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Opioide bei neuro- pathischen Schmerzen?

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S T U D I E É T U D E

UW E BE I S E

Die Anwendung von Opioiden bei neuropathischen Schmer- zen wird bislang kontrovers diskutiert. Eine Metaanalyse einschlägiger Studien zeigt, dass die Substanzen wirksam sein können.

Neuropathische Schmerzen können eine Vielzahl von Ursachen haben, die unter- schiedlichsten Verletzungen oder Störun- gen des peripheren oder des zentralen so- matosensorischen Nervensystems, etwa Traumen, Entzündungen, metabolische oder tumoröse Erkrankungen, kommen als Auslöser in Frage. Häufige Beispiele unter den peripheren neuropathischen Schmerzen sind diabetische Neuropathie, postherpetische Neuralgie und Trige- minusneuralgie. Zentrale neuropathische Schmerzen kommen beispielsweise nach Schlaganfall, bei Multipler Sklerose oder Rückenmarksverletzungen vor.

Der periphere neuropathische Schmerz wird von den Betroffenen als brennend, stechend, einschiessend beschrieben und kann mit Dysästhesien, Taubheits- und Kribbelgefühl einhergehen. Allodynie, zum Beispiel Schmerzsensationen auf ei- nen gewöhnlich nicht schmerzhaften Sti- mulus – manchmal reicht ein Luftzug – , sind häufig. Zumeist nehmen diese Schmerzen in der Nacht und bei Aktivi- täten zu.

Die Behandlung der neuropathischen Schmerzen erweist sich oft als schwierig.

Am vielversprechendsten ist nicht die Gabe von Analgetika, vielmehr werden vorrangig Antidepressiva und Neurolep- tika (siehe ARS MEDICI 18/2005) einge- setzt. Doch selbst mit diesen Substanzen lässt sich der Schmerz bei höchstens der Hälfte der Betroffenen wirklich nennens- wert lindern.

Seit mehr als einem Jahrzehnt wird auch der Einsatz von Opioiden diskutiert. Bis heute ist ihre Rolle aber strittig geblieben, wohl auch, weil es bislang nur viele Kurz- zeitstudien gibt, die widersprüchliche Er- gebnisse lieferten. Studien mit positivem Ausgang hatten oftmals nur wenige Teil- nehmer, sodass die Validität der Untersu- chungen in Frage gestellt wurde. Hinzu kommen Nebenwirkungen und das Miss- brauchspotenzial, Dysfunktionen des Im- munsystems und eine paradoxe Hyperal- gesie, die im Zusammenhang mit der Opioidgabe beschrieben wurden und die- sen Therapieansatz nicht gerade gestärkt haben. Dennoch ist das Interesse an die- ser Therapieoption nicht abgerissen, son- dern eher gestiegen.

Mittelfristige Studien zeigen Wirksamkeit

Eine amerikanische Autorengruppe hat sich nun daran gemacht, die Wirksamkeit und Sicherheit der Opioidgabe in einem systematischen Review zu erhellen. In ihre Metaanalyse schlossen sie randomisierte und kontrollierte Studien ein, in denen Patienten mit zentralen oder peripheren neuropathischen Schmerzen jeglicher Ätiologie teilnahmen, bei denen zugleich der Schmerz mit validen Instrumenten beurteilt und Nebenwirkungen registriert wurden. Nicht berücksichtigt wurden

unter anderem Studien, in denen ein Opioid mit einem Nichtopioid kombiniert wurde (z.B. Codein plus Paracetamol). Ins- gesamt fanden die Untersucher 22 rando- misierte und kontrollierte Studien, welche die Aufnahmekriterien erfüllten.

Bei der Auswertung fielen gravierende Unterschiede zwischen den 14 Kurrzzeit- studien (weniger als 24 Stunden Therapie) und den 8 mittelfrisitig angelegten Stu- dien mit einer Dauer von durchschnittlich 28 Tagen auf. Während die Kurzeitstudien wie erwartet divergierende Resultate er- brachten, zeigten die mittelfristigen Stu- dien insgesamt eine konsistente und stati- stisch signifikante Wirksamkeit. Diese Studien sind es auch, die, wie die Autoren erklären, klinisch relevanter sind, weil sie es erlauben, Nutzen und Risiken über Wo- chen zu beurteilen.

Unter den Kurzzeitstudien konnten letzt- lich überhaupt nur 4 Studien in die quan- titative Analyse einbezogen werden. Die

Opioide bei neuro-

pathischen Schmerzen?

Ergebnisse einer Metaanalyse

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Kurzzeitstudien zeigen wider- sprüchliche Ergebnisse hinsicht- lich der Wirksamkeit von Opioi- den bei neuropathischen Schmerzen.

●Mittelfristig angelegte Studien dokumentieren hingegen einen schmerzlindernden Effekt, der anscheinend an den anderer Therapien heranreicht.

●Fragen der Langzeitsicherheit und -wirksamkeit lassen sich der- zeit aber nicht beantworten.

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übrigen fielen wegen schlechter Ver- gleichbarkeit der Resultate und der Un- möglichkeit, die Rohdaten zu extrahieren, aus der Metaanalyse heraus. Bei den mit- telfristigen Studien konnten die meisten publizierten Untersuchungen in die Ana- lyse aufgenommen werden.

Was aber bedeutet Wirksamkeit? Gegen- über Plazebo betrug die Differenz 14 Punkte auf einer 100 Punkte umfassen- den Schmerzskala. Die Wirkung sei damit ähnlich hoch wie die anderer Schmerzthe- rapien bei dieser Patientengruppe, mei- nen die Autoren. Sie zitieren zum Ver- gleich eine Studie bei neuropathischen Diabetikern, wo Gabapentin mit einer 12-Punkte-Differenz gegenüber Plazebo ins Ziel kam. Um diesen Effekt zu erzielen, hatten zwei Drittel der Diabetiker die ma- ximale Gabapentin-Dosis von 3600 mg er- halten. Die Effekte der Opioide wurden hingegen bei eher submaximaler Dosie- rung erzielt. Da man davon ausgeht, dass eine höhere Dosis auch mit höherer Wirk- samkeit einhergeht, scheint hier also noch Spielraum zu sein. In den Studien hatten die neuropathischen Schmerzpatienten oft eine fixe Dosis in sehr engen Grenzen erhalten. Um die volle Wirksamkeit aus- zuloten, sollten künftig die Dosierungen breiter gewählt werden, fordern die Auto- ren. Eine ganz andere Frage ist, ob der 14-Punkte-Benefit für die Patienten auch tatsächlich ein nennenswerter Therapie- erfolg ist. Dabei ist zu bedenken, dass die Schmerzintensität in der Hälfte der Inter- mediärstudien mit 49 bis 69 Punkten angegeben wurde. Eine Senkung um 14 Punkte bedeutet demnach eine 20 bis

30 Prozent bessere Ausbeute als unter Plazebo. 30 Prozent, das zeigen die klini- schen Erfahrungen, sind für den Patienten wirklich spürbar.

Die Autoren weisen darauf hin, dass eine Kurzzeitbehandlung keinen Aufschluss darüber gibt, ob die Einleitung einer län- gerfristigen Behandlung mit Opioiden er- folgversprechend ist.

Die Frage, welches Opioid am besten ge- eignet ist, vermag die Studie nicht zu be- antworten. Die Autoren geben auch zu bedenken, dass zwar viele Teilnehmer re- krutiert wurden, diese jedoch möglicher- weise nicht ganz das typische und breite Patientenkollektiv der Praxis widerspiegeln.

Nebenwirkungen häufig, aber nicht bedrohlich

Hinsichtlich der Verträglichkeit kommt die Metaanalyse zu folgendem Ergebnis:

Nebenwirkungen sind offenbar häufig, aber nicht lebensbedrohlich. Die Number needed to harm (NNH) betrug 3,6 für Übelkeit, 6,2 für Erbrechen und 5,3 für Schläfrigkeit.

Über die Langzeitauswirkungen der Opioidtherapie bei diesem Patientenkol- lektiv lässt die Metaanalyse keine Rück- schlüsse zu. Die längste Beobachtungszeit betrug 8 Wochen. Nach Meinung der Au- toren sind Langzeitstudien dringend an- geraten. Unklar ist letztlich auch die Frage nach dem Abhängigkeits- und Mis- sbrauchspotenzial. Hierzu wurden in den Studien keine Daten erhoben. Das Fehlen entsprechender Berichte mag verschie- dene Gründe haben: Zum einen kann es

sein, dass dieses Problem tatsächlich kaum existiert. Es ist aber auch denkbar, dass die Problematik aufgrund der kurzen Beobachtungszeit nicht zutage gefördert wurde. Schliesslich kommt hinzu, dass Pa- tienten mit erkennbarer Abhängigkeit nicht in die Studie aufgenommen wur- den, obwohl dies kein explizites Aus- schlusskriterum war. Deshalb müsse die- ser Frage weiter nachgegangen werden, meinen die Autoren.

Schmerztherapie bemisst sich nicht nur an der Schmerzintensität, sondern auch an der Lebensqualität in Dimensionen wie Schlaf, Stimmung, Arbeitsfähigkeit, Erho- lungsfähgkeit. Unglücklicherweise, schrei- ben die Autoren, konnten diese Parame- ter nicht kombiniert ausgewertet werden, sodass Aussagen zur Lebensqualität nicht zu treffen sind. Angesichts solcher Ein- schränkungen bezeichnen die Autoren ihre Analyse nur als einen ersten Schritt in der Beurteilung von Opioiden bei neuro- pathischen Schmerzen. Weitere randomi- sierte Studien müssten folgen, um den Wert der Therapie verlässlicher einschät-

zen zu können. ●

Elon Eisenberg et al.: Efficacy and safety of opioid agonists in the treatment of neuropathic pain of nonmalignant origin.

Systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. JAMA 2005;

293: 3043–3052.

Uwe Beise

Interessenlage: Die Autoren haben keine Inter- essenkonflikte angegeben.

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