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Sie wollen wissen, was sie von den Parteien zu erwarten haben

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Statement von Ingrid Sehrbrock

Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung der

Beamtenpolitischen Eckpunkte zur Bundestagswahl 2002 Berlin, 31. Juli 2002

Für gut drei Millionen Beamte und Ruheständler ist gerade im Wahl- kampf die Beamtenpolitik ein wichtiges Thema. Sie wollen wissen, was sie von den Parteien zu erwarten haben.

Der DGB hat deshalb Eckpunkte entwickelt, die ich ihnen nachfolgend vorstellen möchte.

Lassen sie mich zuvor kurz auf die ablaufende Legislaturperiode zu- rückschauen.

Beamtenpolitisch gab es Fortschritte:

• Die Arbeitszeitverordnung des Bundes lässt jetzt mehr Zeitsou- veränität zu.

• Die Ausbildung des gehobenen Dienstes beim Bund kann jetzt mit einer Diplomarbeit abgeschlossen werden.

• Die Änderung der Bundeslaufbahnverordnung trägt eine ge- werkschaftliche Handschrift und bringt vor allem einen leichteren Aufstieg in eine höhere Laufbahn.

Wir haben einiges verhindern können, z. B. dass der Verheiratetenzu- schlag wegfiel, dass Bandbreiten bei der Eingangsbesoldung eingeführt und die Besoldungsanpassung auf einen Inflationsausgleich beschränkt wurde.

Die zu Ende gehende Legislaturperiode hat für Beamtinnen und Beam- te auch Einschnitte gebracht, vor allem verzögerte Besoldungsanpas- sungen und eine verschlechterte Versorgung.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung haben wir fünf Eck- punkte ausgewählt, die wir in den Wahlkampf einbringen wollen und die für die nächste Legislaturperiode zentral sein werden:

I.

Unsere zentrale besoldungspolitische Forderung ist, dass die Tarifab- schlüsse im öffentlichen Sektor auf die Beamtinnen und Beamten zeit – und inhaltsgleich übertragen werden.

Seit 1993 haben Beamtinnen und Beamten von kaum einem Tarifab- schluss im öffentlichen Dienst in vollem Umfang profitiert. Mit Verzöge- rungen bei der Anpassung haben Bund, Länder und Gemeinden Milli- arden gespart.

Die Beamtinnen und Beamten wollen weder bevorzugt, noch benachtei- ligt werden. Sie wollen schlicht, dass die Tarifergebnisse des öffentli- chen Sektors zeit- und inhaltsgleich übertragen werden. Bund und Län- der haben dies parteiübergreifend mehrfach gemeinsam verhindert. Wir

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und sich auch nach den Wahlen noch an ihre Aussagen aus dem Wahl- kampf zu erinnern. Die Beamtinnen und Beamten sind in ihrer Einkom- mensentwicklung deutlich hinter dem gesellschaftlichen Durchschnitt zurückgeblieben. Weitere Abkopplungen der Besoldung werden unwei- gerlich zu einem deutlichen Attraktivitätsverlust und führen.

Mit der Privatisierung der großen Bundesunternehmen ist in weiteres Problem entstanden, das wir lösen wollen. Dort sind noch immer etwa 200.000 Beamtinnen und Beamte beschäftigt. Die letzten Tarifrunden für Post, Telekom, Postbank haben gezeigt, dass sich die Verhältnisse immer stärker auseinanderentwickeln. Die Beamtinnen und Beamten in diesen Unternehmen haben von den Tarifabschlüssen in ihren Unter- nehmen nichts. Auch sie haben ihren Teil zum wirtschaftlichen Erfolg beigetragen und dürfen nicht schlechter gestellt werden, als ihre ange- stellten Kolleginnen und Kollegen. Wir wollen deshalb, dass die in den Unternehmen beschäftigten Beamtinnen und Beamten die gleichen Einkommenserhöhungen erhalten, wie die Tarifbeschäftigten. Die recht- liche Grundlagen dafür sind umgehend zu schaffen.

Wir wollen nicht, dass die Abkopplung der Besoldung von den Tarifer- gebnissen in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt wird. Ein obrig- keitsstaatliches Besoldungsdiktat durch Regierung und Parlamente ent- spricht nicht demokratischen Gepflogenheiten.

Solange Beamtinnen und Beamte und ihre Gewerkschaften keine Verhandlungs- und Vereinbarungsrechte haben, steht für uns die Tarif- politik an erster Stelle. Denn dort wird auf gleicher Augenhöhe mit dem Ziel verhandelt, dass die Interessen beider Seiten berücksichtigt wer- den.

Bisher stehen den Beamtinnen und Beamten und ihren Gewerkschaften keine Verhandlungsrechte zu. Die sogenannten Beteiligungsrechte in Bund und Ländern können diesen Mangel nicht ausgleichen. Wir wollen deshalb die Beteiligungsrechte zu echten Verhandlungs- und Vertrags- rechten für alle beamtenspezifischen Fragen ausbauen.

II.

Die Koalitionsrechte der Beamtinnen und Beamten und ihrer Gewerk- schaften zu stärken, bleibt ein zentrales Anliegen des DGB. Der DGB hat in den vergangenen Jahren deutliche Verbesserungen bei der be- amtenrechtlichen Beteiligung erreicht: 1993 und 1996 haben DGB und Bundesregierung Vereinbarungen über die Gestaltung der Beteiligungs- rechte geschlossen. Auch in einigen Ländern gibt es Verbesserungen.

Geradezu revolutionär war jedoch die im Jahre 2000 zwischen DGB und Innenministerium vereinbarte Gestaltung der Beamtenausbildung im Bund: Erstmals wurde ein Vertrag über die Inhalte beamtenrechtli- cher Regelungen geschlossen. Damit haben wir gezeigt, dass Beam- tenrecht und Vertragsidee gut in Einklang zu bringen sind. Wir werden auf diesem Weg auch in der nächsten Legislaturperiode fortfahren und verstärkt die Länder einbeziehen.

Unsere Ziele sind

• dass Verwaltungsvorschriften zu beamtenrechtlichen Fragen durch Verträge ersetzt werden.

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• dass nicht zustimmungspflichtige Verordnungen ausgehandelt und danach durch die Bundesregierung erlassen werden.

• dass bei zustimmungspflichtigen Verordnungen einvernehmen mit dem DGB hergestellt wird, bevor sie inhaltsgleich dem Bun- desrat vorgelegt werden.

• dass auch Gesetzentwürfe der Bundesregierung verhandelt werden, bevor sie dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden.

Unsere Kampagne „Verhandeln statt Verordnen“ werden wir mit neuem Schwung auch in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen.

III.

Arbeitszeitsouveränität ist ein weiteres wichtiges Anliegen unserer Beamtenpolitik. Unser Ziel ist es, Arbeitszeitregelungen zu verwirkli- chen, die Beschäftigung sichern und zugleich ein hohes Maß an Zeit- souveränität gewährleisten. Auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Arbeitszeit ein entscheidendes Kriterium. Männer und Frauen sollen zukünftig diese Möglichkeiten gleichermaßen nutzen können.

Der Bund ist bei der Teilzeit der Beamten mit nur 8 % das Schlusslicht der Nation. Bei den Ländern sind es 21 Prozent, was vor allem auf Teil- zeitbeschäftigungen bei Lehrern zurückgeht. Bei den Gemeinden liegt die Teilzeitquote immerhin noch bei 12 Prozent. Zwar ist die Teilzeit beim Bund fast hälftig (Frauen 49 % und Männer 52 %) auf die Ge- schlechter aufgeteilt, doch ist dies allein der Altersteilzeit geschuldet, die vor allem von Männern genutzt wird. Im Bund sind nur 6 % der Frauen in Altersteilzeit, in den Ländern sind es 28 %.

Teilzeitbeschäftigung in Führungsfunktionen ist ein völlig unterentwi- ckelter Sektor. Dahinter steckt eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Teilbarkeit von Führungsaufgaben. Zwar ist die Akzeptanz in den vergangenen Jahren gestiegen, nach wie vor sind aber in den Ministeri- alverwaltungen und dem nachgeordnetem Bereich nur etwa 3 % der Führungskräfte in Teilzeit beschäftigt.

Wir stellen fest: Beamtinnen und Beamte wollen mehr Zeitsouveränität.

Die rechtlichen Voraussetzungen dafür müssen verbessert werden.

Zeitliche Flexibilität fördert auch die Vereinbarkeit von Beruf und Fami- lie. Männer dominieren lediglich die Altersteilzeit. Ein Förderprogramm muss hier in der nächsten Legislaturperiode für größere Fortschritte sorgen. Dazu gehört auch, die Teilzeitbeschäftigte diskriminierenden versorgungsrechtlichen Bestimmungen aufzuheben. Ausbildungszeiten werden gequotelt und führen im Alter zu geringeren Versorgungsbezü- gen. Insbesondere Frauen werden hier mittelbar benachteiligt. Auch hier liegt ein Schlüssel zur tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen.

IV:

Bei den Versorgungssystemen des öffentlichen Dienstes ist ähnlich wie bei anderen Alterssicherungssystemen mit einem erheblichen Ausga- benanstieg zu rechnen. Ursachen hierfür sind unter anderem, die er- hebliche Ausweitung des Personalbestandes in den 60er und 70er Jah-

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Ein Vergleich des durchschnittlichen Ruhestandseintrittsalters der Be- amten mit dem durchschnittlichen Renteneintrittsalter der Arbeiter und Angestellten zeigt, dass es hier kaum einen Unterschied gibt. Bei Be- amten liegt es bei 58,9 Jahren, bei den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst bei 59,5 Jahren und bei Arbeitnehmer in der gesetzlichen Ren- tenversicherung liegt es durchschnittlich bei 59,7 Jahren.

Im Jahr 2000 sind von den vorzeitig in den Ruhestand getretenen Be- amtinnen und Beamten 40,2 % wegen Dienstunfähigkeit frühpensioniert worden.

Diese Zahlen signalisieren einen erheblichen Handlungsbedarf. Die Ur- sachen müssen erkannt und Maßnahmen zur Eindämmung der Früh- pensionierungen ergriffen werden.

Wir setzen uns für ein Präventionsprogramm im öffentlichen Dienst ein, das geeignet ist, vorzeitige Pensionierungen wegen krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit einzudämmen.

Der öffentliche Dienst braucht maßgeschneiderte Offensiven zur Ver- besserung der Arbeitsbedingungen. Hierzu gehören auch Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie zur Ge- sundheitsförderung. LehrerInnen müssen mit anderen Belastungen fer- tig werden als Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute sind anders gefordert als Beamtinnen und Beamte in der Verwaltung. Die öffentli- chen Arbeitgeber müssen mit Präventionsprogrammen die Ursachen feststellen und gezielt gegensteuern. Der Bund sollte einheitliche Vor- gaben erstellen und gemeinsam mit den Ländern an einem Strang zie- hen.

V.

Beamte sind nach den sozialgesetzlichen Bestimmungen von der Kran- kenversicherungspflicht freigestellt. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern müssen Beamte sich privat versichern und erhalten zusätzlich Beihilfe- leistungen des Dienstherrn.

Beiträge für eine – freiwillige – gesetzliche Krankenversicherung haben die Beamten, Richter und Versorgungsempfänger in vollem Umfang selbst zu tragen.

Nach unserer Ansicht liegt hierin für den betroffenen Personenkreis ei- ne Schlechterstellung gegenüber den gesetzlich Krankenversicherten.

Nach dem Motto „Wahlmöglichkeiten erweitern – Solidarität stärken“

streben wir daher im Interesse unserer betroffenen Mitglieder an, dass ihnen zu ihren Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung seitens des Dienstherrn auch ein hälftiger Beitragszuschuss gezahlt wird.

Damit würde den Beamten grundsätzlich eine realistische Wahlmög- lichkeit zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung einge- räumt werden. Die Beamten sollen bei ihrer Auswahl die Vor- und Nachteile der privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen an- hand der Versicherungsinhalte und ihrer individuellen Lebensplanung abwägen können. Zwar können die Beamten bereits zwischen gesetzli- cher und privater Krankenversicherung wählen. Angesichts der unzu-

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mutbaren Beitragshöhen, die die Beamten ohne den Beitragszuschuss zahlen müssten, kann jedoch nicht wirklich von Alternativen gesprochen werden.

™

Am 22. September steht auch die Beamtenpolitik zur Wahl. Wir wollen die Parteien an unseren beamtenpolitischen Forderungen messen und zwar nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in der parlamentarischen Arbeit der nächsten Legislaturperiode.

In der Beamtenpolitik sind die Abgeordneten auch deshalb anders ge- fordert, weil sie mehr als in anderen Themenfeldern der Politik über An- gelegenheiten entscheiden, die ansonsten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften verhandelt und tarifvertraglich vereinbart werden.

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.

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