Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 9|
1. März 2013 A 387 Etwa jede fünfte schwangere Pa-tientin erhält Valproat. Es ist vor al- lem bei schwer kontrollierbaren, generalisierten Anfällen das wirk- samste Antikonvulsivum.
In der prospektiven multizentri- schen NEAD*-Studie (3) wurden in einem Kollektiv von 305 Frauen, die während der Schwangerschaft Antiepileptika eingenommen ha- ben, die kognitiven Fähigkeiten der Kinder im Alter bis zu sechs Jahren untersucht (n = 311, Follow-up 6 Jahre: 224 Kinder). 30 % der Müt- ter hatten Carbamazepin eingenom- men (mediane tägliche Dosis 700
mg), 32 % erhielten Lamotrigin (median 443 mg/d), 17 % Phenytoin (median 398 mg/d) und 20 % Val- proat (median 1 000 mg/d). Primä- rer Evaluierungsparameter war der Intelligenzquotient (IQ) des Kin- des, wobei in der linearen Regressi- onsanalyse der IQ der Mutter, Art und Dosis der Medikation, Gestati- onszeit bei Geburt und eine Folat - einnahme berücksichtigt wurden.
Kinder mit Valproatexposition im Alter von 6 Jahren hatten einen um 7 bis 11 Punkte statistisch signi- fikant geringeren IQ (durchschnitt- lich 97) als Kinder nach anderen Antiepileptika-Expositionen (p = 0,0015 für den Unterschied zu Car- VALPROATEXPOSITION DES FETUS II
Dosisabhängige Assoziation zu kognitiven Defiziten
bamezepin: IQ 105; p = 0,0003 für die Differenz zu Lamotrigin: IQ 108; p = 0,0006 für die Differenz zu Phenytoin: IQ 108). Die Valproat- Exposition des Fetus war – im Ge- gensatz zu den anderen Medika- menten – mit schlechteren verbalen Fähigkeiten und Gedächtnisfunk- tionen des Kindes im Schulalter as- soziiert. Dabei gab es eine Dosisab- hängigkeit für Valproat mit einer negativen Assoziation für höhere Dosierungen. Höhere IQ-Werte des Kindes korrelierten mit höheren IQ- Werten der Mütter, längerer Gesta- tionsdauer und Folateinnahme um den Konzeptionszeitpunkt in allen Gruppen. Rechtshändigkeit war im gesamten Kollektiv weniger häufig (86 %), vor allem unter Valproat (79 %). Als mögliche Mechanismen von Valproat auf die zerebrale Ent- wicklung werden apoptotische Ef- fekte auf das unreife Gehirn – ohne Schwellenwert für die Dosis – dis- kutiert mit Folgen auch für die Ent- wicklung der Lateralisation.
Fazit: Für eine Valproatexposition des Fetus ergibt sich eine dosisab- hängige Assoziation zu verminder- ter Intelligenz im Alter von sechs Jahren. „Es ist seit langem bekannt, dass Valproat zu einem erhöhten Risiko für Spina bifida beim Kind führt, weshalb man bei Frauen mit Kinderwunsch – trotz der guten Wirksamkeit – mit der Substanz sehr zurückhaltend war“, kommen- tiert Prof. Dr. med. Soheyl Noach- tar vom Epilepsie-Zentrum der Neurologischen Klinik an der LMU München. „Nun wird natürlich zu prüfen sein, ob der in der aktuellen Studie gefundene IQ-Unterschied im Langzeitverlauf bestehen bleibt und sich klinisch auswirkt. Es liegt jetzt ein weiterer Grund vor, Val- proat bei Frauen mit Kinderwunsch nur anzuwenden, wenn keine medi- kamentösen Alternativen bestehen, also andere Antiepileptika nicht zum gewünschten Erfolg führen.“
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Meador KJ, Baker GA, Cohen MJ, et al.: Fetal antiepileptic drug exposure and cognitive out- comes at age 6 years (NEAD study): a pro- spective oberservational study. Lancet Neuro- logy 2013; e-pub before print http://dx.
doi.org/10.1016/S1474–4422(12)70323-X GRAFIK
Intelligenzquotient (IQ) des Kindes im Alter von 6 Jahren nach Antiepileptika- Exposition durch die Mutter mit und ohne Einnahme von Folat
sind die Werte niedriger als in ver- gleichbaren Studien anderer Län- der. Ein erhöhter IOD war mit einer überdurchschnittlich dicken Horn- haut, mit brauner Iris, mit männli- chem Geschlecht, Hypertonus, Rauchen und einer erhöhten Waist- to-Hip-Ratio assoziiert, letzteres auch bei Frauen. Bei Frauen ging höheres Alter mit einem niedrigen IOD einher.
Fazit: Ein erhöhter Augeninnen- druck – und damit ein potenziell erhöhtes Glaukomrisiko – ist mit kardiovaskulären Risikofaktoren assoziiert; die Studie liegt damit auf einer Linie mit einer Reihe von Arbeiten , die zum Beispiel eine Be- ziehung zwischen IOD-Anstieg und
Charakteristiken des metabolischen Syndroms aufzeigten wie Hyper - tonie, abdominelle Fettleibigkeit und Hyperlipidämie. Nicht erfasst wird in der Untersuchung, welchen Einfluss die genannten kardiovas- kulären Parameter auf den Status der retrobulbären und retinalen Ge- fäße haben – auf jene „vaskuläre Seite“ des Glaukoms, die pathoge- netisch im Schatten des erhöhten IOD steht und weit schwieriger zu behandeln ist. Dr. med. Ronald D. Gerste
Hoehn R, Mirshahi A, Hoffmann EM, et al.:
Distribution of intraocular pressure and its as- sociation with ocular features and cardiovas- cular risk factors. The Gutenberg Health Study.
Ophthalmology 2013 Feb 8. doi: pii:
S0161–6420(12)01050–0. 10.1016/j.opht- ha.2012.10.031
CBZ LTG PHE VPA alle X
CBZ (Carbamazepin) LTG (Lamotrigin) PHE (Phenytoin) VPA (Valproat) alle X (alle Antiepileptika kombiniert)
IQ-Wert im Alter von 6 Jahren
———— Folat --- kein Folat
modifiziert nach: Lancet Neurology 2013; http://dx. doi.org/10.1016/S1474–4422(12)70323-X
*NEAD: Neurodevelopmental effects of anti - epileptic drugs