Aus Briefen des Hrn. W. Wright in London an Prof. Rödiger.
London, d. 28. Juni 1868.
— Mein Catalog der syrischen Hss. des Britischen Museums
ist fertig. Die Trustee's haben den Druck beschlossen, und die
erste Ahtheilung (Biblische Hss.) ist bereits in der Druckerei. Mr.
Watts hat noch einigen Typeu-Vorrath zu schaffen, dann wird der
Druck beginnen und, wenn keite Störung eintritt, in etwa zwei
Jabren vollendet sein. Von Payne Smith's syrischem I.,exicou ist
der zweite Theil (mit dem Buchstaben <-Si beginnend) so eben unter
die Presse gegangen. — Der Druck des Aphraates ist über 400
Seiten vorgeschritten. Ich habe Cureton's Abschrift durchgängig
collationirt und gebe die Varianten hinter dem Texte am Eude die¬
ses Bandes, sowie unter dem Texte die Nachweisung der Bibel-
citate. Er citirt, wie andere Kirchenväter, aus dem Gedäcbtniss
uud verbindet oft mehrere Stellen zu Einem Citat. üebrigens citirt
er auch den Schluss des Markus-Evangelium's , der bekanntlich im
Cod. B, im Cod. Sinait. u. a. fehlt. Aphr. schreibt gegen die Mitte
des 4. Jahrhunderts. Die Kosten der Herausgabe bestreitet ein
Jugendfreund von mir , Mr. David Murray , der sich als Kaufmann
in Australien Vermögen erworben hat und gern bereit war, der
Wissenschaft das Opfer zu bringen. Wir gewinnen so einen alten
syrischen Text auf alter handschriftlicher Grundlage. An den 2ten
Band, der die Uebersetzung mit Noten enthalten soll, kann ich erst
später gehen. Zuvor denke ich das Glossar zu meiuem schon ge¬
druckten Arabic Reading Book fertig zu machen, und die syrische
üebersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius herauszugeben.
Für die Ausgabe des Eusebius habe ' icb mir vor allem eine cor¬
recte Abschrift des Petersburger Codex (datirt 462 Cbr.) gemacht
und daraus, abgesehen von einigeu wenigeu Lücken, die Bücher
I-IV., eineu Theil des V., ciucn Theil des VII., uud VUI—X.
vollständig erhalten. Aus der Hs. des Brit. Mus., die spätestens
im ersten Viertel des 6. Jahrh. geschrieben ist, werde ich die
Lücken der ersten vier Bücher ausfüllen und das V. vervollständi¬
gen können ; aber das VI. Buch und der grössere Thcil des VII.
sind vielleicht für immer verloren. — Die Anaphora des Coelesti-
uus wird ohne üebersetzung bleibeu müssen, da das Journal of
Saered Literature eingegangen ist und sonst hier keine Zeitschrift existirt, die so etwas aufnähme.
12. Juli 1868.
— Ich will Ihnen doch vorläufig berichten, was ich von der
litterarischen Beute der habessinischen Expedition bis jetzt gehört
und gesehen habe. An Handschriften soll die Armee 3 bis 4000
Bände erbeutet haben. Aus diesen haben die Herren Holmes (der
Delegirte des brit. Museums) uud Muuzinger etwa 400 ausgewählt.
Notizen und Correspondenzen. 553
die in der näclisten Woche in England ankommen und, wie wir
hoffen, dem Brit. Museum überlassen werden sollen. Hr. Holmes
sagt mir, keine der Hss. sei sehr alt, höchstens eine oder die andere
ein paar Jahrhunderte alt, viele aber ganz neu. Ich höre nichts
von irgend welchen llarit;l(en unter ihnen, aber viele sind schön
geschrieben und haben Bilder in habessinischem Geschmack. Ohne
Zweifel werden wir darunter manches finden, was wir in unsrer
Bibliothek noch nicht haben, fehlt uns doch auch noeh das Fetha
Nag a st. Was man zurückliess an Hss. wurde, glaub' ich, au
habessinisehe Priester gegeben, nud einzelne wurden von Officiereij
der Armee angekauft. Von solchen habe ich zwei geseheu. Die
eine war von einem Officier für 50 guineas verkauft worden, ein
Bändchen mit einigen Heiligenbildern, enthaltend die Psalmen, das
Hohelied, WPddäse Maryam und das Evang. Johannis, aber ganz
neu, nur die Bilder aus einer älteren Hs. ausgeschnitten. Gestern
sah ich eiu werthvolleres Werk, ein SPnkesar in 2 Quartbäuden,
gut geschrieben uud mit vielen Gemälden ausgestattet, 100—200
Jahre alt. Eius der Bilder stellt den Durchgang der Israeliten
durch's rotbe Meer dar, verfolgt vou deu Aegyptern rait Flinten
bewaffnet. Für dieses Ms. wollte ein Gentleman 50 guineas zahlen
eiu viel zu hoher Preis! Wir haben augenblicklich im Museum
eine goldene Abüna-Krone und einen goldenen Abeudmahls-
kelch (beide zusammen circa 500 Sovereign's Metallwerth), gleich¬
falls als Kriegsbeute der Armee gehörig und darum zu hohem Preise
veranschlagt, den aber das Museum ohne Zweifel zahlen wird.
Einige andere Kronen sollen von den Soldaten in Stücke zerbro¬
chen sein. Die vorhandene ist zierlich gearbeitet, hat aber nichts
von Inschrift, ausser über den Bildern von drei Plvangelisten die
Namen derselben mit Angabe ihres Symbols, nämlich Hfl-H'')
i^tpii: HA'?n'^:if?C*h:, und HArhf^IAO.
Il'fl .' (sic ! Lukas). — Der Kelch dagegen hat eine Votivinsehrift, welche besagt, dass derselbe au die Kirche von Kueskoäm ^) geschickt
wurde vom König lyäsü mit dem Beinamen Adyäm Sagad, uud der
Königin Walatta Giyörgis Berhän Mögas. Das führt in die Zeit
zwischen 1729 und 1753 Chr., uud die Verfertigung der Abüna-
Krone mag iu dieselbe Zeit gehören. Beide sind wohl von deu
griechischen Künstlern aus Smyrna gearbeitet, die an den Hof des
lyäsü verschlagen und von iiiui so begünstigt wurden. Die übri¬
gens nicht znm besten eingeschnittene Inschrilt des Kelches lautet:
•H : ÄTö : H^T-^ j : A..?!!' ; H fl : 7 t*"t: : A
.^j»f^:ii7^ :a)fiö^: (sie) '57i*J"H:u)A'r:2P'
1) Amhar. = J*l»flX '. Mensch.
2) S. Bruce s Reisen, Bd. 11, .S. C24 f. der d. I chers., wo auch die von die¬
sem König in Koskani gebaute prächtige Kirche erwähnt wird. Vgl. Kiippell's
Reise 11, S. 115. 3'.2. 428 und Taf. 8, Pigur 2. E. B.
3 9 *
C2h : -nev? : ^7fi : HCDun- : Aj-p-t- : 4>^riS
nc^ : jBYt-^o^ : act^^-j^-t : : cd? 4:fi Hierauf
folgeu einige Worte in einem neuern Dialect, enthaltend die An¬
gabe des Gewichts, wie mir gesagt wird, und unten noch vier Worte
mit dem Namen des Verfertigers, Walda Giyörgis. — Nach ein
paar Tageu hoife ich auch ein silbernes Kreuz mit einer Votiv¬
insehrift zu sehen.
An habessinischen Münzen besass das Museum bisher nur eine
kleine Goldmünze mit einer noch nicht entzifferten Legende, und
Mr. Holmes hat nur eine oder zwei schlecht erhaltene mitgebracht.
Aber gestern sah ich deren vier, die ein Privatmann erworben hat,
und drei davon waren gut erhalten. Die eine, von Silber, hatte
auf der einen Seite das Brustbild eines Königs und dabei in grie¬
chischen Buchstaben den Namen Asael (=Esahel? bei Rüppell II,
346, Nr. 45 oder 47); auf der andern Seite ein Kreuz und die
Inschrift: tovot [== rovro] ccQiarj ry x'^ga in unschönen Uncialen.
Die andern beiden, obwohl in verschiedener Grösse, doch mit glei¬
chem Gepräge, auf einer Seite der König auf einem Throne sitzend,
auf der andern ein Kreuz zwischen Palmzweigen, wenn ich mich
recht erinnere, die Inschriften in alt-äthiopischen Charakteren durch¬
aus ohne Vocalbezeichnung, um das Bild des Königs:
{7UJA/^öa/h, nud bei dem Kreuz: A Afh HO AUJ ffl
APYIJ- Der König ist "JT-V" AC<^fh I (bei Rüppell
Nr. 54 Ar mah). Das Uebrige nehme ich in gleichem Sinne mit
obiger griechischer Inschrift, nämlich; AAftl'^'fl 14^UjF"/tl I
A.EYI*'?! den Völkern sey's erfreulich! (oder vielleicht
eine Freude), so dass AAfhH'fll dem ry xoiga
entspräche, wie (freilich eine hier etwas feru liegende Analogie)
gaujans im Gothischen.
Ich habe auch Abdrücke der drei Siegel des Kaiser Theodor
vor mir, die jetzt in dem Museum von South Kensington gezeigt
werden. Das grosse Staatssiegel ist vor etwa vier Jahren in Lon¬
don geschnitten. Es stellt den gekrönten Löwen dar, mit der In-
scbrift: "JT-y": (Sic) J^JD^Ch I HA.^P'Ä ."
und iu arabischer Schrift: ji^i-aS^-" — Ein kleineres
Siegel seheint von dem Metropolitan von Aegypten aus Anlass der
Ernennung des letzten Abüna eingesandt zu seyn. In der Mitte
desselben steht:
+ + +
eiPHHH MeTPatno
MTHC enH
eea^Tuix Ioov
3 9 *
Notizen und Correspondenzen. 555
693lTUJ ist bekanntlicli ira Koptischen der Narae der Aethiopier.
Das Datum iojv muss sich auf die Aera der Märtyrer beziehen,
also das Jahr 1841 Chr. Um diese koptische Inschrift her laufen die
arabischen Worte (aus Luc. 2, 14); ^^'ii, J.cj | ^L3^ji3, i
I ij^lS u~^J! ^5 I r^i
An den Stellen, wo ich einen Strich | gesetzt habe, stehen
griechische Charaktere, nämlich oben IHC (Jesus), uuten IIX(i (der
Christ, mit dem kopt. Artikel II), zur Rechten ÖC (Gott), zur
Liukeu 0 (-2iwT»?p). — Das dritte, kleinste Siegel, in Indien (?)
geschnitten, beziflit sicli augenscheinlich auf die ägyptische Gesandt¬
schaft im J. 1859, es bat die Inschrift:
Diese Siegel haben also, wie Sie sehen, wenig oder gar kein
Interesse für uns. Wenn die Handschriften ankommen und ieh
Gelegenheit habe sie zu prüfen , werde ich Ihnen darüber be¬
richten.
Nachschrft. Nach einem Briefe Dr. Wiü. WrighCs an
Prof. Rödiger vom 12. August ist bereits der erste Bogen des
Katalogs der .syrischen Handschrifteu des Britischen Museums ge¬
druckt. Vou Aphraates sind 44(1 Seiten im Druck fertig.
Rif)liogT<'i])hi.sclie Anzeigen.
Qolasta oder Gesänf/e und Lehren von der Tav/e mul dem Ausgange
der Seele, als mandäischer Text mit sämmtliehen Varianten, nach.
Pariser und Londoner Manuscripten mit Unterstützung der D. M. G.
autographirt und herausgegeben i>on Dr. J. Euting. Stuttgart, 1867. 150 SS. gross Folio. 15 ^
Gern hätte der Unterzeichnete die Anzeige dieses Werkes einem Kundigem Uberlassen. Allein trotz mannigfachster BemUhung trat kein Anderer für ihn ein und so sah er sich denn genöthigt selbst die Erfüllung dieser Pflicht auf sich zu nehmen. Denn dass es gerade für die Zeitschrift der D. M. 6. eine dringende Pfliclit ist, von dem Erscheinen dieses sehr bedeutenden Werkes No^tz zu nehmen, bedarf keines Beweises.
Das Interesse für die eigenthümlichen Lehren und Gebräuche der Mandäer ist in neuerer Zeit durch die Arbeiten von dem Strasburger L. E. Burckhardt und vornehmlich durch die bahnbrechenden Untersuchungen Petermann's (in Herzog's Realencykl. Art. Mendäer, in der deutschen Zeitschrift f. ehristl.
Wissenschaft Jahrg. 1854 f. und in seinen Keisen im Orient B. II.) von Neuem rege gemacht worden. Sie haben ein neues Feld für die religionsgeschichtliche Forschung eröffnet, das freilich der Dunkelheiten noeh viele darbietet. So viel sich nach den Untersuchungeu Petermann's urtheilen lässt, haben wir es hier mit einem ganz ausgebildeten gnostiscben System zu thun. Die Gno¬
sis, insofern sie, wie Baur den Begriff festgestellt hat, ein höheres Wissen, ein seiner GrUnde, seiner Vermittelung sich bewusstes Wissen, oder ein solches Wissen, das ganz das ist was es als Wissen sein soll, ist, bildet überall den natürlichen Gegensatz gegen die Pistis, letztere ist aber immer die Voraus¬
setzung der ersteren. Zwischen beiden Gegensätzen der niorn oder dem histo¬
rischen Glauben und der yriSots oder dem philosophischen Wissen vermitt"'' die Allegorie, welche die starre Form des objectiv Gegebenen in eine Hies¬
sende umwandelt und den materiellen körperlichen Buchstaben fUr die geistig¬
sten Ideen durchsichtig macht, und so ist denn die Gnosis immer nah verwandt und darum auch begleitet von der Allegorie. Das historische Substrat der
Pistis sowol wie der Gnosis kann nun entweder eine geoffenbarte
Religion oder eine mythologische Volksreligion sein. Die Gnosis
selbst geht von denselben Ansicht aus, welche mehr oder weniger allen heid¬
nischen Ueligionsfornien zu Grunde liegt, dass nämlich Gott und Welt durch die Momente eiues Processes vermittelt gedacht werden , welcher mehr oder minder deu Charakter eines Naturprocesses trägt , mag nun diese Bewegung