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Opioide bei chronischen Schmerzen

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Academic year: 2022

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Chronische nicht durch Krebs bedingte Schmerzen sind ein wichtiges Gesundheitspro- blem, bei dem Opioide eine Behandlungsoption darstel- len. Wie ist die Evidenzlage hinsichtlich Nebenwirkungen, Wirksamkeit und Abhängig- keitspotenzial?

C A N A D I A N M E D I C A L A S S O C I AT I O N J O U R N A L

Der Bereich der chronischen nicht krebs- bedingten Schmerzen umfasst nozizep- tive und neuropathische Schmerzen, die in variablem Ausmass psychologischen und sozioökonomischen Einflüssen un- terliegen. Opioide sind in dieser Indi- kation immer noch umstritten, wobei die Furcht vor Nebenwirkungen und Abhän- gigkeit sowie die Beunruhigung der Zu- lassungsbehörden ein Rolle spielen. Mit ihrer Metaanalyse wollten die kanadi- schen Autoren die heute verfügbare Evi- denz zusammentragen.

Methodik

Die Metaanalyse sollte folgende vier Fra- gen beantworten:

Wie wirksam sind Opioide bei chro- nischen Schmerzen im Vergleich zu Plazebo?

Wie schneiden Opioide im Vergleich zu anderen Analgetika ab?

Welche chronischen Schmerzsyn- drome sprechen besser auf Opioide an?

Welches sind die häufigsten Neben- wirkungen und Komplikationen einer Opioidtherapie bei chronischen Schmerzen?

Gesucht wurden randomisierte kontrol- lierte Studien aus den gängigen Daten- banken und Studienregistern. Die Ein- schlusskriterien der Analyse verlangten eine Schmerzdauer von mindestens sechs Monaten (z.B. Neuropathie, Ar- throse, rheumatoide Arthritis, Fibro- myalgie, Rücken- und muskuloskeletaler Schmerz). Die untersuchten Wirkstoffe wurden eingeteilt in schwache Opioide (Propoxyphen, Codein, Tramadol [Tra- mal® oder Generika]) und starke Opioide (Oxycodon [Oxycontin®], Morphin). Die Qualität der Studienmethodik wurde mit dem Jadad-Instrument abgeschätzt.

Resultate

Die Metaanalyse umfasste 41 rando- misierte Studien. Zwar waren alle als randomisiert deklariert, aber nur 17 ent- sprachen den rigiden Kriterien. 39 Stu- dien waren doppelblind, wovon nach Einschätzung der Autoren bei 30 die Methodik adäquat war.

Insgesamt wurden 6019 Patientinnen und Patienten mit chronischen nicht durch Krebs bedingten Schmerzen in den systematischen Review einbezogen.

Wirksamkeit im Vergleich zu Plazebo:

Die Metaanalyse der 28 verwertbaren Studien zeigte Resultate zugunsten der Opioide. Die Differenz zu Plazebo war nur in der Gruppe der gemischten Schmerzen statistisch nicht signifikant.

Die Überlegenheit gegenüber Plazebo trat anhand der Effektgrösse schon 2002 zu Tage, und acht neuere Studien änder- ten an diesem Ergebnis nichts. Auch die

20 Studien mit funktionellen Outcomes fielen zugunsten der Opioide aus.

Effektivität im Vergleich zu anderen Sub- stanzgruppen:Die Metaanalyse der acht Studien mit geeigneten Daten ergab für Opioide und andere Analgetika (nicht-

Opioide bei chronischen Schmerzen

Metaanalyse zu Effektivität und Nebenwirkungen

ARS MEDICI 20 2007

1009

S T U D I E

■■

■ Bei chronischen Schmerzen lindern Opioide den Schmerz stärker und verbessern die Funktionsparameter effektiver als Plazebo.

■■

■ Dies gilt für nozizeptive und neuropathische Schmerzsyn- drome.

■■

■ Tramadol war hinsichtlich Schmerz und Funktionsverbesse- rung bei Fibromyalgie erfolg- reich.

■■

■ Starke Opioide (Oxycodon, Morphin) waren Naproxen und Nortriptylin in der Schmerz- linderung, nicht aber im funk- tionellen Verlauf statistisch signifikant überlegen.

■■

■ Schwache Opioide (Propoxyphen, Tramadol, Codein) waren weder hinsichtlich Schmerz noch Funk- tion den NSAR oder Trizyklika überlegen.

■■

■ Klinisch und statistisch waren nur Obstipation und Nausea unter Opioiden signifikant häufiger.

■■

■ In bisherigen randomisierten Opioidstudien wurden die Aus- wirkungen auf Sexualität und Sexualhormone nicht ausrei- chend berücksichtigt.

■■

■ Bisherige randomisierte Opioid- studien besassen nicht die me- thodischen Eigenschaften, um die Behauptung, dass bei chro- nischen Schmerzsyndromen kein Abhängigkeits- oder Miss- brauchspotenzial bestehe, zu untermauern.

M M M

M e e e e rr rr k k k k ss ss ä ä ä ä tt tt zz zz e e e e

(2)

steroidale Antirheumatika [NSAR], Tri- zyklika) keine statistisch signifikante Differenz. Bei Unterteilung nach dem Opioidtyp änderte sich dies. Starke Opioide (Oxycodon, Morphin) waren signifikant effektiver als Vergleichsanal- getika. In ihrer Auswirkung auf funk- tionelle Parameter waren jedoch die Nichtopioid-Analgetika effektiver als die Opioide. Diese Aussage beruht jedoch fast ausschliesslich auf einer einzigen Studie, die Propoxyphen mit Diclofenac (z.B. Voltaren®) verglich.

Nebenwirkungen und problematische Verläufe: Sechs Nebenwirkungen traten in den Opioidgruppen signifikant häufi- ger auf als in den Plazebogruppen: Ob- stipation, Nausea, Schwindel, Somno- lenz und Benommenheit, Erbrechen sowie trockene Haut oder Juckreiz. Im Vergleich zu anderen Schmerzmedika- menten waren nur drei Nebenwirkun- gen unter Opioiden signifikant häufiger:

Nausea, Obstipation sowie Somnolenz oder Benommenheit.

Patienten mit einer Abhängigkeitsana- mnese für Alkohol oder Medikamente/

Drogen wurden von 25 Studien ausge- schlossen. In den übrigen wurde diese Information nicht ausreichend rappor- tiert. Nur gerade drei Studien fragten die Teilnehmenden nach Suchterscheinun- gen. Eine Untersuchung erkundigte sich nach «Medikamentenverlangen» und fand ein solches bei 8,7 Prozent der mit Morphin Behandelten und bei 4,3 Pro- zent in der Plazebogruppe.

Nur vier Studien stellten Fragen zum Se- xualleben anhand des Pain-Disability- Index (PDI). In den zwei Untersuchun- gen, die auch genauere Angaben mach- ten, schienen Patienten unter Opioidme- dikation über eine bessere sexuelle Funktion zu berichten als diejenigen in der Plazebogruppe.

Schlussfolgerungen

Dieser systematische Review zeigt nach den Ausführungen der Autoren:

Opioide waren insgesamt effektiv in der Therapie bei chronischen nicht krebsbedingten Schmerzen. Sie lin- derten den Schmerz und verbesserten die funktionellen Outcomes besser als Plazebo.

Opioide waren sowohl bei nozizepti- ven wie neuropathischen Schmerz- syndromen effektiver als Plazebo.

Tramadol wirkte bei Fibromyalgie günstig auf Schmerz und Funktions- parameter.

Die starken Opioide Oxycodon und Morphin waren Naproxen und Nor- triptylin hinsichtlich Schmerzbekämp- fung, nicht aber Funktionsverbes- serung, statistisch signifikant über- legen.

Schwache Opioide (Propoxyphen, Tra- madol, Codein) waren NSAR und Tri- zyklika weder in der Schmerzlinde- rung noch in der Funktionsverbesse- rung statistisch überlegen

Klinisch, das heisst bei mehr als 10 Prozent der Patienten, und sta- tistisch waren nur Obstipation und Nausea unter Opioiden signifikant häufiger.

Obwohl neuere Studien Hinweise er- geben haben, dass Patienten, die Opioide längerfristig wegen chroni- scher Leiden einsetzen, endokrine Abnormitäten und erektile Dysfunk- tion erfahren können, war dieser Pro- blemkreis in den hier untersuchten Studien kein Thema. Entsprechend lässt sich aus den zwei Studien mit entsprechenden Angaben höchstens schliessen, dass bessere Schmerzlin- derung im Erleben der Betroffenen auch zu einem besseren Sexualleben führen kann.

Eine Suchtentwicklung oder ein Opioidmissbrauch bei Patienten mit chronischem Schmerz können trotz populärer Behauptung nicht einfach als inexistent postuliert werden, denn die verfügbaren randomisierten Studien hatten gar nicht das Design, um diese Frage zu überprüfen. Im Allgemeinen war die Studiendauer zu kurz, und die für die Abschätzung des Abhängigkeitspotenzials geeig- neten Befragungstools kamen nicht zur Anwendung. Hier besteht ein ein- deutiges Forschungsdefizit.

Schliesslich weisen die Autoren noch darauf hin, dass die meisten Studien, die Opioide mit anderen Medikamenten ver- glichen, nicht adäquat gestaltet waren, um eine Äquivalenz oder Nichtunterle-

genheit zu belegen. Gute Äquivalenzstu- dien mit Opioiden und anderen Analge- tika sind daher notwendig.

Da chronische Schmerzsyndrome defi- nitionsgemäss Langzeitstörungen sind, sei auch festzuhalten, dass die meisten Studien nicht lang genug waren, um die Dauer der Wirksamkeit einer Opioidthe- rapie, das Potenzial für Toleranz oder negative Langzeitfolgen wie Hypogona- dismus oder Missbrauch abzuschätzen.

Die Autoren erwähnen auch, dass die meisten der in in dieser Analyse unter- suchten Studien von der Industrie finan- ziert waren und nicht ausreichend Infor- mationen vorlagen, um einen Publika- tionsbias auszuschliessen.

Diese Metaanalyse stimmt mit ähnlichen früheren gut überein. Nach Ansicht der Autoren braucht es nach dieser umfas- senden Metaanalyse mit oralen Opioiden beim chronischen nicht durch Krebs be- dingten Schmerz weitere plazebokon- trollierte randomisierte Studien zur Schmerzlinderung und Funktionsver- besserung nur noch für andere Verabrei- chungsformen der Wirkstoffe.

Abdrea D. Furlan (Comprehensive Pain Program, Toronto Western Hospital, University of Toronto Centre for the Study of Pain) et al.: Opioids for chronic noncancer pain:

a meta-analysis of effectiveness and side effects. CMAJ 2006; 174 (11): 1589–1594.

Interessenkonflikte: keine deklariert

Halid Bas S T U D I E

S T U D I E

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ARS MEDICI 20 2007

Referenzen

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