethe-Instituts (JGG 2013: 45).

2.6 Institutionelle Bestrebungen

Insbesondere vor dem Hintergrund der rückläufigen Anzahl an studentischen Deutschlernern scheinen mir Aussagen, »dass das allgemeine Interesse an der fremden Kultur sowie der Sprache als Kommunikationsmittel im Vergleich zur Nachkriegszeit wesentlich größer geworden« sei (Sugitani 2001: 1592), nicht un-mittelbar einleuchtend.2

Dies gilt insbesondere, wenn man als Indikator des japanischen Interesses am Ausland die trotz aller politischen Bemühungen (vgl. Wieczorek 2014: 507 f.; OECD1 2014: 360) geringe Anzahl japanischer Studierender an ausländischen Uni-versitäten betrachtet: Lediglich ein Prozent der japanischen Studierenden war 2011 an einer Hochschule außerhalb Japans eingeschrieben (vgl. OECD1 2014: 1 Diese Angaben sind um die Modulprüfungen bereinigt; d. h., dass jeweils vier Module

als eine »Vollprüfung« gewertet werden.

2 Dies könnte durchaus auch wechselseitig konstatiert werden; so ist beispielsweise die

Anzahl der in Japan erteilten Journalistenvisa seit 2008 stark rückläufig (im Jahr 2008 wurden 226 derartige Visa, 2010 insgesamt 136 und 2012 lediglich 51 Journalistenvisa ausgestellt; vgl. Ministry of Justice 2013: 38).

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360). Zwar könnte man in diesem Zusammenhang mit Wördemann auch argu-mentieren, dass sich der Rückgang japanischer Studierender im Ausland »etwas zu leicht unter ›japanisches Rückzugsphänomen‹ verbuchen [lässt], während es doch zugleich ersichtlich wird, dass weltweit die Universitäten […] künftig häufi-ger zu den Studenten kommen, als dass sie in Massenströmen und über teure Aus-landsaufenthalte aufgesucht werden« (Wördemann 2014: 12), doch ist die Zahl der ins Ausland gehenden Studierenden seit Jahren rückläufig:

»Although a large number of foreign students attend Japanese universities, not many students study abroad. In 2011, 38535 Japanese students were enrolled as foreign students in tertiary institutions abroad. This figure has been continuously declining since 2005 when it peaked at 62853.« (OECD 2013: 11)

Diese Tendenz steht wissenschaftspolitisch in deutlichem Kontrast zur politischen Willensbekundung des Bildungsministeriums (MEXT), wie sie z. B. auch in der Kampagne »Tobitate! Ryugaku Japan« mit dem Ziel, die Anzahl der im Ausland studierenden Japaner bis 2020 zu verdoppeln (OECD2 2014: 4), deutlich wird. Wei-tere ministerielle Initiativen widmen sich dem ebenfalls zu verzeichnenden fatalen Rückgang an Englisch-Angeboten an japanischen Universitäten.1 Als Reaktion auf diesen Trend rief das MEXT einen »English Education Reform Plan corresponding to Globalization« aus, dessen Ziel die Förderung englischer Sprachfähigkeit ist. Nun soll diese jedoch zugleich einhergehen mit der »Pflege der Bedeutung der japani-schen Identität«2; möglicherweise blockiert auch solch ein politischer Impetus, der sich seit September 2012 unter dem konservativ ausgerichteten Kabinett von Shinzo Abe zunehmend als nationale Nabelschau präsentiert, zusätzlich eine generelle transkulturelle Offenheit als Basis der Internationalisierung.

Ein Beispiel für eine Initiative von Nichtregierungsseite, die sich ebenfalls gegen den Rückgang des Fremdsprachenlernens in Japan wendet und dabei aber eine gewisse Ignoranz der Bildungspolitik gegenüber dem Bedeutungsverlust der zweiten Fremdsprachen konstatiert, ist die Gründung des Japan Council on the Teaching of Foreign Languages (JACTFL).3 Im Dezember 2012 organisierten sich in diesem Zusammenschluss Lehrende aller Philologien (inklusive zahlreicher DaF-1 Im Jahr 2009 weist das MEXT noch 731 Universitäten aus, die Englisch anbieten (MEXT

2011: 36), im Jahr 2011 reduzierte sich diese Anzahl auf 724 Universitäten (MEXT2 2013: 9). Bei der Bewertung dieser zunächst gering erscheinenden Differenz ist in Rechnung zu stellen, dass im gleichen Zeitraum die absolute Anzahl der Universitäten und Studie-renden gestiegen ist; erst für das Jahr 2012 wird erstmalig seit Kriegsende ein moderater Rückgang der Studierendenanzahl ausgewiesen(vgl. MEXT3 2013). Diese Entwicklung dürfte sich aufgrund des demographischen Wandels in Japan künftig fortsetzen.

2 Im Original: »[N]urturing individual’s sense of Japanese identity« (MEXT1 2013). 3 Die US-amerikanische Organisation mit dem Akronym »ACTFL« (»American Council

on the Teaching on Foreign Languages«, vgl. http://www.actfl.org/) dürfte hier namens-stiftend gewesen sein.

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Experten) und versuchen seitdem, unter Einbindung der Behörden politische Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein aktueller Ansatzpunkt ist die Förderung der Mehrsprachigkeit im Zuge der Tokioter Olympiade 2020 (vgl. das Programm des JACTFL-Symposiums 2015: JACTFL 2015).

Nun betrifft der Rückgang die zweiten Fremdsprachen in Japan in sehr unterschied-lichem Maße, da sich die Priorisierungen der zweiten Fremdsprachen untereinan-der verschieben. Während das Angebot an Chinesisch in den vergangenen Jahren an Hochschulen stagnierte und Koreanisch (trotz aller politischen Spannungen) leichte Zugewinne verzeichnen konnte, reduzierte sich das Angebot an Französisch und Deutsch, vor allem an den privaten Hochschulen (MEXT2 2013; MEXT3 2013). Die speziell für die Förderung der deutschen Sprache maßgebliche Institution in Japan ist der Japanische Deutschlehrerverband, eine Untersektion der Japanischen Gesellschaft für Germanistik. Bedauerlicherweise litt nun in den vergangenen Jah-ren dessen Integrationsfähigkeit, wie sich in einem zermürbenden Diskussionspro-zess zeigte: U. a. forciert durch den stetig zu verzeichnenden Rückgang der Mitglie-derzahl, wurde der Japanische Deutschlehrerverband umbenannt in »Verband der Deutschlehrenden in Japan« (VDJ). Zweck dieser Umbenennung ist die damit an-geblich stärker zum Ausdruck kommende Heterogenität der Mitglieder (w/m), die sich, da zum großen Teil an Universitäten lehrend, zumeist als Professorinnen und Professoren verstehen und sich von den »klassischen« Deutschlehrern (w/m), die an Oberschulen unterrichten, absetzen wollen – obwohl sie zumeist als Deutschlehr-kräfte eingesetzt sind.1 Damit einher ging der Wunsch, im Verbandsorgan »Deutschunterricht in Japan« weniger DaF-Themen aufzunehmen: Shigeto (2011: 8 f.) beschreibt den Wandel der Publikation vom Verbandsorgan zum wissenschaft-lichen Periodikum ab 1995, welches ab 2003 zunehmend Texte eines jährlich stattfin-denden DaF-Seminars aufnahm, was wiederum aufgrund einer Tendenz zur Ver-wissenschaftlichung auf Kritik stieß, die – so nun Ohta (2011: 10) – im Jahr 2007 dazu führte, dass neue Kriterien für Aufsätze entwickelt wurden (vgl. die umfangreiche Darstellung dieser Diskussion in JDV 16/2011 und JDV 15/2010, die, dies sei für Monty-Python-Kenner hinzugefügt, gelegentlich an die Differenzen zwischen der »Judäischen Volksfront« und der »Volksfront von Judäa« erinnert, vor allem, was die Umbenennung des Verbandes angeht).2

1 Vom Paradoxon, dass es in Japan weit mehr Germanisten als Deutschlehrer gibt,

berich-tet bereits Nakajima (1994: 249). Allerdings trifft man auf diese Tendenz zu einer »noto-rische[n] Geringschätzung von Lehrerwissen« (Altrichter/Posch 2007: 12) auch außer-halb Japans.

2 Man mag, so auch ein Gutachter dieses Textes, eine solche Bemerkung als fehlplatziert

empfinden. Dem möchte ich entgegenhalten, dass es nach meinem Ermessen häufig nicht die – um im dargestellten Diskurs zu bleiben – »Tendenz zur Verwissenschaftlichung« ist, die manchen wissenschaftlichen Text uninteressant macht, sondern eine mangelnde Ich-Stärke der Autors, einhergehend mit der kategorischen Ablehnung jeglicher Polemik.

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3. Perspektiven einer Bildungskooperation im Bereich Deutsch

Zur Charakterisierung der japanisch-deutschen Beziehungen wird gelegentlich ein Bonmot zitiert, welches besagt, dass selbige »so gut [seien], dass sie langweilig sind« (Stanzel 2012: 2). Nun ist die Langeweile – definitionsgemäß – aber eben nicht »gut«, sondern – frei nach Wahrig GDaF – eher ein Gefühl der Eintönigkeit. Dieser kleine Widerspruch vermag die obengenannte Charakterisierung insbe-sondere bei der Betrachtung der deutschen Sprache in Japan gut zu ergänzen, ba-siert doch der Erwerb des Deutschen als Fremdsprache vor allem auf (universitä-rem) Zwang und endet viel zu häufig in Frustration. Ziel einer erfolgreichen Bildungskooperation Deutsch sollte es somit sein, dieser unlustvollen Frustration vorzubeugen.

Anknüpfungspunkte für eine an empirischen Befunden orientierte Förderung von Deutsch dürften sich zukünftig aus den derzeit durchgeführten Studien zu den Deutschlehrenden und den Deutschlernenden ableiten lassen, welche die Voller-hebung »Zur Lage von Deutschunterricht und Deutschlernenden in Japan« der Japanischen Gesellschaft für Germanistik in Kooperation mit dem Goethe-Institut weiter ausdifferenzieren wird (JGG 2013: 5). Bis zur Vorlage dieser Studie bleiben nur grundsätzliche Erwägungen, die kurz dargestellt werden sollen. So ist es im Interesse der mit der Förderung der deutschen Sprache in Japan befassten Mittler-organisationen naheliegend,

a) die im Laufe des Studiums abnehmende Motivation der Studierenden (vgl. Fujiwara 2013: 48; Honda 1994: 280) zu stützen (siehe Kap. 3.1),

b) den Lernerfolg zu steigern (Kap. 3.2) und c) für die deutsche Sprache zu werben (Kap. 3.3).

3.1 Motivation der Studierenden 3.1.1 Weniger sinnlose Aufgaben1

Zur Steigerung der Motivation sollte der Anteil offensichtlich demotivierender Übungsformen möglichst reduziert werden, insbesondere dann, wenn auch ihre Wirksamkeit strittig ist: So ist beispielsweise grammatisches Wissen häufig ein Schwerpunkt bei der inhaltlichen Ausrichtung des Unterrichts (laut einer Um-frage zu den Ausbildungsinhalten für angehende Deutschlehrer und Deutschleh-rerinnen an Oberschulen (Ohta 2010: 33) ist es der häufigste, und nach der JGG-Studie nach »allgemeinem Deutschunterricht« mit 58,5 % der zweitwichtigste Fo-1 Die Überschriften dritter Ordnung verstehen sich als Thesen; nicht zur Diskussion steht

in diesem Zusammenhang die Distinktion zwischen Übungen und Aufgaben (z. B. Funk et al. 2014: 10 ff.).

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kus an Universitäten (vgl. JGG 2013: 32)). Aus motivationaler Sicht ist dies jedoch kontraproduktiv: In einer Umfrage zur Einstellung zum Grammatikunterricht be-fragt, ergaben sich »doppelt so viele negative Kommentare wie positive« (Kutka et al. 2010: 79). Diese Abneigung steigt offenbar im Laufe der Lernerfahrung an; zudem denken Lerner mit Auslandserfahrung »nicht, dass man durch das Wie-derholen von Übungen die Fähigkeit erwirbt, die Grammatik richtig zu verwen-den« (ebd.: 75), und werden in dieser Ansicht auch durch Ergebnisse der Lernpsy-chologie bestätigt (vgl. hierzu das Time-on-Task-Prinzip, z. B. Funk et al. 2014: 176). Vor diesem Hintergrund scheint es generell fragwürdig, warum es in Japan eine lange und »nach wie vor sehr lebendige Tradition [gibt], das Erklären und Ein-üben grammatischer Phänomene ins Zentrum des Unterrichtsgeschehens zu stel-len« (Hoshii 2010: 7).

3.1.2 Interessen- und fertigkeitsbezogene Themen

Grundsätzlich scheint mir eine Forcierung des Spracherwerbs jenseits seiner (zu-mindest potentiell) dialogischen (und eben auch: mündlichen) Anwendbarkeit wenig ergiebig. Dies mag zu Zeiten einer noch stärker ausgeprägten »Okeiko-Kul-tur« (etwa: »Lernen als Selbstzweck«, »Hobby-Studium«; vgl. Sekiguchi 1994: 304 f.) durchaus seine Berechtigung gehabt haben, ist aber meines Erachtens trotz des Umstandes, dass in der schriftdominierten japanischen Kultur »letzten Endes die gesprochene Sprache eher geringgeschätzt« wird (Ueda/Takei 1994: 328), und »kaum ein Student Deutsch [lernt], um wirklich sprechen zu lernen« (Aoki 1989: 68), kein tragfähiges Zukunftsmodell – denn es ist andererseits vor allem das Spre-chen, was die Studierenden im Unterricht besonders wertschätzen (vgl. Christ-Kagoshima 1996: 76).

Nach einer kleinen Studie von Honda (1994) lernen ca. 10 % aller japanischen Stu-dierenden studienbegleitend Deutsch, »[w]eil es leichter zu erlernen ist als andere Fremdsprachen« (Honda 1994: 276 f.). Lediglich ein Drittel würde auch dann Deutsch lernen, wenn es rein fakultativ wäre, also keine Verpflichtung zum wei-teren Fremdsprachenerwerb bestünde (ebd.: 280). Immerhin haben um die 80 % aller Deutschlernerinnen und -lerner die Absicht, in der Zukunft eine Reise in ein deutschsprachiges Land zu unternehmen; dort interessieren sie sich weit mehr für die Landschaft und Alltagskultur (»Leben/Sitten«) als für die Hochkultur (Musik, Kunst, Literatur, Philosophie usw.; ebd.: 279). Um also zielgruppenorientiert das Interesse zu erhalten, wäre es dementsprechend sinnvoll, allgemeine, landes-kundliche Themen mit aktueller Relevanz einem stark kursbuch- und grammatik-zentrierten Unterricht vorzuziehen. Entsprechend sieht auch Sugitani (2010: 1700) zusätzliche Chancen für Deutsch im Hochschulbereich durch eine »Verankerung mit landeskundlichen Themen«. Diese ist freilich nur dann möglich, wenn die Lehrkräfte auch über das entsprechende Know-how verfügen; ein Umstand, den

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beispielsweise Aizawa (1996: 167) durchaus bezweifelt. Umso wichtiger sind die Fortbildungsangebote und Stipendien seitens der Kulturmittlerorganisationen. Eine an der self-determination-theory orientierte Studie zur Motivation japanischer Deutschlernender von Fujiwara (2013: 46 f.) weist nach, dass sich die Förderung der Lernerautonomie einer Amotivation ebenso entgegenwirkt wie die Internali-sierung von Handlungszielen (ebd.: 48).1 Schließlich wirkt sich ein Gefühl der so-zialen Eingebundenheit positiv auf die Lernmotivation aus (ebd.: 49).

3.1.3 Förderung der Lernerautonomie

Zur Unterstützung der Lernerautonomie sollten Maßnahmen gefördert werden, welche dazu führen, dass den Studierenden selbst die Lernverantwortung über-tragen wird. Dies lässt sich methodisch u. a. durch eine Reflexion der Lerninhalte und die Vereinbarung von Zielen erreichen. Da dieser Aspekt vor allem auf den Lernerfolg abzielt, wird er ausführlich im nachfolgenden Kapitel 3.2 behandelt; grundsätzlich gilt, dass Lehrkräfte durch Schulungen dabei unterstützt werden können, entsprechende methodische Fachkenntnisse zu erwerben.

3.1.4 Internalisierung von Handlungszielen

Eine Förderung der Internalisierung fremdbestimmter Handlungsziele gelingt durch zielgerichtete Überzeugungsarbeit: Zentral ist hier die Erhöhung der »emp-fundenen Wichtigkeit« (vgl. Fußnote), wie sie beispielsweise durch eine gemein-same Festlegung (in Form eines Klassenziels) auf eine anzustrebende Niveaustufe erreicht werden kann, welche durch eine zentrale Prüfung nachgewiesen werden sollte. Für das Goethe-Institut in Japan bestehen hinsichtlich zukünftiger Prü-fungskooperationen noch große Potentiale, wie die JGG-Studie ausweist (s. Kapi-tel 2.5). Da bislang externe Deutsch-Prüfungen kaum Anerkennung in Form von konkreten Leistungspunkten fanden (laut JGG 2013: 47 nur an 23,3 % der Univer-sitäten/Fakultäten), ließe sich hier über eine Steigerung der institutionellen Wert-schätzung einiges erreichen.

3.1.5 Soziale Eingebundenheit

Schließlich lässt sich ein Gefühl sozialer Eingebundenheit über didaktische Methoden, vor allem hinsichtlich der benutzten Sozialformen, generieren: Part-ner- und Gruppenarbeit werden von den Probanden in der Studie von Fujiwara 1 »Aus dem Ergebnis, dass der Lernerfolg einen höheren Korrelationskoeffizienten mit

der identifizierten Regulierung zeigt als mit der intrinsischen Motivation […], könnte man schlussfolgern, dass für den Lernerfolg die empfundene Wichtigkeit des Deutsch-lernens (identifizierte Regulierung) relevanter sein kann« (Fujiwara 2013: 48).

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bevorzugt und »sind auch Variablen, die die Lernmotivation und das Lernklima im Unterricht stark beeinflussen können« (Fujiwara 2013: 49). Als exemplarisch für eine Umsetzung einer bildungskooperativen Maßnahme, welche diesen Ansatz reflektiert, könnte eine curriculare Zusammenarbeit zwischen der Japa-nischen Gesellschaft für Germanistik und dem Goethe-Institut gelten: Ab 2015 wird die vierte Einheit namens »Aufgaben, Übungen, Interaktion« des Aus-und Fortbildungsprogramms »Deutsch Lehren Lernen« in das bestehende Ausbildungsprogramm für japanische Deutschlehrkräfte integriert. Ein Schwer-punkt dieses Lehrwerks ist das Thema »Lernen durch Interaktion« (Funk et al. 2014: 3). Zukünftige Deutschlehrergenerationen werden somit verstärkt an modernem Material geschult, wie sich variable Unterrichtsaktivitäten organisie-ren lassen.

3.2 Steigerung des Lernerfolgs 3.2.1 Lernzieldefinitionen

Zwar dürfte eine verbesserte Motivation direkt mit der Steigerung des Lernerfolgs einhergehen, da sich diese Aspekte wechselseitig bedingen. Doch eröffnet die Be-tonung des Lernerfolgs eine Perspektive vom Ziel her, während die Motivation, um in diesem Bild zu bleiben, eher die Politur der Fahrbahn ist. Blickt man vom Ziel her auf den Unterricht, dann ist es konkret die aus einer transparenten Pla-nung abgeleitete und klar kommunizierte Lernzieldefinition, welche sich sehr för-derlich auf den Lernerfolg auswirkt. Hattie betont in seiner Metastudie, dass schwierige Ziele vor allem deshalb so effektiv sind, weil sie

»zu einer klareren Vorstellung von Erfolg führen und die Aufmerksamkeit des Ler-nenden auf relevante Verhaltensweisen und Ergebnisse ausrichten. Hingegen passt »Tu dein Bestes!« zu einer ganzen Bandbreite an Zielen. Es ist nicht die Spezialität der Ziele, sondern ihre Schwierigkeit, die für den Erfolg entscheidend ist. Zwischen dem Grad der Schwierigkeit eines Ziels und der Leistung gibt es eine direkte lineare Beziehung. […] Die Leistungen der Lernenden, welche die anspruchsvollsten Ziele haben, sind um über 250 % höher als die Leistungen der Personen mit den leichtesten Zielen.« (Hattie 2013: 196)

Im universitären Deutschunterricht Japans, so wurde in den vorhergehenden Kapiteln dargelegt, ist es vor allem die Tradition und die Pflicht, aus denen heraus sich der Deutschunterricht rechtfertigt. Wenn hier nicht grundsätzlich umgedacht wird – zugespitzt formuliert: Solange nicht jede Lehrkraft mit einer Variation des Satzes »heute lernen wir Deutsch, um …« die Schwelle zum Klassenraum überschreitet, wird sich auch Lernerfolg nicht signifikant verbes-sern lassen.

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3.2.2 Digitalisierung, Lernplattformen, neue Medien

Verbesserungspotential besteht außerdem bei der Modernisierung des Unter-richts, vor allem hinsichtlich seiner Durchdringung mit modernen Medien, also technischer Ausstattung, und deren professionellem Einsatz in sinnvollen Unter-richtsszenarien. Die hier noch verborgenen großen Potentiale mögen in einem so hochtechnisierten Land wie Japan auf den ersten Blick durchaus überraschen. Doch tatsächlich verfügen bislang nur ca. ein Fünftel der Hochschulen über netz-basierte Lernplattformen (z. B. moodle), Tablet-PCs bilden eine absolute Ausnahme (< 2 %). Hier gilt es, die Implementierung digitaler Lernplattformen voranzutrei-ben und mit entsprechenden Schulungen zu flankieren, welche auch den Einsatz digitaler Medien bei der Fremdsprachenvermittlung umfassen sollten.1

Ein besonders überraschendes Ergebnis der JGG-Studie war, dass in ca. einem Drittel der Universitäten der Fremdsprachenunterricht noch in Unterrichtsräu-men stattfindet, in denen Tische und Stühle am Boden fixiert sind (JGG 2013: 35 f.) – was einen kommunikativen Unterricht schlichtweg unmöglich macht und damit dem wichtigen Aspekt des Lernens in sozialer Eingebundenheit (s. o.) generell im Wege steht.

3.3 Imageförderung Deutsch

Wie die bereits zitierte Studie von Honda zeigt, liegt der Interessenschwerpunkt japanischer Deutschlerner auf »Leben/Sitten/Landschaft« (Honda 1994: 279); da-her sind es vor allem die Möglichkeiten des Internationalen Austausches, welche die Attraktion zum Erlernen von DaF beeinflussen: Austauschprogramme und Studienreisen im Curriculum steigern die Motivation der Lerner (vgl. auch Yoshi-jima 1996: 52; Höhn 1996: 66). Zudem ist der Grad der Internationalisierung der Hochschulen ein bedeutender Seismograph zur Bewertung, wie sehr sich die Hochschulen bei der zweiten Fremdsprache engagieren. Während Auslandsstu-dienprogramme im Rahmen der japanischen Germanistik inzwischen nahezu um-fassend eingeführt wurden, sind sie im studienbegleitenden Deutschunterricht immer noch rar (JGG 2013: 40 ff.): Über die Hälfte aller Universitäten hat für diese Zielgruppe kein Angebot. Zur Förderung und Unterstützung solcher Programme sind Hilfestellungen seitens der Mittlerorganisationen gefragt. Dies umfasst kei-neswegs primär finanzielle Hilfe, sondern mindestens ebenso die Kontaktanbah-nung und die Erstellung von Partnerschaftsvereinbarungen / Memoranda of Under-standing. Darüber hinaus lassen sich Jubiläen, Deutschlandfeste und Messen mit Mitteln des Eventmarketings (z. B. durch Konzertveranstaltungen) öffentlich nut-zen.

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4. Ausblick

Bei all den wenig optimistisch stimmenden Statistiken und Diagrammen, die hier vorgelegt wurden, vollzieht sich doch parallel zu dieser Entwicklung, mit dem Fixpunkt »Olympiade Tokio 2020«, eine politisch forcierte Reform in Japan, die neue Möglichkeiten verspricht. Im Rahmen eines groß angelegten »English Education Reform Plan Corresponding to Globalization« soll der Englischunterricht zukünftig bereits in der dritten Klasse der Grundschule beginnen. Dies ermöglicht nun perspektivisch die Einführung einer zweiten Fremdsprache in einer weiterführenden Schule – zum Beispiel eben Deutsch. Die Chancen für eine solche Entwicklung in absehbarer Zeit stehen weitaus besser als jemals zuvor; es gilt, diese durchaus als historisch zu bewertende Möglichkeit nicht zu verpassen. Da in Ostasien zunehmend Nachbarsprachen gelernt werden – ein Trend, der nicht nur verständlich, sondern aus einer friedenspolitischen Perspektive durchaus auch zu begrüßen ist –, wird für die zukünftige Bedeutung der deutschen Sprache in Japan entscheidend sein, sich im richtigen Moment gezielt zu positionieren. Hierfür bieten die immer noch bestehenden Strukturen mit über 200.000 Studierenden, die studienbegleitend Deutsch lernen, ein immenses Aktivierungspotential. Es wird nur leider bislang nicht genutzt.

Dieses Versäumnis mag auch darauf zurückzuführen sein, dass sich in der Öffentlichkeit eine neue Chance attraktiver darstellen lässt als die häufig mühselige Pflege einer alten Verbindung. Dies gilt umso mehr, wenn die alte Verbindung zu Japan über lange Zeit kaum Ausbaupotentiale versprach; auf-grund der demographischen Entwicklung und Globalisierung war eher das Gegenteil der Fall. Zugleich boten neue Partner – in diesem Fall insbesondere China – neue Märkte und attraktive Chancen. Entsprechend stand auch China in den letzten zwanzig Jahren sehr im Fokus der (Deutsch fördernden) Auf-merksamkeit; parallel dazu verblasste die sprachpolitische Bedeutung von Deutsch in Japan.

Nun genießt »das Verblasste« in Japan als ästhetisches Prinzip des Wabi-Sabi eine besondere Hochachtung, wörtlich: »das Elendig-Alte«, das Patina-behaf-tete: Die Dinge erscheinen hier auf eine durchaus sentimentale Weise schön durch ihre sichtbare Benutzung und die damit vermittelte Tradition, durch die immanente Erinnerung an ihren inzwischen verblühten Höhepunkt. Dies könnte auch für Deutsch in Japan gelten; um so nötiger erscheint eine gründli-che Politur.

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Ingo Schöningh

studierte an der Universität Bonn Germanistik und Psychologie. Nach einem DAAD-Lektorat in Hanoi (2002–2006) folgte 2008 die Promotion an der Universität Viadrina. Anschließend wurde er vom Goethe-Institut u. a. nach Tokio entsendet (2011–2015). Der-zeit ist er als Institutsleiter am Goethe-Institut in Mannheim tätig.

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Kulturelles Gedächtnis und kulturelles Lernen

im DaF-Unterricht

Einsatz des Brandenburger Tors im Deutschunterricht

in Burkina Faso

Jean-Claude Bationo

Zusammenfassung

Das Lehren und Lernen von Fremdsprachen im Zeitalter der Globalisierung erfordert in immer stärkerem Maße auch kulturelle Kompetenzen. Dennoch ist das kulturelle Ler-nen defizitär im burkinischen Deutschunterricht. Obwohl das Regionallehrwerk IHR und WIR plus zwar über zahlreiche kulturelle Inhalte über Deutschland verfügt, kann sich das kulturelle Lernen nicht nur durch digitale Medien und Lehrmaterialien ver-wirklichen. Erinnerungsorte sind weitere kulturelle Aspekte, deren Didaktisierung im DaF-Unterricht den Lernenden hilft, die deutsche Kultur kennenzulernen.

1. Einleitung

Das kulturelle Gedächtnis ist ein relativ neues Paradigma in der Fremdsprachen-forschung vor allem im wissenschaftlichen Diskurs in Afrika südlich der Sahara (vgl. Simo 2014: 87). Als solches kann es ein neuer landeskundlicher Zugang im Fach Deutsch als Fremdsprache sein. Vom französischen Soziologen Halbwachs (1985a, b) entworfen, wird das Konzept von Pierre Nora (1984–1992) und Aleida Assmann (1988) weiterentwickelt. In der Pädagogik im Allgemeinen und im Fach Deutsch als Fremdsprache im Besonderen setzt man sich mit dem Begriff nach und nach auseinander. Die Verwendung des kulturellen Gedächtnisses im Deutschunterricht in Burkina Faso scheint ein neuer Ansatz zu sein, in dem Maße, dass die Lernenden die Vergangenheit durch Erinnerungsorte reflektieren sollen,

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um in der Gegenwart und in der Zukunft besser zurechtzukommen. Tatsächlich dienen nach A. Assmann (2015: 13)

»Kommemorationsdaten zur Selbstvergewisserung. Sie bieten uns einen Augen-blick des Innehaltens an, um die eigene Position in der Geschichte zu reflektieren. Das kann auf triumphalistische, reuige oder anderweitig selbstkritische Weise geschehen. Aber immer geht es darum, die Geschichte, die hinter einem liegt, nicht einfach hinter sich zu lassen, sondern, sich mit ihr erneut und auf neue Weise in Verbindung zu setzen. Denn der Gegenwart-Punkt, von dem aus man sich gemeinsam erinnert, verschiebt sich ständig auf der Zeitachse, und damit ändern sich auch die Voraussetzungen und Herausforderungen, die in diesen Akt des Erinnerns mit eingehen.«

Im Rahmen des kulturellen Lernens können die Stadt und deren Erinnerungsorte als konkrete Beispiele des kulturellen Gedächtnisses im Fremdsprachenunterricht dargestellt werden (vgl. Bationo 2007a, 2007b, 2014a, Biebighäuser 2014). Erinne-rungsaspekte wie Straßenschilder, Denkmäler, Friedhöfe, Gebäude, öffentliche Plätze usw. gehören zum kulturellen Gedächtnis einer Stadt und deren Didakti-sierung erleichtert das Lernen der deutschen Geschichte. Dennoch wird in der Praxis des Deutschunterrichts durch Unterrichtshospitationen festgestellt, dass von diesen landeskundlichen Materialien im Fremdsprachenunterricht Deutsch wenig Gebrauch gemacht wird. Auf der kulturellen Ebene des Deutschunterrichts liegt die Schwäche darin, dass kulturelle Unterrichtsziele wenig verfolgt werden, obwohl die Erinnerungsorte im Lehrwerk IHR und WIR thematisiert sind. Deshalb möchte der vorliegende Aufsatz – im Anschluss an Sabine und Karin Schmidt (2007a), Esselborn (2008), Biebighäuser (2014) und Badstübner-Kizik (2015) – da-für plädieren, solche Lehrmaterialien im Deutschunterricht in Burkina Faso effizi-ent zu nutzen, was voraussetzt, dass das Thema des kulturellen Gedächtnisses bzw. der Erinnerungsorte in der Ausbildung der angehenden Deutschlehrer an der Pädagogischen Hochschule der Universität Koudougou (vgl. Bationo 2014b) behandelt wird.

Methodisch wird zunächst der Diskurs über die Gedächtnis- und Erinnerungsorte nachgezeichnet. Darauf folgt der Stellenwert des kulturellen Lernens durch das kulturelle Gedächtnis im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Zuletzt wird eine Didaktisierung einiger Gedächtnisorte der Stadt Berlin, vor allem des Branden-burger Tores als Fallbeispiel, sowohl in der Ausbildung der angehenden Deutsch-lehrer als auch in einer Abiturklasse in Burkina Faso vorgeschlagen.

2. Theoretische Grundlagen der Gedächtnis- und Erinnerungsorte

In dem von Gudehus u. a. (2010: V) herausgegebenen interdisziplinären Hand-buch Gedächtnis und Erinnerung wird eine Bestandsaufnahme der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung vorgenommen. Die Autoren unterscheiden viele Formen

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des Gedächtnisses: autobiographisches Gedächtnis, kollektives Gedächtnis, kul-turelles Gedächtnis, kommunikatives Gedächtnis, soziales Gedächtnis usw. In der Tat gibt es eine Varietät von Möglichkeiten und Hilfsmitteln, die das Gedächtnis unterstützen, sich an Ereignisse oder Personen zu erinnern: Straßenschilder, Denkmäler, Friedhöfe, Gebäude, öffentliche Plätze usw. können unter anderen ge-nannt werden. Diese ermöglichen es, Erinnerungen nicht allein für längere Zeit im Gedächtnis zu behalten, sondern auch für zukünftige Generationen permanent wachzuhalten. An manche Ereignisse und Personen wird auch durch Rituale und Feste erinnert. Geburtstage, Ostern, Weihnachten, Totenfeiern usw. sind einige Beispiele hierfür. Für die Erinnerung an weitere Ereignisse und Personen sind be-stimmte Orte geschaffen worden. Hier liegt der Anknüpfungspunkt für Halb-wachs, wenn er die Wichtigkeit des Zusammenhangs zwischen Erinnerungen und Orten erklärt, indem er die heiligen Stätten nennt, die Augen- und Ohrenzeugen einer Epoche kontinuierlich ersetzen (vgl. Halbwachs 2003: 163). Der Mensch ist tatsächlich Zeitzeuge, indem er etwas mit eigenen Augen sieht oder mit eigenen Ohren hört. Auf diese Weise erfährt er Ereignisse. Um an Ereignisse zu erinnern, soll er bestimmte Aspekte des schon mit eigenen Ohren gehörten oder mit eigenen Augen gesehenen Geschehens selektieren und konstruieren, weil er sich nicht an alle detaillierten Informationen in der Vergangenheit erinnern kann. Deswegen sind individuelle Erinnerungen nach Halbwachs Rekonstruktionen, die sich auf »soziale Bezugsrahmen« der Gegenwart stützen. Darunter versteht Halbwachs »Instrumente«, derer sich das »Gedächtnis bedient, um ein Bild der Vergangenheit wiederherzustellen, das sich für jede Epoche im Einklang mit den herrschenden Gedanken der Gesellschaft befindet« (vgl. Halbwachs 1985a: 22). Nach Halbwachs vermitteln sich die Rahmen der Erinnerung in Bezug auf die Mitmenschen. Hier-bei handelt es sich um Mitglieder bestimmter Gedächtnisgemeinschaften, mit de-nen jeder Mensch im Laufe seines Lebens verbunden ist. Beispielsweise sind Fa-milien, Nachbarschaften, Schulklassen oder Religionsgemeinschaften zu nennen. Demnach gibt es nach Halbwachs einen unvermeidlichen Bezug zwischen dem individuellen und dem kollektiven Gedächtnis. Unter dem Konzept des »kollek-tiven Gedächtnisses« versteht Halbwachs ein Gedächtnis, das von einer Gruppe oder einer Gesellschaft gemeinsam genutzt, vermittelt und rekonstruiert wird (vgl. Halbwachs 1985b: VI). Aus dieser Perspektive erklärt Moller (2010: 3) wie folgt: »Will man den einzelnen Menschen in seinem individuellen Denken und seiner individuellen Erinnerung verstehen, muss man ihn in Beziehung zu den verschiedenen Gruppen setzen, denen er gleichzeitig angehört, und seine Position innerhalb der jeweiligen Gruppe lokalisieren.«

Diese Konzeption des kollektiven Gedächtnisses fand ein Echo in der Sozialfor-schung in Deutschland und wird von den Soziologen Jan Assmann (2002) und Aleida Assmann (2011) weiterentwickelt. J. Assmann und A. Assmann führen die Diskussion in den Kulturwissenschaften und betrachten das Konzept der

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Erinnerung als ein neues Paradigma, das viele kulturelle Phänomene und Felder betrifft, wie die Gesellschaft, die Politik, die Literatur, die Religion, das Recht usw. (vgl. Assmann 2002: 11, Frühsorge 2010: 16, Pollak 2010: 24). Daraus folgt die Betrachtung des kulturellen Gedächtnisses in der Fremdsprachenfor-schung. Erinnerungsorte als landeskundliche Inhalte gehören zum kulturellen Curriculum des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache. Aus diesem Grund sprechen Gudehus u. a. (2010: VII) von einem interdisziplinären Phänomen des Gedächtnisses und der Erinnerung und Biebighäuser (2014: 7) von einer Förde-rung des landeskundlichen Lernens im Fremdsprachenunterricht durch die virtuelle Welt.

Der Begriff des kollektiven Gedächtnisses wurde ebenfalls von dem französischen Historiker Pierre Nora (vgl. Nora 1984–1992) erweitert. Er versteht darunter die Gemeinsamkeit von bewussten und unbewussten Erinnerungen oder einer erleb-ten Erfahrung einer Gruppe, in deren Identität das Gefühl der Vergangenheit einen integralen Bestandteil ausmacht. Nora unterscheidet die Geschichte von dem Gedächtnis. Unter dem Begriff Geschichte bezeichnet er eine konstruierte, akademisch sinnvolle und verständliche Narration von Vergangenheit. Dieser akademischen Geschichtsschreibung stellt er das kollektive Gedächtnis gegen-über. Das kollektive Gedächtnis ist eine Form der lebendigen Erinnerung und der aktiven Identitätsvergewisserung einer bestimmten Gemeinschaft. So ist sein ent-wickeltes Konzept von lieux de mémoire heute ein etablierter Begriff in der Ge-dächtnis- und Erinnerungsforschung geworden (vgl. Majerus 2009: 7), wenn auch der Begriff »Erinnerungsorte« anerkannt ist. Schmidt und Schmidt (2007a: 5) er-klären, dass dieser Begriff eine Übertragung des französischen Ausdrucks »lieux de mémoire« sei.

Zu berücksichtigen ist schließlich der gemeinsame Beitrag des französischen His-torikers Etienne François und des deutschen HisHis-torikers Hagen Schulze (2001: 17 f.) zum Konzept »Erinnerungsorte«. Diese Erinnerungsorte werden von ihnen erläutert als »materielle wie immaterielle, langlebige, generationsüberdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität, die durch einen Überschuss an symbolischer und emotionaler Dimension gekennzeichnet, in ge-sellschaftliche, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und sich in dem Maße verändern, in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung, Anbindung und Übertragung verändert«. Diese Definition zeigt, inwiefern Orte der Erinnerung nicht nur physisch geographischer bzw. materieller Natur wie Denkmäler, Museen, Gebäude, Plätze, Höhlen usw., sondern auch immaterieller Art wie Ereignisse, Taten, Mythen usw. sind. Um das kulturelle Gedächtnis besser zu erörtern, haben die beiden Historiker eine weitere Arbeit über die deutschen Erinnerungsorte (François/Schulze 2005) vorgelegt. Mithilfe von ausgewählten Bildern und Kommentaren wird eine Vielzahl an Erinnerungsorten (etwa 130) in Deutschland dargestellt.

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3. Kulturelles Gedächtnis und Erinnerungsorte im DaF-Unterricht

Das forschungswissenschaftliche Thema der lieux de mémoire wird auch im Fach Deutsch als Fremdsprache diskutiert. Die DaF-spezifische Gedächtnis- und Erin-nerungsforschung begründet sich aus landeskundlichen Perspektiven. Zu nennen sind die Beiträge von Thimme (1996) über die deutsche Geschichte in Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache, die Auffassungen von Esselborn (2008) über die Erin-nerungsorte im DaF-Unterricht, die Arbeit von Schmidt und Schmidt (2005: 279) über die Didaktisierungsmöglichkeiten von Erinnerungsorten im DaF-Unterricht sowie das von ihnen konzipierte DaF-Lehrwerk über die deutschen Erinnerungs-orte (Schmidt/Schmidt 2007b), die Überlegungen von Kaluza (2010) über Annähe-rungen an die deutsche Erinnerungskultur in Lernertexten und das Lehrmaterial von Tobias (2010) über ein Videoarchiv der Erinnerungsorte für den Deutschun-terricht. Darüber hinaus sind der Sammelband von Roche und Röhling (2014) über Erinnerungsorte und Erinnerungskulturen, besonders der Aufsatz von Koreik und Roche (2014: 9–27) über das Konzept der Erinnerungsorte in der Landes-kunde für Deutsch als Fremdsprache, die innovativen Ansätze von Biebighäuser (2014: 77) über den Beitrag der virtuellen Welten bzw. der Sehenswürdigkeiten und historisch wichtigen Orte im Unterricht Deutsch als Fremdsprache zum bes-seren Lernen der Landeskunde und die Nummer 52 (2015) von Fremdsprache Deutsch über »Landeskunde und kulturelles Lernen«, insbesondere der Artikel von Badstübner-Kizik (2015) über »Erinnerungsorte« zur Vielfalt des deutschspra-chigen Raumes usw. zu betrachten.

Die Geschichtsvermittlung ist eine der Aufgaben des Landeskunde-Unterrichts. In den ABCD-Thesen (1990) ist diese Rolle klar definiert; sie besteht darin, histori-sche Themen und Texte über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Deutsch-unterricht zu behandeln. Die ABCD-These über deutsche Geschichte bekräftigt den Stellenwert der Erinnerungsorte im DaF-Unterricht. Diese Erinnerungsorte sind tatsächlich eine Kartographie selektiver Gedenkstätten Deutschlands, um unvergessliche Aspekte der deutschen Geschichte besser zu verstehen. Sie sind nicht nur Hintergrundinformationen, sondern auch eine Sensibilisierung über schreckliche Taten wie die Ermordung der Juden, die durch Buchenwald reprä-sentiert wird. Erinnerungsorte sind gegenwärtige Materialien, um das Gedächtnis von bestimmten Persönlichkeiten der Geschichte zu feiern und um ein Muster für die lebenden Generationen zu sein. Denkmäler von Goethe und Schiller, Karl Marx, Sophie Scholl, Martin Luther, Johannes Gutenberg usw. sind einige Bei-spiele von deutschen Persönlichkeiten, die die deutsche Kultur sehr positiv mar-kiert haben. Deshalb benötigt der Mensch Erinnerungen, um Kulturen zu verste-hen. Demnach sind das Erkennen der Perspektivierung von Ereignissen und das kritische Hinterfragen wesentliche Ziele eines interkulturellen Fremdsprachenun-terrichts. In derselben Richtung argumentiert Biebighäuser (2014: 372), dass die

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