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ie Bayer AG ist im ersten Prozess wegen möglicher Nebenwirkungen des zu- rückgerufenen Cholesterin- senkers Lipobay überraschend freigesprochen worden. Der Leverkusener Pharmakonzern sei nicht verantwortlich für die Gesundheitsprobleme des Klägers, entschied die Jury des Gerichts in Corpus Christi im US-Bundesstaat Texas.Geklagt hatte der 82-jähri- ge Hollis Haltom. Er litt nach Angaben seiner Anwälte un- ter starken Nebenwirkungen in Form von Muskelstörun- gen, nachdem er Lipobay ein- genommen hatte.Haltoms An- wälte hatten Bayer vorgewor- fen, schon vor der Rücknahme des Cholesterinsenkers im Au- gust 2001 von den Gefahren gewusst zu haben, und den Konzern auf 560 Millionen US-Dollar Schadensersatz ver- klagt. Die Jury musste dem- nach nicht darüber entschei- den, wie stark der Kläger un- ter den Nebenwirkungen ge- litten hat, sondern ob Bayer angemessen reagierte.
Branchenkenner werteten den Freispruch als wichtigen Etappensieg für Bayer. Zwar sind in den USA noch mehr als 8 400 Klagen wegen Li- pobay anhängig, aber das Verfahren in Texas galt als Musterfall, den die Kläger- seite mit Bedacht gewählt hat- te. Dementsprechend optimi- stisch für die nächsten Ver- fahren äußerte sich Bayer-
Anwalt Philip S.
Beck: Zwar könne man nicht erwarten, dass nun alle anhän- gigen Prozesse ge- wonnen würden, es sei aber ermutigend, dass Bayer gerade den ersten Fall ge- wonnen habe. Die Entscheidung bestä- tige, dass Bayer bei der Vermarktung und beim Rückruf des Pro- dukts verantwortungsvoll ge- handelt habe.
In der Tat hatte Bayer sei- nerzeit sehr schnell auf die Si- tuation reagiert – wie auch das Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinpro- dukte (BfArM), Bonn, nach zunächst geäußerten har- schen Vorwürfen einräumen musste. Bayer habe keine si-
cherheitsrelevanten Informa- tionen zurückgehalten, mel- dete das Institut am 13. Sep- tember 2001. Das Unterneh- men habe die wichtigen Infor- mationen zur Gegenanzeige von Lipobay mit Gemfibriozil rechtzeitig den im europäi- schen Verfahren zuständigen Behörden in Großbritannien mitgeteilt. Von dort sei die Nachricht an die Aufsichts- behörden der anderen Mit- gliedstaaten gelangt.
Die Anleger an den Börsen reagierten zunächst eupho- risch auf das Urteil (siehe den Börsebius-Kommentar in die- sem Heft). Wegen der großen Unsicherheit über die Höhe möglicher Lipobay-Schadens- ersatzzahlungen hatte das Bayer-Papier seit Jahresan- fang rund 50 Prozent an Wert verloren. Analysten hatten spekuliert, dass der Konzern bis zu zehn Milliarden Euro an Schadenersatz zu bezahlen habe. Nach dem Urteil in Cor- pus Christi fallen diese Schät- zungen nun deutlich günsti- ger aus. Jens Flintrop V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1328. März 2003 AA863
Lipobay-Prozess
Etappensieg für Bayer
Wirtschaft
Z
wischen Ärzten und Ban- ken kommt es immer wie- der zu Missverständnis- sen, wenn es um Kreditsicher- heiten geht. In kaum einem anderen Bereich des Geldge- schäftes werden die Gerichte derart häufig bemüht.So hat das Oberlandesge- richt (OLG) München (Az.: 21 U 2414/96) festgestellt, dass ei- ne Bank Kreditverträge kündi- gen darf, wenn ihr Kunde zu- sätzliche Sicherheiten verwei- gert.Ein Unternehmer als Kre- ditnehmer musste sich von den Richtern vorhalten lassen, dass das Recht der Bank auf Nach- sicherung im Kreditvertrag stand. Der Unternehmer hatte sich wichtige Einzelheiten des Kreditvertrages weder vor noch nach der Unterschrift an- gesehen. Diese mangelnde Sorgfalt wird auch im Fall des Kreditnehmers deutlich, der seinen Kreditrahmen nicht ausnutzte und deshalb einen Teil der Sicherheiten von der Bank zurückforderte. Hier ur- teilte das OLG Köln (Az.: 19 U
54/96), dass mit dieser Begrün- dung eine Rückforderung nicht möglich ist. Dazu bedürfe es eines neuen Kreditvertrages.
Zum Umfang von Kreditsi- cherheiten hat der Bundesge- richtshof (BGH, Az.: IX ZR 74/95) entschieden, dass Ban- ken die Absicherung nicht übertreiben sollten: Ein Kre- ditinstitut hatte sich von ei- nem Unternehmer weitaus mehr Sicherheiten zur Verfü- gung stellen lassen, als es das Darlehen erforderte. Die Bank musste die Sicherhei- ten wieder herausgeben. Die Richter sprachen von einer
„verwerflichen Gesinnung des Sicherungsnehmers“. Wer zu viele Sicherheiten verlange, rechne mit der Pleite des Kre- ditnehmers und könne des- halb für dessen Zahlungs-
unfähigkeit mitverantwortlich gemacht werden.
Eine Übersicherung be- schäftigte auch den Großen Senat des BGH: Die Richter hielten Sicherheiten in Höhe von 110 Prozent der Forde- rung für gerechtfertigt. Maß- stab sei dazu der realisierbare Wert, dessen Bemessung vom Einzelfall abhänge. Darüber hinaus erklärten die Richter, dass von einer Übersicherung auszugehen sei, wenn der Nennwert der Kreditsicher- heiten die Bankforderungen um 50 Prozent übersteige.Auf Verlangen des Kunden müs- se die Bank dann einer Si- cherheitenfreigabe zustimmen (Az.: GZS 1/97 und 2/97).
Gleichfalls um Kreditsi- cherheiten ging es bei einem weiteren Fall vor dem BGH:
Eine Bank weigerte sich, die zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld zu löschen, ob- wohl der Kreditnehmer das Darlehen zurückgezahlt hatte.
Sie begründete ihre Verweige- rung damit, dass sie dem Kun- den noch andere Kredite zu Verfügung stellte und die Grundschuld zur Absicherung dieser Kredite benötige. Der BGH entschied, dass die Si- cherheiten für einen Kredit ohne die Zustimmung des Schuldners nicht auf ande- re Verbindlichkeiten bei der Bank übertragen werden dür- fen (Az.: XI ZR 299/99).
Als Kreditsicherheiten sind bei Banken die mit Vermö- gen des Bürgen „unterlegten“
Bürgschaften sehr beliebt.
Dabei wurden die Bürgschafts- verpflichtungen von den Kre- ditinstituten bis vor einigen Jahren auf mehrere Kredit- verpflichtungen ausgedehnt.
Diese Praxis hat der Bun- desgerichtshof für unwirk- sam erklärt (Az.: IX ZR 69/95). Michael Vetter
Kreditsicherheiten
Rechte von Bankkunden
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