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Während Flexibilität in verschiedensten Bereichen (z. B. Kognition, interpersonelle Bezie-hungen, Lernen, Einstellungen) eine wünschenswerte Eigenschaft darstellt, ist der Begriff Rigidität deutlich negativ konnotiert: „Rigidität: (bildungsspr., bes. auch Psych.) starres Festhalten an früheren Einstellungen, Gewohnheiten o. ä.“ (Dudenredaktion, 1983).

In einer Überblicksarbeit mit dem Titel „Rigidity of Thought and Behavior: 100 Years of Research“ (Schultz & Searleman, 2002) stellen die Autoren fest, dass es sich bei dem Kon-strukt der Rigidität um eines der meist erforschten KonKon-strukte der Psychologie handelt und dass zahlreiche bekannte Forscher zu dieser Thematik publizierten, darunter Ray-mond Cattell, William James, Kurt Lewin, Abraham Luchins, Milton Rokeach, Charles Spearman, und Louis Thurstone.

So fand der Aspekt der Rigidität Beachtung in den verschiedensten Teildisziplinen der Psychologie:

Û Persönlichkeitspsychologie(z. B. Viek, 1997)9

Û Sozialpsychologie(z. B. Gruber-Baldini, Schaie, & Willis, 1995; O’Connor & Dyce, 1997)

Û Kognitive Psychologie(z. B. Alam & Saeeduzzafar, 1991)

9 Allerdings werden z. B. im Lehrbuch von Asendorpf (2007) die Begriffe Rigidität und Flexibilität nicht besprochen.

Flexibilität, Rigidität, Automatizität 19 Û Entwicklungspsychologie (z. B. Chelune & Thompson, 1987; Everett, Thomas,

Cote, & Levesque, 1991)

Û Pädagogische Psychologie (z. B. Corder & Corder, 1974; Freeman, Sawyer, &

Behnke, 1997)

Û Neuropsychologie(z. B. Heinrichs, 1990)

Û Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie (z. B. Miller, Droge, &

Vickery, 1997; Rosman, Lubatkin, & O’Neill, 1994; Van Allen, 1994)

Û Klinische Psychologie (z. B. Hellman, Greene, Morrison, & Abramowitz, 1985;

Lennings, 1994; Rickelman & Houfek, 1995)

Û Psychotherapieforschung(z. B. Christoph & Li, 1985; Dare, Eisler, Colahan, &

Crowther, 1995; Mizes & Christiano, 1995)

Ging Chown (1959) noch davon aus, dass es sich bei Rigidität um ein eindimensionales Konstrukt handelt, wurden später die verschiedenen Aspekte der Rigidität herausgear-beitet (Rokeach, 1960). Die Vielschichtigkeit des Konstruktes ist wohl aber auch Ursache dafür, dass bis heute noch keine Einigkeit darüber erzielt werden konnte, wie Rigidität genau zu definieren ist: „Research in the last 42 years has by no means converged on a con-sensus regarding the nature of rigidity, partly, we think, because of the multidimensional nature of the construct.“ (Schultz & Searleman, 2002, S. 170).

Zur Erhebung von Rigidität wurden bislang zahlreiche Messmethoden (Fragebögen und Verhaltenstests) entwickelt. Zu den bekanntesten zählen:

Û California Personality Inventory-Flexibility (CPI; Gough & Bradley, 1996) Û Need for Closure Scale (NFCS; Kruglanski, Webster, & Klem, 1993) Û Test of Behavioral Rigidity (TBR; Schaie, 1955)

Û Einstellung Water-Jar Task (Luchins, 1942)

Û Wisconsin Card Sorting Test (WCST; Harris, 1988)

Trotz der weiter bestehenden Uneinigkeit bezüglich des Konstruktes liegen inzwischen eine ganze Reihe von Befunden im Zusammenhang mit Rigidität vor:

Û Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Lebensalter und Rigidität: Diese nimmt zwischen 5 und 18 Jahren zu, bleibt dann relativ lange stabil, um dann ab einem Lebensalter von 60 Jahren weiter linear anzusteigen.

Û Der Zusammenhang zwischen Rigidität und Autoritarismus wird moderiert durch andere Faktoren (z. B. Stress).

Û Zwischen Intelligenz und Rigidität besteht eine negative Korrelation.

Û Männer tendieren im Vergleich zu Frauen eher zu rigiden Verhaltensweisen.

Û An einer Schizophrenie erkrankte Menschen verhalten sich im Vergleich zu ihren gesunden Geschwistern rigider.

Û Zwischen verschiedenen Kulturen scheint es keine Unterschiede zu geben (Bakht, 1992).

Û (. . . )

Die folgenden Definitionen zeigen, dass bis auf wenige Ausnahmen Rigidität in Verbindung gebracht wird mit z. B. schlechterer Gesundheit (Dugas, Freeston, & Ladouceur, 1997), Beibehaltung von Stereotypen (Levy, 2008) oder schlechteren Leistungen beim Problem-lösen (Gorman & Breskin, 1969) - insgesamt also mit negativen Konsequenzen.

Û „A system that has lost its contextual sensitivity can be qualified as rigid. Rigidity is different from the neutral state of stability. That is, whereas stability is defined as a lack of variability, rigidity is defined as a lack of variability and adaptability (i. e., adaptation in response to contextual variations.“ (Lichtwarck-Aschoff, Kunnen, &

van Geert, 2009)

Û „(. . . ) defined interpersonal rigidity as when a person tends to overdevelop a narrow range of one or two interpersonal responses (. . . ) expressed intensely and often, whether appropriate to the situation or not.“ (Erickson, Newman, & Pincus, 2009) Û „Given the importance of adaptability, it is likely that rigidity, that is the absence

of adaptability, will have a negative impact on development. Rigidity refers to an enduring disposition to think and behave on the basis of established routines and ideas rather than on the basis of a careful analysis of the nature of the situation at hand.“ (Butcher u. a., 2004)

Û „Rigidity is the tendency of a person not to change, the nemesis of applied psycho-logists.“ (Schultz & Searleman, 2002)

Rigidität wird also gekennzeichnet als unangemessenes Festhalten am Bisherigen ohne auf Veränderungen angemessen zu reagieren woraus negative Folgen resultieren.10

Allerdings konnten z. B. Ciarrochi, Said und Deane (2005) zeigen, dass bestimmte Aspekte von Verhaltensrigidität dazu beitragen können, den Alltag zu strukturieren und damit Stress zu vermeiden. In diesem Fall würden manche Autoren vermutlich eher die positiv konnotierten Begriffe Stabilität oder Persistenz verwenden. Auch Gollwitzer geht davon aus, dass Vorsätze zu Rigidität führen können, interpretiert diese Rigidität aber positiv im Sinne einer zielführenden Verhaltenspersistenz:

„Rigidity as a result of implementation intentions is to be expected, however, when the specified situation is actually encountered, but this type of rigidity is functional, because it protects an ongoing goal pursuit from intrusions.“

(Gollwitzer, 1999, S. 501) 5.3 Automatizität

Ebenso wie im obigen Abschnitt für das Konstrukt Rigidität diskutiert, besteht auch beim Begriff Automatizität bis heute Uneinigkeit darüber, wie Automatizität genau definiert werden sollte. Das Konzept der Automatizität wurde schon früh in die Psychologie ein-geführt (James, 1890; Wundt, 1903) und im Rahmen unterschiedlichster Teildisziplinen aufgenommen und ausgearbeitet: Wahrnehmung (z. B. MacLeod, 1991), Gedächtnisfor-schung (z. B. Jacoby, 1991), Social Cognition (z. B. Wegner & Bargh, 1998), Lernpsy-chologie (z. B. Cleeremans, Destrebecqz, & Boyer, 1998), MotivationspsyLernpsy-chologie (z. B.

Carver & Scheier, 2002) oder Emotionspsychologie(z. B. Scherer, 1993).

10 Allerdings betonen z. B. Mertens und Kaiser (1981), dass Flexibilität oder Rigidität im Berufsleben weder per se gut oder schlecht sind, sondern das dies stets vor dem Hintergrund übergeordneter Wert-maßstäbe beurteilt werden müsse.

Flexibilität, Rigidität, Automatizität 21 Eine der Grundannahmen der kognitiven Psychologie ist, dass Reaktionen auf Stimuli über informationsverarbeitende Prozesse vermittelt sind. Da die Kapazität des Gesamtsys-tems begrenzt ist, ergibt sich hieraus die Notwendigkeit von Aufmerksamkeitsprozessen, um relevante Informationen zu filtern. Automatische Prozesse sind also darüber definiert, dass sie unabhängig von Aufmerksamkeitsprozessen ablaufen bzw. die Entwicklung von Automatizität geht einher mit einer Abnahme der Abhängigkeit von Aufmerksamkeitspro-zessen (Hasher & Zacks, 1979; Shiffrin & Schneider, 1977). Ausgehend von dieser Grun-dannahme lässt sich eine Einteilung in automatische und nicht-automatische Prozesse vornehmen.11

Bald wurde jedoch offensichtlich, dass dieses Alles-oder-nichts-Prinzip der Automatizi-tät unvereinbar ist mit vielen Forschungsergebnissen. So wurde z. B. angenommen, dass die Interferenz-Effekte bei einer Stroop-Aufgabe nicht intentional und nicht kontrollierbar seien. Es zeigte sich jedoch, dass die Interferenz davon abhing, wie viel Aufmerksamkeit den Stimuli zuteil wurde (Francolini & Egeth, 1980). Eine Lösung dieses Problems be-stand darin, verschiedene abgrenzbare Merkmale oder Qualitäten automatischer Prozesse zu definieren und deren Zusammenspiel zu untersuchen. Am bekanntesten sind wohl John Barghs „four horsemen of automaticity“ (Bargh, 1989, 1992, 1994): Automatische Prozesse sind nach Bargh nicht-intentional, nicht-kontrollierbar, laufen außerhalb des Bewusstseins ab und sind effizient in der Nutzung von Aufmerksamkeitsressourcen. Bargh ging jedoch davon aus, dass ein Prozess nur selten alle Merkmale der Automatizität erfüllen wird und dass sich für alle möglichen Kombinationen von Merkmalen auch Prozesse finden lassen, die nur gerade diese Merkmale aufweisen, nicht aber die restlichen: “Mental processes at the level of complexity studied by social psychologists are not exclusively automatic or exclusively controlled but are in fact combinations of the features of each.“ (Bargh, 1994, S. 3).

Bargh (1989) unterscheidet neben einer Reihe weiterer Subkategorien v. a., vorbewuss-te, nachbewusste und zielabhängige Automatizität. Vorbewusst automatische Prozesse kommen der klassischen Auffassung von Automatizität am nächsten: Diese Prozesse wer-den durch Stimuli angestoßen, die nicht bewusst wahrgenommen werwer-den müssen, laufen unbewusst und ohne Beeinflussung durch Ziele ab, sind nicht willentlich beeinflussbar und benötigen keine Aufmerksamkeit. Beispiele hierfür sind Reflexhandlungen oder die automatische Verarbeitung und Bewertung sozialer Stimuli (z. B. Stereotypaktivierung).

Die beiden anderen Formen von Automatizität nennt Bargh „quasi-automatic“. Bei nach-bewusst automatischen Prozessen wird der auslösende Stimulus nach-bewusst wahrgenommen - im weiteren Ablauf unterscheiden sich nachbewusst automatische Prozesse nicht von vorbewusst automatischen Prozessen. Bei zielabhängigen automatischen Prozessen (z. B.

Gewohnheitshandlungen) wird der auslösende Stimulus bewusst wahrgenommen und der weitere Handlungsverlauf ist abhängig vom gesetzten Ziel. Es kann jedoch auch vorkom-men, dass aus diesen Prozessen nicht intendierte Nebeneffekte resultieren (unintendiert zielabhängig). Zielabhängige automatische Prozesse sind automatisch in dem Sinne, dass sie nicht einhergehen, mit einer beständigen bewussten Informationsverarbeitung bezüg-lich des Handlungsablaufs, wie das bei kontrollierten, überlegten Handlungen der Fall ist.

Entsprechend der Terminologie von Bargh handelt es sich bei Vorsätzen um zielabhängige Automatismen, oder wie es z. B. bei Gollwitzer und Schaal (1998) heißt: „strategic au-tomaticity“. Das diese Art von Automatizität kennzeichnende Merkmal „strategisch“ ist hierbei von besonderer Wichtigkeit: Vorsätze sind das Ergebnis eines einmaligen Willens-aktes, der vollzogen wurde mit dem Ziel einer Verbesserung der Zielerreichung - ganz im

11 Statt „nonautomatic“ werden in englischen Publikationen auch Begriffe wie, „effortful“, „controlled“,

„conscious“, „attentional“, „delibaerate“ oder „strategic“ benutzt - um nur einige zu nennen.

Gegensatz zu Gewohnheitshandlungen (Habits), die aus der vielfachen Kombination von Situation und ausgeführter Handlung resultieren. Vorsätze wurden daher auch als „in-stant habits“ bezeichnet (Gollwitzer, 1999, S. 499). Gleichzeitig weisen vorsatzgesteuerte Handlungen typische Merkmale von Automatizität auf (vgl. Kapitel 4.2.1.2). Bayer u. a.

(2009) und Sheeran u. a. (2005) konnten zeigen, dass sich Versuchspersonen der Aktivie-rung eines handlungsleitenden Ziels nicht bewusst sein müssen. Diese Befunde stehen in Einklang mit Barghs Auto-motive-Theory (Bargh, 1990).

Moors und De Houwer (2006) versuchen den vielfältigen Bemühungen um die Konzep-tualisierung von Automatizität einen Rahmen zu geben. Wichtig sei es diesen Autoren zufolge, dass weitere Facetten von Automatizität definiert werden, dass inhaltliche Über-schneidungen dieser Merkmale (deren Ausprägung i. d. R. als graduell aufgefasst werden muss) untersucht werden, und dass jeder Forscher, der den Begriff Automatizität verwen-det auch genau definiert, was er unter Automatizität versteht und welchen Vergleichs-maßstab er anlegt, um automatische von nicht-automatischen Prozessen abzugrenzen.

Letztendlich müssen aber auch Moors und De Houwer (2006, S. 321) eingestehen: „The term automaticity may be kept as an umbrella term (. . . )“. Darauf, welchen Platz Vor-sätze im Modell von Moors und De Houwer (2006) einnehmen können, wird am Ende der Arbeit kurz eingegangen (Kapitel 14).

23

6 Fragestellung und Studien mit Bezug zur Fragestellung

6.1 Fragestellung

Der Titel der vorliegenden arbeitet lautet: „Flexibilität und Rigidität vorsatzgesteuerter Handlungskontrolle“. Dieser Titel verweist auf eine Fragestellung, die etwa wie folgt formu-liert werden könnte: „Wie werden Flexibilität und Rigidität durch Vorsätze beeinflusst?“

oder auch etwas konkreter „Führt das Fassen von Vorsätzen zu Rigidität im Zielstreben?“

Im Folgenden soll dargestellt werden, dass es sich hierbei um eine Fragestellung handelt, . . .

Û . . . die für Theorie der intentionalen Handlungssteuerung relevant ist - und somit auch z. B. für die zahlreichen Interventionsprogramme, die mit Vorsätzen arbeiten.

Û . . . deren Beantwortung sich nicht theoretisch ableiten lässt, sondern empirisch be-arbeiten werden muss.

Û . . . von der nicht zu erwarten ist, dass sie sich mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“

beantworten lässt, sondern vielmehr eine ganzes Forschungsprogramm definiert.

Bereits in der Einleitung wurden zahlreiche Textstellen aus Vorsatzstudien zitiert, in de-nen die Fragestellung nach der Rigidität im Zusammenhang mit vorsatzgesteuertem Ziel-streben gestellt wurde (vgl. Kapitel 2.2). Stellvertretend hierfür ein weiteres Zitat aus Brandstätter u. a. (2001, S. 958):

„An important self-regulatory competence refers to reacting flexibly to chan-ging situational demands. One might ask, then, whether implementation in-tentions lead to a certain rigidity in the sense that people stick to the op-portunities specified in their implementation intentions and thus fail to take advantage of unanticipated good opportunities for actions. Given the fact that forming implementation intentions automatizes action initiation, which then demands little cognitive resources, it is conceivable that people having formed implementation intentions would possess the cognitive capacities necessary to notice and make use of alternative opportunities to act.Further research is necessary to tackle the issues of rigidity and flexibility.“12

Bei der Fragestellung der vorliegenden Arbeit handelt es sich demnach um eine Fragestel-lung, die von vielen Autoren bereits gestellt wurde und deren Bearbeitung für notwendig erachtet wird.

Die zitierten Textstellen machen weiterhin deutlich, dass die Bearbeitung dieser Frage-stellung nicht nur durch ein rein akademisches Interesse begründet ist: Die Wirksamkeit von Vorsätzen ist gerade bei Studien aus angewandten (v.a. gesundheitspsychologischen) Bereichen am beeindruckendsten. Wenn etwa Orbell, Hodgkins und Sheeran (1997) zei-gen, dass die Durchführungsrate von Krebsvorsorgeuntersuchungen mittels Vorsätzen von 53 % auf 100 % gesteigert werden konnte. Hier stellt sich die Frage, ob unter ungünsti-gen Bedingunungünsti-gen, Vorsätze auch zu rigiden Verhaltensweisen führen können, welche die Zielerreichungsrate weniger stark erhöhen oder gar beeinträchtigen. Die Bearbeitung der Fragestellung kann also zur Identifizierung derartiger ungünstiger Bedingungen beitra-gen. Durch die Berücksichtigung der gewonnenen Ergebnisse kann dann die Effektivität von vorsatzbasierten Interventionsmaßnahmen sichergestellt werden. Andererseits werden

12 Hervorhebung durch den Autor.

bei der Bearbeitung der Fragestellung auch die grundlegenden Mechanismen der Vor-satzwirkung geprüft. Somit ist also auch ein Erkenntnisgewinn für die Vorsatztheorie zu erwarten.

Aus den Ausführungen zu den Wirkmechanismen von Vorsätzen (Kapitel 4.2.2) und den unterschiedlichen Konzeptionen von Automatizität, Rigidität und Flexibilität (Kapitel 5.1 - 5.3) wird deutlich, dass die Fragestellung einer empirischen Prüfung bedarf und sich nicht durch rein theoretische Überlegungen beantworten lässt. So besteht ein zentraler Wirkme-chanismus von Vorsätzen darin, dass der im Vorsatz spezifizierte Stimulus eine besondere Aktivierung erfährt. Führt dies dazu, dass alternative, für die Zielerreichung wichtige Sti-muli ignoriert werden? Oder reichen die durch die Effizienz von Vorsätzen freiwerdenden Ressourcen aus, um diesen Effekt zu eliminieren (vgl. Brandstätter u. a., 2001)? Ein wei-terer Wirkmechanismus ist die automatische Handlungsinitiierung. Doch welcher Art ist diese Automatizität? Auch wenn Sheeran u. a. (2005) zeigen konnten, dass Vorsätze ab-hängig sind von der Aktivierung des übergeordneten Ziels – ist es nicht denkbar, dass die Vorsatzhandlungen zugeschriebene Automatizität z. B. zu einer Handlungsinitiierung in einem unpassenden Kontext führt? Zum Teil liefern die Ergebnisse bereits veröffentlichter Vorsatzstudien erste Antworten auf diese Fragen. Die Ergebnisse dieser Studien werden unter (Kapitel 6.2 und 7) diskutiert. Hier wird aber auch deutlich, dass diese Ergebnisse nur Teilantworten liefern können, und noch weiterer Forschungsbedarf besteht.

Welchen Umfang das durch die Fragestellung der vorliegenden Arbeit definierte For-schungsprogramm hat, wird deutlich, wenn man die sich hieraus ergebenden Fragestellun-gen konkretisiert:

Û Werden alternative, günstigere Handlungsgelegenheiten wahrgenommen und ge-nutzt? (z. B. Stadler u. a. (2010): „If I have no fruits at work then I will buy an apple in the canteen at lunch!“ Wird der Obststand am Straßenrand auf dem Weg zur Arbeit bemerkt? Wäre es nicht sinnvoller, bereits hier Obst zu kaufen?)

Û Wird nach alternativen Handlungsmöglichkeiten gesucht, wenn die im Vorsatz spezi-fizierte Handlung nicht ausgeführt werden kann? (z. B. Schweiger Gallo u. a. (2009):

„And if I see blood, then I will stay calm and relaxed!“ Wie kann sich jemand in dieser belastenden Situation Verhalten, wenn er merkt, dass es ihm nicht möglich ist, ruhig zu bleiben?)

Û Was geschieht, wenn die im Vorsatz spezifizierte Situation nicht eintritt? (z. B. Stad-ler u. a. (2010): „If the waiter asks me about dessert, then I order a fruit salad!“

Wenn der Kellner nun aber gar nicht fragt, sondern den Nachtisch bringt, den alle anderen auch bekommen?)

Û Erfolgt eine Ablösung vom Vorsatz, wenn der Vorsatz nicht länger zielförderlich ist (z. B. Gollwitzer u. a. (2004): „And if my friend approaches me with an outrageous request, then I will not respond in an unfriendly manner!“ Wenn sich nun aber herausstellt, dass der Freund immer noch fordernder wird?)

Û Wird die im Vorsatz spezifizierte Handlung auch dann ausgeführt, wenn der kri-tische Stimulus in einem Kontext auftritt, in dem die Handlungsausführung nicht angemessen ist? (z. B. Wieber und Sassenberg (2006): „If I see a telephone, then I will call my grandma.“ Jemand wartet im Büro seines Chefs auf dessen Rückkehr -Sollte er das Telefon des Chefs benutzen?)

Û Führen das vorsatzgesteuerte Zielstreben dazu, dass das Verfolgen anderer, vielleicht wichtigerer Ziele vernachlässigt wird? (zB Gollwitzer und Sheeran (2009): „If it is

Fragestellung und Studien mit Bezug zur Fragestellung 25 the end of the month and some money is left in my checking account, then I’ll move it to the savings account!“ Wird eine wichtigeres Ziel vernachlässigt, wenn das Geld gespart wird, statt mit Freunden auszugehen?)

Û Können Vorsätze zu Verhaltensweisen führen, die unintendierte und unerwünschte Nebeneffekte haben? (z. B.: Bayer u. a. (2010): „If I start to evaluate a depicted character, then I will ignore the character’s gender!“ Das Geschlecht des Gegenübers wird zwar ignoriert und so eine Stereotypaktivierung vermieden - gleichzeitig kann es aber auch wichtig sein, sich den Geschlechterrollen entsprechend zu verhalten -z. B. Aufhalten der Tür.)

Û . . .

Obige Auflistung zeigt die Vielfältigkeit der Fragestellung - wobei nicht behauptet werden soll, dass die Fragestellung hiermit erschöpfend beschrieben ist.

Zumindest zu einigen Aspekten dieser Fragestellung liegen inzwischen Befunde vor, die in den folgenden Kapiteln diskutiert werden. Insbesondere sind hier Studien von Interesse, in denen die Autoren die Fragestellung der vorliegenden Arbeit direkt ansprechen und mit ihren Ergebnissen in Verbindung bringen (z. B. Parks-Stamm u. a., 2007; Luszczynska, 2006). Zum anderen sind Studien von Interesse, in denen Vorsatzeffekte ausblieben oder in denen durch das Fassen von Vorsätzen die Zielerreichung gar beeinträchtigt wurde (z. B.

Powers u. a., 2005) (vgl. Kapitel 6.2).

Der Begriff Rigidität wie er in der Fragestellung gemeint ist, bezieht sich also auf alle Situationen, in denen die Zielerreichung beeinträchtigt wurde - und zwar durch die Wirk-mechanismen die der Effektivität vorsatzgesteuerten Handelns zugrunde liegen. D. h. also, dass Rigidität dazu führt, dass Kosten entstehen, bzw. dass zumindest die Wirksamkeit von Vorsätzen ausbleibt. Umgekehrt gilt jedoch nicht, dass jede Situation, in der Kosten entstehen, durch die Rigidität vorsatzgesteuerten Zielstrebens bedingt ist. Wenn Vorsätze z. B. unzureichend spezifiziert werden, sollte das Ausbleiben einer zielförderlichen Wirkung nicht als Rigidität bezeichnet werden. An verschiedenen Stellen wird darauf hingewiesen, dass es sich auch bei Vorsätzen nicht um ein narrensicheres Instrument handelt (“fool-proof“, z. B. Gollwitzer u. a., 2004, S. 219).13 Rigidität liegt erst dann vor, wenn die im Vorsatz spezifizierte Handlung mehrmals zu Misserfolg führt aber weiterhin am Vorsatz festgehalten wird. In manchen Fällen kann es jedoch auch schwierig sein, eine Entschei-dung über das Vorliegen von Rigidität zu treffen: So berichten z. B. Powers u. a. (2005), dass bei Versuchsteilnehmern mit einer hohen Ausprägung an sozial vorgeschriebenem Perfektionismus14 das Fassen von Vorsätzen dazu führt, dass diese stärker über negati-ve Gefühle berichten und auch sich selbst und ihre Zielerreichung schlechter bewerten.15 Würde man in diesem Fall vorsatzgesteuertem Zielstreben eine besondere Rigidität zu-schreiben? Hierzu müsste erst gezeigt werden, dass diese Versuchsteilnehmer nicht auch durch andere Formen des Planens beeinträchtigt worden wären.

13 Bei Gollwitzer, Wieber u. a. (2010) findet sich eine Übersicht, wie der Wenn- und Dann-Teil eines Vorsatzes optimal spezifiziert werden sollte.

14 Hewitt und Flett (1991) unterscheiden zwischen fremdorientiertem (other-oriented), selbstorientiertem (self-oriented) und sozial vorgeschriebenem (socially prescribed) Perfektionismus. Sozial vorgeschriebe-ner Perfektionismus beschreibt hierbei die perfektionistischen Ansprüche, die Andere (vermeintlich) an einen stellen.

15 Hier ist zu beachten, dass es sich ausschließlich um von den Versuchsteilnehmern selbst berichtete Werte handelt. Die Zielerreichung wurde also nicht beobachtet sondern lediglich erfragt.

Um das Ergebnis der folgenden Zusammenschau (Kapitel 6.2 und 7) der bisher vorlie-genden Studien jedoch vorwegzunehmen: Diese Befunde reichen nicht aus. So interpretie-ren z. B. Wieber und Sassenberg (2006) ihre Befunde dahingehend, dass der im Vorsatz spezifizierte Stimulus Kosten verursache, wenn er bei einer nachfolgenden Aufgabe als Distraktor eingesetzt wird. Die Versuchsteilnehmer halten also rigide am Vorsatz fest, ohne die Änderung der Aufgabensituation angemessen zu berücksichtigen. Demgegen-über argumentieren z. B. Sheeran u. a. (2005), dass die Wirkung von Vorsätzen sehr wohl abhängig ist von der Aktivierung eines übergeordneten Ziels. Warum konnten z. B. Lusz-czynska, Tryburcy und Schwarzer (2007) gesundes Essverhaltens nicht mittels Vorsätzen verbessern, wenn dies in anderen Studien so häufig berichtet wird?

6.2 Rigidität als Ursache für das Ausbleiben eines Vorsatzeffektes?

Wie oben bereits ausgeführt, ist es für die Fragestellung von Interesse, ob ein Ausbleiben eines Vorsatzeffektes von den jeweiligen Autoren durch die mögliche Rigidität vorsatz-gesteuerten Zielstrebens begründet wird. Im Folgenden sind einige Studien aufgeführt in denen ein Vorsatzeffekt ausblieb. Soweit von den Autoren genannt, sind auch die jeweils diskutierten Gründe berichtet.16

Wie oben bereits ausgeführt, ist es für die Fragestellung von Interesse, ob ein Ausbleiben eines Vorsatzeffektes von den jeweiligen Autoren durch die mögliche Rigidität vorsatz-gesteuerten Zielstrebens begründet wird. Im Folgenden sind einige Studien aufgeführt in denen ein Vorsatzeffekt ausblieb. Soweit von den Autoren genannt, sind auch die jeweils diskutierten Gründe berichtet.16