Leserdienst Hinweise .Anregungen Antiquitäten
als 30 Jahren gefertigte Orienttep- piche. Ihre Preise werden von Liebhabern bestimmt: Mitte April wurde in Stuttgart ein Stern- Uschak aus dem 17. Jahrhundert auf 30 000 Mark, ein südpersischer Luristan des 19. Jahrhunderts auf 7000 Mark getaxt. Andererseits werden selbst in seriösen Geschäf- ten Stücke angeboten, deren Far- ben infolge chemischer Behand- lung alt erscheinen, und mancher Verkäufer beteuert trostvoll, nur die beste Wollqualität lasse sich schadlos chemisch bearbeiten.
Sachkenntnis ist bei Textilem ebenso erforderlich wie bei allen anderen Antiquitäten zwischen Armleuchter und Zinnsoldat, des- sen Serienproduktion vor gut 200 Jahren begann. Sammeln läßt sich schließlich alles, was individuell gefällt. Wer sich dabei mehr in der Rolle des Zwischenhändlers sieht, sollte behutsam vorgehen, sich der zahlreichen, vor allem der auf be- stimmte Sachgebiete spezialisier- ten Literatur bedienen. Der Markt für Kunst und Altes wird ständig größer, der „Konsument" aber auch zunehmend kritischer und preisbewußter. Jährliche Preisstei- gerungen sind nicht mehr die Norm.
Generell ließ die Nachfrage — und nicht nur aus konjunkturbedingter Sorge finanzstarker Interessenten
— seit dem Sommer vorigen Jah- res zu wünschen übrig. Moderne Malerei und klassische Altmeister waren zum Teil sogar mit erhebli- chen Verlusten angeboten worden.
Für den kürzlich noch haussieren- den Jugendstil, für Bücher, gewis- se Asiatica, Chinaporzellan, franzö- sische und englische Möbel des 18. Jahrhunderts und manche briti- sche Uhr hatten die Preise nachge- geben, war zumindest eine Konso- lidierungspause eingetreten. Ande- rerseits: im Frühjahr wurde in Mün- chen ein vermutlich um 1760 her- gestellter Thüringer Schreib- schrank bei einer Auktion — unte- res Limit 42 000 Mark — mit 50 000 Mark aufgerufen und für 75 000 Mark zugeschlagen. Sechs süd-
deutsche Barockstühle brachten es von 5500 auf 10 000, eine Braun- schweiger Nußholztruhe mit Elfen- beineinlagen von 3500 auf 7500 Mark.
Gefragt seien, so sagt man in der Branche, spätgotische und Barock- uhren des deutschsprachigen Raums, antikes Silber, Münzen und Medaillen. Schmuck, Keramik und Skulpturen aus Japan, Ägypten, Griechenland und Rom gehören ebenfalls zu den aktuellen Antiqui- täten, die im Einzelfall für viele hundert oder wenige tausend Mark zu haben sind. Bei der Münchner Auktion wurden zwei japanische Porzellan-Deckeldosen mit vergol- detem Bronzebeschlag von 3000 auf 13 000 Mark gesteigert. In der Kunst sind Handzeichnungen und Holzschnitte des 17. und 18. Jahr- hunderts derzeit „in".
Dazwischen liegt der unendliche Markt der durch mehrere Kriege in Europa dezimierten und durch mehrfache technische Wandlungen abgelösten Gebrauchsgegenstände wie Bauernmöbel, Apothekenglä- ser, Bierkrüge, Kupferkessel, Öl- lampen, Votivbilder, Waagen und Zinngeschirr. Solche alten Objekte sind verhältnismäßig selten und deshalb interessant, aber noch nicht übermäßig wertvoll und des- halb erschwinglich. Manches Alte wäre sogar im modernen Haushalt verwendbar und erfüllte den ei- gentlichen Zweck des Sammelns:
sich zu umgeben mit Liebhaberei, sich eine individuelle Atmosphäre im eigenen Lebensbereich zu schaffen.
Über längere Zeiträume von zehn oder zwanzig Jahren hinweg haben Antiquitäten wohl noch stets einen Wertzuwachs erzielt. Allerdings müßte ein als Geldanlage gesam- meltes Stück in fünf Jahren ein Drittel, in zehn Jahren zwei Drittel mehr als den Einstandspreis er- bringen, um wenigstens so viel wie das normale Sparkonto abzuwer- fen. Ob jedoch für den Privatmann letztlich so viel herausspringt, bleibt fraglich, und wie andere den Wert eines alten Stückes einschät-
zen, läßt sich am besten in einem Verkaufsgespräch ermitteln.
Chance und Risiko sind auch bei der Geldanlage in Antiquitäten dicht beieinander, antizyklische, Gegen-den-Modetrend-Spekulation kann auch hier nützlich sein. Und Okkasionen für den Kauf auf dem vielschichtigen, fast grenzenlosen, von Sammlertendenzen beeinfluß- ten Antiquitätensektor ergeben sich auf Auktionen und Messen ebenso wie im Trödlerladen und gar auf dem Flohmarkt.
Georg Kohlrausch
Rentenversicherung verschickt ab 1976
„Kontoauszüge"
Die Träger der Rentenversicherung werden voraussichtlich im April 1976 damit beginnen, den Versi- cherten über ihre Versicherungs- zeit seit 1973 sogenannte „Versi- cherungsverläufe" zuzusenden.
Durch die regelmäßige Versendung von „Kontoauszügen" sollen die Rentenversicherten einen Über- blick über sämtliche bei der Ren- tenversicherung eingespeicherten Daten erhalten. Das neue Verfah- ren wird durch die seit 1. Januar 1973 in der Rentenversicherung eingeführte elektronische Daten- speicherung ermöglicht. Seit Jah- ren sind die Rentenversicherungs- träger damit befaßt, alle Daten aus den etwa 500 bis 600 Millionen Ver- sicherungskarten in den Archiven auf die maschinell geführten Kon- ten zu übernehmen. Erst wenn die- se „Umbuchung" abgeschlossen ist, können die Rentenversicherun- gen mit Hilfe der EDV allen Versi- cherten Auskünfte über ihren je- weiligen „Kontostand" erteilen. Die Rentenversicherungsträger visieren in der Endstufe eine „komplette"
Beratung (mit Rentenberechnung) an. Diesen „Full-Service" wird es bei allen Versicherungsträgern und für alle Versicherte allerdings erst Ende der 70er Jahre geben, wenn sämtliche Versichertenjahrgänge EDV-gerecht verarbeitet worden sind. spu/DÄ
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 19 vom 8. Mai 1975 1385