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Archiv "Gynäkologische Sprechstunde: Eine herzerwärmende Begegnung" (14.04.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 15⏐⏐14. April 2006 AA1023

N

ach dreihundert Metern nieselt es, nach fünfhun- dert regnet es, und bald gießt es in Strömen. Wir las- sen uns nichts anmerken und laufen weiter den Kanal ent- lang. Georg ist einen halben Meter hinter mir, kein Wun- der, er hat das Training schlei- fen lassen, die Achillessehne.

Ich friere und er garantiert auch. Wir kehren nicht früher um als sonst. Auf dem Rück- weg bleibt Georg zurück. Er geht. Kein Wunder, der Trai- ningsrückstand. Ist etwas an- ders als sonst? Ich bleibe ste- hen. Er müsse einen Moment verschnaufen. Die Bronchien täten ihm weh. Die kalte Luft, und das im September, kein Wunder. „Kann ich weiter- laufen, oder soll ich hierblei- ben?“ – „Bleib mal hier.“ Hat er noch nie gesagt.

Gesund und sportlich

Wir gehen nach Hause und werden immer nasser. Zu Hause schält er sich aus dem Trainingsanzug, ich helfe ihm.

Ein bisschen komisch sei ihm, nichts Schlimmes. „Leg dich

ein bisschen hin. Dusche spä- ter. Ich lass’ die Tür auf.“

Blutdruck 100/60, Puls 56.

Kann das der Betablocker sein? „Komm, ich fahr’ dich ins Klinikum.“ – „Quatsch, nur weil mir ein bisschen ko- misch ist, wirst du mich doch nicht gleich ins Klinikum fah- ren.“ Recht hat er. Georg ist gesund und sportlich.Was soll denn sein? Junge, aufstreben- de Mediziner in der Unikli- nik würden mich auslachen.

„Frau Kollegin, Sie haben an- scheinend die Übersicht ver- loren.“

Es wird bald besser. Am Abend machen wir noch ei- nen Spaziergang. Bewegung

ist immer gut. Es ist kalt, reg- net aber nicht mehr. „Jetzt spüre ich die Bronchien wie- der, ich werde wohl einen Hu- sten bekommen.“

„Kaum Symptome“

Am nächsten Tag ist Sonntag, ich habe Bereitschaftsdienst.

Georg hat gut geschlafen und keine Beschwerden mehr.

Vorsichtshalber soll er in die Klinik kommen, dann schrei- be ich ein EKG. Na gut, vor- sichtshalber. Er kommt mit dem Bus. Es ist nicht einfach, meinen Mann dazwischenzu- schieben, eine Borderline-Pa- tientin möchte entlassen wer-

den und sich vielleicht auch umbringen, und ihr Mann möchte, dass sie bleibt, und beide wollen abwechselnd den Arzt sprechen. Die Zacken im EKG: Komisch.

Wahrscheinlich verpolt. Also noch mal. Kabel sortieren mit zitternden Fingern dauert.

Keine Veränderung. Der Kopf ist leer, ich weiß rein gar nichts mehr über EKG. Ich rufe die nächste Rettungsstelle an. Ich sage nicht: „Bitte lachen Sie nicht“, sondern „Vorsichtshal- ber schicke ich Ihnen meinen Mann.“

Mit dem Taxi. Er geht einen halben Kilometer zur Pforte.

Eine halbe Stunde später ruft die Kollegin aus der Ret- tungsstelle an: „Wir haben Ihren Mann auf die Intensiv- station gelegt . . . Troponin . . . CK-MB . . .“ „Aber er hatte doch kaum Symptome!“

„Beim Hinterwandinfarkt ist das oft so, bisschen Unwohl- sein, bisschen Brennen hin- term Brustbein, mehr ist da meistens nicht.“

Das ist jetzt fünf Jahre her.

Trotz allem ist es gut gegan- gen. Dr. med. Herta Beck

Seit 2003 veröffentlicht das Deutsche Ärzteblatt regelmäßig Arztgeschichten – zunächst aus der Literatur, seit Heft 3/2004 vorwiegend Beiträge aus der Ärzteschaft.

Partnerbehandlung

E

igentlich war es eine ganz normale gynäkolo- gische Sprechstunde in der Landpraxis. Nur brachte die Patientin ihr Kind mit, ein hübsches, freundliches Schulmädchen, das zunächst während der Absolvierung des Unvermeidlichen in ei- ne Ecke gesetzt wurde und warten musste. Schließlich ließ mir eine Mitteilung der Mutter, gleichsam nebenbei bei der Verabschiedung, das Mädchen in einem völlig an- deren Licht erscheinen.

Plötzlich wurde eine menschliche Beziehung zwi- schen den beiden und mir offenbar, die mir den Atem stocken ließ und die aus einer längst vergessenen Be- gegnung erwuchs, die sich 15 Jahre zuvor ereignet hatte.

Die erste Begegnung mit diesem Kind verlief für den jungen Geburtshelfer, der ausersehen war, eine Schnitt-

entbindung durchzuführen, hoch dramatisch. Sogleich nach Eröffnung der Bauch- wand schwamm es mir gleich- sam im Schwall seines trüb- grünen Fruchtwassers ent- gegen.

Die Situation wirkte schockierend, lähmend ob ihrer Absonderlichkeit, in- dem nicht der Uterus der dafür vorgesehene Aufent- haltsort während der letzten 280 Tage gewesen war, son- dern das Kind dafür den gesamten Bauchraum für sich und sein Ernährungsor- gan beansprucht hatte. Wer

konnte denn schon ahnen, dass dem jungen Facharzt einer jener Fälle zugedacht war, von denen die Statistik behauptet, dass er ihn erst nach einer Million Lebend- geborener „am eigenen Lei-

be“ erfahren kann. Wohl war man sich während der Schwangerschaft darüber im Klaren, dass einiges anders war als bei einer Schwange- ren am Ende der Zeit. Ge- burtshelfer mehrerer Klini- ken hatten sich darüber den Kopf zerbrochen – und Ul- traschalldiagnostik gab es noch nicht.

Der Fetus wies jedenfalls im Kardiotachogramm sein Wohlbefinden nach. So war es denn auch, das Kind gab seiner Lebensfreude Aus- druck und schrie angemessen.

Allenfalls ein etwas schmaler Kopf deutete auf die Enge seines Lebensraums, vor al- lem während der letzten Lebensmonate, hin.

Glücklicherweise über- lebte die Mutter unbescha- det trotz extremen Blutver- lustes aus der Lösungsfläche der atypisch inserierten Pla- zenta.

So tief verschüttet die- ses Erlebnis unter der Fülle dramatischer Ereignisse wäh- rend des Berufslebens auch gewesen sein mag, blieben die Bilder dieser ersten Be- gegnung besonderer Art im Gedächtnis und führten mir vor Augen, wie schön der Beruf des Geburtshelfers sein kann. Dr. med. habil. H. Bellée

Gynäkologische Sprechstunde

Eine herzerwärmende

Begegnung

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