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Einmal so richtig abschalten

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Academic year: 2022

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Bereits heute soll uns Google besser kennen als wir uns selbst. Ob das wirklich so ist, hat meines Wissens zwar noch niemand ernsthaft überprüft, glauben werden es die meisten wohl trotzdem. Das neu- este Heilsversprechen der smarten Knöpflidrücker aus Kalifornien preist die Vorzüge des Anhäufens individueller Gesundheitsdaten, um damit «data mining» zu betreiben, die Suche nach der Stecknadel der Erkenntnis im gigantischen Heuhaufen irrelevanter Informationen: «Stellen Sie sich vor, Sie könnten in den Krankenblättern der US-Bevöl kerung recherchieren. Ich denke, das würde schon im ersten Jahr 10000 Leben retten», meint

Google-Chef Larry Page. Wie er auf diese Grössenord- nung kommt, bleibt sein Geheimnis. Er hat auch schon einmal von 100000 Leben fabuliert, die man damit pro Jahr retten würde. Wer so argumentiert sei in der Regel entweder kein Arzt oder jemand, der es besser weiss, aber mit einer reisserischen Schlagzeile in die Presse will, kommentierte ebenso treffend wie trocken ein Ge- sundheitsfachmann die Statements des Google-Chefs in einem Blog der Washington Post (1).

Doch was wissen wir heutzutage wirklich über den Nutzen computergestützter Entscheidungshilfen, ins- besondere für den Alltag in der Hausarztpraxis? Der aktuelle Stand der Erkenntnis zu den «computer-based clinical decision support systems (CDSS)» in der Praxis:

Wenn überhaupt, sind sie nützlich für den Arzt aber kaum für den Patienten (2). So zeigte sich beispiels- weise in 28 Studien mit Diabetespatienten, dass schlaue Software zwar die Abläufe zu optimieren ver- mochte, auf patientenrelevante Parameter wie HbA1c, Blutdruck oder Lipidwerte jedoch kaum Einfluss hatte (2). Der Wunschtraum, mittels CDSS den aktuellen Stand der Medizin zum Wohl der Patienten «in Echtzeit» automatisch in die Praxis zu bringen, ohne

Verzögerung durch zeitraubendes Studium der Fach - literatur oder den Besuch von Fortbildungsveranstal- tungen, dürfte noch lange ein solcher bleiben.

Und falls es doch einmal so weit kommen sollte, müsste man sich für den Einsatz im Arzt-Patienten- Gespräch einiges einfallen lassen, um den Störenfried Bildschirm verschwinden zu lassen. Man weiss näm- lich, dass Ärzte, denen während der Konsultation Patientendaten elektronisch zur Verfügung stehen, mehr als ein Drittel der Zeit nicht mehr ihren Patienten, sondern den Monitor anschauen. Die Patienten wie- derum versuchen in dieser Situation nicht nur die Aufmerksamkeit ihres Arztes, sondern auch einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen (3). Gute Kom- munikation sieht anders aus, ganz abgesehen davon, dass Nonverbales dann noch öfter übersehen wird als

bei Gesprächen von Angesicht zu Angesicht ohne Ab- lenkung. Überdies sei bei Anwesenheit von Kollege Computer während des Patientengesprächs wahr- scheinlich auch «die Fähigkeit der Ärzte, zuzuhören, zu denken und Problemlösungen zu erwägen, erheblich eingeschränkt», so die Studienautoren (3).

In diesem Sinne scheint es mir eine gute Idee, nicht nur über die kommenden Feiertage einmal so richtig abzuschalten, sondern auch den Computer während des Patientengesprächs. So notwendig und nützlich er sonst auch ist, im Arzt-Patienten-Gespräch wird er zum Störenfried.

Renate Bonifer

1. Matt McFarland: The incredible potential and dangers of data mining health records.

http://www.washingtonpost.com/blogs/innovations/wp/2014/10/01/the-incredible- potential-and-dangers-of-data-mining-health-records/.

2. Murphy ME et al.: Computer-based clinical decision support for general practitioners.

Family Practice 2014; 31(5): 497–498.

3. Montague E, Asan O: Dynamic modeling of patient and physician eye gaze to under- stand the effects of electronic health records on doctor–patient communication and attention. International J Med Informatics 2014; 83(3): 225-234. Zitiert in Braun B:

Nutzung von elektronischen Patienteninformationen und Entscheidungshilfen kann Arzt-Patient-Kommunikation negativ beeinflussen. http://www.forum-gesundheits- politik.de/artikel/artikel.pl?artikel=2330.

EDITORIAL

ARS MEDICI 24 2014

1209

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