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Archiv "Idiopathische Thrombozytopenie: Abgrenzung und therapeutische Konsequenzen" (27.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

Idiopathische Thrombozytopenie:

Abgrenzung und

therapeutische Konsequenzen

Definition und Diagnostik Obwohl der von Werlhof 1735 beobachtete Fall nach heuti- gen Kriterien nicht seinen Na- men verdient, ist es üblich ge- worden, die idiopathische, nicht im Gefolge anderer Krankheiten auftretende Thrombozytopenie als Morbus

Werlhofzu bezeichnen. Wie schon früher mehrfach von uns vorgeschlagen, sollte da- mit jedoch nur die chronisch rezidivierende Form bezeich- net werden, die gewöhnlich schubweise verläuft und sogar sechs bis acht Jahre nach ei- ner vermeintlichen Heilung noch zu Rückfällen mit Blu- tungen führen kann.

Wenn andere Ursachen ausge- schlossen werden können, spricht die stark verkürzte Halbwertzeit (von ein bis zwei Tagen oder nur Stunden, nor- male Halbwertzeit m 99Techne- tium-markierter Plättchen:

rund vier Tage, maximale Überlebenszeit ca. zehn Tage) für einen Autoantikörper. Den definitiven Beweis konnte Har- rington erbringen, der sich selbst Serum eines Werlhof- Kranken übertrug und an den Blutungen fast verstorben wä- re. Manchmal gelingt der Nachweis von Autoantikör- pern; doch ist bei der Inter- pretation solcher Befunde Vorsicht geboten, da die Ag- glutination der Plättchen mit partiellen Gerinnungsvorgän- gen im Patientenserum vor oder während der Untersu- chung interferiert.

Differentialdiagnosen Da Thrombozytopenie eine Begleiterscheinung vieler Blut- und Systemerkrankun- gen ist, müssen diese sorgfäl- tig ausgeschlossen werden.

Zur Definition der idiopathi- schen Thrombozytopenie (ITP) gehört, daß Erythrozytopoese und Granulozytopoese (außer einer gelegentlichen leichten Anämie nach Blutungen und einer entsprechenden Reak- tion des Knochenmarks) völlig in Ordnung sind, sowohl im Knochenmark als auch in der Peripherie. Ein palpabler Milz- tumor spricht eher für eine se- kundäre Form der Thrombozy- topenie und ist bei der ITP selten.

Zu den selteneren Differential- diagnosen gehören die Neuge- borenen-Th rombozytopenie, die (oft nur partielle, aber für die Thrombozyten besonders kriti- sche) disseminierte intravasku- läre Gerinnung, das Kasabach- Merritt-Syndrom (Riesen- hämangiome), das Moschco- witz-Syndrom (thrombotisch- thrombozytopenische Purpu- ra), das Gasser-Syndrom (hämo- lytisch-u räm isches Syndrom) und thrombozytenverbrau- chende Infektionen aller Art.

Drei häufige Differentialdia- gnosen können Schwierig- keiten bereiten oder die Dia- gnose einer ITP „im ersten Anlauf" unsicher machen (da- her sollten akute Thrombozy- topenien auch nicht als „M.

Werlhof" bezeichnet werden):

a) Postinfektiöse Immunthrom- bozytopenien:Hier hilft manchmal, neben sorgfältiger Anamnese, nur die weitere Beobachtung.

b) Durch Arzneimittel verur- sachte lmmunthrombozytope- nien: Hier gilt das gleiche wie unter a), das heißt: sorgfältige Anamnese und Weglassen (in Ausnahmefällen: Wechsel) al- ler Medikamente.

c). Lupus erythematodes disse- minatus (LED): Ein beginnen- der LED kann als Frühsym- ptom thrombozytopenische Blutungen aufweisen. Neben der sonstigen Lupus-Diagno- stik gehört daher zur Diagno- se einer ITP der (eventuell mehrfache) Ausschluß von An- tikörpern gegen Kerne bzw.

DNS.

Therapie

Kortikosteroide sind die Be- handlung der ersten Wahl. Un- ter ihnen kann man beobach- tend (bis etwa vier bis sechs Monate) die unter a) bis c) ge- nannten schwierigen Differen- tialdiagnosen aus dem Verlauf heraus klären. Auch ist das Ri- siko der Splenektomie in den (kortikosteroidinduzierten) Re- missionen wesentlich geringer als in einer akuten Blutungs- phase. Keinesfalls dürfen die- se Präparate unmittelbar prä- operativ abgesetzt werden;

postoperativ müssen eine sorgfältige tägliche Plättchen- zählung (und eventuell Funk- tionsprüfungen) zeigen, wann man die Kortikosteroide redu- zieren, weglassen oder sogar (vorübergehend) durch Aggre- gationshemmer ersetzen soll- te. (Die Splenektomie wegen M. Werlhof oder hämolytischer Anämie hat eine besonders hohe postoperative Thrombo-

584 (72) Heft 9 vom 27. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

embolierate!) Der verstorbene amerikanische Hämatologe Dameshek hat mit Recht dar- auf aufmerksam gemacht, daß die Mißerfolge mit Kortikoste- roiden häufig auf zu niedriger initialer Dosierung beruhen.

Man sollte mit 100 bis 200 Mil- ligramm Prednisolon täglich oder entsprechenden Äquiva- lenten beginnen. Gerade des- halb kommen auch jahrelange Behandlungen mit den erfor- derlichen mittleren Dosen (10 bis 30 Milligramm) nicht in Be- tracht.

(9 Die Splenektomie ist die ei- gentliche kausale Behandlung des M. Werlhof. Nach unseren und anderweitigen Erfahrun- gen kann man bei etwa 60

Prozent der Kranken mit einer anhaltenden Vollremission oh- ne weitere Behandlung rech- nen. Das jüngere Lebensalter hat nach den großen Erfahrun- gen von Harrington die besse- ren Aussichten. Günstig ist auch der szintigraphisch fest- gestellte vollständige oder überwiegende Abbau über der Milz (lienaler Typ). Wir ließen aber auch schon beim soge- nannten „hepatischen Typ"

Splenektomien mit gutem Er- folg durchführen. 20 bis 30 Prozent der Patienten kom- men in eine Teil-Remission, in der sie entweder mit leicht er- niedrigten Plättchenzahlen (zum Beispiel 80 bis 140 000 Kubikmillimeter) blutungsfrei bleiben oder aber mit kleinen zusätzlichen Dosen von Korti- kosteroiden (unterhalb der so- genannten „Cushingschwel- le") auskommen. Bei 10 bis 20 Prozent erweist sich die Splenektomie als wirkungslos.

Neuerdings werden Immun- globuline des Handels stoß- weise (1 bis 1,5 Gramm pro Kilogramm, jeweils als Kurzin- fusion, auf vier bis fünf Tage

verteilt) oder langfristiger (zum Beispiel 1,5 bis 2 Milli- gramm pro Kilogramm täglich drei Wochen lang) gegeben.

Die Dosisangaben in der Lite- ratur schwanken zwischen den genannten Extremwerten.

Soweit wir sehen, werden meist 0,4 Gramm pro Kilo- gramm täglich an fünf aufein- anderfolgenden Tagen verab- reicht: Dabei erscheint es wichtig, 7S-Immunglobuline zu geben, da pepsin- oder plasmingespaltene 5S-Globuli- ne unwirksam sind. Offenbar spielt der Fc-Anteil des Anti- körpermoleküls eine wichtige Rolle. Abgesehen von den ho- hen Kosten, führen sie nach allen bisherigen Erfahrungen in 80 bis 90 Prozent zu einer zahlenmäßigen und funktio- nellen Remission, die auch das Absetzen der intravenö- sen Infusionen überdauern kann. Langzeitergebnisse mit einer immer wieder durchge- führten Behandlung dieser Art, die immerhin die Zufüh-

rung eines lsoantigens bein- haltet, sind noch abzuwarten.

Die Wirkung wird in der neue- ren Literatur mit der Wirkung der Kortikosteroide verglichen und in einer temporären Blok- kade des retikulo-histiozytären Systems (RHS, früher: RES) gesehen. Besonders diskutiert werden eine Besetzung der Fc-Rezeptoren der Makropha- gen oder eine Übersättigung durch IgG-beladene Erythrozy- ten. Dafür sprechen unter an- derem die Wirkungslosigkeit der Immunglobuline bei auto- immun-hämolytischen An- ämien, die temporäre Hem- mung der Plättchen-Seque- stration durch immunglobulin- beladene Erythrozyten, ja die Besserung durch künstliche Induktion eines milden hämo- lytischen Syndroms, zum Bei- spiel mittels Anti-D-Serums.

Ebenso, wie Kortikosteroide (in hohen Dosen), sind die Im- munglobuline unseres Erach- tens zur Zeit keine geeignete Dauerbehandlung des M.

Werlhof, aber sehr wirksam in akuten Blutungssituationen, vor Operationen sowie für ei- ne temporäre Behandlung.

O Die Crux der Hämatologen sind jene 10 bis 20 Prozent der Kranken, bei denen trotz korrekter (kausaler) Diagnose die Splenektomie mit oder oh- ne kleine Erhaltungsdosen von Kortikosteroiden, mit oder ohne Immunglobuline, nichts bringt. Die überwiegende Mei- nung geht dahin, solche Kran- ken, neben tolerablen Dosen von Kortikosteroiden, langfri- stig immunsuppressiv zu be- handeln, etwa mit 50 bis 150 Milligramm Azathioprin (Imu- rek8) oder 50 — höchstens 100 Milligramm Cyclophosphamid (Cyclostin®, Endoxan®) täglich.

Vor einer solchen Behandlung müssen die erhöhte Infektge- fährdung und die potentielle Kanzerogenität (siehe Editorial DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80, Heft 34/1983) sorgfältig gegen die Plättchenzahl und das Blu- tungsrisiko abgewogen und auch mit dem Kranken be- sprochen werden.

Weiterführende Literatur (Auswahl) Fateh-Moghadam, Bessinger, U., Wick, M.: Immun. Infekt. 12 (1984), 129 — Fehr, J.; Hofmann, V.; Kappeler, U.: New Engl.

J. Med. 306 (1982), 1254 — Goudemand, J.; Marey, A., et al.: Nouv. Rev. franc. He- mat. 24 (1982), 59 — Gross, R.; Schuma- cher, K.: Mon. Kinderheilk. 120 (1972), 219 — Imbach, P.; Barandun, S., et al.:

Lancet I (1981), 1228 und Schweiz. Med.

Wschr. 111 (1981), 1548 — Salama, A.;

Mueller-Eckhardt, C.; Kiefel, V.: Lancet II (1983), 193 — Williams, W. J.; Beutler, E.;

Erslev, A. J.; Rundless, R. W.: Hematolo- gy, New York, McGraw-Hill (1972)— Win- trobe, M. M., et al.: Clinical Hematology, Philadelphia, Lea & Febiger (1974)

Professor Dr. med.

Rudolf Gross

Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 9 vom 27. Februar 1985 (73) 585

Referenzen

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