F
ünf Formen der Praxis- gründung lassen sich bei den von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank vorgenommenen Finanzie- rungen 1995/96 unterschei- den, wobei sich die nachfol- genden Prozentsätze auf Westdeutschland beziehen:1 Einzelpraxisneugrün- dungen (32,5 Prozent),
1 Einzelpraxisübernah- men (47,5 Prozent),
1 Gemeinschaftspraxis- neugründungen (4,1 Pro- zent),
1 Praxisgemeinschafts- neugründungen (0,7 Pro- zent),
1 Eintritt in eine be- reits bestehende Praxis (15,2 Prozent).
Der Trend, eine Praxis zu übernehmen oder in eine be- stehende einzutreten, war in Westdeutschland mit 62,7 Prozent aller Finanzierun- gen hoch. In Ostdeutschland spielt die Einzelpraxisneu- gründung mit 66,1 Prozent die entscheidende Rolle. Nur 10,8 Prozent aller Finanzie- rungen dienten in den neuen Ländern der Gemeinschafts- praxisneugründung. Einzel- praxisübernahmen (17,7 Pro- zent) beschränkten sich auf wenige Fachgebiete.
Einzelpraxis
Von den in die Auswer- tung eingehenden Belegen entfielen in Westdeutschland 80 Prozent auf Einzelpraxis- neugründungen und -über- nahmen. 60,7 Prozent der Einzelpraxisfinanzierungen
waren Übernahmen und le- diglich 39,3 Prozent Neu- gründungen. Dieses Verhält- nis dürfte auch durch die Zu- lassungsbeschränkungen des GSG verursacht worden sein.
Wegen der geringen Zahl von Gemeinschaftspraxen und Praxisbeitritten in den mei- sten Fachgebieten bezieht sich die nachfolgende Aus- wertung zunächst nur auf Einzelpraxen.
Von den in Ostdeutsch- land erfaßten Niederlassun- gen entfielen rund 66 Prozent auf Einzelpraxisneugründun- gen. Bei knapp 18 Prozent wurde das Merkmal Einzel- praxisübernahme angegeben.
Übernahmen fanden nur bei den primärärztlich tätigen Fachgebieten der Allgemein- ärzte, Internisten und Kin-
derärzte statt. Praxisübernah- men wie auch Gemein- schaftspraxisgründungen wur- den deshalb nicht analysiert.
Im folgenden Text werden zunächst immer die Ergebnis-
se für Westdeutschland und in Klammern die entspre- chenden Werte für Ost- deutschland dargestellt.
60 Prozent (63,7 Prozent) aller Kreditnehmer waren zwischen 33 und 40 Jahre alt, weitere 21,8 Prozent (6,6 Pro- zent) zwischen 41 und 45 Jah- re. Auch im Osten wurde über die Hälfte der Finanzie- rungen im Alter zwischen 33 und 40 Jahren getätigt.
Gleichzeitig hatten aber jun- ge Ärzte unter 33 Jahren im Osten einen deutlich höheren Anteil an den Einzelpraxisfi- nanzierungen als im Westen
(15,7 gegenüber 5,8 Prozent).
Bei den analysierten Finan- zierungen zeigte sich im We- sten ein deutlicher Schwer- punkt der Einzelpraxisgrün- dungen in der Großstadt, während im Osten Praxis- gründungen überwiegend in Mittelstädten vorgenommen wurden: 44,4 Prozent (24,8 Prozent) aller Praxisfinanzie- rungen lagen in der Groß- stadt, weitere 39 Prozent (53,4 Prozent) in Mittelstäd- ten und 8,2 Prozent (10,7 Pro- zent) in Kleinstädten. Dabei ist allerdings zu berücksichti- gen, daß 66,5 Prozent (75,6 Prozent) aller Praxisfinanzie- rungen auf Spezialisten ent- fielen, deren Niederlassung tendenziell im städtischen Bereich stattfindet.
Das mittlere Finanzie- rungsvolumen einer Einzel- praxis lag in Westdeutschland 1995/96 bei 361 019 DM. Es errechnet sich aus Praxisneu- gründungen und Praxisüber- nahmen. In Ostdeutschland betrug das mittlere Finanzie- rungsvolumen einer Einzel- praxisneugründung 374 188 DM. Die Durchschnittsbeträ- ge sowie alle im folgenden Text genannten Werte bezie- hen sich nur auf die in der Ta- belle dargestellten Fachge- biete.
Im Westen zeigte sich eine Vorteilhaftigkeit im Finanzie- A-2581 Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 40, 3. Oktober 1997 (61)
V A R I A WIRTSCHAFT
Chirurgen Orthopäden Urologen HNO-Ärzte Internisten Augenärzte Gynäkologen alle Ärzte Hautärzte Kinderärzte Allgemeinärzte Anästhesisten Neurologen/Psychiater
621
TDM 0 100 200 300 400 500 600 700 494
457 407 361 335
245 238
578 462
362
282 271
Grafik
Praxisgründung 1995/96
Investitionsverhalten von Ärzten
In den Jahren 1995/96 wurden rund 1 500 der von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank vorgenommenen Finanzierungen von Praxis- gründungen nach einer einheitlichen Systema- tik ausgewertet. Diese Auswertung der APO-
Bank gemeinsam mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepu- blik Deutschland (ZI) vermittelt ein Bild über das Investitionsverhalten der Ärzte und Ärztin- nen bei Praxisneugründung und -übernahme.
Durchschnittsbetrag der Praxisfinanzierung für Einzelpraxen in Westdeutschland 1995/96 (TDM = 1 000 DM)
Quelle: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, ZI
rungsvolumen bei der Praxis- neugründung mit 334 927 DM im Verhältnis zur Praxisüber- nahme mit 377 944 DM. Die Vorteilhaftigkeit ist allerdings nach Fachgebieten unter- schiedlich. Soweit die Über- nahme günstiger ist, ist dies im wesentlichen durch geringere Betriebsmittelkredite be- dingt. Die geringeren Kosten für Geräte und Praxisausstat- tung bei Praxisübernahmen werden durch die Zahlung von Übernahmeentgelt für den materiellen und immate- riellen Wert relativiert. Auch ist zu berücksichtigen, daß möglicherweise unterschiedli- che Praxisgrößen in den Ver- gleich eingehen.
Im Zeitvergleich hat sich das durchschnittliche Finan- zierungsvolumen bei der Pra- xisneugründung im Westen von 269 476 DM (1985/86) auf 334 927 DM (1995/96) er- höht. Dies entspricht einer Steigerung um 24,3 Prozent.
Bei der Praxisneugrün- dung, für die im Mittel 334 927 DM (374 188 DM) aufgewendet wurden, entfie- len durchschnittlich 207 256 DM (261 939 DM) oder 61,9 Prozent (70 Prozent) auf die Investitionen für die Praxis- ausstattung und medizinische Geräte. Weitere 86 934 DM (72 753 DM) – das entspricht einem Anteil von 26 Prozent (19,4 Prozent) – wurden für den Betriebsmittelkredit benötigt, wobei es sich um den im Durchschnitt einge- räumten – und nicht den in Anspruch genommenen – Betrag handelt. 9,7 Prozent (9,2 Prozent) mußten für die Finanzierung von Bau- und Umbaukosten aufgebracht werden.
Bei der Praxisübernahme wurden in Westdeutschland im Mittel 377 944 DM zur Fi- nanzierung aufgewendet. Da- von entfielen 207 752 DM (55 Prozent) auf das Übernah- meentgelt. Für die Neuan- schaffung medizinischer Ge- räte und Ausstattung bei Pra- xisübernahme wurden durch- schnittlich 69 086 DM (18,3 Prozent) aufgewendet. Auf den Betriebsmittelkredit ent- fielen 77 158 DM (20,4 Pro-
zent), auf die Finanzierung von Bau- und Umbaukosten 18 351 DM (4,9 Prozent).
Fazit: Bei der Praxisüber- nahme war die Summe aus ideellem und materiellem Wert der Praxis sowie Neuin- vestitionen in Höhe von 276 838 DM größer als die Summe der Investitionsko- sten für die Praxisausstattung und -geräte bei der Praxis- neugründung mit 207 256 DM. Ein solcher Vergleich
kann jedoch nur ein Orientie- rungskriterium sein. In diese Berechnungen gehen ledig- lich die Mittelwerte ein, un- abhängig davon, ob bei der Finanzierung im Einzelfall Kosten für jede Position an- gefallen sind.
Verteuerung
Die Entwicklung der Übernahmeentgelte seit 1989 zeigt einen interessanten Trend. Der Substanzwert bei Praxisübernahme stieg von 69 889 DM in den Jahren 1989/90 auf 90 701 DM in den Jahren 1995/96. Dies ent- spricht einer Steigerung um 30 Prozent. Der immaterielle Praxiswert dagegen wuchs im gleichen Zeitraum um 60,9 Prozent von 89 381 DM auf 143 788 DM. Offensichtlich hat die Zulassungsbeschrän-
kung zu einer Verteuerung bestehender Praxen geführt, was sich im immateriellen Praxiswert niederschlägt.
In der Analyse werden die einzelnen Formen kooperati- ver Praxisführung unterschie- den nach Gemeinschaftspra- xisneugründung, Praxisge- meinschaftsneugründung so- wie Beitritt in eine bereits be- stehende Praxis (nur West- deutschland). Der Praxisbei- tritt umfaßt den Eintritt in ei-
ne Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft und die Überführung einer bestehen- den Einzelpraxis in eine Ge- meinschaftspraxis bezie- hungsweise Praxisgemein- schaft.
Für Allgemeinärzte, In- ternisten und Orthopäden läßt sich aufgrund der Zahl der Finanzierungen ein Ver- gleich zwischen den verschie- denen Praxisgründungsarten anstellen. Bei Internisten und Orthopäden ist der Unter- schied zwischen den Finan- zierungsvolumina bei Einzel- praxisneugründung und bei kooperativer Praxisführung wesentlich größer als bei All- gemeinärzten. Auffällig ist, daß der Praxisbeitritt bei In- ternisten und Orthopäden et- wa gleich hohe Investitionen wie die Gemeinschaftspra- xisneugründung erfordert.
Allgemeinärzte dagegen in-
vestieren bei Eintritt in eine bestehende Praxis deutlich mehr als bei Einzelpraxis- und Gemeinschaftspraxis- neugründung.
Die Gemeinschaftspraxis- neugründung und der Praxis- beitritt sind für den einzelnen Arzt – mit Ausnahme der Allgemeinärzte – zwar preis- werter als eine Einzelpraxis- neugründung; das Gesamtfi- nanzierungsvolumen ist je- doch bei kooperativer Praxis- führung deutlich höher. Dies deutet darauf hin, daß sich Praxisstruktur und -größe von Einzel- und Gemein- schaftspraxen unterscheiden.
Das Investitionsverhalten in Ost- und Westdeutschland war im Analysezeitraum ähn- lich. Es ist jedoch zu vermu- ten, daß sich trotz tendenziell ähnlicher Finanzierungsbe- träge in Ost- und West- deutschland unterschiedliche Praxisstrukturen und -größen hinter den Gründungen ver- bergen. Diese Annahme wird durch die deutlich voneinan- der abweichenden Finanzie- rungsvolumina einzelner Arztgruppen in Ost- und Westdeutschland gestützt.
So lag das durchschnittli- che Finanzierungsvolumen von Internisten in Ost- deutschland um rund 28 Pro- zent über dem Westniveau.
Auch ostdeutsche Allge- meinärzte und Augenärzte hatten insgesamt ein höhe- res Gesamtfinanzierungsvo- lumen bei einer Einzelpraxis- neugründung als ihre west- deutschen Kollegen. Insbe- sondere die Finanzierungsvo- lumina von HNO-Ärzten, Chirurgen und Orthopäden waren dagegen im Osten zwi- schen 20 Prozent und 30 Pro- zent niedriger als bei einer Einzelpraxisneugründung in Westdeutschland.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG
Postfach 10 10 31 40001 Düsseldorf Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland
Herbert-Lewin-Straße 5 50931 Köln
A-2582 (62) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 40, 3. Oktober 1997
V A R I A WIRTSCHAFT
Tabelle
Gesamtfinanzierungsvolumen (DM) nach Arztgruppen 1995/96
Arztgruppe Neugründung Übernahme
West Ost West
Allgemeinärzte 222 827 265 127 290 751 Anästhesisten 245 045 211 800 – Augenärzte 389 956 417 052 419 136 Chirurgen 649 100 487 167 593 425 Gynäkologen 349 532 320 058 369 982 HNO-Ärzte 477 871 337 068 445 621 Hautärzte 299 641 267 857 369 993 Internisten 449 800 575 112 459 294
Kinderärzte 258 177 – 298 527
Neurologen/
Psychiater 214 900 213 680 321 471 Orthopäden 575 565 474 880 578 556
Urologen 452 140 410 692 538 292
Alle Ärzte 334 927 374 188 377 944