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Archiv "Die Allgemeinmedizin als Schwerpunktaufgabe des Zentralinstituts" (22.07.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung

die Niederlassungsberatung für junge Ärzte werden in eigenen aus- führlichen Referaten dargestellt.

Langzeitkonzept für Entwicklung der Gesundheitsversorgung

In den von mir kurz skizzierten ver- schiedenen Schwerpunktbereichen des Zentralinstitutes sind eine Viel- zahl zukunftsorientierter Entwick- lungsansätze angesprochen wor- den. Es versteht sich nahezu von selbst, daß eine wissenschaftliche Einrichtung der kassenärztlichen Selbstverwaltung sich auch mit den Gedanken eines Langzeitkon- zepts für die zukünftige Entwick- lung der Gesundheitsversorgung

— insbesondere der ambulanten Medizin — befaßt. Aufbauend auf den Ergebnissen der genannten Einzelprojekte wurde mit einer

Die Satzung schreibt für das Zen- tralinstitut als Aufgabe die Förde- rung und Weiterentwicklung der kassenärztlichen Versorgung vor.

Weshalb bildet nun innerhalb die- ser allgemeinen Förderung der am- bulanten ärztlichen Versorgung ge- rade die Allgemeinmedizin einen Schwerpunkt? Die Antwort ist ganz einfach: Eine den heutigen Erfor- dernissen entsprechende ambulan- te ärztliche Versorgung unserer Bevölkerung ist ohne praktische Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedi- zin nicht möglich.

Alle Gesundheitssysteme der Welt benötigen den praktischen Arzt oder einen Ersatz für ihn. So gibt es ihn als Ersatzform in Sowjetruß- land in der Gestalt des Feldschers oder in China in der Gestalt des

entsprechenden systematischen Aufarbeitung begonnen.

Abschließend, aber nicht an letzter Stelle, sei die Informationsarbeit für die Ärzteschaft und auch die Öffentlichkeit als ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit hervorgeho- ben. Die Schriftenreihe mit ihrer wachsenden Vielfalt (bestellte be- ziehungsweise ausgelieferte Ge- samtauflage derzeit 170 000 bei 20 Titeln) und die kürzlich begonnene Herausgabe eigener Pressemittei- lungen sind ein Beginn. Auch die heutige Veranstaltung dient vorran- gig diesem Zweck.

• Die Stiftung wird die sich selbst gesetzten hohen Aufgaben nur ge- meinsam mit den Ärzten und den verantwortlich am Meinungs- und Entscheidungsprozeß des gesund- heitlichen Geschehens Beteiligten verwirklichen können.

Barfußarztes. Die USA kennt den praktischen Arzt als Familienarzt, Holland als Hau'sarzt, England und Schweden als General Practitioner, die DDR und wir haben den Arzt für Allgemeinmedizin.

Die medizinischen Gründe

Der Mensch hat insbesondere mit zunehmendem Alter oft eine Viel- zahl von Beschwerden. 40 Prozent der Patienten in freier Praxis sind chronisch Kranke, die wegen ihres Diabetes, ihres Rheumas, wegen des Herzens oder der chronischen Bronchitis über Jahre hinweg einer dauernden ärztlichen Betreuung bedürfen. Dabei treten zwischen- durch akute Krankheiten wie Grip- pe, Augenbindehautentzündung,

Durchblutungsstörungen, Durchfall, Erkältungen usw. genauso auf wie schließlich ein unaufhaltsames Fortschreiten der ursprünglichen Krankheit selber. Diese macht am Ende eine Behandlung des Bettlä- gerigen zu Hause erforderlich.

Dazu ist ein Arzt notwendig, der nicht nur Organe oder Organsyste- me behandelt, sondern den Men- schen unabhängig von Alter und Art der Erkrankung behandelt und dies auch zu Hause. Kurz: Notwen- dig ist der Arzt für Allgemeinmedi- zin.

Es sind aber auch Gründe, die in der strukturellen Entwicklung der Medizin als Wissenschaft und an- gewandter Heilkunde liegen. Die Zunahme des Wissens führt zu ei- ner ständigen Zunahme differen- zierter Funktionen seitens der Ärz- te. Das Spezialistentum ist eine un- ausweichliche Folge der wissen- schaftlichen Entwicklung. Wir ha- ben heute in Deutschland 20 ver- schiedene Facharztgruppen, in England sind es 40, in Rußland 70.

Wie soll sich hier der Patient zu- rechtfinden? Er benötigt den Allge- meinarzt, der ihn durch die unüber- sehbare Zahl der Spezialisten und durch die vielen Möglichkeiten der spezialisierten Medizin führt. Und diese brauchen ihrerseits den All- gemeinarzt, wenn sie nicht durch sinnlose Inanspruchnahme mit ih- nen fachfremden Aufgaben bela- stet werden sollen und so schließ- lich in Praxis und Klinik versanden.

Dieser wissenschaftliche Trend zum Spezialisten — der übrigens auch aus dem Allgemeinarzt einen Spezialisten für seine spezifischen Aufgaben gemacht hat — wird durch das Zulassungsverfahren verstärkt, das den wissenschaftlich orientierten Nachwuchs schon dort begünstigt. Verstärkt weiterhin durch die Ausbildungsmethoden und Inhalte, die nur von Speziali- sten vermittelt werden. Schließlich durch die anschließende klinische Weiterbildungszeit, die für den Fachspezialisten wesentlich un- komplizierter ist als für den Allge- meinarzt, und ebenso schlußend- lich durch die für den Fachspezia-

Die Allgemeinmedizin

als Schwerpunktaufgabe des Zentralinstituts

Professor Dr. Siegfried Häussler,

Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für

die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Ddutschland

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 22. Juli 1976 1987

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung

listen sehr viel attraktivere Berufs- ausübung gegenüber dem Allge- meinarzt.

Nicht zu verkennen ist auch die in weiten Teilen unserer- Bevölkerung erkennbare Neigung zum Speziali- sten, weil sie von diesem mehr er- warten.

Gründe vom Patienten aus

Der Patient kann nicht erkennen, daß aus der vermehrten Quantität des Detailwissens zwangsläufig eine verminderte Qualität der Ge- samtschau des Menschen resul- tiert. Die Einäugigkeit der naturwis- senschaftlichen Medizin, die Erleb- nissphäre des Menschen ausklam- mert und die psychosozialen Ele- mente des Krankwerdens und Krankseins ignoriert, reduziert den Menschen auf einen Haufen von Organsystemen. Die Seuchen des modernen Menschen lassen sich aber damit nicht beheben, vom Al- koholismus, der Überernährung, den größtenteils verhaltensbeding- ten Herz-Kreislauf-Störungen ange- fangen bis hin zu den psychi- schen Reaktionen des unbewältig- ten Streß. Befindlichkeiten, Prozes- se, Zeitverläufe, Lebenssituationen in Diagnose und Therapie einzube- ziehen heißt kausale Therapie trei- ben und heißt zugleich aus ärztli- chen und aus Gründen des Patien- ten den Allgemeinarzt als unersetz- lich zu erkennen.

Wirtschaftliche Gründe

Schließlich machen auch wirt- schaftliche Gründe der gesetzli- chen Krankenversicherung den All- gemeinarzt zu einer unersetzlichen Berufsgruppe in der ambulanten ärztlichen Versorgung. In Schles- wig-Holstein hatten zum Beispiel die Internisten 1975 Behandlungs- kosten pro Versicherten und Quar- tal in Höhe von 79 DM, die Prakti- ker solche in Höhe von 40 DM.

Die Krankenkassen müssen im Bundesdurchschnitt für die Behand- lungen eines Versicherten durch

Fachärzte 30 Prozent mehr zahlen als durch Allgemeinärzte. Auch hierin, in der ständig zunehmenden Zahl der Fachärzte und der immer noch stagnierenden Zahl der Allge- meinärzte, also in der Verschie- bung der Relation Facharzt : prakti- schem Arzt in der freien Praxis, liegt einer der Gründe für die Ko- stenanstiege der ambulanten ärztli- chen Versorgung.

Das Zentralinstitut hat also schwer- wiegende Gründe, vom Versicher- ten, der wirtschaftlichen Belastung der Krankenkassen, der Medizin als angewandter, nicht nur Natur- wissenschaft, und auch von der sinnvollen Kooperation der ärztli- chen Betreuung aus gesehen, um die Allgemeinmedizin als Schwer- punktaufgabe zu fördern. Dies um so mehr, als sich von 1960 bis 1975 die Zahl der Fachärzte von 15 026 um 61 Prozent auf 24 196 er- höht hat, während im gleichen Zeit- raum die Zahl der praktischen Ärzte von 27 592 um 6,1 Prozent auf 25 902 sank.

Wie erfolgt die Förderung durch das Zentralinstitut?

Die Entscheidung darüber, ob ein angehender Mediziner später All- gemeinarzt oder Facharzt wird, fällt schon im Studium. Nach den neuesten Untersuchungen des Bundesgesundheitsministeriums von 1974 gaben zu Beginn des Stu- diums noch 25 Prozent als Berufs- ziel die Allgemeinpraxis an. Vor dem Physikum waren es noch etwa 16 Prozent und am Ende des Stu- diums nur noch 8 Prozent. Also muß die Förderungsarbeit des Zen- tralinstituts schon im Bereich der Berufsausbildung an der Universi- tät einsetzen.

Noch ist Allgemeinmedizin nach der Approbationsordnung kein Ausbildungsfach für den angehen- den Mediziner. Ihre Bedeutung für die ambulante ärztliche Versor- gung hat in der Ausbildungsord- nung unserer Studenten noch kei- nen entsprechenden Niederschlag gefunden.

Förderung der Lehrbeauftragten für Allgemeinmedizin

Seit dem Wintersemester 1974/75 werden die Lehrbeauftragten für Allgemeinmedizin an den deut- schen Universitäten — es sind jetzt 31 — durch eine Semesterpauscha- le seitens des Zentralinstituts in ih- rer Unterrichts- und Forschungsar- beit unterstützt. Diese Förderung ist zeitlich nicht begrenzt. Die be- günstigten Lehrbeauftragten ver- pflichten sich als Gegenleistung zur Teilnahme an den zweimal jährlich stattfindenden Seminaren für die Lehrbeauftragten für Allge- meinmedizin, die wiederum mit Un- terstützung des Zentralinstituts mehrtägig durchgeführt werden.

Sie verpflichten sich gleichfalls zur Einreichung von Tätigkeitsberich- ten für das jeweils geförderte Se- mester. Sinn dieser Regelung ist es, in dem noch jungen Fach Allge- meinmedizin, das an den Hoch- schulen noch mit erheblichen Schwierigkeiten materieller, finan- zieller und geistiger Art zu kämp- fen hat, ein Höchstmaß an Koope- ration und gegenseitigem Erfah- rungsaustausch zu ermöglichen.

> Diese Zielsetzung wird unter- stützt durch eine didaktische Be- gleituntersuchung zur Unterrichts- tätigkeit der Lehrbeauftragten im Auftrag des Zentralinstituts durch Prof. von Troschke an der Universi- tät Freiburg.

> Seit Beginn des Jahres 1974 wird gleichfalls zur Unterstützung der Lehrbeauftragten ein Lehrmit- tel-Archiv aufgebaut, dessen Be- stände den Lehrbeauftragten in vervielfältigter Form jeweils zur Verfügung gestellt werden. Eine Koordinierungs- und Sammelstelle an der Universität Marburg dient zur Verbreitung und Archivierung aller im Fach Allgemeinmedizin entstehenden Dissertationen.

> An der Universität Hannover wird eine zentrale Dokumentations- stelle über alle Veröffentlichungen aus dem Bereich der Allgemeinme- dizin und über die Tätigkeit der All- gemeinärzte sowohl auf nationaler als auch internationaler Basis, mit

1988 Heft 30 vom 22. Juli 1976 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung

Hilfe der elektronischen Datenver- arbeitung, durch das Zentralinstitut errichtet.

1> Schließlich wird im Bereich der Ausbildung dadurch bei dem jun- gen Fachgebiet ein Höchstmaß an Standardisierung erreicht, daß in jährlichen Zusammenkünften Hochschullehrer für Allgemeinme- dizin auf europäischer Basis — also über den Rahmen der EWG hinaus — von Norwegen bis Jugo- slawien, unter Einschluß der DDR, Normen für die Aus- und Weiterbil- dung zum Arzt für Allgemeinmedi- zin erarbeiten. Die diesjährige Ta- gung dieses Symposions Europäi- scher Hochschullehrer für Allge- meinmedizin wird im Mai dieses Jahres auf Einladung des Zentral- instituts im Seminar der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung in Berlin stattfinden.

1> Gleichfalls auf Einladung des Zentralinstituts fand am 18. Okto- ber 1975 in Berlin im Seminar der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung ein Symposion mit den Deka- nen der westdeutschen medizini- schen Fakultäten statt. Dabei wur- den die Notwendigkeit des Faches Allgemeinmedizin für die Ausbil- dung an den deutschen Universitä- ten allgemein bejaht und Wege zu seiner Eingliederung in den Hoch- schulunterricht aufgezeigt.

I> Die Förderung der wissen- schaftlichen Weiterentwicklung des jungen Fachgebietes durch das Zentralinstitut erfolgt durch Förde- rung von Dissertationen, durch Er- teilung von Forschungsaufträgen (ein Beispiel dafür ist die Arbeit von Eimeren: „Multimorbidität in der Allgemeinpraxis") sowie durch die Bereitstellung des eigenen Ar- chivs. Insgesamt hat das Zentralin- stitut für diese Unterstützung 1975 rund 300 000 DM aufgewendet.

Die Förderung

in der Weiterbildungsphase

Auch die Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin nach Ab- schluß der Berufsausbildung ist ja mit erheblichen Problemen bela-

stet. Die bisher in der Weiterbil- dungsordnung vorgesehenen vier Jahre Weiterbildungszeit bedürfen noch einer detaillierteren Inhalts- angabe, also eines Gegenstands- und Lehrzielkataloges für die Wei- terbildungszeit. Schon läßt sich sa- gen, daß alles, was weder in der klinischen Weiterbildung noch beim individuellen Weiterbildungs- praktiker gelernt werden kann, in zusätzlichen Weiterbildungssemi- naren dem künftigen Allgemeinarzt vermittelt werden muß.

Dies ist ein Novum in der gesam- ten Weiterbildungsskala aller Fach- gebiete. Es rührt daher, daß die spezifischen Aufgaben und Metho- den des Allgemeinarztes weder in der Klinik noch beim individuellen Praktiker in ausreichender Weise angeeignet werden können. Zu sol- chen Gegenständen gehören ganz banale Dinge, wie Praxiseinrich- tung, Organisation, Abrechnungs- probleme, die Methoden des Um- gangs mit den Patienten, die Ver- schreibungsmethoden in der Allge- meinpraxis, der Umgang mit den Gesunden, Rehabilitation, Präven- tion, die Integration aller — auch sozialer — Hilfen für den Patienten usw. Die Kenntnis berufssozialer und arb'eitsrechtlicher Fragen ist für den Allgemeinarzt in der Praxis draußen ungleich bedeutsamer als für den Facharzt.

Alle diese wesentlichen Bestand- teile solcher Tätigkeit sollen nun dem künftigen Allgemeinarzt im Weiterbildungsseminar vermittelt werden. Das Zentralinstitut unter- stützt deshalb Modellvorhaben, die in der Praxis diese neue Weiterbil- dungsmethode erproben. Das ge- schieht nicht nur durch Durchfüh- rung von Seminaren in großem Stil, wie es in München und Stuttgart schon der Fall war, sondern insbe- sondere auch im Rahmen kleinerer Gemeinschaften durch Dr. Sturm in Thedinghausen. Es ist sicherge- stellt, daß diese Förderungstätig- keit des Zentratinstituts koordi- niert ist mit den Aktivitäten der Weiterbildungsbeauftragten der Landesärztekammern für die Wei- terbildung zum Allgemeinarzt.

Wir sind hier vom Zentralinstitut aus subsidiär und initiativ tätig, be- trachten aber die Landesärztekam- mern als die eigentlich zuständigen Institutionen, über die wir unsere Förderung zur Geltung bringen wollen.

Die Förderung der Berufsausübung

Die Schwierigkeiten, denen der All- gemeinarzt in der heutigen Praxis gegenübersteht, sind ja ein Teil der Abschreckungsmomente, die den jungen Kollegen von dem Ent- schluß zur Niederlassung als Allge- meinarzt abhalten. Alles, was des- halb diese Schwierigkeiten aus- macht, soll durch die Förderung des Zentralinstituts entschärft wer- den. Deshalb werden nicht nur Fra- gen der Praxisrationalisierung und der Praxisorganisation, einer wirt- schaftlichen Praxiseinrichtung und Praxisführung durch das Zentralin- stitut bearbeitet, sondern es wer- den auch direkte Praxishilfen jetzt schon eingesetzt. Dazu gehört zum Beispiel der fünfsprachige ärztliche Ratgeber für ausländische werden- de und junge Mütter, die dem All- gemeinarzt die Kommunikation mit der Schwangeren aus Gastarbei- terkreisen erleichtert, zum Teil erst ermöglicht. Dazu gehört auch die Broschüre des Zentralinstituts über die gezielte Labordiagnostik in der freien Praxis, die ihm eine Ent- scheidungshilfe in dem Bereich der Labordiagnostik bietet. Dazu gehö- ren wissen'schaftliche Grundlagen- arbeiten, wie eine schon durchge- führte und demnächst veröffent- lichte Studie über prästationäre Diagnostik und poststationäre Be- handlung, die dem Praktiker zeigt, inwieweit seine eigene Kompetenz sich mit der des Krankenhauses möglicherweise überschneidet.

Wir meinen, daß wesentliche Grundlagenprobleme hier noch der Forschung des Zentralinstituts of- fenstehen. Dazu gehören die Wei- terentwicklung des Früherken- nungsprogrammes in der freien Praxis, die ohne eine fundierte in- ternationale wissenschaftliche Ana-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 22. Juli 1976 1989

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung

lyse nach unserer Auffassung schon aus Kostengründen nicht er-

folgen sollte, weiterhin eine ebenso

international standardisierte Vorbe- reitung der systematischen Pla- nungsaufgaben der Kassenärztli- chen Vereinigungen, die sich ja auch mit einer gleichmäßigen und sinnvollen Verteilung von prakti- schen Ärzten und Fachärzten über

das ganze Land zu befassen haben werden. Auch dieses wird mit Mit- teln des Zentralinstituts noch in diesem Jahr erfolgen. Kurz: Im Be- reich der Berufsförderung des All- gemeinarztes werden nicht nur ak- tuelle Hilfen geboten, sondern dar- über hinaus durch Forschungsauf- träge und eigene Arbeiten der Weg in die Zukunft erleichtert.

Niederlassungsberatung

als freiheitliches Instrument der Niederlassungssteuerung

Dr. jur. Helmut Narr,

Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung Süd-Württemberg Dem System der gesetzlichen

Krankenversicherung war die Nie- derlassungsberatung als 'Molivie- rung der Ärzte zur Niederlassung am richtigen Ort, zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Fachgebiet lange Zeit fremd. Obwohl die Kas- senärzte das Rückgrat der kassen- ärztlichen Versorgung in der Bun- desrepublik Deutschland darstel-

len, war ihnen der freie Zugang zur

kassenärztlichen Tätigkeit jahr- zehntelang verschlossen. Willkür- lich gegriffene Verhältniszahlen von Einwohnern zu Ärzten regelten Bedarfsplanung und Bedarfsdek- kung in der Krankenversicherung.

Zuletzt bestimmte § 368 a Abs. 1 RVO in der Fassung des Kassen- arztrechtes von 1955, daß in der Regel auf 500 Kassenmitglieder ein Arzt zuzulassen sei, um eine aus- reichende ärztliche Versorgung und die freie Wahl unter einer ge- nügenden Anzahl von Kassenärz- ten zu gewährleisten. Auch die Re- lation zwischen praktischen Ärzten und Fachärzten war gesetzlich ge- regelt. Die Zahl der Fachärzte sollte gemäß § 15 Abs. 2 der Zulas- sungsordnung für Ärzte von 1957 im allgemeinen ein Drittel der Zahl der Kassenärzte betragen, soweit nicht besondere örtliche Verhältnis- se vorlagen. Insgesamt sollte die Zahl der Fachärzte 40 Prozent der Zahl der Kassenärzte nicht über- steigen.

Die Relation zwischen Versicher- tenzahl und Arztzahl allein war zu keinem Zeitpunkt ein sachgerech- ter Steuerungsmechanismus für den Bedarf an Kassenärzten. Man muß sich zum Beweis dieser Be- hauptung auf die Entstehung der Verhältniszahl besinnen. Die sozia- le Krankenversicherung basiert auf dem Naturalleistungsprinzip. Die Krankenkassen müssen ihren Mit-

gliedern als Gegenleistung für den

Mitgliedsbeitrag die notwendige Anzahl behandlungsbereiter Ärzte zur Verfügung stellen. Die Zahl die- ser Ärzte versuchten die Kranken- kassen so klein wie möglich zu halten. Verhältniszahlen dienten daher vorrangig dazu, den freien Zugang der Ärzte zur kassenärztli- chen Behandlung zu beschränken.

Die Vorstellung, durch eine annä- hernde oder vollständige Erfüllung der jährlich einmal festzustellen- den Verhältniszahlen werde eine ausreichende kassenärztliche Ver- sorgung gewährleistet oder die freie Arztwahl gesichert, war eine Fiktion.

Zahlen-Mißverhältnis zwischen Fach- und Allgemeinärzten abbauen

Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Rechtszustand in seiner Grundsatzentscheidung vom 23.

März 1960 als verfassungswidrig 1990 Heft 30 vom 22.Juli 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT

bezeichnet und festgestellt, daß die

Beschränkung der Zulassung kein geeignetes Mittel sei, Bedarfs- oder Verteilungsprobleme inner- halb der sozialen Krankenversiche- rung zu lösen. Dem ist noch heu- te uneingeschränkt zuzustimmen. Auch nach unseren heutigen Er- kenntnissen ist eine gleichwie ge- artete Beschränkung des freien Zu- ganges zur kassenärztlichen Tätig- keit kein geeignetes Mittel zur Si- cherstellung einer ausreichenden kassenärztlichen Versorgung der Versicherten. Dem trägt auch

§ 368 c Abs. 3 des Regierungsent- wurfes eines Gesetzes zur Weiter- entwicklung des Kassenarztrechtes Rechnung, der im Falle kassenärzt- licher Unterversorgung nur eine sachlich, räumlich und zeitlich be- grenzte Zulassungssperre zuläßt.

Die Folge des Kassenarzturteiles war nicht nur eine deutliche Zu- nahme der Zahl der niedergelasse- nen Kassenärzte. Es stellt sich auch eine Änderung der Niederlas- sungsgewohnheiten ein. Während sich zuvor häufig Fachärzte als praktische Ärzte niedergelassen hatten, um überhaupt bei der Zu- lassung zur kassenärztlichen Tätig- keit zum Zuge zu kommen, ver- stärkte sich ab 1960 die Zulassung von Fachärzten. Die Relation zwi- schen Fach- und Allgemeinärzten beträgt heute 49,7 Prozent zu 50,3 Prozent gegenüber 37 Prozent zu 63 Prozent im Jahre 1960.

~ Diese Verschiebung im Verhält- nis zwischen Fach- und Allgemein- ärzten ist derzeit das eigentliche Sicherstellungsproblem in der kas- senärztlichen Versorgung. Es gibt zu viele Fachärzte, die sich in den Städten konzentrieren, und zuwe- nig Allgemeinärzte in kleinstädti- schen, ländlichen und Stadtrandge- bieten.

~ Vorrangiges Ziel aller weiteren Sicherstellungsbemühungen der Kassenärztlichen Vereinigungen wird es sein, dieses zahlenmäßige Mißverhältnis zwischen Fach- und Allgemeinärzten abzubauen.

Als weitere Folge der Entschei- dung des Bundesverfassungsge-

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