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Flexibilität und Rigidität vorsatzgesteuerter Handlungskontrolle

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Fachbereich Psychologie

Flexibilität und Rigidität vorsatzgesteuerter Handlungskontrolle

Dissertationsschrift zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)

vorgelegt im Februar 2011 von

Alexander Jaudas

Tag der mündlichen Prüfung: 16. Mai 2011 1. Referentin: PD Dr. Anja Achtziger 2. Referent: Prof. Dr. Peter M. Gollwitzer

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-133554

(2)

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen haben.

Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Peter M. Gollwitzer, dessen Forschungs- arbeiten den Ausgangspunkt dieser Dissertation bildeten. Herr Prof. Dr. Gollwitzer stand mir stets mit seinem fundierten Wissen, seiner Erfahrung und seiner Kreativität zur Seite, wobei er mir gleichzeitig auch den notwendigen Freiraum zu eigenständigem Arbeiten lies.

Weiterhin Dank an Frau PD Dr. Anja Achtziger für die Übernahme der Begutachtung der vorliegenden Arbeit und die gute Zusammenarbeit.

Auch bei meinen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen möchte ich mich für ihren wissen- schaftlichen Rat und ihre Anregungen bedanken: Dank an Dr. Frank Wieber, Dr. Torsten Martiny-Hünger, Michael Marquardt und nicht zuletzt an Frau Dr. Ute Bayer.

Besonderer Dank gebührt auch allen Studierenden und wissenschaftlichen Hilfskräften für die Unterstützung bei der Datenerhebung.

Die vorliegende Arbeit wurde unter Verwendung von Open Source Software erstellt: LATEX, JabRef, MikTeX, Inkscape und gnuplot - Danke an die Entwickler und die Community für die vielen Tipps! Danke auch an den von oFB (online Fragebogen) kostenlos zur Verfügung gestellten Service.

Dank an meine Eltern und meine ganze Familie. Ganz besonders danke ich Carina, Tim und Hannah – für einfach alles!

(3)

1. Im Zentrum dieser Arbeit steht eine spezielle Form der Intention, die durch folgende Syntax gekennzeichnet ist: „Wenn Situation X eintritt, dann führe ich Handlung Y aus!“ Diese Intention besteht aus einem „Wenn-Teil“ und einem „Dann-Teil“. Ob- wohl die Form dieser speziellen Intention exakt definiert wurde, werden zu ihrer Benennung sehr unterschiedliche Termini verwendet.

In deutschsprachigen Publikationen ist zumeist von „Vorsätzen“ die Rede (z. B.

Achtziger & Gollwitzer, 2010). Es werden aber auch die Begriffe „Durchführungsin- tention“, „Durchführungsabsicht“, „Ausführungsplan“ oder gar „Implementations- intention“ verwendet (z. B. Bamberg, 2002a; Scholz & Sniehotta, 2006).

In englischsprachigen Publikationen wird hingegen bis auf wenige Ausnahmen der Begriff „implementation intention“ verwendet (z. B. Sheeran, Webb, & Gollwitzer, 2006). Ausnahmen z. B. bei Chasteen, Park und Schwarz (2001, S. 457: „implemen- tation plan“), Budden und Sagarin (2007, S. 400: „implemental plan“) oder Miles und Proctor (2008, S. 1105: „implementation-intention strategy“).

Gegen die Verwendung des Begriffs des „Vorsatzes“ spricht, dass diesem Begriff auch eine alltagssprachliche Bedeutung zukommt, die deutlich von der Definition des „Vorsatzes“ im Rahmen der „Theorie der intentionalen Handlungssteuerung“

(Gollwitzer, 1993, 1996, 1999) abweicht. In der vorliegenden Arbeit wird dennoch ausschließlich der Begriff des „Vorsatzes“ verwendet. Zum einen wird, wie oben be- reits erwähnt, dieser Begriff in deutschsprachigen Publikationen nahezu ausnahms- los verwendet, so dass Verwechslungen mit alltagssprachlichen Bedeutungsinhalten auszuschließen sind. Zum anderen würde die Verwendung eines Begriffes wie etwa

“Implementationsintention“ den Lesefluss erheblich stören.

2. Zur Erleichterung des Leseflusses wird für die Bezeichnung aller Personen und Grup- pen die männliche Form gewählt (z. B. Versuchsleiter oder Versuchsteilnehmer).

Wenn im Text nicht explizit auf eine Abweichung von dieser Regelung hingewie- sen wird, sind immer beide Geschlechter gemeint.

3. Um den Ausdruck bzw. das Anfertigen von Kopien aus der vorliegenden Arbeit zu vereinfachen, wurde bei der grafischen Darstellung der Ergebnisse und auch bei allen weiteren Abbildungen bewusst auf die Verwendung von farbigen Elementen verzichtet.

4. Die Zitierung der verwendeten Literatur erfolgte gemäß den Richtlinien der APA.

Auch das Komma vor dem „&“ wurde beibehalten. Lediglich bei der Zitation im Fließtext wurde, entsprechend der deutschen Rechtschreibung, das Komma vor dem

„und“ weggelassen. Weiterhin wurden die deutschen Begriffe und Abkürzungen ver- wendet (z. B. „Hrsg.“ statt „Eds.“).

(4)

Inhaltsverzeichnis

1 Zusammenfassung 1

2 Überblick und Einleitung 3

2.1 Überblick . . . 3

2.2 Einleitung . . . 3

3 Rubikonmodell und Bewusstseinslagen 7 3.1 Das Rubikonmodell der Handlungsphasen . . . 7

3.2 Handlungsphasen und Bewusstseinslagen . . . 8

4 Theorie der intentionalen Handlungssteuerung 10 4.1 Zielintentionen . . . 10

4.2 Vorsätze . . . 10

4.2.1 Die Wirkmechanismen von Vorsätzen . . . 11

4.2.1.1 Aktivierung der spezifizierten Situation. . . 11

4.2.1.2 Automatische Handlungsinitiierung. . . 11

4.2.1.3 Weitere Wirkmechanismen . . . 12

4.2.1.4 Moderatoren der Vorsatzwirkung . . . 12

4.2.2 Die Wirksamkeit von Vorsätzen . . . 13

4.2.2.1 Vorsätze im gesundheitspsychologischen Bereich . . . 13

4.2.2.2 Vorsätze im Schul- und Ausbildungskontext . . . 14

4.2.2.3 Vorsätze in gesellschaftlich relevanten Bereichen . . . 14

4.2.2.4 Vorsätze und individuelle Problembereiche . . . 14

4.2.2.5 Überprüfung und Erweiterung der Theorie der intentiona- len Handlungssteuerung . . . 15

5 Flexibilität, Rigidität, Automatizität 17 5.1 Flexibilität . . . 17

5.2 Rigidität . . . 18

5.3 Automatizität . . . 20

6 Fragestellung und Studien mit Bezug zur Fragestellung 23 6.1 Fragestellung . . . 23

6.2 Rigidität als Ursache für das Ausbleiben eines Vorsatzeffektes? . . . 26

7 Diskussion des aktuellen Forschungsstandes 29 7.1 Studien, welche gegen die Rigidität vorsatzgesteuerten Zielstrebens sprechen 31 7.2 Vorsatzgesteuertes Zielstreben und Rigidität . . . 34

7.2.1 Prospektives Gedächtnis, Vorsätze und Kosten in der Vordergrund- aufgabe . . . 34

7.2.2 Rigidität durch erhöhte Aktivierung des kritischen Stimulus . . . . 38

7.2.3 Distraktorwirkung des kritischen Stimulus . . . 39

7.2.4 Vorsatzgesteuertes Zielstreben und Rigidität: Eine erste Studie . . 41

8 Experiment 1 – Vorsätze und unerwartete Handlungsgelegenheiten 43 8.1 Überblick . . . 43

8.2 Methode . . . 44

8.2.1 Modifikation des Experimentalparadigmas . . . 44

I

(5)

8.2.4 Versuchsteilnehmer . . . 49

8.2.5 Durchführung und experimentelle Manipulation . . . 50

8.2.6 Stimulusmaterial und Versuchsapparatur . . . 52

8.3 Ergebnisse . . . 53

8.3.1 Manipulation Check . . . 53

8.3.2 Nutzung der unerwarteten, günstigen Gelegenheit . . . 54

8.3.3 Rücklaufquote . . . 55

8.3.4 Leistungssteigerung nach Nutzung der Pause . . . 55

8.4 Diskussion . . . 57

8.4.1 Nutzung der unerwarteten, günstigen Gelegenheit . . . 57

8.4.2 Rücklaufquote . . . 60

8.4.3 Leistungssteigerung nach Nutzung der Pause . . . 61

8.4.4 Zusammenfassung . . . 62

9 Experiment 2 – Vorsätze und Metawissen 64 9.1 Überblick . . . 64

9.2 Methode . . . 65

9.2.1 Design . . . 66

9.2.2 Hypothesen . . . 66

9.2.3 Versuchsteilnehmer . . . 67

9.2.4 Durchführung und experimentelle Manipulation . . . 67

9.2.5 Stimulusmaterial und Versuchsapparatur . . . 68

9.3 Ergebnisse . . . 70

9.3.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 70

9.3.2 Erinnerung an Vorsatz und Metawissen . . . 70

9.3.3 Vorsatzeffekt . . . 71

9.3.4 Effekt des Metawissens . . . 71

9.3.5 Variation der Handlungssituation . . . 72

9.4 Diskussion . . . 74

9.4.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 74

9.4.2 Vorsatzeffekt . . . 75

9.4.3 Effekt des Metawissens . . . 75

9.4.4 Variation der Handlungssituation . . . 78

9.4.5 Zusammenfassung . . . 79

10 Experiment 3 – Vorsätze und Feedback 81 10.1 Überblick . . . 81

10.2 Methode . . . 83

10.2.1 Design . . . 83

10.2.2 Hypothesen . . . 83

10.2.3 Versuchsteilnehmer . . . 84

10.2.4 Durchführung und experimentelle Manipulation . . . 85

10.2.5 Stimulusmaterial und Versuchsapparatur . . . 88

10.3 Ergebnisse . . . 89

10.3.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 89

10.3.2 Anzahl gelöster Labyrinthe . . . 91

10.3.3 Ablösung vom Vorsatz . . . 92

10.3.4 Reaktionszeiten in kritischen Situationen . . . 94

II

(6)

10.4 Diskussion . . . 95

10.4.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 96

10.4.2 Anzahl gelöster Labyrinthe . . . 96

10.4.3 Ablösung vom Vorsatz . . . 97

10.4.4 Reaktionszeiten in kritischen Situationen . . . 98

10.4.5 Zusammenfassung . . . 99

11 Experiment 4a – Vorsätze - Ablösung oder Festhalten? 101 11.1 Überblick . . . 101

11.2 Methode . . . 102

11.2.1 Design . . . 102

11.2.2 Hypothesen . . . 102

11.2.3 Versuchsteilnehmer . . . 103

11.2.4 Durchführung und experimentelle Manipulation . . . 103

11.2.5 Stimulusmaterial und Versuchsapparatur . . . 105

11.3 Ergebnisse . . . 107

11.3.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 107

11.3.2 Vorsatzeffekt . . . 109

11.3.3 Vorsatz - Ablösung oder Festhalten? . . . 112

11.4 Diskussion . . . 115

11.4.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 116

11.4.2 Vorsatzeffekt . . . 116

11.4.3 Vorsatz - Ablösung oder Festhalten? . . . 117

11.4.4 Zusammenfassung . . . 117

12 Experiment 4b – Vorsätze - Ablösung oder Festhalten oder? (II) 119 12.1 Überblick . . . 119

12.2 Methode . . . 119

12.2.1 Design und Hypothesen . . . 120

12.2.2 Änderung des Versuchsmaterials . . . 120

12.2.3 Versuchsteilnehmer . . . 120

12.3 Ergebnisse . . . 121

12.3.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 121

12.3.2 Vorsatzeffekt . . . 122

12.3.3 Vorsatz - Ablösung oder Festhalten? . . . 124

12.4 Diskussion . . . 127

12.4.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 128

12.4.2 Vorsatzeffekt . . . 128

12.4.3 Vorsatz - Ablösung oder Festhalten? . . . 128

12.4.4 Zusammenfassung . . . 129

13 Experiment 4c – Vorsätze - Ablösung, Festhalten oder Modifikation? 130 13.1 Überblick . . . 130

13.2 Methode . . . 131

13.2.1 Design und Hypothesen . . . 131

13.2.2 Änderung des Versuchsmaterials . . . 131

13.2.3 Versuchsteilnehmer . . . 132

13.3 Ergebnisse . . . 132

13.3.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 132

13.3.2 Vorsatzeffekt . . . 134

III

(7)

13.4.1 Manipulation-Check und Abschlussfragebogen . . . 138

13.4.2 Vorsatzeffekt . . . 139

13.4.3 Vorsatz - Ablösung, Festhalten oder Modifikation? . . . 139

13.4.4 Zusammenfassung . . . 144

14 Gesamtdiskussion und Ausblick 146 15 Literaturverzeichnis 153 16 Abbildungsverzeichnis 176 17 Tabellenverzeichnis 178 18 Anhang 179 18.1 Anhang A - Experiment 1 . . . 180

18.2 Anhang B - Experiment 2 . . . 191

18.3 Anhang C - Experiment 3 . . . 197

18.4 Anhang D - Experiment 4a . . . 210

18.5 Anhang E - Experiment 4b . . . 224

18.6 Anhang F - Experiment 4c . . . 225

IV

(8)

1

1 Zusammenfassung

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht eine von Peter M. Gollwitzer (1993, 1996, 1999) eingeführte Selbstregulationsstrategie: Planen mittels Vorsätzen. Während bei der Ziel- setzung ein erwünschter Endzustand spezifiziert wird (z. B. „Ich möchte in der nächsten Mathematikarbeit eine gute Note schreiben.“) wird im Vorsatz ein konkreter Handlungs- plan festgelegt (z. B. „Wenn ich im Unterricht etwas nicht verstehe, dann frage ich nach!“).

In Vorsätzen wird also eine konkrete handlungsinitiierende Situation oder Bedingung defi- niert (im obigen Beispiel: „etwas nicht verstehen“), und diese mit einer der Zielerreichung dienlichen Handlung verknüpft (“... dann frage ich nach.“). Vorsätze unterstützen hier- durch die Realisierung eines hierarchisch übergeordneten Ziels.

Die Wirksamkeit von Vorsätzen konnte inzwischen in zahlreichen Studien und in unter- schiedlichsten Anwendungsgebieten nachgewiesen werden (siehe zusammenfassend Goll- witzer & Sheeran, 2006). Die Wirksamkeit von Vorsätzen wird auf verschiedene Mecha- nismen zurückgeführt: (1.) Die im Vorsatz spezifizierte Situation erfährt eine chronische Aktivierung und (2.) Bei der Initiierung der im Vorsatz spezifizierten Verhaltensweise handelt es sich um einen strategischen Automatismus. D. h. die Initiierung der Handlung erfolgt zum einen sofort, effizient und ohne bewusste Absicht, untersteht zum anderen je- doch auch der Kontrolle des Handelnden und ist weiterhin abhängig von der Aktivierung des übergeordneten Ziels.

Durch das Fassen eines Vorsatzes wird ein konkretes zielgerichtetes Verhalten spezi- fiziert. Allerdings muss Zielstreben immer auch flexibel an wechselnde Anforderungen angepasst werden können (Persistenz-Flexibilitäts-Dilemma, Goschke, 2002). Die Frage, ob eine vorsatzgesteuerte Handlungskontrolle weiterhin Flexibilität erlaubt, oder aber zu Rigidität im Zielstreben führt, ist Gegenstand dieser Arbeit. Obwohl diese Fragestellung oftmals angesprochen wurde, liegen bisher keine Studien vor, in denen diese Fragestellung auch gezielt untersucht wurde (z. B. Parks-Stamm & Gollwitzer, 2009, S. 378: „Still, the rigidity-related costs of the automaticity afforded by the then-component of implementa- tion intentions demand further research.“).

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit werden die zentralen Theorien und Konstruk- te eingeführt (Rubikon-Modell der Handlungsphasen, Bewusstseinslagen, Theorie der in- tentionalen Handlungssteuerung, Flexibilität, Rigidität und Automatizität). Ausgehend hiervon und unter Einbeziehung und Diskussion der bisher vorliegenden Befunde wird die konkrete Fragestellung abgeleitet. Eine genauere Analyse der Fragestellung zeigt auf, dass es sich hierbei nicht um eine einzelne Fragestellung handelt, sondern um einen Fragen- komplex der zahlreiche Aspekte und Teilfragen umfasst.

Den Hauptteil der Arbeit bilden insgesamt sechs Experimente, in denen verschiedene Aspekte der Frage nach der Flexibilität und Rigidität vorsatzgesteuerten Handelns un- tersucht wurden. Im ersten Experiment konnte gezeigt werden, dass unter bestimmten Umständen das Fassen eines Vorsatzes dazu führen kann, dass unerwartet auftretende, jedoch günstige Handlungsgelegenheiten nicht zur Zielerreichung genutzt werden. Die Er- gebnisse dieses Experiments zeigen auf, dass es sich auch bei Vorsätzen nicht um eine narrensichere (“foolproof“, Gollwitzer, Fujita, & Oettingen, 2004) Methode der Selbstre- gulation handelt, sondern dass bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten sind.

Im zweiten Experiment wurde überprüft, ob durch die Vermittlung von Metawissen der Einsatz von Vorsätzen flexibler gestaltet und damit deren Effektivität optimiert werden kann. Hierzu wurde den Versuchsteilnehmern in den entsprechenden Versuchsbedingun- gen neben dem Vorsatz auch in wenigen Sätzen Wissen darüber vermittelt, wie Vorsätze über die Verknüpfung von Situation und Handlung zur Erreichung eines Zieles beitra- gen können. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zielerreichungsrate durch die Vermittlung

(9)

von Metawissen signifikant gesteigert werden konnte und die Versuchsteilnehmer darüber hinaus auch die Situation modifizierten, in der die Handlung initiiert wurde.

Die Frage, ob an einem mittels Vorsatz spezifizierten Handlungsplan festgehalten wird, obwohl sich dieser als nicht zielführend erweist, war Untersuchungsgegenstand des dritten Experiments. Hier konnte gezeigt werden, dass sich die Versuchsteilnehmer in der Vor- satzbedingung durch die Rückmeldung der (Nicht-)Wirksamkeit des Vorsatzes von diesem lösen konnten wodurch die negativen Auswirkungen eines nicht zielführenden Vorsatzes eliminiert werden konnten.

In einer Serie von drei Experimenten (4a - 4c) wurde untersucht, wie die Wirkung eines Vorsatzes beeinflusst wird, wenn sich eine alternative günstigere Handlungsgelegenheit in direkter Konkurrenz zur im Vorsatz spezifizierten Handlungssituation darbietet. Zu Beginn des Experiments wurde ein Vorsatz eingeführt, der im ersten Teil des Experi- ments von den Versuchsteilnehmern effektiv zur Zielerreichung eingesetzt werden konnte.

Im zweiten Teil des Experiments war der Vorsatz weiterhin aktiv und zumindest in be- stimmten Situationen zielführend. Daneben gab es jedoch auch Aufgabendurchgänge in welchen der im Vorsatz spezifizierte kritische Stimulus gleichzeitig mit einem neuen Sti- mulus präsentiert wurde, dessen Auswahl eine günstigere Möglichkeit zur Zielerreichung repräsentierte. Die Ergebnisse der Experimente 4b und 4c lassen darauf schließen, dass der im ersten Teil aktivierte Vorsatz auch im zweiten Teil des Experiments aktiv war, dass hierdurch die Nutzung einer alternativen Handlungsgelegenheit jedoch nicht beein- trächtigt wurde, selbst dann nicht, wenn diese in direkter Konkurrenz zur im Vorsatz spezifizierten kritischen Situation stand.

Zusammengefasst konnten die durchgeführten Studien wichtige Erkenntnisse zur Frage nach der Flexibilität und Rigidität vorsatzgesteuerten Handelns beitragen: (1.) Das Fas- sen von Vorsätzen kann zu Rigidität im Zielstreben führen, wenn bei der Formulierung von Vorsätzen bestimmte Rahmenbedingungen nicht eingehalten werden (vgl. Wieber, Odenthal, & Gollwitzer, 2010). (2.) Durch die Vermittlung von Metawissen bezüglich der Wirkmechanismen von Vorsätzen ist es möglich, Vorsätze flexibel anzupassen und einzusetzen. (3.) Damit die Zielerreichung nicht durch unwirksame Vorsätze beeinträch- tigt wird, benötigen die Handelnden Feedback bezüglich der Wirksamkeit von Vorsätzen, bzw. müssen dazu angeleitet werden, sich dieses Feedback einzuholen. (4.) Die Darbietung alternativer Handlungssituationen führt nicht notwendigerweise zur Deaktivierung eines Vorsatzes, sondern unter bestimmten Umständen zur Modifikation des Vorsatzes. Dies hat zur Folge, dass die Nutzung alternativer Handlungssituationen nicht durch gleichzei- tig aktivierte Vorsätze beeinträchtigt wird.

Darüber hinaus konnte ein Effekt des Fassens von Vorsätzen in allen Experimenten nachgewiesen werden, und dies unter Verwendung unterschiedlichster Experimentalpara- digmen.

(10)

3

2 Überblick und Einleitung

2.1 Überblick

In der folgenden Einleitung wird die Problemstellung der vorliegenden Arbeit in einem umfassenderen Kontext dargestellt. Es folgen Kapitel über die zentralen Theorien und Konstrukte, auf denen die Arbeit aufbaut: Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen (Kapitel 3.1), Bewusstseinslagen (Kapitel 3.2), die Theorie der intentionalen Handlungs- steuerung (Kapitel 4), Zielintentionen und Vorsätze (Kapitel 4.1 und 4.2), Flexibilität, Rigidität und Automatizität (Kapitel 5).1Hierauf aufbauend wird die konkrete Fragestel- lung abgeleitet (Kapitel 6). Es folgt eine Diskussion relevanter Studien (Kapitel 6.2 und 7). Den Hauptteil der Arbeit bilden insgesamt sechs Experimente (Kapitel 8 - 13). Hierbei sollte jedes Experiment für sich alleine lesbar sein. Nach einer abschließenden Diskussion der Ergebnisse (Kapitel 14) finden sich im Anhang weitere Ergebnisse und die Darstellung der verwendeten Materialien (Kapitel 18).

2.2 Einleitung

Durch die folgenden beiden Zitate soll ein zentrales Problem der Volitionsforschung illus- triert werden:

Jedem redlichen Bemühn Sei Beharrlichkeit verliehn.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), Zahme Xenien VIII, 323-324, Nachlass

Mutat consilium mutato tempore prudens.

(Wer klug ist, ändert mit den Umständen seinen Plan.)

Conrad Celtis (dt. Humanist, 1459-1508), Epigrammata 4,72,1

Ein zentrales Problem der Volitionsforschung besteht darin, dass erfolgreiches Zielstreben ein gewisses Maß an Beharrlichkeit erfordert - es muss z. B. gegen alternative Handlungs- tendenzen abgeschirmt werden. Gleichzeitig muss Zielstreben aber auch an wechselnde Aufgabenanforderungen angepasst werden können. Dieses Problem wurde von Thomas Goschke als Persistenz-Flexibilitäts-Dilemma bezeichnet (Goschke, 2002).

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts hatte sich die deutsche Willenspsychologie noch intensiv mit volitionalen Aspekten des Handelns beschäftigt. Als prominentester Vertre- ter dieser Richtung kann wohl Narziß Kaspar Ach genannt werden (1871-1946). In der Folge der so genannten Ach-Lewin-Kontroverse wurden Motivationsprozesse im Vergleich zu Willensprozessen als bedeutsamer für die Handlungssteuerung erachtet (Lewin, 1922, 1926). Für eine ausführlicheren Überblick der Ach-Lewin-Kontroverse siehe Schneider und Schmalt (2000).

Somit geriet die Erforschung von Willensprozessen bis in die achtziger Jahre hinein bei- nahe in Vergessenheit bzw. wurde gar als unwissenschaftlich betrachtet. Nach Lewin waren Willensprozesse im Vergleich zu Motivationsprozessen nur von zweitrangiger Bedeutung.

Die Motivationspsychologie beschäftigte sich v. a. im Rahmen von Erwartungs-mal-Wert- Theorien mit Fragen, welche Ziele entsprechend ihrer Wünschbarkeit und Realisierbarkeit ausgewählt werden. Diese Modelle konnten jedoch z. B. nicht erklären, wie eine aktuelle Handlung gegen konkurrierende Motivationstendenzen abgeschirmt wird. Das „dynami- sche Handlungsmodell“ von Atkinson und Birch (1970) würde z. B. vorhersagen, dass

1 Der Leser, der schnell zu den „interessanten“ Stellen der Arbeit gelangen möchte, kann diese einleiten- den Kapitel getrost überspringen.

(11)

sehr häufig zwischen verschiedenen Handlungen des Zielstrebens gewechselt wird - ent- sprechend der jeweils in einer Situation vorherrschenden stärksten Motivationstendenz.

Dieses Verhaltensflimmern wurde jedoch nicht beobachtet. Ganz im Gegenteil scheint es volitionale Prozesse zu geben, die es ermöglichen, dass eine begonnene Handlung bis zur Erreichung des Ziels abgeschirmt wird. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehn- te haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, zwischen Prozessen der Zielsetzung (Motivation) und der an der Zielerreichung beteiligten Willens-Prozessen (Volition) zu unterscheiden.

So beruhen viele Interventionsprogramme im gesundheitspsychologischen Bereich gerade auf der Unterstützung volitionaler Prozesse. (Sich das Ziel zu setzten, mit dem Rauchen aufzuhören ist eine Sache - dieses Ziel auch zu erreichen hingegen eine ganz andere!) Die Handlungskontrolltheorie von Kuhl (1983) und das Rubikonmodell von Heckhausen und Gollwitzer (Gollwitzer, 1990; Heckhausen, 1987b, 1987a; Heckhausen & Gollwitzer, 1987) sind wohl die beiden bekanntesten und einflussreichsten Volitionstheorien. Kuhl (1983) spezifiziert in seiner Handlungskontrolltheorie eine Reihe von metakognitiven Kontroll- strategien (z. B. Aufmerksamkeitskontrolle oder Umweltkontrolle). Diese Kontrollstrate- gien wurden inzwischen in umfassendere Theorien integriert auf deren Darstellung hier aus Platzgründen verzichtet wird (PSI-Theorie und STAR-Modell, Kuhl, 2001).

Im Rahmen der Theorie der intentionalen Handlungssteuerung unterscheidet Gollwit- zer zwei Arten von Intentionen: Zielintentionen und Vorsätze (Gollwitzer, 1993, 1996, 1999). Während Ziele einen erwünschten Endzustand spezifizieren, sind Vorsätze einfache Handlungspläne, welche die Zielerreichung unterstützen.

Wird ein Ziel z. B. wie folgt formuliert: „Ich will die Unterlagen an meine Geschäfts- partner heute noch abschicken.“, dann könnte ein passender Vorsatz lauten: „Wenn ich abends auf dem Heimweg am Briefkasten vorbeifahre, dann stoppe ich kurz und werfe die Unterlagen ein.“ D. h. der Vorsatz besitzt eine Wenn-Dann Struktur, wobei im Wenn- Teil eine möglichst konkrete Situation oder Bedingung spezifiziert wird und im Dann-Teil eine zielförderliche Handlung. Der Theorie entsprechend wird davon ausgegangen, dass die spezifizierte Situation eine erhöhte Aktivierung und kognitive Zugänglichkeit besitzt wodurch sie Aufmerksamkeit auf sich zieht, leicht zu entdecken und gut zu erinnern ist (siehe auch 4.2.1.1). Weiterhin wird davon ausgegangen, dass bei Eintreten der im Vorsatz spezifizierten kritischen Situation die zielförderliche Handlung automatisch initiiert wird, d. h. unmittelbar, effizient und ohne bewusste Willensanstrengung (siehe auch 4.2.1.2).

Vorsätze wurden auch als strategische Automatismen bezeichnet - also Automatismen, die ihren Ursprung nicht in zigfacher Wiederholung von Reiz und Reaktion haben, son- dern das Resultat eines einmaligen Willensaktes sind. Gerade dieser Automatizität wird auch die Wirksamkeit von Vorsätzen zugeschrieben. Einen Überblick der Effektivität von Vorsätzen bietet die Metaanalyse von Gollwitzer und Sheeran (2006). Seither konnte die Wirksamkeit in zahlreichen weiteren Studien mehr als eindrucksvoll belegt werden (siehe auch 4.2.2). Allerdings wurde von Kritikern zurecht eingewendet, dass unter bestimmten Umständen die Unterstützung des Zielstrebens mittels Vorsätzen auch unerwünschte Fol- gen haben könnte. Was passiert z. B., wenn im Vorsatz eine kritische Situation spezifiziert wird, die selten oder niemals eintritt? (Auf dem Heimweg muss ich eine Umleitung fahren, und komme nicht am Briefkasten vorbei.) Wie wird das Zielstreben beeinflusst, wenn ei- ne Handlung spezifiziert wird, die in einer bestimmten Situation nicht umgesetzt werden kann? (Ich kann am Briefkasten nicht stoppen, weil es die Verkehrssituation nicht zu- lässt.) Werden günstigere Möglichkeiten der Zielerreichung genutzt? (Ich kann die Unter- lagen einem Kollegen mitgeben, der den Geschäftspartner trifft.) Letztendlich zielen diese Einwände darauf ab, dass durch das Fassen eines Vorsatzes die Austauschbeziehung von Persistenz und Flexibilität verlagert wird, und zwar zu Gunsten der Persistenz und damit notwendigerweise zu Lasten der Flexibilität (vgl. oben Persistenz-Flexibilitäts-Dilemma).

(12)

Überblick und Einleitung 5 Auch Gollwitzer selbst greift die Problematik des Persistenz-Flexibilitäts-Dilemma auf.

So heißt es bei Gollwitzer (1999, S. 494):

„Goals can be attained in many different ways. This flexibility is a blessing when people have to cope with failures on their way to goal attainment, becau- se they can usually switch to alternative routes (. . . ). However, the flexibility of goal pursuit is a curse when it comes to swiftly acting on one’s goals, because people have to decide how (i. e., when, where, and in what way) to implement their goals.“

Und weiterführend in derselben Arbeit (Gollwitzer, 1999, S. 501):

„The self-regulatory strategy of forming implementation intentions has many benefits, but where are the costs? For one, successful goal pursuit requires not only tenacity but also flexibility (. . . ). Having decided to pursue the imple- mentation of a goal by performing a specified behavior in a certain situation may reduce a person’s openness to suitable alternatives. However, this reduc- tion in flexibility is not critical. First, people can always stop the effects of implementation intentions by deliberately giving up their commitment to the respective goal intention or the implementation intention itself. Second, when people have formed implementation intentions and have thus delegated control of their goal-directed actions to the environment, cognitive capacities become available that can be used for recognizing alternatives. Rigidity as a result of implementation intentions is to be expected, however, when the specified si- tuation is actually encountered, but this type of rigidity is functional, because it protects an ongoing goal pursuit from intrusions.“

Gollwitzer geht also davon aus, dass bei Eintreten der im Vorsatz spezifizierten Situation Rigidität im Verhalten auftritt (d. h. automatische Initiierung der Handlung), dass diese Rigidität aber positiv zu bewerten ist (im Sinne einer Persistenz im Zielstreben) und dass darüber hinaus der Handelnde jederzeit die Möglichkeit hat, die Verpflichtung gegenüber Ziel und Vorsatz zu reduzieren, bzw. dass durch das effektive, vorsatzgesteuerte Zielstreben kognitive Ressourcen frei werden, die es erlauben, alternative Handlungsmöglichkeiten zu entdecken und zu nutzen.

Bayer, Achtziger, Gollwitzer und Moskowitz (2009) zeigten, dass selbst subliminal prä- sentierte kritische Stimuli die Vorsatzhandlung auslösen können und stellen berechtigter- weise auch hier die Frage nach der Flexibilität (S. 200):

„Considering the fact that implementation intentions initiate goal-directed be- havior even if the critical cue is presented subliminally, one may wonder whe- ther implementation intentions might undermine performance when flexible goal pursuit is required.“

Auch Gollwitzer und Brandstätter (1997, S. 197) diskutieren, ob das Fassen von spezifi- schen Plänen nicht zu unflexiblem Verhalten führt:

„We concentrated on very specific and concrete implementation intentions be- cause we assumed that highly specific implementation intentions are particu- larly effective. This contradicts a popular position in the clinical literature on self-control that states that specific plans are less effective than more flexi- ble plans because the former are more time consuming, lead to rigidity, and provide ample opportunity for failure experiences (e.g., Kirschenbaum, 1985;

Kirschenbaum, Humphrey, & Malett, 1981).“

(13)

Oder auch bei Gollwitzer u. a. (2004, S. 219):

„With respect to rigidity, it is still an open question whether imple- mentation-intention participants refrain from using alternative good opportunities to act toward the goal2 by insisting on acting only when the critical situation specified in the if part of the implementation intention is encountered.“

Und bei Parks-Stamm und Gollwitzer (2009, S. 378):

„Still, the rigidity-related costs of the automaticity afforded by the then-com- ponent of implementation intentions demand further research.“

Vergleichbare Aussagen finden sich noch an weiteren Stellen (z. B. Gollwitzer & Brand- stätter, 1997, S. 197; Oettingen, Hönig, & Gollwitzer, 2000, S. 727; Sheeran, Webb, &

Gollwitzer, 2005, S. 90; Achtziger & Gollwitzer, 2007, S. 291 ff)

Bei Diefendorff und Lord (2003, S. 372) wird das Fassen von Vorsätzen mit dem Auftreten von Rigidität gleichgesetzt:

„They were also instructed to avoid committing to a particular strategy as this would cause them to be rigid when working on the task. These additional instructions were intended to prevent participants from forming an implemen- tation intention.“

Oder auch zusammenfassend bei Koole und van’t Spijker (2000, S. 884):

„A more precise specification of the parameters that limit the effectiveness of implementation planning provides an important agenda for future research.“

Genau hier ist der Ausgangspunkt für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit! Bevor die Details der Fragestellung weiter ausgeführt werden, werden in den folgenden Kapiteln zu- erst die zentralen Theorien und Konstrukte, auf denen die Arbeit aufbaut dargestellt: Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen (Kapitel 3.1), Bewusstseinslagen (Kapitel 3.2), die Theorie der intentionalen Handlungssteuerung (Kapitel 4), Zielintentionen und Vorsätze (Kapitel 4.1 und 4.2), Flexibilität, Rigidität und Automatizität (Kapitel 5).

2 Hervorhebung durch den Autor

(14)

7

3 Rubikonmodell und Bewusstseinslagen

3.1 Das Rubikonmodell der Handlungsphasen

Im Rubikonmodell (Gollwitzer, 1990; Heckhausen, 1987b, 1987a; Heckhausen & Gollwit- zer, 1987) wird der idealtypische Ablauf einer Handlung in vier Phasen beschrieben (vgl.

Abbildung 1, S. 7). Der Name des Modells nimmt Bezug auf den damaligen Grenzfluss zwischen Italien und Gallia Cisalpina den Julius Cäsar im Jahre 49 v. Chr. mit seinen Truppen überschritt. Redensartlich bedeutet „den Rubikon überschreiten“ einen entschei- denden Schritt zu tun, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Im Falle Cäsar wurde ein Krieg begonnen, der jetzt geführt und gewonnen werden musste.

Abwägen

(Wählen)

Abwägen

(Wählen) Planen Handeln Bewerten

Fazit−Tendenz Motivation

prädezisional

Volition

präaktional

Volition

aktional

Motivation

postaktional Intentionsbildung

"Überschreiten des Rubikon"

Intentions−

initiierung Intentions−

desaktivierung

Intentions−

realisierung

Fiat−Tendenz

Abb. 1: Das Rubikonmodell der Handlungsphasen (modifiziert nach Heckhausen, 1989, S. 212) In der ersten Phase des Abwägens (prädezisionale Motivationsphase) werden die ver- schiedensten Wünsche hinsichtlich ihrer Wünschbarkeit und Machbarkeit gegeneinander abgewogen. An dieser Stelle des Rubikonmodells können die klassischen Erwartungs-mal- Wert-Theorien eingeordnet werden. Am Ende dieser ersten Phase wird einer der Wünsche zu einer verbindlichen Absicht bzw. Zielintention – der Rubikon ist überschritten und es stellt sich das Gefühl einer Verpflichtung (Commitment) und des Entschlossenseins ein.

Die Fazit-Tendenz besagt, dass die Phase des Abwägens nicht beliebig lange andauert, sondern dass die Tendenz, diese Phase abzuschließen, über die Zeit hinweg zunimmt. Hin- sichtlich der Vor- und Nachteile einer möglichen Entscheidung wurde ein ausreichendes Maß an Abklärung erreicht. Sofern die Absicht nicht unmittelbar realisiert werden kann, schließt sich eine zweite Phase des Planens an (präaktionale Volitionsphase). Hier steht die Planung von Handlungsschritten im Vordergrund, welche zur Erreichung des Zieles geeignet scheinen. Die Kuhl’schen Handlungskontrollstrategien und die weiter unten im Detail besprochenen Vorsätze spielen hier eine entscheidende Rolle. Welche Handlung in einer gegebenen Situation initiiert wird, hängt von der Stärke der Zielverpflichtung und der Günstigkeit der Situation ab. (Diese Faktoren bestimmen die Fiat-Tendenz.) Die dritte Phase des Handelns (aktionale Volitionsphase) umfasst die eigentliche Handlungs- ausführung. Handlungsleitend sind das zuvor gesetzte Ziel und die entwickelten Pläne.

Ziele und Pläne müssen hierbei nicht notwendigerweise ständig im Bewusstsein reprä- sentiert sein. Bei komplexeren Handlungssequenzen ist oftmals eine Anpassung an sich

(15)

ändernde oder unvorhergesehene Umweltbedingungen notwendig (z. B. Anstrengungsstei- gerung beim Auftreten von Schwierigkeiten). Die abschließende vierte Phase des Bewertens (postaktionale Motivationsphase) dient dem Vergleich der erzielten Resultate mit dem ur- sprünglichen Ziel: Wurde das Ziel erreicht? Was waren die Ursachen für ein Scheitern? Soll das Ziel aufgegeben werden? Soll ein neuer Versuch gewagt werden? Die Erreichung des Ziels führt zu dessen Deaktivierung. Ein Scheitern kann z. B. dazu führen, dass alternative Möglichkeiten der Zielerreichung geplant werden.

Die Phasen des Planens und Handelns werden als volitionale Phasen bezeichnet, da hier Prozesse im Mittelpunkt stehen, die auf die Erreichung eines zuvor gesetzten Ziels ausge- richtet sind. In den motivationalen Phasen des Abwägens und Bewertens hingegen, steht die Wünschbarkeit und Realisierbarkeit von Zielen im Vordergrund. Folgendes illustrative Beispiel zeigt, dass die Unterscheidung zweier Volitionsphasen sinnvoll ist: „Selbstüber- windungsaspekte wie ein Sprung von der Bungee-Plattform gehören in die präaktionale Phase. (. . . ) Wegen der aversiven Komponente muss man einen hohen Willensaufwand betreiben, um die kritische Handlung zu starten. Die Handlung selbst (Vorbeugen bis zum Sturz) ist dann einfach, gekonnt und unbeeinträchtigt.“ (Rheinberg, 2002, S. 190)

Das Rubikonmodell geht aber weit über die Unterscheidung zwischen Motivation und Volition hinaus. So wurde den Selbstregulationsprozessen ein Platz im Handlungsablauf zugewiesen und die einzelnen Handlungsphasen wurden mit den im nächsten Abschnitt besprochenen Bewusstseinslagen in Verbindung gesetzt. Wie bereits erwähnt, ist im Rubi- konmodell der Idealfall eines Handlungsverlaufs dargestellt. Gollwitzer (1990) weist bspw.

darauf hin, dass einer Handlungsinitiierung nicht unbedingt eine Phase des Abwägens und Planens vorausgegangen sein muss (z. B. bei der Wiederaufnahme einer unterbrochenen Handlung für die bereits ein entsprechendes Ziel besteht). Weiterhin ist es auch möglich, dass sich Handlungsphasen überlappen (z. B. wenn während der aktionalen Phase des Handelns bereits mögliche Folgen dieses Handelns bewertet werden).

3.2 Handlungsphasen und Bewusstseinslagen

Zentral für das Rubikonmodell ist, dass jede der vier Handlungsphasen durch eine Aufga- benstellung gekennzeichnet ist, deren Bewältigung für den erfolgreichen Abschluss der je- weiligen Handlungsphase erforderlich ist: (1.) Abwägen (Setzen eines verbindlichen Ziels), (2.) Planen (Vorbereitung der Zielrealisierung), (3.) Handeln (Realisierung des Ziels) und (4.) Bewerten (Bewertung des Handlungsergebnisses und der Folgen; Vergleich mit den ursprünglichen Erwartungen). In jeder Handlungsphase liegt eine entsprechende Bewusst- seinslage vor, welche die erfolgreiche Bewältigung der Handlungsphase begünstigt. Unter einer Bewusstseinslage wird eine kognitive Orientierung verstanden, durch welche die In- formationsaufnahme und Informationsverarbeitung beeinflusst wird. (Für einen umfas- senden Überblick siehe Achtziger & Gollwitzer, 2010.)

Die Bewusstseinslage des Abwägens ist durch eine realitätsorientierte kognitive Ori- entierung gekennzeichnet: Möglichst viele entscheidungsrelevante Informationen werden berücksichtigt, d. h. Informationen, die für die Wünschbarkeit und Realisierbarkeit eines potenziellen Ziels wichtig sein könnten. Sowohl Informationen, die für ein potenzielles Ziel sprechen als auch Informationen, die dagegen sprechen werden unparteiisch gegeneinander abgewogen. Die Einschätzung der Wünschbarkeit und Realisierbarkeit eines potenziellen Ziels sollte möglichst korrekt ausfallen. Die Bewusstseinslage des Planens hingegen ist durch eine realisierungsorientierte kognitive Orientierung gekennzeichnet: Informationen, die den getroffen Entschluss in Zweifel ziehen werden ignoriert. Es werden bevorzugt Informationen verarbeitet, welche für die Zielrealisierung wichtig sind (z. B. günstige Ge- legenheiten). Die Wünschbarkeit und Realisierbarkeit des gewählten Ziels werden opti-

(16)

Rubikonmodell und Bewusstseinslagen 9 mistisch überschätzt (volitionale Voreingenommenheit). In der Bewusstseinslage des Han- delns werden bevorzugt Informationen verarbeitet, die den Handlungsablauf unterstützen (dynamic orientation). In der Bewusstseinslage der Bewertens werden bevorzugt Informa- tionen verarbeitet, welche für die Einschätzung des erzielten Ergebnisses relevant sind.

Alle Informationen werden hierfür unparteiisch herangezogen.

Insgesamt wurden die Bewusstseinslagen des Abwägens und Planens am intensivsten beforscht. Hierzu wurden verschiedene Paradigmen zur Induktion dieser beiden Bewusst- seinslagen entwickelt. Zu den Bewusstseinslagen des Handelns und Bewertens liegen hin- gegen nur wenige empirische Daten vor.

Die Auswirkung dieser beiden Bewusstseinslagen im Hinblick auf die Informationsver- arbeitung, das Selbstkonzept, den Optimismus und die Motivation wird zusammenfassend bei Achtziger und Gollwitzer (2010) beschrieben.

(17)

4 Theorie der intentionalen Handlungssteuerung

4.1 Zielintentionen

Die Setzung von Zielintentionen, definiert als bewusste Willensakte der Form „Ich will Handlungsergebnis X erreichen“ oder „Ich will Handlung X ausführen“, wurde im Rah- men der Zielpsychologie intensiv beforscht. Eine Zielintention ist das Ergebnis eines Pro- zesses, bei dem verschiedene Wünsche hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Wünschbarkeit gegeneinander abgewogen wurden (prädezisionale Phase des Abwägens im Rubikonmo- dell, siehe Kapitel 3.1). Der Zielintention gegenüber entsteht ein Gefühl der Verpflichtung (commitment), den Zielzustand auch tatsächlich erreichen zu wollen. Zieltheorien gehen davon aus, dass Zielintentionen einen Soll-Zustand definieren (z. B. „Ich möchte 5 Ki- logramm abnehmen.“) Die Diskrepanz zwischen Soll-Zustand und aktuellem Ist-Zustand ist das Antriebsmoment des Zielstrebens (Miller, Galanter, & Pribram, 1960; Carver &

Scheier, 1981; Bandura, 1991). Zur Förderung der Zielerreichungsrate kann zunächst die Stärke der Absicht erhöht werden, indem man z. B. die Wünschbarkeit oder Realisierbar- keit stärkt (Fishbein & Ajzen, 1975; Ajzen, Fishbein, Higgins, & Kruglanski, 2000; Higgins

& Kruglanski, 2000).

Weiterhin ist entscheidend, wie der Zielinhalt formuliert wird: als Annäherungs- vs.

Vermeidungsziel (Higgins, 1997), Lern- vs. Leistungsziel (Dweck, 1999), proximales vs.

distales Ziel (Bandura, 1997b), intrinsisches vs. extrinsisches Ziel (Deci & Ryan, 1985) oder spezifisches vs. allgemeines Ziel (Locke & Latham, 1990). Ein Zusammenfassung verschiedener Theorien der Zielsetzung findet sich bei Oettingen und Gollwitzer (2000).

Trotz allem kann selbst das Vorliegen einer starken Zielintention oftmals die Zieler- reichung nicht sicherstellen. Dieses Phänomen wird als Intentions-Verhaltens-Lücke be- zeichnet (intention-behavior gap) und wurde intensiv untersucht. Inzwischen liegen hierzu eine Vielzahl von Einzel- sowie Übersichtsarbeiten vor (z. B. Sheeran, 2002). Nach Un- tersuchungen von Orbell und Sheeran (1998) sind für diese Intentions-Verhaltens-Lücke vor allem die Versuchsteilnehmer schuld, die trotz starker Intention letzten Endes nicht handeln (inclined abstainers; siehe auch McBroom & Reed, 1992). Das Ausbleiben einer Handlungsinitiierung kann seine Ursache z. B. darin haben, dass günstige Handlungsgele- genheiten nicht genutzt werden, weil sie nicht als solche wahrgenommen werden oder sich nur für einen kurzen Moment darbieten. Auch ein Konflikt zwischen verschiedenen Zielen und entsprechenden Handlungen kann dazu führen, dass eine Handlungsinitiierung aus- bleibt und somit das Ziel nicht erreicht wird. Wie die Zielerreichungsrate durch Vorsätze gesteigert werden kann, ist im Folgenden dargestellt.

4.2 Vorsätze

Im Rahmen der Theorie der intentionalen Handlungssteuerung unterscheidet Gollwitzer zwei Arten von Intentionen: Zielintentionen und Vorsätze (Gollwitzer, 1993, 1996, 1999).

Aufbauend auf der Rubikontheorie wird davon ausgegangen, dass die Verwirklichung von Absichten (Zielerreichung) durch das Fassen von Vorsätzen3 in der Handlungsphase des Planens verbessert werden kann.

Im Gegensatz zu Zielintention, die einen angestrebten Endzustand spezifizieren (z. B.

„Ich möchte fünf Kilogramm abnehmen.“) wird in Vorsätzen spezifiziert, welche Handlung bei Eintreffen einer bestimmten Situation oder Bedingung ausgeführt werden soll (z. B.

3 Neben dem Begriff des „Vorsatzes“ werden auch andere Begriffe synonym verwendet (z. B. „Durchfüh- rungsintentionen“, vgl. Vorbemerkungen

(18)

Theorie der intentionalen Handlungssteuerung 11

„Wenn ich im Restaurant bestelle, dann wähle ich einen Salatteller.“). Vorsätze sind be- sondere Pläne, die Zielen hierarchisch untergeordnet sind und zur Zielerreichung beitragen sollen.

Vorsätze zeichnen sich hierbei im Vergleich zu anderen Plänen dadurch aus, dass eine Situation oder Bedingung spezifiziert wird, deren Eintreten die Initiierung einer ebenfalls spezifizierten zielförderlichen Handlung auslöst: „Wenn Situation Y eintritt, dann führe ich Handlung Z aus!“ Im Wenn-Teil des Vorsatzes wird die bestimmte Situation oder Bedingung festgelegt (“Wenn ich im Restaurant bestelle...“) und im folgenden Dann-Teil die zielförderliche Handlung (“... ,dann wähle ich einen Salatteller“). Es konnte gezeigt werden, dass die Wenn-Dann-Struktur dazu führt, dass Vorsätze anderen Plänen überlegen sind (z. B. Gollwitzer, Wieber, Myers, & McCrea, 2010; Chapman, Armitage, & Norman, 2009; Oettingen u. a., 2000).

Dass die Wirksamkeit von Vorsätzen nicht auf eine Erhöhung der Verpflichtung gegen- über dem übergeordneten Ziel zurückzuführen ist, konnte inzwischen regelmäßig nachge- wiesen werden (so z. B. in Studie 1 bei Brandstätter, Lengfelder, & Gollwitzer, 2001; vgl.

auch Webb & Sheeran, 2008).

Inzwischen gehört es zum Standard, im Abschlussfragebogen auch die Zielverpflichtung zu erheben.4

Während Gewohnheitshandlungen (habits) viele Wiederholungen benötigen um eine stabile Verhaltensdispositionen zu etablieren (vgl. Heathcote, Brown, & Mewhort, 2000;

Newell & Rosenbloom, 1981; Fitts & Posner, 1967), genügt bei Vorsätzen ein einmaliger bewusster Willensakt.

Vorsätze haben sich inzwischen in zahlreichen Studien als überaus wirksam erwiesen.

Einen Überblick gibt das folgende Kapitel (vgl. auch die Metaanalyse von Gollwitzer &

Sheeran, 2006).

4.2.1 Die Wirkmechanismen von Vorsätzen

4.2.1.1 Aktivierung der spezifizierten Situation. Soll die Zielerreichung mittels Vorsätzen gefördert werden, muss eine kritische Situation oder Bedingung definiert wer- den. Es konnte gezeigt werden, dass während des Zielstrebens die mentale Repräsentation der spezifizierten Situation hoch aktiviert ist bzw. deren kognitive Zugänglichkeit erhöht ist. Dies führt dazu, dass die kritische Situation auch unter ungünstigen Bedingungen entdeckt wird (Steller, 1992; Gollwitzer, 1999; Parks-Stamm, Gollwitzer, & Oettingen, 2007) und in der Lage ist, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (Aarts, Dijksterhuis, &

Midden, 1999; Webb & Sheeran, 2007, 2008). Weiterhin werden die Details der spezifi- zierten Situation besser encodiert und können später leichter erinnert werden (Bayer u. a., 2009).

4.2.1.2 Automatische Handlungsinitiierung. Das Erkennen der kritischen Situati- on führt zu einer automatischen Initiierung der im Vorsatz spezifizierten zielförderlichen Handlung. Im Gegensatz zu anderen automatisierten Handlungen (z. B. Gewohnheits- handlungen) hat die automatische Handlungsinitiierung bei Vorsätzen ihren Ausgangs- punkt im mit dem Fassen eines Vorsatzes verbundenen einmaligen bewussten Willensakt.

Gollwitzer u. a. (2004, S. 213) sprechen daher auch von strategischer Automatiziät („stra- tegic delegation of control to situationacl cues“). Es konnte nachgewiesen werden, dass die

4 Nachshon Meiran machte als Reviewer hierzu folgende Anmerkung: „This statement is too strong. I would add a cautionary note such as: at least within the limits of our measurement.“ (pers. Kommuni- kation)

(19)

vorsatzgesteuerte Handlungsinitiierung verschiedenen Anforderungen genügt, die man mit Automatizität in Verbindung bringen kann: (1.) Die Handlungsinitiierung erfolgt unmit- telbar nach Entdeckung der kritischen Situation (z. B. Gollwitzer & Brandstätter, 1997, Studie 3), (2.) Die Handlungsinitiierung ist effizient, d. h. beansprucht keine zusätzlichen kognitiven Ressourcen (z. B. Brandstätter u. a., 2001, Studien 3 und 4), (3.) Die Hand- lungsinitiierung bedarf keines bewussten Willensaktes (z. B. Bayer u. a., 2009, Studien 1 und 2).

Im Zusammenhang mit der Frage nach der möglichen Rigidität, die mit dem Fassen von Vorsätzen verbunden ist, spielt es eine entscheidende Rolle, wie Automatizität in diesem Zusammenhang definiert wird. (Siehe hierzu Kapitel 18.)

4.2.1.3 Weitere Wirkmechanismen Die oben beschriebenen Prozesse führen dazu, dass handlungsrelevante Bedingungen erkannt und zielförderliche Handlungen direkt in- itiiert werden. Daneben weist eine Reihe von Befunden darauf hin, dass Vorsätze auch auf indirektem Wege zur Verbesserung der Zielerreichung beitragen können.

So konnten Koole und van’t Spijker (2000) zeigen, dass durch Vorsätze unrealistisch optimistische Erfolgserwartungen gedämpft werden. Kruger und Evans (2004) erklären dies dadurch, dass das Entwerfen eines konkreten Plans die Zerlegung eines Zieles in Sub- ziele erfordert und hierbei ein anfänglich zu großer Optimismus bezüglich einer schnellen Zielerreichung verloren geht.

Bayer und Gollwitzer (2007) konnten mittels Vorsätzen die Selbstwirksamkeitserwar- tungen der Versuchsteilnehmer steigern und hierüber deren Leistung beim Lösen von Mathematikaufgaben steigern („And if I start a new test item, then I’ll tell myself: I can solve it!“).

In den Studien von Trötschel und Gollwitzer (2007) wurden Versuchsteilnehmer in schwierige Verhandlungssituationen versetzt. Erst durch Vorsätze waren die Versuchsteil- nehmer in der Lage, fair zu agieren, und hatten hierdurch die Möglichkeit, elaboriertere Strategien einzusetzen, was letztendlich zu einem besseren Gesamtergebnis führte.

Bei Henderson, Gollwitzer und Oettingen (2007) konnten Vorsätze dazu beitragen, dass für eine Erreichung des Ziels ungünstige Strategien nicht weiter verwendet wurden („If I receive disappointing feedback, then I’ll switch my strategy!“).

In der Arbeit von Seifert (2001) setzen sich die Versuchsteilnehmer das Ziel, Stellen- bewerber vorurteilsfrei zu beurteilen. Durch die Umstände der Versuchsanordnung wird ihnen die Erreichung dieses Ziels jedoch verwehrt, wodurch kognitive Dissonanz entsteht (Festinger, 1957). In der Folge zeigte sich, dass die Versuchsteilnehmer in der Vorsatz- bedingung zu einem späteren Zeitpunkt besonders vorurteilsfrei agierten. Seifert argu- mentiert, dass über einen Prozess der Dissonanz-Reduktion die Wirkung von Vorsätzen gestärkt werden kann.

4.2.1.4 Moderatoren der Vorsatzwirkung Neben den oben berichteten grundlegen- den Prozessen der Vorsatzwirkung konnte inzwischen gezeigt werden, dass die Effektivität von Vorsätzen von verschiedenen Moderatoren beeinflusst wird. So sind Vorsätze beson- ders bei schwierigen Aufgaben wirksam, bei denen eine alleinige starke Zielintention nicht ausreicht (z. B. Gollwitzer & Brandstätter, 1997, Studie 1). Weiterhin können Vorsätze nur dann wirksam werden, wenn eine Verpflichtung gegenüber dem Vorsatz und auch gegenüber dem übergeordneten Ziel besteht (z. B. Sheeran u. a., 2005, Studien 1 und 2).

Wichtig ist, dass, wie oben bereits erwähnt, die Wirkung von Vorsätzen nicht durch ei- ne Erhöhung der Verpflichtung dem Ziel gegenüber vermittelt ist z. B. Brandstätter u. a.

(20)

Theorie der intentionalen Handlungssteuerung 13

(2001, Studie 1).5 Zu weiteren Befunden siehe Kapitel 4.2.2.5, Seite 15.

4.2.2 Die Wirksamkeit von Vorsätzen

Nachdem im vorherigen Kapitel die Wirkmechanismen von Vorsätzen dargestellt wurden, soll dieses Kapitel einen knappen Überblick über bislang veröffentlichte Vorsatz-Studien geben. Im Zusammenhang mit der der Frage nach der möglichen Rigidität von Vorsätzen ist von Interesse, ob es in diesen Studien neben der bekannten zielförderlichen Wirkung von Vorsätzen auch Anhaltspunkte dafür gibt, unter welchen Umständen die Zielerreichung durch Vorsätze beeinträchtigt wurde. Auf diese Studien wird gesondert in Kapitel 6.2 eingegangen.6

Die zielförderliche Wirkung von Vorsätzen konnte in vielen Bereichen, in unterschied- lichen Populationen und unter Verwendung vielfältiger Paradigmen und Experimentalde- signs gezeigt werden (zusammenfassend Gollwitzer & Sheeran, 2006). Diese Metaanalyse von Gollwitzer und Sheeran (2006) beinhaltet Vorsatz-Studien, die bis 2003 veröffentlicht wurden. Aus diesem Grund werden im Folgenden v. a. Studien aufgeführt, die ab 2004 veröffentlicht wurden.7

4.2.2.1 Vorsätze im gesundheitspsychologischen Bereich Insbesondere aus dem gesundheitspsychologischen Bereich liegen inzwischen eine Vielzahl von Studien vor, die zeigen, dass Vorsätze effektiv zur Unterstützung von gesundheitsförderlichem Verhalten eingesetzt werden können. Bereits in der Metaanalyse von Gollwitzer und Sheeran (2006) beziehen sich 23 von 94 Effekten auf Studien aus dem gesundheitspsychologischen Bereich.

Seither wurden zahlreiche weitere Studien aus diesem Bereich veröffentlicht.

Û Gesundes Essen (z. B. Stadler, Oettingen, & Gollwitzer, 2010; Tam, Bagozzi, &

Spanjol, 2010; Chapman & Armitage, 2010; Taut & Baban, 2008; Hofmann, Deutsch, Lancaster, & Banaji, 2010; Chapman u. a., 2009; Prestwich, Ayres, & Lawton, 2008;

Armitage, 2007; Gratton, Povey, & Clark-Carter, 2007; De Nooijer, De Vet, Brug,

& De Vries, 2006; Kellar & Abraham, 2005; Armitage, 2004)

Û Gewichtsreduzierung (z. B. Adriaanse, de Ridder, & de Wit, 2009; De Ridder, De Wit, & Adriaanse, 2009; Luszczynska, Scholz, & Sutton, 2007; De Vet, 2007;

Luszczynska, Sobczyk, & Abraham, 2007)

Û Vorsorgeuntersuchungen, Therapie(z. B. O’Neill u. a., 2008; Sheeran, Aubrey,

& Kellett, 2007; Rutter, Steadman, & Quine, 2006; Prestwich u. a., 2005; Steadman

& Quine, 2004; Liu & Park, 2004)

Û Reduzierung von Drogenkonsum(z. B. Conner & Higgins, 2010; Chatzisarantis

& Hagger, 2010; Webb, Sheeran, & Luszczynska, 2009; Armitage, 2009; Armitage &

Arden, 2008; Armitage, 2008; Murgraff, Abraham, & McDermott, 2007; Prestwich, Conner, & Lawton, 2006; Wiers u. a., 2006; Higgins & Conner, 2003)

5 Ein abweichender Befund findet sich bei Ajzen, Czasch und Flood (2009).

6 Insgesamt 49 % der Studien in der Metaanalyse von Gollwitzer und Sheeran (2006) waren zum da- maligen Zeitpunkt nicht publiziert, zeigten hinsichtlich der Effektstärke jedoch keine Unterschiede zu publizierten Studien. Aus diesem und weiteren Gründen, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegan- gen werden soll, scheint die Wahrscheinlichkeit eines File-Drawer-Effekts (Rosenthal, 1979; Reed, 2009) gering zu sein.

7 Die gewählten Kategorien zur Einteilung der Studien entsprechen hierbei nur teilweise den Kategorien bei Gollwitzer und Sheeran (2006).

(21)

Û Reduzierung von Risikoverhalten (z. B. McNamara, Burns, Johnson, & Mc- Corkle, 2010; Martin, Sheeran, Slade, Wright, & Dibble, 2009)

Û Gesundheitsförderliche Verhaltensweisen(z. B. Godin u. a., 2010; Prestwich, Perugini, & Hurling, 2010; Pochstein & Wegner, 2010; Hagger & Montasem, 2009;

Prestwich, Perugini, & Hurling, 2009; Arbour & Ginis, 2009; Murray, Rodgers, &

Fraser, 2009; Stadler, Oettingen, & Gollwitzer, 2009; Van Osch, Reubsaet, Lechner,

& de Vries, 2008; Chatzisarantis, Hagger, & Thøgersen-Ntoumani, 2008; Sullivan

& Rothman, 2008; Arden & Armitage, 2008; Ziegelmann, Luszczynska, Lippke, &

Schwarzer, 2007; Brickell & Chatzisarantis, 2007; Kwak, Kremers, Van Baak, &

Brug, 2007; Brickell, Chatzisarantis, & Pretty, 2006; Latimer, Ginis, & Arbour, 2006; Luszczynska, 2006; Walsh, da Fonseca, & Banta, 2005; Lavin & Groarke, 2005; Arbour & Ginis, 2004; Höner, Sudeck, & Willimczik, 2004)

Û Vorsätze gegen Angst und Stress (z. B. Webb, Ononaiye, Sheeran, Reidy, &

Lavda, 2010; Scholz u. a., 2009; Schweiger Gallo, Keil, McCulloch, Rockstroh, &

Gollwitzer, 2009; Schweiger Gallo & Gollwitzer, 2007) 4.2.2.2 Vorsätze im Schul- und Ausbildungskontext

Û Testangst, Regelmäßiger Schulbesuch, Lernen etc.(z. B. Parks-Stamm, Goll- witzer, & Oettingen, 2010; Casper, 2008; Gawrilow & Gollwitzer, 2008; Webb, Chris- tian, & Armitage, 2007; Bayer & Gollwitzer, 2007; Stangel-Meseke, Akli, & Schnelle, 2005)

4.2.2.3 Vorsätze in gesellschaftlich relevanten Bereichen

Û Bekämpfung von Stereotypen und Stigmatisierung(z. B. Palayiwa, Sheeran,

& Thompson, 2010; Mendoza, Gollwitzer, & Amodio, 2010; Stewart & Payne, 2008) Û Erhöhung der Wahlbeteiligung(Nickerson & Rogers, 2010)

Û Förderung prosozialen Verhaltens(Trötschel & Gollwitzer, 2007) Û Einhaltung von Verkehrsregeln(Elliott & Armitage, 2006; Fujii, 2005)

Û Förderung des Umweltschutzes(Holland, Aarts, & Langendam, 2006; Bamberg, 2002a)

4.2.2.4 Vorsätze und individuelle Problembereiche

Û Verringerung von Prokrastination(Owens, Bowman, & Dill, 2008; Van Hooft, Born, Taris, Van der Flier, & Blonk, 2005)

Û Zielablösung - Vermeidung von Sunk Costs(Henderson u. a., 2007)

Û Beeinflussung von Gewohnheitshandlungen(Papies, Aarts, & de Vries, 2009;

Webb u. a., 2009; Eriksson, Garvill, & Nordlund, 2008; Holland u. a., 2006)

Û Erfolgreiches Zielstreben, Vermeidung von Ego-Depletion(Gollwitzer, Ga- wrilow, & Oettingen, 2010; Martijn u. a., 2008; Cohen & Gollwitzer, 2006; Gollwit- zer, Bayer, & McCulloch, 2005; Webb & Sheeran, 2003; Koestner, Lekes, Powers, &

Chicoine, 2002)

(22)

Theorie der intentionalen Handlungssteuerung 15 4.2.2.5 Überprüfung und Erweiterung der Theorie der intentionalen Hand- lungssteuerung Zahlreiche Arbeiten der letzten Jahre trugen dazu bei, die theoretische Basis der Theorie der intentionalen Handlungssteuerung zu erweitern.

So lieferten z. B. Sheeran u. a. (2005) den wichtigen Beleg, dass die Wirkung von Vorsät- zen von der Aktivierung und der Stärke des übergeordneten Ziels abhängig ist. Weiterhin konnte wiederholt gezeigt werden, dass die Wirksamkeit von Vorsätzen nicht auf einer Er- höhung der Zielverpflichtung oder einer Erhöhung der Selbstwirksamkeit beruht (Webb &

Sheeran, 2008). Martijn u. a. (2008) konnten zeigen, dass die Blockierung eines mit einem Vorsatz ausgestatteten Ziels nicht zu Problemen der Selbstregulation führt. Parks-Stamm u. a. (2007) sowie Webb und Sheeran (2007) konnten die spezifische Wirksamkeit der pos- tulierten Wirkmechanismen bestätigen. Insbesondere konnten Webb und Sheeran (2004) nachweisen, dass nur der im Vorsatz spezifizierte Stimulus zur Handlungsinitiierung führt und dass keine Kosten durch ähnliche Stimuli verursacht werden. Ähnlich untersuchten Wieber und Sassenberg (2006) wie Aufmerksamkeitsprozesse durch Vorsätze beeinflusst werden. Da die letztgenannten Studien für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit rele- vant sind, wird hierauf noch genauer in Kapitel 7 eingegangen. Webb u. a. (2007) konnten zeigen, dass die Wirksamkeit von Vorsätzen durch Persönlichkeitsmerkmale moderiert wird (siehe hierzu auch Powers, Koestner, & Topciu, 2005). Die Ergebnisse von Bayer und Gollwitzer (2007) zeigen, dass die im Dann-Teil eines Vorsatzes spezifizierte Hand- lung auch auf eine Erhöhung der Selbstwirksamkeit abzielen kann. Rhodes, Blanchard, Matheson und Coble (2006) versuchten eine Integration von Vorsätzen in die Theorie geplanten Verhaltens. Für die automatische Handlungsinitiierung durch Vorsätze spricht der Befund, wonach selbst subliminal präsentierte kritische Stimuli zu einer schnelleren Handlungsinitiierung führen Bayer u. a. (2009).

Im Folgenden einige weitere interessante Befunde:

Û Die Effektivität von Vorsätzen kann durch mentales Vorstellen verbessert werden (Knäuper, Roseman, Johnson, & Krantz, 2009).

Û Der Vergleich mit einer Versuchsbedingung, in der die Versuchsteilnehmer nur die Verbindung zwischen Situation und Handlung lernten, jedoch keinen Vorsatz fassten zeigte, dass v.a. die langanhaltende Wirksamkeit von Vorsätzen auf mehr beruht, als nur auf der Schaffung eines Links zwischen kritischer Situation und Handlung (Papies u. a., 2009).

Û Bei schwierigen selbstgesetzten Zielen ist es wichtiger, im Vorsatz die konkrete ziel- führende Handlung zu spezifizieren - die Spezifizierung von Ort und Zeit ist weniger wichtig (Dewitte, Verguts, & Lens, 2003).

Û Menschen mit unsicheren Zielintentionen (unstable intenders) profitieren stärker von Vorsätzen(Godin u. a., 2010).

Û Perfektionistische Menschen profitieren nicht von Vorsätzen(Powers u. a., 2005).

Û Als handlungsinitiierende kritische Situationen können auch Gedanken oder Gefüh- le spezifiziert werden(Bayer, Gollwitzer, & Achtziger, 2010; Adriaanse u. a., 2009;

Achtziger, Gollwitzer, & Sheeran, 2008).

Û Bei bestimmten Zielen, sind nur Vorsätze wirksam, in deren Wenn-Teil ein persön- lich relevanter motivationaler Zustand als handlungsauslösende Situation spezifiziert wurde (Adriaanse u. a., 2009).

(23)

Û Eine regulatorische Passung (vgl. Higgins, 2000) von Vorsatz und Ziel kann die Effektivität von Vorsätzen verbessern (Tam u. a., 2010).

Û Vorsätze können selbst grundlegende Mechanismen der Informationsverarbeitung beeinflussen (Cohen, Bayer, Jaudas, & Gollwitzer, 2008; Miles & Proctor, 2008).

Û Die grundlegenden Wirkmechanismen konnten bestätigt werden: Erhöhte Zugäng- lichkeit der kritischen Situation und automatische Handlungsinitiierung (Bayer u. a., 2009; Webb & Sheeran, 2008, 2007; Dholakia, Bagozzi, & Gopinath, 2007; Wieber

& Sassenberg, 2006; Webb & Sheeran, 2004).

Û Optimierung der Effektivität von Vorsätzen (Gollwitzer, Wieber u. a., 2010) Û Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit und Menschen mit niedrigem Pflichtgefühl

profitieren mehr von Vorsätzen (Wieber u. a., 2010; Ajzen u. a., 2009)

Û Vorsätze und prospektives Gedächtnis (z. B. Zimmermann & Meier, 2010; Meeks

& Marsh, 2010; Schnitzspahn & Kliegel, 2009; McDaniel, Howard, & Butler, 2008;

Cohen & Gollwitzer, 2008; Chasteen u. a., 2001; McDaniel & Scullin, 2010) Auf die Studien zum prospektiven Gedächtnis wird in Kapitel 7.2.1 gesondert eingegangen.

Û Inzwischen liegen auch erste Ergebnisse aus Vorsatzstudien vor, die mittels neu- ropsychologischer Methoden durchgeführt wurden und so weitere Aufschlüsse über die zugrunde liegenden Prozesse erlauben: EEG, fMRI, MEG (Gilbert, Gollwitzer, Cohen, Oettingen, & Burgess, 2009; Schweiger Gallo u. a., 2009; Achtziger, Fehr, Oettingen, Gollwitzer, & Rockstroh, 2009; Paul u. a., 2007)

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass seit der Metaanalyse von Gollwitzer und Sheeran (2006) zahlreiche weitere Studien veröffentlicht wurden, welche die Wirksam- keit und Effizienz von Vorsätzen eindrücklich belegen. Weiterhin konnte sich die Vorsatz- Forschung in weiteren Teilgebieten der Psychologie etablieren (z. B. Prospektives Gedächt- nis). Insbesondere im Bereich der angewandten Gesundheitspsychologie wurde offensicht- lich die Effektivität und einfache Umsetzbarkeit von Vorsätzen erkannt. Die wenigen Stu- dien, in welchen ausbleibende Vorsatzeffekte in Zusammenhang mit einer möglichen Rigi- dität vorsatzgesteuerten Zielstrebens gebracht wurden, werden in Kapitel 6.2 diskutiert.

(24)

17

5 Flexibilität, Rigidität, Automatizität

Im folgenden Kapitel werden die Begriffe Flexibilität, Rigidität und Automatizität im Zusammenhang mit Vorsätzen und der Fragestellung definiert und diskutiert (siehe hierzu auch die Kapitel 6 und 7).

5.1 Flexibilität

Eine Definition des Begriffs Flexibilität auf sein zentrales Bestimmungsstück reduziert findet sich in diesem Wortlaut im Duden: „Fähigkeit des anpassungsfähigen Verhaltens.“

(Dudenredaktion, 1983) Flexibilität im psychologischen Kontext wurde etwas umfassender z. B. von folgenden Autoren wie folgt definiert:

Û „Flexibility refers to the abilities to shift between responses and mental sets, and to generate alternative strategies.“ (P. Anderson, 2002).

Û „Cognitive flexibility involves the ability to adaptively select - among multiple re- presentations of an object, multiple strategies, or multiple task sets - the one that best fits the features of a given situation and the ability to switch among them as a function of relevant environmental changes.“ (Chevalier, Blaye, Dufau, & Lucenet, 2010)

Û „Flexibility is the degree to which an individual contracts or expands a domain boundary, be it physically or temporally, in response to demands from another domain.“ (Matthews & Barnes-Farrell, 2010)

Flexibilität in den für die Psychologie relevanten Bereichen des Denkens, Fühlens und Handelns wird als wünschenswerte Eigenschaft angesehen und ist positiv konnotiert. Aus Sicht z. B. der evolutionären Psychologie8 scheint das auch gut begründbar zu sein.

So beschreibt Buss evolutionsbedinge psychologische Mechanismen als „informations- verarbeitende Instrumente, die existieren, da sie halfen, spezifische Probleme des Überle- bens oder der Reproduktion, die im Laufe der menschlichen Evolutionsgeschichte häufig vorkamen, zu lösen. (z. B. Angst vor Höhe oder die Bevorzugung fetthaltiger Nahrungs- mittel.)„ (Buss, 2004, S. 105). Buss führt aus, warum diese Mechanismen nicht als rigide Instinkte anzusehen sind: „Die meisten von uns nehmen an, dass durch viele angeborene Mechanismen das Verhalten unflexibel wird. Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall. Je mehr Mechanismen wir haben, desto größer ist die Bandbreite unseres Verhaltens und somit auch die Flexibilität unseres Verhaltens“ (Buss, 2004, S. 90 ff.). Ähnlich ar- gumentieren Geary und Huffman (2002): „Die Informationsmuster, denen der Mensch im Laufe seiner Evolutionsgeschichte begegnete, waren äußert verschieden. Dies führte zur Herausbildung bereichsübergreifender psychologischer Mechanismen, die zur Bewältigung von Veränderungen, Unberechenbarkeiten und Variabilitäten der Umwelt notwendig sind.“

Interessanterweise verweist Buss im Zusammenhang mit der Frage nach der Flexibilität psychologischer Mechanismen auf Wenn-Dann-Regeln, dies jedoch ohne auf Gollwitzers Theorie der intentionalen Handlungssteuerung Bezug zu nehmen:

„Psychologische Mechanismen sind aus einem weiteren wichtigen Grund nicht wie rigide Instinkte: wegen der Entscheidungsregeln. Entscheidungsregeln sind

8 Nach Hoffrage sollte statt des Begriffes „Evolutionspsychologie“ der Begriff „evolutionäre Psychologie“

verwendet werden (Buss, 2004, S. 20).

(25)

Wenn-Dann-Aussagen, z. B. wenn die Schlange zischt, dann renne um dein Le- ben. (. . . ) Für die meisten Mechanismen bieten diese Entscheidungsregeln zu- mindest mehrere mögliche Optionen der Erwiderung. Selbst in dem einfachen Fall, dass man einer Schlange begegnet, hat man die Option, sie mit einem Stock anzugreifen, zu erstarren und zu hoffen, dass sie sich entfernt, oder weg- zulaufen. Im Allgemeinen kann man sagen, je komplexer der Mechanismus, desto mehr Optionen stehen zur Verfügung um auf einen Input zu reagieren.“

(Buss, 2004, S. 90 ff.)

Somit betont Buss wie auch z. B. Goschke (2002), dass eine starre Verknüpfung von Situa- tion und Handlung im Sinne einer evolutionär-psychologischen Sichtweise wenig adaptiv ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass insbesondere im Rahmen der Sichtwei- se der evolutionären Psychologie, im Gegensatz zur bisherigen Volitionsforschung, dem Aspekt der Flexibilität menschlichen Verhaltens besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde - dies hat nicht zuletzt seinen Grund darin, dass Evolutionsforschung im Besonderen an der durch wechselnde Umwelten getriebene Adaptionsleistung von Organismen interessiert ist.

Im Gegensatz zu den oben erwähnten Entscheidungsregeln zeichnen sich Vorsätze gera- de dadurch aus, dass eine konkrete zielförderliche Handlung spezifiziert wird. Dies reicht jedoch nicht aus, um einer vorsatzgesteuerten Handlungskontrolle jegliche Flexibilität ab- zusprechen. Zum einen wird davon ausgegangen, dass durch die Effektivität von Vorsätzen kognitive Ressourcen eingespart werden, die dann auch wieder flexibles Handeln erlauben, da z. B. alternative Handlungsmöglichkeiten erkannt und genutzt werden können (Brand- stätter u. a., 2001; Gollwitzer, 1999). Zum anderen handelt es sich bei Vorsätzen nicht um einen unbeeinflussbaren Automatismus (vgl. Kapitel 5.3).

5.2 Rigidität

Während Flexibilität in verschiedensten Bereichen (z. B. Kognition, interpersonelle Bezie- hungen, Lernen, Einstellungen) eine wünschenswerte Eigenschaft darstellt, ist der Begriff Rigidität deutlich negativ konnotiert: „Rigidität: (bildungsspr., bes. auch Psych.) starres Festhalten an früheren Einstellungen, Gewohnheiten o. ä.“ (Dudenredaktion, 1983).

In einer Überblicksarbeit mit dem Titel „Rigidity of Thought and Behavior: 100 Years of Research“ (Schultz & Searleman, 2002) stellen die Autoren fest, dass es sich bei dem Kon- strukt der Rigidität um eines der meist erforschten Konstrukte der Psychologie handelt und dass zahlreiche bekannte Forscher zu dieser Thematik publizierten, darunter Ray- mond Cattell, William James, Kurt Lewin, Abraham Luchins, Milton Rokeach, Charles Spearman, und Louis Thurstone.

So fand der Aspekt der Rigidität Beachtung in den verschiedensten Teildisziplinen der Psychologie:

Û Persönlichkeitspsychologie(z. B. Viek, 1997)9

Û Sozialpsychologie(z. B. Gruber-Baldini, Schaie, & Willis, 1995; O’Connor & Dyce, 1997)

Û Kognitive Psychologie(z. B. Alam & Saeeduzzafar, 1991)

9 Allerdings werden z. B. im Lehrbuch von Asendorpf (2007) die Begriffe Rigidität und Flexibilität nicht besprochen.

(26)

Flexibilität, Rigidität, Automatizität 19 Û Entwicklungspsychologie (z. B. Chelune & Thompson, 1987; Everett, Thomas,

Cote, & Levesque, 1991)

Û Pädagogische Psychologie (z. B. Corder & Corder, 1974; Freeman, Sawyer, &

Behnke, 1997)

Û Neuropsychologie(z. B. Heinrichs, 1990)

Û Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie (z. B. Miller, Droge, &

Vickery, 1997; Rosman, Lubatkin, & O’Neill, 1994; Van Allen, 1994)

Û Klinische Psychologie (z. B. Hellman, Greene, Morrison, & Abramowitz, 1985;

Lennings, 1994; Rickelman & Houfek, 1995)

Û Psychotherapieforschung(z. B. Christoph & Li, 1985; Dare, Eisler, Colahan, &

Crowther, 1995; Mizes & Christiano, 1995)

Ging Chown (1959) noch davon aus, dass es sich bei Rigidität um ein eindimensionales Konstrukt handelt, wurden später die verschiedenen Aspekte der Rigidität herausgear- beitet (Rokeach, 1960). Die Vielschichtigkeit des Konstruktes ist wohl aber auch Ursache dafür, dass bis heute noch keine Einigkeit darüber erzielt werden konnte, wie Rigidität genau zu definieren ist: „Research in the last 42 years has by no means converged on a con- sensus regarding the nature of rigidity, partly, we think, because of the multidimensional nature of the construct.“ (Schultz & Searleman, 2002, S. 170).

Zur Erhebung von Rigidität wurden bislang zahlreiche Messmethoden (Fragebögen und Verhaltenstests) entwickelt. Zu den bekanntesten zählen:

Û California Personality Inventory-Flexibility (CPI; Gough & Bradley, 1996) Û Need for Closure Scale (NFCS; Kruglanski, Webster, & Klem, 1993) Û Test of Behavioral Rigidity (TBR; Schaie, 1955)

Û Einstellung Water-Jar Task (Luchins, 1942)

Û Wisconsin Card Sorting Test (WCST; Harris, 1988)

Trotz der weiter bestehenden Uneinigkeit bezüglich des Konstruktes liegen inzwischen eine ganze Reihe von Befunden im Zusammenhang mit Rigidität vor:

Û Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Lebensalter und Rigidität: Diese nimmt zwischen 5 und 18 Jahren zu, bleibt dann relativ lange stabil, um dann ab einem Lebensalter von 60 Jahren weiter linear anzusteigen.

Û Der Zusammenhang zwischen Rigidität und Autoritarismus wird moderiert durch andere Faktoren (z. B. Stress).

Û Zwischen Intelligenz und Rigidität besteht eine negative Korrelation.

Û Männer tendieren im Vergleich zu Frauen eher zu rigiden Verhaltensweisen.

Û An einer Schizophrenie erkrankte Menschen verhalten sich im Vergleich zu ihren gesunden Geschwistern rigider.

Û Zwischen verschiedenen Kulturen scheint es keine Unterschiede zu geben (Bakht, 1992).

Referenzen

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