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9. September 1983 80. Jahrgang
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Lust ohne Last E
in bemerkenswertes Do-kument ist eine Presse- mitteilung der „Grünen im Bundestag": Anläß- lich mehrerer Strafverfah- ren gegen belgische Ärzte im Zusammenhang mit
Schwangerschaftsabbrü- chen gab es eine Pressekon- ferenz in Bonn (an der außer Grünen auch Vertreterin- nen von Pro Familia teilge- nommen haben).
Es soll hier nicht um den Anlaß selbst gehen; dazu haben sich auch die Grünen nicht weiter geäußert, ne- ben der ihnen wohl „selbst- verständlichen Solidarität mit den belgischen Ärzten".
Hier soll auch nicht Stellung für oder gegen das gegen- wärtig geltende Recht oder seine Handhabung genom- men werden. Aber seit der
„Wende" in Bonn hat sich ja die Diskussion etwas wie- derbelebt, und es wäre gut, einige der Argumente und Formulierungen der nun- mehr im Bundestag mitver- antwortlichen neuen politi- schen Kräfte zu kennen.
F
ür diese Leute war die damalige Reform des Pa- ragraphen 218 StGB, die immerhin bis zur Verfas- sungskrise führte, nur ein„Mini-Reförmchen". Jetzt, so sehen sie es, droht eine
„Aushöhlung der sozialen Indikation". Sollten Ver- schärfungen etwa in Bel- gien und in der „BRD" zum Beispiel auch auf die Nie- derlande übergreifen, dann wäre für viele Frauen „die Fahrt nach Holland ver- sperrt". Wörtlich heißt es weiter: „Dies hätte zur Fol- ge, daß Tausende von Frau- en entweder wieder zur ,En- gelmacherin' gehen müß-
ten oder zum Austragen ei- nes ungewollten Kindes ge- zwungen werden". — Ge- zwungen?
D
ann wird's gesell- schaftspolitisch: Die Grünen im Bundestag sehen bei der CDU/CSU An- satzpunkte dafür, daß die Frau aus dem Arbeitsleben„zurück in die Mutterrolle gedrängt" werden soll. Für sie sind „alle Abtreibungs- paragraphen . . . ein Unter- drückungsinstrument ge- gen das sexuelle Selbstbe- stimmungsrecht aller". Der Paragraph 218 müsse er- satzlos gestrichen werden.
Denn, so sagen die Grünen:
„Dem immer wieder ge- leugneten Kern dieses In- struments setzen wir das Prinzip ‚Lust ohne Last' ent- gegen."
Noch einmal: Es geht hier nicht um Pro oder Contra.
Hier sollten nur die Formu- lierungen derjenigen fest- gehalten werden, die von den Bürgern auf demokrati- schem Wege in den Deut- schen Bundestag gewählt worden sind und die dort wohl — wenn auch in Zu- kunft ohne die Mitwirkung von Klaus Hecker — das Prinzip „Lust ohne Last"
vertreten wollen.
nm
an könnte sich vorstel- len, daß ein paar Leser darüber diskutieren werden, auf der Terrasse nach dem Abendessen, vielleicht mit dem Bier-, Wein- oder Schnapsglas vor sich und der Zigarette in der Hand — wie bitte? das ist gesundheitsschädlich?Aber dafür ist man doch in der Krankenkasse! — „Lust ohne Last"? gb
Die Information:
Bericht und Meinung Aktuelle Politik im Urteil der Ärzte (II)
Erfahrungen
mit der Kostendämpfung
im Gesundheitswesen 19
Asta-Karin Deibl
Themen der Zeit
Existenzfragen 21
Grado-Kongreß: Emanzipation neu überdacht
Meran-Kongreß: Generationenproblem offengelegt
Der Kommentar
Die Haut zu Markte tragen? . . 23
Gerhard Jörgensen
Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen empfiehlt:
Konzeption der „Bedarfspla- nung" problemgerecht überar-
beiten! 24
Dipl.-Volksw. Hanns Wirzbach
Nachrichten 22
Wer finanziert das soziale Netz? — Richterspruch: Zwitter-Stellung der Heilpraktiker
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Übersichtsaufsätze
Koronare und zerebrale Arterien- verschlüsse: Wiedereröffnung durch Thrombolytika und Dilata-
tion 27
Prof. Dr. med. Sven Effert et al.
Treffsicherheit bei wiederholtem Haemoccult-Screening nach
Darmkrebs 45
Dr. med. Reinhard Gnauck, Dr. med. Ute Belzer
Alkoholismus —
ein Hochdruck-Risikofaktor? . 59
Dr. med. Thomas Feuerstein et al.
Editorial
Fehldiagnosen: Neue Technolo- gien — Klassische Autopsien 38
Prof. Dr. med. Rudolf Gross
Für Sie gelesen 33
Aussprache Das alkoholische
Delirium tremens 34
Dysphagie 37
Fortsetzung auf Seite 3 Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 36 vom 9. September 1983 1