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Gedankenlose Negationen und Fragewörter
im Semitischen.
Von U. Baner.
Man sagt dem Hamburger nach, daß er jeden Satz mit .nicht'
(bzw. ,nich, nöch' oder einer anderen Abart) schließe. Das wird
wohl überti'ieben sein. Gewiß ist aber, daß es, so weit die deutscbe
Zunge klingt, sehr viele Männer und noch mebr Frauen gibt, die
6 die Gewohnheit haben , alle Augenblicke ein .nicht ?' oder .nicht
wahr' in der Rede anbringen, auch in fortlaufender Erzählung, wo
sie vom Hörer gar keine Bestätigung erwarten oder den Umständen
nach gar nicht erwarten können. Es ist schon viel gegen diese
.Nich-sucht' gepredigt worden, aber sie scheint unausrottbar zu sein.
10 Auch das Fragewort .was ?' ist in gewissen Kreisen nnd in besonderen
Zusammenhängen beliebt: .Famos, was? — Hübsch gesagt, was?*
Am Anfang der Rede findet sich häufig ein überflüssiges .nein',
das ofienbar einen vorschwebenden negativen Satz vertreten soll:
.Nein, wie großartig! — Nein, diese Töne! — Nein, ich sage dir!'
15 Da nun gewisse sprachliche Unarten Gemeingut der Menschheit zu
sein scheinen und nicht selten zur Regel und Norm werden , so
lohnt es sich vielleicht, die oben aufgeführten einmal vom ver¬
gleichenden Standpunkt als .heuristisches Prinzip' zu verwenden und
zuzusehen, ob nicht einige semitische Spracherscheinungen von
üO ihnen aus beleuchtet und erklärt werden können.
Zunächst wfire hier das in der arabischen Poesie so häufige
zu nennen*). Da es jedoch für die Dichter das bequemste Mittel
ist, einen fehlenden Jambus am Versanfang zu bekommen, so wird
es vielleicht seine Häufigkeit eben diesem metrischen Zwang ver¬
ts danken und wir, wollen nicht weiter darauf eingehen.
- Dagegen berichtet Ibn Battüta ein ganz an die im Eingang
erwähnte .Nich-sucht' erinnerndes Beispiel des gedankenlosen Ge¬
brauches von und zwar aus Qalhät"), einer dem Beherrscher von
1) Im Koran kommt 54 mal, ^| 45 mal vor.
2) Nacb YSqüt IV, 168 eine ziemlicb junge Gründung und ausscbliefilieh von ^iri^iten (IbSditen) bewohnt.
1 7 *
Bauer, Gedankenlose Negationen und Fragewörter im Semit. 209
Hormuz gehörigen Stadt in 'Oman. Er sagt nämlich (Pariser Aus¬
gabe [1877] II, 225 f.): iUir J4 ^! ^. gya« ^
JoiÄj ^ ciJ^y^ ^ '-^
^ ,Sie sprechen, wenn sie aucb Araber sind, nicht gut. Hinter
jeder Rede fiigen sie ein „nicht' an. So sagen sie z. B. : Du ißt, s
nicht ? Du gehst, nicht ? Du machst es so, nicht ?' Die ursprüng¬
liche Bedeutung dieses bi scheint also schon damals, im 14. Jahr¬
hundert, einigermaßen verblaßt gewesen zu sein. (Es wäre interessant,
zu wissen, ob in dem heutigen Sprachgebrauch dieser Gegend noch
dieselbe Gewohnheit herrscht, oder ob, was recht wohl denkbar lo
wäre, eine „verstärkende enklitische' Partikel lä oder la sich dorf
findet.) Ein ähnlicher Vorgang hat aber vielleicht schon im Alt¬
arabischen sich vollzogen , und es liegt die Vermutung sehr nahe,
daß das proklitische la „wahrlich' in seinen mannigfachen Punktionen
(vgl. Wright* I, 282 f) auf ein in Schwachdruckstellung verkürztes 15
. j ....
lä „nein' zurückgeht, daß also z. B. ./^ , - 1 ursprünglich bedeutete :
„Nein, bei deinem Leben' usw.
Im Akkadischen scheint das Fragewort mä „was?' dasselbe
Schicksal gehabt zu haben. Wenigstens läßt sich die doppelte
Funktion des akk. mä 1. als hervorhebende Partikel und 2. als so
Kopula zwischen Verbis (Delitzsch, Handwörterbuch, S. 886 f) un¬
schwer aus einem ursprünglich der Rede gedankenlos angehängten
mä in der Bedeutung von „nicht wahr?' (vgl. die oben angeführten
Beispiele aus dem Deutschen) erklären. Auch das Adverb mä „also,
folgendermaßen' ist doch wohl von Haus aus mit dem Fragewort ns
identisch: „Er schreibt, was (meinst du)?' entwickelt sich durch
syntaktische Verschiebung leicht zu „er schreibt folgendermaßen".
Zeittabr. der D. Morgenl. Oei. Bd. 74 (1920). 14
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Die „Löwenhemn" der Ämarnabriefe Nn*. 273 und 274.
Von H. Bauer.
Die Schreiberin dieser beiden kurzen Briefe (Z&blung nach
Knudtzon's Ausgabe), die dem Pharao das gefährliche Treiben der
Sa . Gaz'Leute melden und ura seine Hilfe bitten, ist offenbar eine
.Stadtherrin« in Palästina. Form und Inhalt der Schreiben ent¬
sprechen ganz denen ihrer männlichen Kollegen, üm so seltsamer
ist ihre Selbstbezeichnung als .Herrin der Ur . Mal) . Me§", also
.Löwenherrin", ein Ausdruck, den weder Knudtzon in seiner Über¬
setzung, noch 0. Weber in den Anmerkungen zu deuten wagt. Und
docb liegt, wie ich meine, die Erklärung sehr nahe: es wird sich
einfach nm die Vorsteherin einer Ortschaft handeln > die .Löwen"
heißt. Die Lage derselben ist glücklicherweise ziemlich genau da¬
durch bestimmt, daß die Briefschreiberin Lokalnachrichten aus Ört¬
lichkeiten meldet, die uns wohl bekannt sind, nämlich (Z. 20) A-ia-
lu-na, d. i. libjN, heute Jälö, 4 km östlich von 'Amwäs, dem alten
Nikopolis, und (Z. 21) aus ;^a-ar-§a, d. i. fiy'iS, heute Sar'a, etwa 7 km südlich davon*). Ich habe nun die nns im A. T. überlieferten Ortsnamen , die .Löwe" bedeuten , daraufhin angesehen , ob sie für
unsern Fall in Betracht kommen können, und das Ergebnis ist
folgendes.
Von vornherein auszuscheiden sind die beiden 07b, weil das
eine, das spätere i'n, ganz im Norden von Palästina und das andere
(Jes. 10, so) jedenfalls nördlich von Jemsalem liegt. Auch setzt die
Schreibung ür . Mab . MeS eine Pluralform voraus. Dieser letzteren
Forderung würde wohl genügen riNSb Jos. 15,82, vollständig Jos.
19, e : nisab ni3 *). Da es aber zum Stamm Simeon gehört und
1) Das in Nr. 274, Z. 16 genannte Sa-bu-ma maä nnberOcksiclitigt bleiben, dft seine Entsprechung nicht gesichert ist; vgi. die Anm. S. 1328.
2) Uer Ortsname zeigt noch die ursprüngliche Form des Wortes (vgl. arab.
l<^(u)'at, akk. labbu .Löve"). M^sb mit i in der zweiten Silbe ist nach irgend einem Huster, vielleicht 'H^SS , umgebildet.