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Wie steuern ohne Praxisgebühr?

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Wie steuern ohne Praxisgebühr?

Die Praxisgebühr, im Jahr 2004 unter vor allem erheblichem Kostendruck mit dem Deckmäntelchen der Not- wendigkeit der Steuerung von Arzt- besuchen eingeführt, machte Arbeit, sie machte so viel Arbeit in den Arzt- praxen, Notfallambulanzen und auch bei Hausbesuchen, dass geschätzte 360 Millionen Euro allein im Jahr bei zwei Milliarden zusätzlichen Einnah- men als Bürokratiekosten verursacht wurden. Und natürlich habe auch ich mich über Jahre gegen diese gefühl- termaßen unnütze Aktion gewandt.

Aber schauen wir mal genauer hin:

Freilich hat es genervt, wenn all- abendlich das Geld zur Bank ge - schafft werden musste, mancher Witz hinter der Ladentheke kam schon auch, wenn mit einem Bündel von 10-Euro-Scheinen bezahlt wur de oder mancher Einbrecher glaubte, den großen Reibach zu machen.

Aber ist das alles? Sind wir sicher, dass wirklich keine positiven Neben- effekte durch die Praxisgebühr auf- traten? Woher wissen wir, dass nicht doch eine Steuerungswirkung ein- trat? Und wie ist es mit den Finanzen der Zukunft bei der Gesetzlichen Krankenversicherung bestellt?

Der durch die zehn Euro aufgebaute Druck auf die Patienten sich per Überweisung auch zu Routineunter- suchungen bei Fachärzten vorzustel- len, führte zumindest dazu, dass ich als Hausarzt bei einem Großteil mei- ner Patienten wusste, bei welchem Facharzt sie wann vorstellig wurden.

Im Übrigen ist die Behandlung auf

Überweisung auch an die Pflicht gebunden, Befunde an den Überwei- ser zu schreiben, dieser Pflicht ent- zog sich bisher ohnedies schon so manche Kollegin, mancher Kollege.

Als Hausarzt bleibt mir dann nur noch die Möglichkeit, durch aufwen- dige Telefonate die Befunde zusam- menzutragen. Sind es doch die Hausärzte, welche für die Koor- dination der Patientenbehandlung zuständig sein sollen, Abstimmun- gen zwischen den Fachärzten durch- führen sollen und auch die ersten sind, welche zum Beispiel bei der Abgabe von ärztlichen Gutachten zum Beispiel bei der Deutschen Ren- tenversicherung oder der Beurtei- lung des Grades der Behinderung angefragt werden.

Die Abschaffung ist aus meiner Sicht deshalb ein Bärendienst an der freien Arztwahl.

Nicht nur eine Zunahme der Fre- quentierung der Arztpraxen bleibt zu erwarten, auch wird die Inanspruch- nahme der Notfallambulanzen an Krankenhäusern noch weiter zuneh- men. Untersuchungen in Sachsen durch die Sächsische Krankenhaus- gesellschaft und die Kassenärztliche Vereinigung haben ganz deutlich gezeigt, dass es eine erheblich ver- mehrte Nutzung von Notfallambu- lanzen zumindest punktuell gab und gibt. Hier spielt die Erbringung ambulanter Leistungen am Kranken- haus über den Umweg der prästatio- nären Behandlung mit hinein. Nicht zuletzt ersparten sich Patienten Wege und Termine, wenn sie zum Beispiel zur Gastroskopie nicht zum nächsten niedergelassenen Arzt fuh- ren, sondern lieber im nächstgelege- nen Krankenhaus in der Notfallam- bulanz gegen Entrichtung von zehn Euro einen Einweisungsschein erhiel- ten und sofort in den Genuss der notwendigen Untersuchung kamen.

Die Praxisgebühr war nicht beliebt, zugegeben, aber wie steht es nun um die Finanzen der GKV in der Zukunft. Nehmen wir Berechnungen der Gesundheitsökonomen oder der GKV selbst, seien hier nur Prof. Dr.

med. Fritz Beske und die BARMER GEK genannt, so wird sich der Mor- biditäts- und damit Kostendruck in

den nächsten Jahren massiv ver- schärfen. Ob die derzeit gut gefüll- ten Kassen der GKV halten, wenn sich Konjunktur in Rezession wan- delt, bleibt auch zu bezweifeln. Und die Politik verschließt sich einer Prio- risierung in der Medizin weiter. Weh- klagen über Finanzlöcher höre ich schon heute.

Diejenigen, welche das Gesundheits- system nach meiner Wahrnehmung (valide Untersuchungen dazu sind nicht bekannt) viel in Anspruch neh- men, haben ohnedies eine Befreiung von Zuzahlungen nach der Chroni- kerregelung oder bei bereits geringer jährlicher Belastung (zum Beispiel ALG II-Empfänger).

Wem nützt die Abschaffung also?

Taugt sie ein Jahr vor der Bundes- tagswahl als Wahlgeschenk oder ist es nur eine populistische, zu kurz gedachte Aktion, um Umfragetiefs zu beschönigen?

Und wer denkt an die Krankenhaus- finanzierung, Notopfer und den drin- gend notwendigen Bedarf an Finanz- mitteln zur Erhaltung der guten Krankenhausinfrastruktur ganz be - sonders in Sachsen? Da sind zähe Verhandlungen notwendig, wenig politische Einsicht vorhanden und es lässt sich manche Nachhaltigkeit ver- missen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, um Eigenbeteiligung der Patienten in finanzieller wie aber auch in ideeller Hinsicht intelligent zu stärken, die Vollkaskomentalität in der solidarischen Krankenversiche- rung zu besiegen, dazu braucht es erst einmal einer genauen Diagnose.

Dann kann man die Therapie festle- gen. Mit einem pauschalierten Ent- geltsystem in der niedergelassenen Medizin (Einheitlicher Bewertungs- maßstab) zum Beispiel ist dies sicher nicht möglich. Und erst nach Stel- lung der Diagnose können wir mit der Therapie beginnen. Es ist nicht zu spät und ein neues Jahr liegt vor uns.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Weihnacht und ein interessantes und erfolgreiches neues Jahr.

Erik Bodendieck Vizepräsident

Editorial

496 Ärzteblatt Sachsen 12 / 2012

Erik Bodendieck © SLÄK

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