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Professor an der Universität Breslau, in Eichwalde (Kr

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Friedrich Giese

Von Gotthard Jäschke, Münster (Westf.)

Am 19. Oktober 1944 starb der Turkologe Giese, emer. o. Professor

an der Universität Breslau, in Eichwalde (Kr. Teltow) im 74. Lebens-

jalu-e. Mit ihm verliert die deutsche Orientalistik einen ihrer angesehen¬

sten Vertreter auf dem In Deutschland und noch mehr in den anderen

europäischen Ländern allzu wenig gepflegten Gebiet der Türkologie.

Wilhelm Friedrich Carl Giese wurde am 11. Dezember 1870 in

Stargard in Pommern geboren. Er besuchte das Gymnasium in Greifs¬

wald, wo er 1891 das Reifezeugnis erwarb, um an der dortigen Universi¬

tät Theologie und orientalische Philologie zu studieren. 1894 promovierte er bei W. Ahlwabdt zum Dr. phil. mit der Dissertation ,, Untersuchungen

über die 'Addäd auf Grund von Stellen in altarabischen Dichtern".

Dann setzte er in Straßburg bei Nöldeke das Studium fort, das er 1899

mit dem philologischen Staatsexamen abschloß. Zuletzt hatte er sieh

mehr und mehr dem Türkischen zugewandt, wozu er entscheidende An¬

regungen Georg Jacob verdankte, mit dem ihn später eine enge Freund¬

schaft verband. 1899—1905 war Giese Oberlehrer an der Deutschen

Realschule in Konstantinopel. Nach kurzer Tätigkeit am Gymnasium

in Greifswald habilitierte er sich 1906 an der dortigen Universität. Als

Nachfolger von Karl Foy erhielt er 1907 die Professur für Türkisch

am Seminar für Orientalische Sprachen zu Berlin. 1914/15 nahm er

als Hauptmann am Weltkriege teil. 1915 wurde er als o. Professor an

die Universität Istanbul berufen, 1920 als o. Honorarprofessor an die

Universität Breslau, wo er 1928 zum Ordinarius ernannt wurde. Nach

Erreichung der Altersgrenze wurde er 1936 von seinen Dienstverpflich¬

tungen entbunden. Seinen Lehensahend verbrachte er in dem vor dem

Kriege erworbenen Eigenheim in Eichwalde bei Berlin an der Seite

seiner treuen Gattin, die ihn nach einem 1940 erlittenen Schlaganfall in

aufopfernder Weise bis zu seinem Tode pflegte.

Giese, der von der Arabistik herkam, wurde durch seinen Lehrauf¬

trag nach Konstantinopel, von wo er während der Ferien ausgedehnte

Reisen ins Innere Anatoliens unternahm, zu eingehender Beschäftigung

mit der türkischen Sprache bewogen, und zwar fesselte ihn zuerst vor

allem die jüngste Entwicklung der osmanischen Literatur. Die Be¬

gegnung mit dem Dichter Mehmed Emin (gest. 1944), der als erster den

Versuch wagte, in der Sprache des einfachen Volkes zu dichten, war für

Giese ein Erlebnis. In zwei längeren Arbeiten, die im 58. Bande dieser

Zeitschrift und im 13. Bande der „Mitteilungen des Seminars für Orien¬

talische Sprachen" erschienen, legte er die wertvollsten Gredichte Meh-

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8 G. Jäschke, Friedrich Giese

MED Emins in Text und Übersetzung vor. Wie er sagt, lernte er durch

ihn ,,den wunderbaren Wohllaut der osmanischen Sprache" kennen.

Der Versuch eines edeln und einfachen Stils machte auf ihn einen ebenso

großen Eindruck wie die Treue, mit der Mehmed Emin das Leben und

die Anschauungen seines Volkes schildert. In einer Zeit, in der die

finsterste Reaktion herrschte, wirkte, wie Giese schreibt, auf die Türken

der Rat, Reichtum nur von harter Arbeit zu erhoffen und das Glück in

einem ruhigen Gewissen und in dem Glauben an den Fortschritt der

Zivilisation zu suchen, wie eine Offenbarung. In seiner zweiten Ab¬

handlung betont Giese unter Berufung auf namhafte Vertreter der

modernen türkischen Literatur, daß er es für möglich halte, „eine ver¬

nünftige osmanische Schriftsprache aus der heutigen Umgangssprache

zu bilden, ohne auf abliegende turko-tatarische Sprachen einzugehen".

Mehmed Emin habe unter ungünstigsten Zeitverhältnissen einen schönen

Anfang gemacht.

Für die Theodor Nöldeke zum 70. Geburtstag gewidmeten ,, Orien¬

talischen Studien" lieferte Giese als Beitrag die Übersetzung einiger

das Volksleben darstellender Szenen aus dem Roman 'Iffet (Keuschheit)

des fruchtbarsten Vertreters der türkischen Moderne Hüsein Rahmi

(gest. 1944, Würdigung von Otto Spies in WI 25, S. 47 ff.). Angeregt

durch Georg Jacobs ,, Vorträge türkischer Meddähs" gab er sodann

die W. Ahlwardt gewidmete Meddäh-Burleske „Der übereifrige

Xodscha Nedim" heraus, die er im Herbst 1902 bei einem Buchhändler

in Istanbul entdeckt hatte. Die in demselben Jahre und im Juli/August

1904 unternommenen Ferienreisen erbrachten als wissenschaftliche Aus¬

beute außer Ergänzungen zu zwei von Sarre („Reise in Kleinasien")

veröffentlichten Inschriften , .Erzählungen und Lieder aus dem Vilajet

Qonjah", die Giese im Gefängnis zu Qonya und unter den Jürüken

des Sultan Dagh bei Aq Schehir sammelte. Anschaulich schildert er

die Mühe, die es ihn kostete, die freundlichen, aber verschlossenen Hirten

zum Sprechen zu bringen; manchmal hahe er, als er endlich ihr Ver¬

trauen gewonnen hatte, aus Mangel an Zeit Weiterreisen müssen. Wert¬

volle Hilfe leistete ihm in Qonya der damalige Vali und spätere Gro߬

vezir Ferid Pascha. Die Hoffnung Gieses, diesem ersten Beitrag zur

Erforschung der anatolischen Mundarten weitere Bände folgen zu lassen,

ging leider nicht in Erfüllung, was um so mehr zu bedauern ist, als auch

heute noch außer den Studien Räsänens kaum nennenswertes Material

zu diesem wichtigen Zweig der türkischen Sprachforschung vorliegt.

Die letzte Arbeit Gieses über die moderne osmanische Umgangssprache

bilden seine ,, Bemerkungen" zu Gotthold Weils Grammatik (1919).

Hatte Giese schon vor dem Kriege neben der Sprache in zunehmen¬

dem Maße der Geschichte sein Interesse zugewandt, wovon u. a. seine

Mitarbeit am ersten Bande der „Enzyklopädie des Isläm" zeugt, so

wurde nach dem Kriege insbesondere die osmanische Frühgeschichte

zu seiner eigentlichen Lebensaufgabe. Volle 10 Jahre mußte er warten,

bis er als ersten Ertrag seiner QueUenstudien den Aufsatz über ,,Die

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G. Jäschkk, Friedrich Giese 9

ältesten osmanischen Geschiehtsquellen'' drucken lassen konnte (1921).

Er erweiterte ihn alsbald in seiner ,, Einleitung" zur Textausgabe der

altosmanischen anonymen Chroniken. Hier war seine Leistung wirklich

bahnbrechend. Denn so alt gerade in Deutschland seit Löwenklau und

später VON Hammee-Purgstall die Beschäftigung mit der osmanischen

Frühgeschichte ist, so wenig war man zu den eigentlichen Problemen auf

dem Gebiete der Quellenkunde vorgedrungen. Sie aufgezeigt zu haben, ist

das bleibende Verdienst Gieses. Mit Recht rügt er, daß moderne Histo¬

riker wie JoKGA und Gibbons die ältesten osmanischen Quellen, die

längst zugänglich waren, überhaupt ignorierten. Seit von Schlözbk

glaubten aher auch hervorragende Orientalisten, daß Löwenklau den

Sa''deddin übersetzt habe, während es sich um das Werk des Muhylddin

handelt, der seinerseits eine ältere Chronik überarbeitete, deren Ver¬

fasser unbekannt ist. Er wird heute auf Vorschlag von Moedtmann

,, Anonymus Giese" genannt. Diesen wiederum erkannte er als einen

,, ziemlich skrupellosen Kompilator", dem er die Benutzung älterer be¬

kannter Werke wie des Ahmedi und des Yahsi Faqih nachweisen konnte.

Durch Vergleichung von 13 Handschriften unter dem Titel Tevärih-i

äl-i 'Osmän (Geschichte der Dynastie Osman) tauchte vor seinem Geist

„eine Fülle von Problemen" auf, die ,,alle weitläufiger Untersuchungen

bedürfen". Ihm kam es nun zunächst darauf an, ,,da8 Material zu ent¬

wirren". Diesem Zwecke sollte seine Ausgabe des Anonymus dienen;

er war sich dabei bewußt, daß sie nicht allen Ansprüchen genügt, weil

er nicht sämtliche Handschriften heranziehen konnte. Da die benutzten

weitgehend voneinander abweichen, wurde das Variantenverzeichnis

recht umfangreich und unübersichtlich. Leider erschien der Text gerade

in der trübsten Zeit der Inflation und darum nur als Lithographie.

Auch an der ihm folgenden Übersetzung, die sich auf den Anonymus

beschränkt, sind Mängel hervorgehoben worden. Zweifellos aber hat

Giese, wie er bescheiden schreibt, damit eine ,, Vorarbeit zu einer

späteren wissenschaftlichen Edition" geleistet.

Als letztes Ziel der altosmanischen Geschichtsforschung bezeichnet

Giese die Vergleichung des Anonymus mit 'Äsiqpasazäde und Nesri,

,,um ihre verlorengegangene gemeinsame Quelle wiederherzustellen,

ihre Abhängigkeit voneinander zu erkennen und das, was sie anderen

Quellen verdanken". Wenn er hoffte, diese Vergleichung noch selbst

vornehmen zu können, so überschätzte er leider seine Lebenskraft. Das

Schicksal vergönnte ihm nur die Inangriffnahme der nächsten Aufgabe

auf dem Wege zu diesem Ziel, die Edition des 'Äsiqpasazäde (1929). Sie

hat ihm eine unerfreuliche Polemik eingebracht, aber auch die Genug-

timng, daß er durch C^tegenüberstellung der verschiedenen Textrezen¬

sionen, die als sein letzter „Beitrag zur frühosmanischen Geschichts¬

schreibung" in den Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissen¬

schaften erschien (1936), den Nachweis führen koimte, daß die an ihm

geübte Ki'itik auf schwachen Füßen stand und das Problem der 'Äsiq-

pasazäde-Forschung als noch verwickelter erscheinen ließ, als es an

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10 G. JXscHKB, Friedrich Giese

sich ist. Leider war der Druck seiner Ausgabe bereits zur Hälfte fertig,

als er die vorzügliche Handschrift der Preußischen Staatsbibliothek zu

Gfesicht bekam.

Weim Giese bei seinen Texteditionen unter manchem Mißgeschick

zu leiden hatte, so konnte er bei ihrer historischen Auswertung, soweit

eine solche im Einzelfalle schon möglich war, schöne Erfolge ernten.

Sein Aufsatz über „Das Problem der Entstehung des osmanischen

Reiches" (1924) räumt nicht nur mit Vorurteilen sprachUch nicht quali¬

fizierter Historiker auf, sondern führt uns auch in der Beurteilung der

entscheidenden Faktoren ein gutes Stück vorwärts. Wenn Giese „das

staatsmännische Genie" der ersten Osmanen, ihre , .glückhche Anpassung

an die Verhältnisse und souveräne Ausnutzung der für sie günstigen

Weltlage" rühmt, so denkt man unwillkürlich an die gleichen Umstände,

unter denen Mustafa Kemal 600 Jahre später den Grund zur neuen

Türkei legte. Eine besondere Stärke zeigte Giese in der Zerstörung von

Geschichtslegenden, die in Europa entstanden und mitunter von den

Türken selbst wegen mangelnder Kenntnis ihrer eigenen Geschichte

übernommen wurden. Hier sind in erster Linie seine Abhandlungen über

„Das Seniorat im osmanischen Herrscherhaus" und ,,Die geschicht¬

lichen Grundlagen für die Stellung der christlichen Untertanen im os¬

manischen Reich" zu nennen. Seine Artikel über ,, Muhammed II."

und ,, Soliman I." sind kleine, aber mustergültige Charakteristiken.

Giese hat es in den letzten Jahren seines Lebens schmerzlich emp¬

funden, daß seine Kraft zur Bewältigung des gewaltigen vor ihm lie¬

genden Stoffes bei weitem nicht ausreichte, so z. B. beim Anblick des

einzigartigen Urkundenmaterials im Archiv des Rektorenpalastes in

Dubrovnik (Ragusa). Seine Bedeutung liegt in der Aufzeigung inter¬

essanter Probleme und meistens auch der Wege zu ihrer Lösung. Als

Lehrer verstand er es. in seinen sorgfältig vorbereiteten Vorlesungen

den gegenwärtigen Stand der Forschung den Hörern zu vermitteln.

Die Türkei, deren Sprache und Geschichte seine Liebe und sein Fleiß

galten, brachte ihm ihre Dankbarkeit und Verehrung durch die Ein¬

ladung zum 2. Kongreß der türkischen Sprache in Istanbul (1934) zum

Ausdruck.

Zu dem in WI (Sonderband 1941: Festschrift Fbiedbich Giese und

Band 23, S. 90) enthaltenen Verzeichnis der Schriften Gieses ist noch

nachzutragen: Bemerkungen zu G. Raquette, Eine kaschgarische

WakfUrkunde aus der Khodscha-Zeit Ost-Turkestans, Ungarische Jalir¬

bücher 11, Heft 3, JuU 1931.

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Max Meyerhof

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