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Räumliche Verbundsysteme in der agrarischen Produktion — erdkunde

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R A U M L I C H E V E R B U N D S Y S T E M E I N D E R A G R A R I S C H E N P R O D U K T I O N Mit 9 Abbildungen

H A N S - W I L H E L M W I N D H O R S T

Summary: Spatial aspects of joint production systems in agriculture

New forms in the organization of agricultural production developed in western industrialized as well as in Third World countries as a consequence of the industrialization of agriculture. Characteristic of this process is the develop- ment of joint production systems which can be found on the micro, meso, and macro level. This paper presents results of recent studies analyzing such production systems. Based on these case studies, the paper tries to answer why similar phenomena can be observed in the formation of such spatial systems in plant and in animal production (convergence). It can be shown that different steering factors become effective on the micro, meso, and macro level. It is noteworthy that similar systems of joint production have developed in agri- culture and manufacturing (congruence). Reduction of transportation costs and energy consumption, as well as other factors, are responsible for this convergence. An increasing automation, just-in-time delivery, the formation of multi-enterprise companies, even on a supranational scale, are further phenomena which indicate that a far- reaching similarity has developed in the organisation and spatial linkage of joint production systems in the primary and secondary production sectors.

1 Einleitung

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands, der sich abzeichnenden Öffnung gegenüber den osteuropäi- schen Staaten und der Schaffung des europäischen Binnenmarktes hat die Frage nach der zukünftigen Organisation des agrarischen Produktionssektors eine brennende Aktualität erfahren. Während einer- seits auf politischer Ebene noch über das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes diskutiert wird, sind auf der anderen Seite völlig neue Organisationsstruk- turen in der Agrarwirtschaft entstanden, die deutlich machen, daß der Prozeß der Industrialisierung im Agrarsektor schnell um sich greift. Hierbei handelt es sich um ein Phänomen, das inzwischen in allen west- lichen Industriestaaten auftritt, aber auch in Staaten der Dritten Welt. In den Staaten mit Zentralverwal- tungswirtschaft waren gezielt agrarindustrielle Orga- nisationsformen aufgebaut worden, z.B. Kombinate industrieller Tierproduktion in der ehemaligen D D R (vgl. z. B. A H R E N D S U. a. 1989, 266ff.). Dies hat

T R O U G H T O N (1986) dazu veranlaßt, von einer Kon- vergenz ähnlicher Organisationsstrukturen in soziali-

stischen und kapitalistischen Systemen zu sprechen.

Der Verfasser selbst hat in mehreren Arbeiten die hin- ter diesem Phänomen stehenden Steuerungsfaktoren analysiert ( W I N D H O R S T 1989a, b) und vorgeschlagen, räumliche Verbundsysteme stärker in den Mittelpunkt der agrargeographischen Forschung zu stellen (1989d, S. 150-151).

2 Verbundsysteme in der agrarischen Produktion In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird unter dem Terminus Verbund zunächst der Zusam- menschluß mehrerer Wirtschaftseinheiten zu einer Genossenschaft verstanden (vgl. z. B. G A B L E R 1984, S. 1855). Darüber hinaus hat der Begriff jedoch eine Bedeutungserweiterung erfahren, denn mit Verbund- wirtschaft wird auch ein Zusammenschluß von zwei oder mehreren Betrieben in Form einer horizontalen oder vertikalen Integration bezeichnet. Hierbei kenn- zeichnet die horizontale Integration die Zusammen- arbeit von rechtlich und auch ökonomisch selbständi- gen Einheiten, zumeist auf einer Produktionsstufe, z. B. mit dem Ziel der Bereitstellung größerer Men- gen eines Produktes für den Markt oder der Nutzung von Kostenvorteilen beim Einkauf von Rohwaren.

Demgegenüber wird als vertikale Integration die organisatorische (z. T. auch rechtliche) Zusammen- fassung von Betrieben verstanden, die an der Erzeu- gung, Be- und Verarbeitung, Lagerung und Ver- marktung eines Produktes beteiligt sind ( F A U S T 1969, S. 137; H O R L A C H E R 1980, S. 1559). Der Grad der erreichten Integration kann durch die Integrations- intensität (bzw. -dichte) erfaßt werden. Hierunter versteht m a n das Verhältnis aus der Zahl der real erreichten zu den möglichen Integrationsschritten.

Wenn alle Stufen in einem Unternehmen vereinigt sind, spricht man von Vollintegration. Bei der verti- kalen Integration geben die einzelnen Betriebe viel- fach ihre Selbständigkeit auf. Dies m u ß aber nicht der Fall sein, denkbar ist auch ein vertikal organisierter Verbund mehrerer Unternehmen unterschiedlicher Produktionsstufen unter W a h r u n g der Selbständig- keit der Integratoren.

Bei der wirtschaftsgeographischen Analyse räum- licher Verbundsysteme kann es einmal d a r u m gehen, die Organisationsstruktur eines solchen Verbund-

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Abb. 1: Verbundsystem in einem vertikal integrierten U n t e r n e h m e n der Broilerindustrie in den U S A (1 Mio. Tiere Schlachtkapazität pro Woche)

Quelle: eigener Entwurf

Joint production in a vertically-integrated broiler company in the United States (weekly processing capacity: 1 mill, birds)

systems zu erfassen, zum anderen darum, dessen räumliche Realisierung darzustellen und zu erklären.

Der letztgenannte Aspekt hat das Ziel, ein ökonomi- sches System in seiner räumlichen Struktur, Funk- tion und Dynamik zu untersuchen, um daraus z.B.

Planungskonzeptionen für die optimale Strukturie- rung der Organisation und räumlichen O r d n u n g sol- cher Verbundsysteme zu entwickeln, auch unter dem Aspekt der Minimierung der Umweltbelastungen

und der Negativwirkungen auf die sozioökonomische Struktur der Standräume.

In der Agrarwirtschaft sind solche Verbundsysteme im Gefolge der Industrialisierung der agrarischen Produktion entstanden. Analysiert wurden sie vor allem von D O R E L (1989), G R E G O R (1982), T R O U G H - T O N (1985, 1986) und W I N D H O R S T (1989a). W ä h r e n d sich jedoch G R E G O R und T R O U G H T O N allgemeiner mit dem Phänomen der Industrialisierung der Landwirt-

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schaft beschäftigen, haben D O R E L und der Verfasser auf der Basis einzelbetrieblicher Fallstudien die Strukturen derartiger Verbundsysteme eingehender untersucht. Dabei wurde deutlich, daß die Ausbil- dung vertikal integrierter agrarindustrieller Unter- nehmen als ein Charakteristikum des Industrialisie- rungsprozesses in der Landwirtschaft angesehen wer- den kann.

Sieht m a n einmal davon ab, daß Verbundsysteme im Agrarsektor z.B. bei der Zuckerproduktion, dem Brauereiwesen und in der tropischen Plantagenwirt- schaft aufgetreten sind, haben sich Verbundsysteme in einer industrialisierten Agrarwirtschaft im eigent- lichen Sinne erst nach dem Zweiten Weltkrieg ent- wickelt. Sie sind zunächst in der tierischen Produk- tion (Masthähnchenerzeugung, Eierproduktion, Rindfleischproduktion) entstanden, haben sich dann jedoch auch in der pflanzlichen Produktion ausge- weitet (Sonderkulturen, Tomatenanbau, Kartoffel- anbau).

3 Räumliche Verbundsysteme auf unterschiedlichen Ebenen Räumliche Verbundsysteme können in unter- schiedlicher Dimension ausgebildet sein. Einmal kann es sich z.B. um einen lokalen Verbund in einem vertikal integrierten Unternehmen handeln, dann u m einen Verbund auf einer mittleren Ebene, z.B. bei einer Großgenossenschaft, und letztlich u m nationale oder auch internationale Verbundsysteme, an denen mehrere agrarindustrielle Unternehmen oder Groß- genossenschaften beteiligt sein können.

3.1 Verbundsysteme auf der Mikroebene

Die wirtschaftsgeographische Analyse räumlicher Verbundsysteme auf der Mikroebene ging aus von einzelnen agrarindustriellen Unternehmen oder Ge- nossenschaften. Im Mittelpunkt der Analysen stan- den dabei deren Organisationsstruktur bzw. die räumliche A n o r d n u n g der an einem Produktions-

Abb. 2: Organisationsstruktur des Verbundsystems in der Rindermast der Weld C o u n t y (Colorado) Quelle: KRZEMIEN 1992

Organizational structure of a joint production system in cattle fattening (Weld County, Colorado)

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prozeß beteiligten Elemente (vgl. hierzu W I N D H O R S T

1989b, K L O H N 1990).

Bei dem in Abb. 1 dargestellten Verbundsystem in der Masthähnchenproduktion handelt es sich um eine gegenwärtig im Südosten der USA weitverbreitete Integrationsform. Sowohl was die Größenordnung des Produktionsvolumens als auch die Integrations- dichte angeht, kann m a n von einem typischen Ver- bund sprechen. M a n erkennt leicht, daß umfang- reiche Materialtransporte (Futter, Küken, Mast- hähnchen, Schlachtabfälle) auftreten. U m die Kosten hierfür zu minimieren, ist die räumliche Nachbar- schaft der einzelnen Elemente eines solchen Verbund- systems anzustreben. Die zu enge räumliche Konzen- tration findet jedoch aus Gründen der Umwelt- belastung und der Seuchenhygiene sehr schnell ihre Grenzen. Aus dem Ausgleich von Agglomerations- und Deglomerationsvorteilen (bzw. -nachteilen) er- hält das Verbundsystem seine spezifische räumliche Ausprägung.

3.2 Räumliche Verbundsysteme auf der Mesoebene Die Weld County in Colorado nimmt in der Rind- fleischproduktion der Vereinigten Staaten eine her- ausragende Stellung ein. Der Verkaufserlös aus der Rinderhaltung übersteigt die 500 Mio.$-Grenze.

Dies ist zurückzuführen auf das Unternehmen Mon- fort mit Sitz in Greeley. Neben d e r z . Z . weltweit wohl leistungsfähigsten Schlachterei für Mastrinder - hier werden etwa 5000 Tiere pro Tag geschlachtet - ver- fügt das Unternehmen über zwei feedlots in der Weld County mit je etwa 100 000 Mastplätzen. Zahlreiche kleinere Mastanlagen liefern ebenfalls Mastrinder an Monfort. Diese Farmer beziehen ebenso wie das Unternehmen Monfort die zur Mast eingestallten Kälber von Ranches und warm-upfeedlots (Vormast bis etwa 200 kg). Der hohe Futterbedarf für die Mast- rinderhaltung hat dazu geführt, daß sich ein inten- siver Bewässerungsfeldbau für die Alfalfa- und Mais- produktion ausgebildet hat. Die Organisationsstruk- tur des entstandenen Verbundsystems zeigt Abb. 2.

Betrachtet m a n die räumliche Ausprägung des Verbundsystems (Abb. 3), so werden eine Reihe von Steuerungsfaktoren für das vorliegende räumliche Ordnungsmuster erkennbar. Die Schlachterei in Greeley liegt sehr zentral zu den feedlots in der süd- westlichen Weld County. Hier sind sowohl der Zeit- aufwand für den Transport (Verminderung der Streßwirkung) als auch die Transportkosten von steuerndem Einfluß. Diefeedlots selbst sind ausnahms- los innerhalb des Bewässerungsgebietes gelegen. Die Versorgung mit Futterpflanzen und die Verwer-

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Abb. 3: Das räumliche Verbundsystem in der Rindermast der Weld County (Colorado)

Quelle: KRZEMIEN 1 9 9 2

Spatial structure of the joint production system in cattle fattening (Weld County, Colorado)

tungsmöglichkeit für die anfallenden tierischen Exkremente sind hier von Bedeutung. Die in den angrenzenden unbewässerten Gebieten gelegenen Ranches sind nicht in der Lage, die feedlots mit den benötigten Jungtieren zu versorgen, so daß diese aus nahezu allen Staaten westlich des Missisippi ange- kauft werden. Auch der Pflanzenbau im Bewässe- rungsgebiet u m Greeley reicht nicht aus zur Erzeu- gung der benötigten Futtermittel für die Mast. Der Zukauf erfolgt in anderen Produktionsgebieten Colo- rados und östlich angrenzender Staaten. Diese Situa- tion hat Monfort veranlaßt, ein drittes großes feedlot in der an Kansas und Nebraska angrenzenden Yuma County zu errichten. Der Absatz des Rindfleisches erfolgt in den gesamten USA, wobei allerdings die

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¿4M. 4: Räumliche Struktur der Norddeutschen Fleischzentrale (NFZ) Quelle: NIENHAUS 1 9 9 2

Spatial structure of the Norddeutsche Fleischzentrale (NFZ)

westlichen Staaten allein wegen der Transportkosten H a u p t a b n e h m e r sind.

Die Norddeutsche Fleischzentrale (NFZ) mit Sitz in H a m b u r g ist überwiegend in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen tätig (Abb. 4), verfügt jedoch auch über Schlachtbetriebe in Nord- rhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Neu- anlagen sind in Mecklenburg-Vorpommern, Bran-

denburg und Thüringen im Bau, ebenfalls ein Groß- schlachthof im Landkreis Cloppenburg (Niedersach- sen). Mit der Westfleisch (Münster) und der Südfleisch (München) gehört die NFZ zu den Marktführern bei der Erzeugung von Schweinefleisch; sie tätigen U m - sätze zwischen etwa 2,5 und 4,5 Mrd. D M .

In der Markenfleischproduktion ist es zu einer engen Kooperation der NFZ mit dem Verein zur Förde-

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rung der bäuerlichen Veredlungswirtschaft (VzF) in Uelzen gekommen. Dieses Verbundsystem und dessen räum- liche Ausprägung sind in diesem Z u s a m m e n h a n g von besonderem Interesse. Die NFZ bringt in die M a r - kenfleischprogramme ihre Schlacht-, Zerlegungs- und Vermarktungseinrichtungen ein, insbesondere den Schlachthof in Zeven, der auf diese Programme ausgerichtet ist. Der VzF, der 1963 mit dem Ziel gegründet wurde, die angeschlossenen Betriebe um- fassend zu beraten in den Bereichen Zucht, Mast, Vermarktung, Fütterung und Qualitätskontrolle, bringt diesen gesamten Dienstleistungsbereich ein, außerdem über die Bauernsiegel Erzeugergemein- schaft für Markenfleisch die Schlachttiere. An der Markenfleischgesellschaft m . b . H . sind VzF und NFZ zu jeweils 50% beteiligt. Zwei Geschäftsführer koordinieren Produktion und Vermarktung, außer- dem tragen sie dafür Sorge, daß der Qualitäts- standard eingehalten wird. Die organisatorischen Verflechtungen zeigt Abb. 5, die Zuordnung der zehn Erzeugerbezirke zu den Schlachthöfen geht aus Abb. 6 hervor.

Das beim VzF vorhandene Know how in der Ent- wicklung bestimmter Zuchtlinien sowie der Aufbau einer vertikalen Integrationskette von der Zucht über die F e r k e l e r z e u g u n g u n d - V e r m a r k t u n g bis h i n z u r Mast und dem Absatz der Schlachttiere waren ein Auslöser für die Schaffung eines Verbundsystems; der Wunsch der NFZ, neben der Standardqualität auch Markenfleisch anzubieten, ein zweiter. Modernste Schlachteinrichtungen und eine leistungsfähige Ver- marktungsorganisation waren attraktive Elemente zur Vervollständigung der Integrationskette.

Handel

M a r k e n f l e i s c h ( B a u e r n s i e g e l , L a n d j u w e l )

M a r k e n f l e i s c h g e s e l l s c h a f f m.b.H.

50%

V e r m a r k t u n g

S c h l a c h t h o f Z e v e n

N o r d d e u t s c h e F l e i s c h z e n t r a l e GmbH

(NFZ)

5 0 %

B a u e r n s i e g e l E r z e u g e r g e m e i n s c h a f t

I

H y b r i d - F e r k e l - e r z e u g e r g e m e i n s c h a f t

I

H y b r i d z u c h t

V e r e i n z u r F ö r d e r u n g der bäuerlichen V e r e d e l u n g s w i r t s c h a f t

( V z F )

Abb. 5: Der Produktionsverbund zwischen der Norddeut- schen Fleischzentrale ( N F Z ) und dem Verein zur Förde- r u n g der bäuerlichen Veredelungswirtschaft (VzF) Quelle: NIENHAUS 1992, v e r ä n d e r t

T h e joint production system of the Norddeutsche Fleisch- zentrale ( N F Z ) and the Verein zur Förderung der bäuer- lichen Veredelungswirtschaft (VzF)

3.3 Räumliche Verbundsysteme auf der Makroebene Wegen des wachsenden Importdrucks vor allem niederländischer Produzenten auf die deutsche Kartof- felwirtschaft und eines ständig sinkenden Pro-Kopf-

Verbrauchs entschied sich die Centrale Marketing- geseilschaft der deutschen Agrarwirtschaft ( C M A ) zu einem neuen Produktions- und Vermarktungskon- zept. N I E N H A U S (1992) hat in seiner bereits erwähnten Studie untersucht, welche Organisations- struktur von der C M A gewählt wurde und welche Verbundsysteme sich in der Folgezeit einstellten.

Ziel der C M A war es, eine Markenkartoffel anzu- bieten, die durch klar definierte Eigenschaften bezüg- lich Sorte u n d Qualität vom Konsumenten landes- weit identifiziert werden konnte. Dies war Vorausset- zung für eine Werbestrategie. U n t e r dem N a m e n Ackergold wurde das Konzept gestartet. U m den gefor-

derten Qualitätsstandard halten zu können, wurde von der C M A ein Lizenz-System eingeführt. Es wurden Versandhandelsbetriebs-Lizenzen (V) und Abpackbetriebs-Lizenzen (A) vergeben, wenn be- stimmte Kriterien erfüllt waren. An Betriebe mit einer V-Lizenz können z. B. nur Erzeugergemein- schaften liefern, die mindestens 15 Mitglieder haben und pro J a h r wenigstens 1000 t Ackergold-Kartoffeln anbieten.

Ende der achtziger J a h r e waren in den alten Bun- desländern vier räumliche Schwerpunkte (Abb. 7) ausgebildet, die sich einmal an den Standortbedin- gungen, d . h . den Schwerpunkten der Kartoffelerzeu- gung in Niedersachsen und Bayern, zum anderen an den wichtigsten Konsumgebieten in Nordrhein-West- falen und dem Rhein-Main-Gebiet orientierten.

U m den Verbund zwischen den landwirtschaft- lichen Betrieben und den Betrieben mit einer Ab- pack- bzw. Versand-Linzenz aufzuzeigen, ist von

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Abb. 6: Räumliche Struktur und Mitgliederzahl der einzelnen Bezirke im VzF-Verbund (Produktionsbereich Ferkel und Mast)

Quelle: NIENHAUS 1992

Spatial structure and m e m b e r distribution in the production regions of V z F

N I E N H A U S das Unternehmen Lünekartoffel in Süd- gellersen ausgewählt worden. Etwa 200 landwirt- schaftliche Betriebe sind in zwei Erzeugergemein- schaften zusammengefaßt. Die Erzeuger liefern ihre Ware bei den Verlade- bzw. Sortiereinrichtungen an, von dort wird sie zur Abpackeinrichtung in Südgeller- sen geliefert bzw. von Transportfahrzeugen des Unternehmens abgeholt. Dort werden Partien be- stimmter Sorten und Größenordnungen für den Lebensmittelhandel zusammengestellt und zwi- schengelagert. Der Absatz erfolgt mit unternehmens- eigenen Fahrzeugen. Das Verbundsystem ist in Abb. 8, die räumliche Ausprägung in Abb. 9 darge- stellt. M a n erkennt leicht den hinter dem räumlichen Ordnungsmuster stehenden Steuerungsfaktor. Da Kartoffeln im Vergleich zu ihrem Volumen und Ge- wicht einen geringen Wert haben, sind die Einzugs- gebiete der Verlade- und Sortiereinrichtungen recht klein dimensioniert. Innerhalb der Einzugsgebiete kommt es zu einer beträchtlichen Konzentration kar-

toffelerzeugender Betriebe. N I E N H A U S (1992, S. 185) weist daraufhin, daß die vertragliche A n b i n d u n g der Landwirte an die Lizenz-Betriebe z. Z. noch nicht straff genug ist, weil keine Anlieferungspflicht besteht und sich damit die mengenmäßige Disposition der Abpack-Linzenz-Betriebe ausgesprochen schwierig gestaltet.

Die Fallstudie zeigt, daß das Ackergold-Programm der C M A in der gesamten Bundesrepublik ausgebil- det ist. Die Verklammerung erfolgt durch gesetzte Qualitätsstandards, eine einheitliche Werbung und die Vergabe von Lizenzen. Auf einer unteren Ebene ist dann ein Verbundsystem zwischen Erzeugern und Lizenz-Betrieben ausgebildet, das wegen der Trans- portkostenbelastung für das erzeugte Gut durch jeweils recht enge räumliche Dimensionen u m die

Lizenz-Betriebe gekennzeichnet ist. Probleme stellen sich neuerdings durch zunehmende Viruserkrankun- gen der Kartoffeln ein. Dies könnte zu einer Deglo- meration führen.

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Abb. 7: Ackergold-Versand- und Abpackbetriebe in der Bundesrepublik Deutschland 1989 Quelle: NIENHAUS 1992

Packing and sorting facilities in the Ackergold production system in G e r m a n y , 1989

4 Konvergenzphänomene in der Ausbildung von Verbund- systemen in der pflanzlichen und tierischen Produktion Die vorangehenden Fallstudien haben deutlich werden lassen, daß sich in der pflanzlichen und tieri- schen Produktion ähnliche Organisationsstrukturen ausbilden. Hier sollen die wesentlichen Gründe für

diese Konvergenz behandelt werden. Vertikal inte- grierte Unternehmen in der Broilermast standen am Anfang derartiger Verbundsysteme (vgl. Ab- schnitt 3.1). Gesteuert wurde dieser Prozeß durch Marktnachfrage, niedrige Lohnkosten, günstige Frachttarife und die vorteilhafte klimatische Ausstat- tung des Südostens der USA. Andere Beispiele haben

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gezeigt, daß auch hier ähnliche Steuerungsfaktoren wirksam geworden sind, wenngleich in unterschied- licher Stärke. Die Konzentration der Rindermast im nördlichen Colorado wurde bewirkt durch die klima- tische Situation auf dem Coloradoplateau, die Ver- fügbarkeit über Jungrinder aus der Beweidung der Grasländer sowie von Futtermitteln aus dem Bewäs- serungsfeldbau und der wachsenden Nachfrage nach Rindfleisch im Westen der USA. Auf ähnliche Steue- rungsfaktoren läßt sich auch die Konzentration der Schweinemast in Nordwestdeutschland zurückfüh- ren, wobei die Lage zu seeschifftiefen Häfen, über die das benötigte Futter eingeführt wird, eine entschei- dende Rolle gespielt hat. Das Programm Ackergold ist als Reaktion auf die sich abzeichnende Verdrän- gung der deutschen Kartoffelerzeuger vom Inlands- markt durch niederländische Genossenschaften zu verstehen.

M a n erkennt bei einer vergleichenden Betrach- tung, daß einmal Standortfaktoren, wie z.B. Verfüg- barkeit über Rohstoffe, günstige Lage zu den wichtig- sten Märkten, Vorhandensein billiger Arbeitskräfte, die eher als traditionelle Steuerungsfaktoren zu kenn- zeichnen sind, eine Rolle gespielt haben, zum ande- ren aber auch mikro- und makroökonomische Ge- sichtspunkte. Auf der Mikroebene bot die Ausbil- dung von Verbundsystemen den Vorteil, die einzel- nen Produktionsschritte exakt aufeinander abzu- stimmen, um eine optimale Auslastung der jeweiligen Betriebe, seien sie nun selbständige Unternehmen oder Teil eines vertikal integrierten Unternehmens, zu erreichen. Kurze Transportdistanzen zwischen den Betriebsstätten bewirkten eine Reduzierung der Kosten, die schnelle Rückmeldung über ökonomi- sche Erfolge bzw. Mißerfolge führten zu einer schnel- leren Anpassung des Gesamtsystems an veränderte Rahmenbedingungen. So verwundert es auch nicht, daß Verbundsysteme zuerst in der Geflügelhaltung entwickelt wurden. Hier lassen sich die einzelnen Schritte in einem umfassenden Produktionsprozeß (z. B. bei der Geflügelfleischerzeugung) klar vonein- ander abgrenzen und weitestgehend automatisieren, außerdem erlaubt die kurze Erbrütungszeit für Küken ein schnelles Reagieren auf Marktverände- rungen. Dies gestaltet sich im Pflanzenbau oder in der Rindviehhaltung sehr viel schwieriger. Grenzen fin- det die regionale Konzentration sowohl im Pflanzen- bau als auch in der Nutztierhaltung auf der lokalen Ebene, z. B. wegen auftretender Krankheiten, einer Uberversorgung mit tierischen Exkrementen bzw.

eines zu hohen Bedarfs an Spritzmitteln. Kostenvor- teile, die aus der Vergrößerung der Nutztierbestände bzw. der Anbauflächen erwachsen können, werden

I n t e q r a t i o n s s t u f e

Distribution

A - L i z e n z

V e r l a d e - und Sor tier Einrichtungen

Erzeuqerqemeinschaf t

Produktion

Abb. 8: Vermarktungs- u n d Verbundstruktur des Unter- nehmens L U N E K A R T O F F E L in Südergellersen Quelle: NIENHAUS 1992

T h e structure of marketing and joint production in the L Ü N E K A R T O F F E L company in Südergellersen

durch die entstehenden Folgekosten leicht wieder auf- gezehrt. Es m u ß ein austariertes Gleichgewicht ge- funden werden, dies stellt sich allerdings häufig erst nach der Fehlentwicklung ein.

Auf der Makroebene wurden andere Steuerungs- faktoren wirksam. Die schnell verlaufende sektorale Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel führte dazu, daß auf der Abnehmerseite für Agrarprodukte immer größere Partien eines bestimmten Produkts mit definierten Qualitätsmerkmalen nachgefragt wurden. Dieser Nachfrage konnten kleinere Produ- zenten weder vom Volumen noch vom verlangten Qualitätsstandard begegnen. Der Nachfrage mußten entsprechende Angebote gegenübergestellt werden.

Die nachgefragten Mengen ließen sich nur durch horizontale Integration bereitstellen, die geforderten Standards durch vertragliche Bindung der Primär- produzenten an die nachgelagerte Industrie garantie- ren. Beispiele lassen sich sowohl im Pflanzenbau als auch in der Nutztierhaltung finden. Ließ sich eine solche Form der Vertragslandwirtschaft nicht organi- sieren, war die Ausbildung vertikal integrierter Unternehmen, die auch die Primärproduktion ein- schloß, die Folge. Dies ist z.B. in der Eierproduktion, z.T. auch in der Rindermast der Fall gewesen, weni- ger allerdings im Pflanzenbau, weil dort die Erzeuger zumeist genossenschaftlich organisiert sind (vgl.

K L O H N 1 9 9 0 , K R Z E M I E N 1 9 9 2 , N I E N H A U S 1 9 9 2 ) . Lebensmittelhandel

LÜNEKARTOFFEL

A b p a c k - L i z e n z - B e t r i e b

S o r t i e r - und Verladung Verladung

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Eyendorf Lüneburg Amelinghausen H a n s t e d t

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200 Erzeuger

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HAMBURG^

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S ü d e r g e l l e r s e n

Eyendorf

Amelinghausen

M u n s t e r

U e l z e n LÜNEBURG

H a n s t e d t

• Z e n t r a l e der LUNEKARTOFFEL

• V e r l a d e - und Sortiereinrichtung Einzugsgebiet der jeweiligen

^ } V e r l a d e - und S o r t i e r e i n r i c h t u n g (ca. 20 km Radius)

A1 Bi

= A u t o b a h n B u n d e s s t r a ß e

= • Eisenbahn

5 10 15 20 km

• V e r l a d e e i n r i c h t u n g

Abb. 9: Räumliche Struktur der Verlade- und Sortiereinrichtungen des U n t e r n e h m e n s L U N E K A R T O F F E L und Erzeuger-Einzugsgebiet

Quelle: NIENHAUS 1 9 9 2

Spatial distribution of the sorting and shipping facilities of the L Ü N E K A R T O F F E L company and of the potato producers

Während in einigen Zweigen der Nutztierhaltung anderen Zweigen wie auch in der Pflanzenproduktion vertikal integrierte Unternehmen entstanden sind, solche Unternehmensformen selten. Hier kommt es die auch die Primärproduktion einschließen, sind in eher zu einer vertraglichen A n b i n d u n g der in Erzeu-

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gerringen oder Genossenschaften organisierten Primärproduzenten. Die Verbundsysteme sind das Ergebnis von Steuerungsprozessen auf der Mikro- und Makroebene. Kostenvorteile durch Vergröße- rung des Produktionsvolumens, eine weitgehende Mechanisierung der Erzeugung sowie eine exakte Abstimmung der einzelnen Produktionsschritte wer- den ebenso wirksam wie die aus der Konzentration im Lebensmittelhandel resultierende Nachfrage nach großen Mengen eines Gutes mit bestimmten Quali- tätsmerkmalen.

5 Kongruenz agrarischer und industrieller Verbundsysteme Die Analyse der in der Agrarwirtschaft entstande- nen organisatorischen und räumlichen Verbund- systeme hat gezeigt, daß eine offensichtliche Kon- gruenz mit industriellen Verbundsystemen vorliegt.

Auf die Standortentscheidungen von Industriebetrie- ben sowie die hinter Agglomeration bzw. Deglomera- tion stehenden Steuerungsfaktoren und die Struktur industrieller Verbundsysteme kann hier nicht ein- gegangen werden, es sei auf die Ausführungen bei

B R Ü C H E R (1982), M I K U S (1979) und V O P P E L (1990) verwiesen. Es sollen jedoch einige Aspekte vorgestellt werden, die erkennen lassen, daß eine Kongruenz vorhanden ist. Wenn sie vor allem aus dem Bereich der tierischen Produktion entnommen sind, ist die Ursache in der eingehenderen Analyse der dort vor- handenen Systeme zu sehen.

In der verarbeitenden Industrie ist zu beobachten, daß mit der Arbeitsteilung die räumliche Bindung zwischen den jeweiligen Produktionsstandorten zunimmt. Hier sind die Minimierung der Transport- kosten, Fragen der Energieeinsparung u. a. Steue- rungsfaktoren zu nennen. Die räumliche Nachbar- schaft von Hochofen und Walzwerk ist ein eindrucks- volles Beispiel. Ahnliche Phänomene lassen sich auch in der Mast, Schlachtung und Verarbeitung von Nutztieren feststellen (vgl. Abb. 1). Da lebende Tiere aus Gründen des Tierschutzes, aber auch aus ökono- mischen Gesichtspunkten (Gewichtsverlust, Mortali- tätsraten) n u r über relativ kurze Distanzen transpor- tiert werden können, verfügen die Schlacht- und Ver- arbeitungsbetriebe über recht eindeutig abgrenzbare Einzugsgebiete. Während man vor dem Ubergang zum Tiefkühltransport mit Lastkraftwagen die Schlachttiere (Schweine, Rinder, Kälber) zumeist mit der Eisenbahn zu den im Nahbereich der Agglo- merationen gelegenen Schlachthöfe beförderte, er- folgt heute die Schlachtung fast ausschließlich in den Gebieten der Primärproduktion. Unverkennbar ist

der Trend, die Zerlegung der Tiere u n d auch die Ver- arbeitung zu hochwertigen Produkten (z. B. Wurst- waren) im Nahbereich der Schlachtstätten oder direkt in diesen vorzunehmen, um die Frachttragfahigkeit der zu transportierenden Güter zu erhöhen und ein mehrmaliges Umladen auszuschließen. In der Mast- geflügelproduktion ist der Grad der Veredelung besonders weit fortgeschritten. Es werden hochver- edelte Endprodukte bis hin zu kompletten Fertig- menues hergestellt, die dann auch auf internationalen Märkten abgesetzt werden können. Hierin ist eine Parallele zu sehen zur Herstellung von Spezialstahl, verzinkten Karosserieblechen oder auch hochver- edelten Produkten (z. B. Schneidwerkzeuge) in der Stahlindustrie.

Besonders weit verzweigte Verbundsysteme sind in der Automobilindustrie entstanden. Bemerkenswert ist, daß in einigen Zweigen der Geflügelwirtschaft ähnliche Abfolgen in der Entwicklung festzustellen sind. Die schnelle Produktionsausweitung im Auto- mobilbau erfolgte in den USA bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. J a h r h u n d e r t s durch den Uber-

gang zur Fließbandproduktion. Ein neuer Impuls erfolgte durch die Einführung von Industrierobotern und die sogenannte just-in-time-Anlieferung der im Montagewerk zusammenzufügenden Einzelteile.

Hier waren japanische Hersteller die Vorreiter. Die Errichtung von Montagewerken u n d die Einführung neuerer Modelle erforderten Investitionen in Milliar- denhöhe, was dazu führte, daß die Automobilindu- strie gegenwärtig durch eine sehr starke sektorale und regionale Konzentration gekennzeichnet ist (vgl.

V O P P E L 1990, S. 179ff.; B R Ü C H E R 1982, S. 1 1 1 ff.;

G A E B E 1 9 9 1 ) .

In der Broilerindustrie war der U b e r g a n g zu gro- ßen Tierbeständen erst möglich, als die Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser automatisiert wer- den konnte. Dies gilt ebenfalls für die Eierproduk- tion. D a für die Schlachtung u n d Weiterverarbeitung der Hähnchen sehr viele Arbeitskräfte benötigt wur- den, kam es in den USA zu einer Verlagerung in den Südosten, wo nach der Westwärtsverlagerung des Baumwollanbaus in den fünfziger J a h r e n viele billige Arbeitskräfte verfügbar waren (vgl. auch Abschnitt 3.1). Auch hier erfolgte mit der Entwicklung neuer Produkte ein weiterer Innovationsschub. In den Ver- arbeitungsbetrieben werden zunehmend Automaten eingesetzt, um das Fleisch von den Knochen zu tren- nen (deboning) oder bestimmte Stücke zu erhalten (Brustfilets). Ahnliche Automatisierungstendenzen lassen sich in Eiproduktwerken und neuerdings eben- falls in Schlachtbetrieben für Großvieh (EDV-ge- stützte Zerlegung von Schweinehälften) beobachten.

(12)

Die hohen Investitionskosten für derartige Unterneh- men haben auch hier zu einer extremen sektoralen Konzentration geführt.

U m Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe, die z.B.

eine Mio. Hähnchen bzw. 20 000 Mastschweine pro Woche schlachten, voll auszulasten, ist eine äußerst präzise Logistik notwendig, die dem just-in-time- Konzept in Industriezweigen in ihrer Komplexität nicht nachsteht. Dies mag an einigen Beispielen erläutert werden.

U m eine Hähnchenschlachterei pro Woche mit 1 Mio. Masthähnchen zu versorgen, ist eine länger- fristige Vorausplanung notwendig (vgl. Abb. 1). Geht man von 42 Masttagen und 21 Bruttagen aus, m u ß 63-64 Tage vor dem vorgesehenen Schlachtdatum eine hinreichend große Zahl von Bruteiern in die Brutmaschinen eingelegt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß nicht alle eingelegten Eier be- fruchtet sind. U m diese Bruteier erzeugen zu können, müssen Elterntiere bereitstehen, die diese Eier legen, hierfür ist wiederum rechtzeitig Ersatz zu schaffen, etc.

Die Masthähnchen und Elterntiere sind mit Futter zu versorgen, hierfür sind die Rohkomponenten auf dem Weltmarkt einzukaufen, um zum richtigen Zeit- punkt die notwendige Futtermenge anliefern zu kön- nen. Das Ausstallen, Verladen und der Transport der Tiere ist so zu planen, daß zwischen Ausstallen und Schlachtung eine möglichst kurze Zeit liegt und län- gere Wartezeiten, vor allem in den Sommermonaten, ausgeschlossen werden. Allein diese Hinweise machen deutlich, daß die Produktionssteuerung in Unternehmen, die z.T. 25 Mio. und mehr Hähnchen pro Woche schlachten (Tyson, Arkansas), nur noch mit Hilfe von ausgefeilten Computerprogrammen möglich ist.

Auch im Pflanzenbau sind ähnliche Steuerungs- prozesse anzutreffen. Die Verarbeitung von Indu- strietomaten in Kalifornien erfolgt in wenigen Mona- ten. U m die großen Verarbeitungsbetriebe im Längs- tal regelmäßig mit Tomaten zu versorgen, ist eine präzise Abstimmung der Pflanzzeit mit den Farmern notwendig. Sie wird etwa neun Monate bis zu einem J a h r vor der eingeplanten Ablieferungswoche fest-

gelegt. Das genaue Erntedatum und die dann zu festen Zeitpunkten anzuliefernden Mengen werden einige Wochen vorher bestimmt, u m den Einsatz der Tomatenvollernter optimal gestalten zu können.

Ebenfalls einer detaillierten Planung bedarf die Be- reitstellung von Bewässerungswasser.

Auf zwei weiteren Parallelen soll abschließend hin- gewiesen werden. Auch bei vertikal integrierten agrarindustriellen Unternehmen bilden sich zuneh-

mend Mehrbetriebsunternehmen aus. Die Steue- rungsfaktoren sind sehr ähnlich, auch hier werden Fragen des besseren Marktzugangs, der Versorgung mit Arbeitskräften oder Rohstoffen (z. B. Futtermit- tel) wirksam. Einige dieser Großunternehmen sind auch international tätig. Am Beispiel des Agrarkon- zerns ConAgra konnte aufgezeigt werden, daß neben der Erschließung neuer Märkte auch die Risiko- streuung als ein wichtiges M o m e n t bei der G r ü n d u n g bzw. Ü b e r n a h m e ausländischer Unternehmen eine Rolle gespielt hat ( W I N D H O R S T 1 9 8 9 C ) . Die einzelnen Betriebe sind in ihren Entscheidungen weitgehend selbständig, allerdings wird von der Zentrale ( O m a h a , Nebraska) die zu verfolgende Gesamt- strategie vorgegeben.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß eine unverkennbare Kongruenz zwischen agrarischen und industriellen Verbundsystemen besteht. Der Ubergang zur Massenproduktion hat ebenso wie in der Industrie auch in der Erzeugung pflanzlicher und tierischer Güter eine weitgehende Mechanisierung zur Folge gehabt. In der Verarbeitung der Rohwaren geht m a n zur Verwendung von Automaten über, u m die Lohnkosten zu senken. Just-in-time-Anlieferung ist in der Verarbeitungsindustrie vielfach eingeführt, neben der Kostensenkung spielen hier auch Aspekte des einzuhaltenden Qualitätsstandards sowie des Tierschutzes eine Rolle. In vertikal integrierten agrarindustriellen Unternehmen erreicht die Steue- rung der Produktionsabläufe eine solche Komplexi- tät, daß sie n u r noch EDV-unterstützt zu bewältigen ist. In den agrarindustriellen Unternehmen ist ein Trend hin zur Ausbildung von Mehrbetriebsunter- nehmen unverkennbar. Einige Agrarkonzerne ent- wickeln sich zu multinationalen Unternehmen mit Umsätzen, die 20 M r d . $ (ConAgra) erreichen kön- nen. Sie sind in Organisation, Diversifikation und Unternehmensstrategien nicht von Konzernen im Bereich der Industrie zu unterscheiden. Hier ist die Kongruenz vollständig erreicht.

6 Perspektiven

Die vorangehenden Ausführungen hatten sich zum Ziel gesetzt, Konvergenzphänomene bezüglich der Ausbildung von organisatorischen und räumlichen Verbundsystemen im Pflanzenbau und der Nutztier- haltung aufzuzeigen und die Kongruenz agrarischer und industrieller Verbundsysteme nachzuweisen.

Die Konvergenz in der pflanzlichen und tierischen Produktion wird von ökonomischen Entscheidungen sowohl auf der Mikro- als auch der Makroebene

(13)

g e s t e u e r t . W ä h r e n d es a u f d e r e i n z e l b e t r i e b l i c h e n E b e n e vielfach F r a g e n d e r K o s t e n m i n i m i e r u n g s i n d , die zu V e r b u n d s y s t e m e n f ü h r e n , h a t die s e k t o r a l e K o n z e n t r a t i o n im L e b e n s m i t t e l e i n z e l h a n d e l a u f d e r M a k r o e b e n e w e i t r e i c h e n d e W i r k u n g e n .

D i e K o n g r u e n z a g r a r i s c h e r u n d i n d u s t r i e l l e r V e r - b u n d s y s t e m e ist offensichtlich. M i t d e m Ü b e r g a n g z u r M a s s e n p r o d u k t i o n lief e i n e M e c h a n i s i e r u n g u n d A u t o m a t i s i e r u n g z a h l r e i c h e r P r o d u k t i o n s s c h r i t t e p a r a l l e l . Just-in-time-Konzepte h a b e n sich i m A g r a r - s e k t o r , v o r a l l e m bei v e r t i k a l i n t e g r i e r t e n a g r a r i n d u - striellen U n t e r n e h m e n , d u r c h g e s e t z t . D e r T r e n d h i n zu M e h r b e t r i e b s u n t e r n e h m e n u n d z u i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e n G r o ß k o n z e r n e n ist u n v e r k e n n b a r .

D i e s e E n t w i c k l u n g läßt v e r s t ä n d l i c h w e r d e n , d a ß in d e r A g r a r p o l i t i k u n d e i n e r S t r u k t u r p o l i t i k für l ä n d - liche R ä u m e die A u f f a s s u n g e n d a r ü b e r , w e l c h e n W e g die A g r a r w i r t s c h a f t e i n s c h l a g e n soll, w e i t a u s e i n - a n d e r l i e g e n . Ü b e r die R o l l e , die L a n d w i r t e in sol- c h e n V e r b u n d s y s t e m e n a u f D a u e r e i n n e h m e n w e r - d e n u n d k ö n n e n , b e s t e h e n a u c h u n t e r d e n Betroffe- n e n selbst s e h r u n t e r s c h i e d l i c h e V o r s t e l l u n g e n , w e n n m a n z. B. L e i t b i l d e r e i n e r d ä n i s c h e n , n i e d e r l ä n d i - s c h e n , d e u t s c h e n o d e r a u c h U S - a m e r i k a n i s c h e n A g r a r s t r u k t u r p o l i t i k v e r g l e i c h t .

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