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Archiv "Gewebemedizin: Altruismus trifft auf Kommerz" (21.11.2008)

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A2506 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 47⏐⏐21. November 2008

P O L I T I K

E

s ist nicht leicht, nach dem Tod eines Patienten die Angehöri- gen um ihre Erlaubnis zur Organ- spende zu bitten. Noch schwieriger ist es, ihnen zu vermitteln, dass sie in eine unentgeltliche Gewebespende einwilligen sollen, bei der Körper- teile und Gewebe des Verwandten, wie Herzklappen, Hornhäute, Sehnen oder Faszien, entnommen, verarbei- tet und gewinnbringend verkauft werden können. Denn dann trifft Altruismus auf Kommerz. „Wir brau- chen konkrete Verfahrensanweisun- gen, die es uns erleichtern, diese Ein- willigung von den Angehörigen ein- zuholen“, fordert Dr. med. Christoph Brochhausen, Pathologe an der Uni- versität Mainz. Gemeinsam mit an- deren Experten aus Medizin, Recht, Ethik und Ökonomie diskutierte er auf der Tagung des Deutschen Ge- sellschaft für Gewebetransplantation am 7. November in Berlin verschie- dene Aspekte einer immer komplexer werdenden Gewebemedizin.

Emotionales Thema auch für Ärztinnen und Ärzte

Diskussionsbedarf besteht in der Tat. Auch gut ein Jahr nach dem In- krafttreten des Gewebegesetzes am 1. August 2007 gibt es noch viele Unsicherheiten. Während die Or- ganspende durch das Transplanta- tionsgesetz genau geregelt ist, lässt das neue Gewebegesetz viele Zu- ständigkeiten bei der Gewebespen- de offen. „Insbesondere ist Ärztin- nen und Ärzten unklar, in welcher Form sie Patienten und Angehörige am besten über das Nebeneinander von altruistischer Organspende und kommerzialisierbarer Gewebeme- dizin aufklären können und über welche Details sie sprechen müs- sen“, sagt Dr. med. Wiebke Pühler, Bundesärztekammer. Dass mit Ge- webe auch Handel betrieben werde,

dürfe jedoch dabei nicht ausgelas- sen werden.

„Die Gewebespende ist ein juris- tisches Minenfeld“, bestätigt Lothar Herzog, Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht aus Hildesheim.

Einerseits erlaube allein der Begriff

„rechtmäßige Verwendung“ von Geweben verschiedene Auslegun- gen. Andererseits drohten dem Arzt, der gegen den Willen von Patien- ten oder Angehörigen Gewebe ent- nehme, strafrechtliche Sanktionen.

Unverzichtbar sei deshalb eine gute Aufklärung.

Begriff „Gewebe“ ist in der Bevölkerung relativ unbekannt

Genau da gibt es Nachholbedarf:

Obwohl die Gewebespende bereits seit mehr als 100 Jahren praktiziert wird und mehr als 10 000 Gewebe jährlich an deutschen Kliniken ver- pflanzt werden, ist der Bevölkerung das Thema „Gewebespende“ weit- gehend unbekannt. Wenig Hilfe bie- tet in diesem Zusammenhang auch der Organspendeausweis. Denn auf ihm wird kaum zwischen Organ- und Gewebespende unterschieden.

„Die Menschen müssen sich un- bedingt mit den Unterschieden zwi- schen Organ- und Gewebespende auseinandersetzen“, mahnt Prof. Dr.

med. Claudia Wiesemann, Direkto- rin der Abteilung Ethik und Ge- schichte der Medizin an der Univer- sität Göttingen. Schließlich handele es sich bei der Gewebespende um keine lebensrettende Tat, sondern

„nur“ um eine Defizitkorrektur.

Außerdem setze die Hilfe nicht so- fort ein, sondern der Einsatz des Ge- webes könne sich durch Prozessie- rung und Lagerung in Gewebeban- ken zeitlich verzögern. „Dies muss in der allgemeinen Öffentlichkeit offen diskutiert werden“, fordert Wiesemann. Nur so könne Vertrau- en aufgebaut werden. „Die Organ- transplantation hat lange für ihren jetzigen Vertrauensvorschuss wer- ben müssen.“

Möglicherweise könnte die Ge- webemedizin von dem der Organ- transplantation entgegengebrachten Vertrauen profitieren. Im Umkehr- schluss besteht jedoch die Gefahr, dass sich das geringe Ansehen der Gewebespende in der Bevölkerung negativ auf die Spendebereitschaft von Organen auswirken könnte.

Auch die Bundesärztekammer teilt diese Sorge und hat sich daher zum Ziel gesetzt, Lösungen für bislang unbeantwortete Fragen zu finden. In ihren „Regelungen zur Gewebeent- nahme an der Schnittstelle zur Or- gantransplantation“ vom 26. Septem- ber 2008 schlägt sie vor, dass Ärz- tinnen und Ärzte im Gespräch mit den Angehörigen zwar gleichzeitig auf Gewebe- und Organspende ein- gehen, die Zustimmung für die Ent- nahme von Organen und Gewebe je- doch gesondert einholen. Wegen des gesetzlich festgelegten Vorrangs der Organspende sollen sie zum Auf- klärungsgespräch einen Mitarbeiter der Koordinierungsstelle hinzuzie- hen. Wichtig sei es ferner, dass eine Organspende nicht durch eine mög- liche Ablehnung der Gewebespende gefährdet wird. Auch die Bundes- zentrale für gesundheitliche Auf- klärung will sich für die Stärkung der Gewebespende einsetzen und im kommenden Jahr dazu eine Initiative starten. n Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

GEWEBEMEDIZIN

Altruismus trifft auf Kommerz

Der kleine Bereich der Gewebemedizin kann große Auswirkungen auf die Organtransplantation haben. Kritiker befürchten eine abnehmende Spendebereitschaft und fordern eine verbesserte Aufklärung.

Als gesamtes Organ nicht transplantierbar:

Diese Aortenklappe kann jedoch trotzdem in eine Gewebebank auf- genommen werden.

Foto:SPL/Agentur Focus

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