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Archiv "ENTZÜNDUNGSSERIE: Unspezifische Enteritis" (11.12.1980)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Heft 50 vom 11. Dezember 1980

ENTZÜNDUNGSSERIE:

Unspezifische Enteritis

Hans Ruppin

Medizinische Klinik mit Poliklinik

(Direktor: Professor Dr. med. Ludwig Demling) der Universität Erlangen-Nürnberg

Dünn- und Dickdarm bewälti- gen die mit Nahrung und Ver- dauungssekreten anfallenden Wasser- und Elektrolytmen- gen durch ein kompliziertes Zusammenspiel aktiver und passiver Absorptionsvorgän- ge. Eine Vielzahl verschiede- ner Ursachen kann in dieses komplexe Gefüge eingreifen und Durchfälle hervorrufen.

Wasser- und Elektrolytverlu- ste müssen sofort oral oder parenteral substituiert wer- den. Vor Beginn aller weiteren therapeutischen Maßnahmen müssen dann die Ursachen abgeklärt werden.

Unter dem Begriff der Enteritis faßt man eine Anzahl verschiedenartiger enteraler Erkrankungen oder intesti- naler Symptome von primär nicht enteralen Erkrankungen zusammen.

Subjektive Kardinalsymptome der Enteritis sind Durchfall, Blähungen, schmerzhafte Darmkrämpfe, Flatu- leszenz und Borborygmi. In schwe- ren Fällen infektiöser Enteritiden ge- sellen sich Erbrechen und Fieber hinzu. Da die Darmentleerungs- frequenz große interindividuelle Schwankungen aufweist, ist die sub- jektive Angabe von Durchfällen oft- mals irreführend. Ausschlaggebend ist das Stuhlgewicht, das einen nor- malen Durchschnittswert von 150 g am Tag aufweist. Stuhlgewichte von mehr als 250 g sind definitionsge- mäß als Durchfall zu bezeichnen.

Die tägliche Stuhlmenge enthält et- wa 100 g Wasser, entsprechend et- wa 1 Prozent der Flüssigkeit, die täg- lich mit Nahrung und Verdauungs- sekreten in den Dünndarm eintritt. In Jejunum und Ileum werden 9 Liter Wasser während eines Tages wieder rückresorbiert. Achthundert bis tau- send Milliliter Wasser treten ins Ko- lon ein und werden dort zu 90 Pro- zent aufgenommen (Darstellung 1).

Man kann verstehen, daß auch nur geringfügige Störungen der Flüssig- keitssekretion und der Rückresorp- tionsleistung von Dünndarm und Kolon bereits zum Symptom des Durchfalles führen müssen.

Wie wird Wasser absorbiert?

Wasser wird von allen Epithelien passiv, das heißt, entlang seinem Konzentrationsgradienten absor- biert. Damit folgt es sekundär dem Transport von Elektrolyten, Mono- sacchariden, Aminosäuren und an- deren wasserlöslichen Molekülen durch die Darmschleimhaut.

Voraussetzung für diesen Transport von Wasser entgegen einem osmo- tischen Druckgradienten ist die Bildung eines hypertonen Korn- partimentes in der Darmwand. Für dessen topographische Lage exi- stieren zur Zeit zwei attraktive Hypo- thesen.

Die „unstirred layer"-Hypothese be- sagt, daß die Enterozyten auf beiden Seiten, Lumen- und Blutseite, von einer dünnen Schicht unbewegten Wassers überlagert sind, in welcher Moleküle nur durch die Braunsche Molekularbewegung und durch elektrochemische Gradienten ange- trieben werden.

Wenn Moleküle aus der luminalen Wasserschicht absorbiert und in die blutwärts gelegene Wasserschicht abgegeben werden, so entsteht zwi- schen den ungemischten Wasser- schichten auf beiden Seiten ein os- motischer Gradient; das heißt, die Wassermoleküle rücken auf der Lu-

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Aktuelle Medizin

Dünndarm-Entzündungen

menseite zusammen, auf der Blut- seite auseinander, so daß ein Was- serkonzentrationsgradient vom Lu- men zum Blut entstanden ist, dem entlang Wasser diffundiert. Diese Wasserdiffusion erfolgt durch die

„tight junctions", über die beide Wasserschichten miteinander in di- rekter Verbindung stehen.

Die andere Hypothese ist die des so- genannten „Gegenstromprinzips".

Dieser der Physiologie der Wasser- rückresorption im Markraum der Niere entlehnte Begriff beschränkt sich im wesentlichen auf die Dünn- darmschleimhautiötte, in welcher der versorgende arterielle Gefäß- schenkel zentral und die drainieren- den venösen Kapillarschenkel peri- pher gelegen und beide zueinander parallel gerichtet sind.

Durch Kurzschlußdiffusion gelan- gen absorbierte wasserlösliche So- lute vom peripheren venösen Schen- kel zum zentralen arteriellen Schen- kel und von dort mit dem Blutstrom wieder zum peripheren venösen Schenkel zurück. Folglich rezirkulie- ren vor allem osmotisch aktive klei- ne Moleküle, wie Natrium und Chlo- rid, und bauen ein hypertones Kompartiment in der Zottenspitze auf, durch das Wasser aus dem Lu- men in die Zotte „hineingesogen"

wird.

Ein Verlust der Zotten käme dement- sprechend einem zumindest partiel- len Schwund des hypertonen Korn- partimentes mit entsprechender Re- duktion der Nettowasserabsorption gleich.

Wie werden Elektrolyte transportiert?

Während Wasser rein passiv, das heißt, bergab in Richtung eines che- mischen Gradienten transportiert wird, bedienen sich Elektrolytab- sorption und Elektrolytsekretion teil- weise aktiver, das heißt, energiever- brauchender Transportprozesse (Darstellung 2). Vermittler derartiger aktiver Transporte sind Trägerpro- teine, die als wasserlösliche Inseln in der lipoidhaltigen Zellmembran

„schwimmen".

Natrium

Natrium wird an der basolateralen Seite der Enterozyten durch die Na- triumpumpe (Na-K-stimulierbare, Mg-abhängige ATPase) vom Zeltin- nern in den Inter-(Para-)Zellular- raum ausgeschleust, wodurch ein ständiger, vom Lumen zum Blut ge- richteter Natriumtransport gewähr- leistet ist. Die Pumparbeit dieses En- zym-Träger-Komplexes bewirkt ei-

Darstellung 1: Wasserhaushalt des Ga- strointestinaltraktes: Nahrung, Speichel, Sekrete von Magen, Pankreas, Gallenwe- gen und Darm bewirken eine Flußrate von 9 bis 10 Liter Wasser pro Tag im proximalen Dünndarm; 90 Prozent wer- den in Jejunum und Ileum rückresor- biert. Das Kolon absorbiert nochmals 90 Prozent der restlichen Flüssigkeit

nen Natriumkonzentrationsgradien- ten zwischen Zelläußerem und Zelt- innerem von 10:1. Natrium diffun- diert entlang diesem Gradienten passiv aus dem Darmlumen durch die apikale Zellmembran in die Ente- rozyten hinein. Dieser passive Na- triumtransport wird durch Träger- moleküle in der apikalen Membran beschleunigt, die gleichzeitig Gluko- se, Galaktose, Aminosäuren, Chlo- rid, Thiamin und Gallensäuren (letz- tere nur im Ileum) mit in die Zelle einschleusen.

Weil diese an Natrium gekoppelten und durch Natrium stimulierbaren Transportprozesse, vor allem von Glukose, durch Bakterientoxine (Cholera, Salmonellen, Shigellen, E.

coli) nicht beeinflußt werden, hat sich die Bekämpfung der Wasser- und Elektrolytverluste bei schweren Formen der Diarrhöe vor allem in tropischen Regionen mit Natrium- Glukose-Mischlösungen als beson- ders segensreich erwiesen.

Chlorid

Analog dem aktiven Natriumtrans- port existiert im Darm ein aktiver

Chlorid-Sekretionsmechanismus, der offensichtlich durch die Aktivität des Adenylzyklase-Zyklo-AMP-Sy- stems gesteuert wird, wobei intrazel- luläres Kalzium eine Vermittlerrolle besitzt.

Dieser Prozeß ist cholinerg und durch eine Reihe von Bakterientoxi- nen, Hormonen (Vasoaktives intesti- nales Polypeptid-VIP) und Pro- staglandinen stimulierbar. Der akti- ve Eintritt von Chlorid aus den Epi- thelzellen ins Lumen des Dünn- und

Dickdarmes ist gefolgt von Natrium- und Wassersekretion und tritt kli- nisch in Form wäßriger Durchfälle in Erscheinung.

Die profuse Diarrhöe bei infektiöser Cholera (Reiswasserstuhl) und bei bestimmten hormonell aktiven Tu- moren des Pankreas (pankreatische Cholera) beruht allein auf der Stimu- lation dieses aktiven CI-Sekretions- mechanismus in Dünndarm und Kolon.

2960 Heft 50 vom 11. Dezember 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Kalium

Beide, der aktive Natriumtransport durch die baselaterale Membran und die aktive Chiaridsekretion durch die apikale Membran sind

"elektrogen", das heißt, sie steigern die elektrische Potentialdifferenz zwischen Lumen und Blut, wobei die Lumenseite elektrisch negativ ge- genüber dem Blut wird. Entlang die- sem elektrischen Gradienten wan- dert Kalium, dessen extrazelluläre Verteilung rein passiv erfolgt, ins Darmlumen ein. Darüber hinaus be- wirkt ähnlich wie im distalen Tubu- lus des Nephrons jede Steigerung des Wasserflusses in axialer Rich- tung des Darmes den passiven Ver- lust von Kalium. Daraus erklärt sich einerseits der Kaliummangel von Blut und Gewebe bei wäßrigen Diarrhöen; andererseits wird unter diesen Bedingungen durch thera- peutische Verabreichung von Glu- kose-Natrium-Mischlösungen we- gen der damit verbundenen Steige- rung der Potentialdifferenz der Ka- liumverlust nicht verbessert. Des- halb ist die Anhebung der Kalium- konzentration im Lumen durch Zu- satz von Kaliumsalzen zur Rehydra- tationslösung unumgänglich.

Bikarbonat und H-lonen

Bikarbonat wird in Ileum und Kolon im Austausch zu Chiarid sezerniert.

Dieser Anionenaustausch trägt we- sentlich zur Regulation des Säure- Basen-Haushaltes und zur Erhal- tung der Stuhlwasserneutralität bei.

Die seltene kongenitale Chloridor- rhöe ist durch das Fehlen dieses Ge- gentransportmechanismus im Darm gekennzeichnet. Die betroffenen Kinder leiden unter wäßriger Diar- rhöe, verbunden mit metabolischer Alkalose. Wasserstoffionen werden in allen Darmabschnitten im Aus- tausch zu Natrium sezerniert. Da- durch entsteht in der unmittelbaren Nachbarschaft der luminalen Zell- oberfläche (in der luminalen "unstir- red layer") ein saures Milieu. Der niedrige pH der apikalen Enterozy- tenoberfläche fördert die Aufnahme schwach saurer Elektrolyte. Diese werden in ihrer Dissoziation zurück-

Dünndarm-Entzündungen

---H20---Absorption---1 .. ~

N a + • - - - - -

..__Sekretion-H201---

Darstellung 2: Mechanismen der Elektrolytresorption und Sekretion im Dünndarm.

Die Absorption findet vorwiegend an den Zottenspitzen, die Sekretion in den Krypten statt. Die "light junctions" sind negativ geladen und lassen vor allem Na+ passieren.

Na+ hat eine Schlepperfunktion für die Absorption von Zuckern (Z) und Aminosäuren (A), wie für die Sekretion von Cl- (im Jejunum) und von HC03- (im Ileum). Die permanente Präsenz ausreichender Na+-Konzentrationen, die für diese Aufgaben notwendig ist, wird durch den Natriumzyklus zwischen Zellinnerem einerseits und Lumen- beziehungsweise Blutseite des Epithels andererseits gewährleistet

gedrängt, wodurch sich ihre Lipoid- löslichkeit erhöht und damit ihre Fä- higkeit, die lipoidhaltige Zellmem- bran zu penetrieren, wächst.

Welchen Einfluß hat der Parazellularraum mit den

"tight junctions" auf Wasser- und Elektrolytbewegungen?

Neben den zellulären Mechanismen des Transportes spielen parazellulä- re Vorgänge eine mindestens ebenso bedeutsame Rolle. Die "tight junctions", die auch als Schlußlei- sten oder "Zonula occludens" be- zeichnet werden, stellen den innigen Kontakt der lateralen Zellmembra- nen unmittelbar an der Grenze zum Lumen her (Darstellung 2). Im Ge-

gensatz zu ihrem Namen sind sie keineswegs absolut dicht. Hingegen bestimmen sie je nach Region des Darmes die Dichtigkeit des Epithels als Barriere zwischen Parazellular- und Intravasalraum einerseits und dem Darmlumen anrlRrerseits.

Der Durchlässigkeilsgrad der "tight junctions" nimmt vom oberen Jeju- num, wo er sehr hoch ist, bis zum Rektum hin, wo er äußerst gering ist, kontinuierlich ab. Im oberen Dünn- darm entstehen durch den Eintritt der Nahrung mit luminaler enzymati- scher AufschlüsseJung von Polyme- ren zu osmotisch hoch aktiven Mo- nomeren (Glukose, Aminosäuren) und Dimeren (Disaccharide, Dipepti- de) osmotische Druckschwankun- gen, die aufgrundder extrem großen

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 50 vom 11. Dezember 1980 2961

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Aktuelle Medizin

Dünndarm-Entzündungen

Durchlässigkeit dieser Darmregion (genauer gesagt, ihrer .,tight junc- tions") für Wasser und Elektrolyte, rasch ausgeglichen werden. Distale- re Darmabschnitte sind solchen Schwankungen in der Osmolalität des Darminhaltes gewöhnlich nicht mehr ausgesetzt und konzentrieren sich mittels ihrer nach distal zuneh- menden Undurchlässigkeit vor allem auf die Rückresorption von Wasser und Elektrolyten.

Die .,tight junctions" des Dünndar- mes sind für Natrium weitaus per- meabler als für Chlorid, da sie mit negativen Ladungen ausgekleidet sind. Sie begünstigen dadurch den Natrium-Zyklus (Darstellung 2), der für die Natrium-vermittelten Trans- portvorgänge, zum Beispiel von Glu- kose, notwendig ist. Die "tight junc- tions" sind keine rigiden Strukturen, sondern können bei Verlust rasch neugebildet werden und passen sich bezüglich ihrer Durchlässigkeit in gewissen Grenzen den jeweiligen lo- kalen Erfordernissen an. Dekonju- gierte und konjugierte Dihydroxy- Gallensäuren, und Laxantien (Rizi- nolsäure, Bisacodyl, Phenolphtha- lein) steigern die Permeabilität der

"tight junctions" vor allem in Ileum

und Kolon. Sämtliche zu Durchfällen führenden Erkrankungen bewirken dies über den einen oder anderen oder gar mehrere der bislang be- schriebenen Mechanismen des Elektrolyt- und Wassertransportes.

Tabelle 1: Erreger Erreger

infektiöser

Durchfall-

erkrankungen

....

Bakterielle sp .

Bakterielle und

virale Durchfallerkrankungen Unter den bakteriellen Erregern spielen Salmonellen, Shigellen und Escherichia coli, unter den viralen Erregern Rotaviren die bedeutsam- ste Rolle (Tabelle 1 ).

Die bakteriellen Keime können ent- weder direkt das Epithel angreifen, einwandern und zu Entzündung und Zerstörung der Zellen und ihrer

"tight junctions" führen. Diese ty- phösen beziehungsweise dysente- rieartigen Durchfallerkrankungen durch .. enteropathogene" Bakterien sind zugunsten choleraähnlicher Syndrome durch .,enterotoxigene"

Erreger in den Hintergrund getreten.

"Enterotoxigene" Salmonellen, Shi-

gellen und Escherichia coli wandern nicht in die Schleimhaut ein, son- dern binden sich nur an Rezeptoren der Zelloberflächen und produzie- ren, wie Choleravibrionen, Enteroto- xine, welche die aktive Chiaridsekre- tion der Enterozyten stimulieren.

Folge dieser Aktion sind profuse wäßrige Durchfälle mit Kaliumver- lust und metabolischer Azidose oh- ne morphologisch nachweisbare Schleimhautschädigung. Therapeu- tisch ist einzig und allein die ad- äquate Substitution von Wasser und Elektrolyten indiziert. in tropischen Ländern und auf Reisen ist dies oft nur in Form oraler Verabreichung von Glukose-Eiektrolyt-Mischlösun-

Wirkungsweise (Virulenz- Eigenschaften)

Salmonella sp.

l

enterotoxigen Shigella sp.

J

enteropathogen Escherichia coli sp.

Vibrio cholerae sp. enterotoxigen Yersinia enterocolitica sp. enterotoxigen Campylobacter sp. enteropathogen

....

Viren

Rotavirus enteropathogen

Norwalk Agent enteropathogen

....

Protozoen

Giardia lamblia enteropathogen Entamoeba histolytica enteropathogen Endolimax nana enteropathogen

2962 Heft 50 vom 11. Dezember 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

gen in der folgenden Zusammenset- zung möglich:

D-Giukose oder Saccharose Na Cl KCI NaHC03

Gramm pro Liter 20

40 3,5 1,5 2,5

Fertigpräparate sind nicht im Handel erhältlich. Eine ähnliche, aber nicht optimale Zusammensetzung hat das Präparat Oralpädon®. Man kann sich mit zwei Eßlöffeln Zucker, einem halben Teelöffel Kochsalz und je ei- nem viertel Teelöffel KCI und NaHC03 auf einen Liter abgekoch- ten Wassers die Lösung selbst her- stellen, wenn keine Waage zur Ver- fügung steht. Wenn selbst dies nicht möglich ist, muß man sich mit 2 Eß- löffeln Zucker und 1 Teelöffel Koch- salz pro Liter Wasser behelfen.

Bei typhösen und dysenteriformen Krankheitsbildern ist die zusätzliche Therapie mit Antibiotika vom Typ des Ampicillins im Falle der Salmo- nellen beziehungsweise des Cefoxi- tins im Falle der Shigellen not- wendig.

Unter den vielen bislang angeschul- digten Viren haben sich nur zwei eindeutig als ursächliche Erreger beweisen lassen:

0

das 1968 im Rahmen einer Durchfallepidemie isolierte Norwalk Agent, ein sehr kleines, Parvo-Virus- ähnliches Desoxyribonukleinsäure- (DNA-)Virus und

f) das ubiquitär vorhandene Rota- virus, ein der Reo-Familie zugehöri- ges Ribonukleinsäure-(RNA-)Virus, das vor allem bei Kindern Durchfälle auslöst, während jenseits des Kin- desalters die Durchseuchung und erworbene Resistenz gegen Rotavi- rus groß ist. Obwohl die Viren natür- lich in die Enterozyten eindringen und Schäden am Epithel verursa- chen, sind Antibiotika zur Therapie ohne Bedeutung. Auch hier ist die Wasser- und Elektrolytsubstitution Therapie der Wahl.

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Antibiotika-assoziierte Durchfälle

Antibiotika, vor allem wenn sie über längere Zeit angewendet werden, können bekanntlich Durchfälle aus- lösen, als deren Ursache sich die Überwucherung des Kolons mit Clo- stridien, (Cl), insbesondere Cl. diffi- cile und Cl. sordellii - obligaten Anaerobiern -, erwiesen hat. Das Krankheitsbild kann alle Schwere- grade von milden Formen wäßriger Diarrhöe ohne endoskopisch sicht- bare Veränderungen an der Dick- darmschleimhaut bis hin zu fulmi- nanten, nekrotisierenden und hä- morrhagischen pseudomembranö- sen Kolitiden annehmen.

Die Diagnose kann mittels histologi- scher Untersuchung der kolosko- pisch entnommenen Dickdarm- schleimhaut und Nachweis der CI- Enterotoxine im Stuhl beziehungs- weise der Erreger gesichert werden, wenn der Stuhl unter anaeroben Be- dingungen, das heißt in Stickstoff- atmosphäre, entnommen wurde.

Clindamycin (Sobelin®) und Linco- mycin (zum Beispiel Albiotic®) wur- den am häufigsten ursächlich mit der pseudomembranösen Kolitis in Verbindung gebracht, doch kann ei- ne Vielzahl anderer Antibiotika das Krankheitsbild ebenso auslösen (Ta- belle 2). Lediglich Vancomycin (Van- cocin®) und Metronidazol (Clont®, Flagyl®) gelten als ungefährlich und wurden auch therapeutisch bei die- sem Krankheitsbild erfolgreich ein- gesetzt.

Die Behandlung besteht also in der sofortigen Absetzung des oder der auslösenden Antibiotika und in der Verabreichung von Vancomycin, 4-6

x

500 mg oral, oder Metronid- azol, (Clont® 2 x 1 Tab. oder Flagyl® 3 x 100 ml als Kurzinfusion). Dage- gen sind Motilitätshemmer (lopera- mid [lmodium®], Diphenoxylat [Rea- sec®], Difenoxin [Lyspafena®]) prin- zipiell bei allen infektiös-toxischen Durchfallerkrankungen nicht indi- ziert oder sogar von Nachteil, da sie den Krankheitsverlauf nicht abkür- zen und durch Reduktion der Durch- fälle den Schweregrad der Infektion verschleiern könnten.

Dünndarm-Entzündungen

Tabelle 2: Antibiotika, die für pseudomembranöse Kolitiden verant- wortlich sein können

~ Häufig

Lincomycin (Aibiotic®, Cillimycin®) Clindamycin (Sobelin®)

Ampicillin (BinotaJ®, Amblosin®, Deripen® u. a.)

~ Selten

Zahlreiche Penicilline und Cephalosporine

Erythromycin (Erycinum®, Erythrocin®, Paedriathrocin® u. a.) Aminoglykoside (Biklin®, Gernebcin®, Refobacin® u. a.) Tetrazykline (Reverin®, Vibramycin®, Hostacyclin® u. a.) Chloramphenicol

Sulfonamide

Durch Protozoen induzierte Durchfälle

Giardia lamblia, ein begeißelter Ein- zeller, der sich vor allem im oberen Intestinaltrakt ansiedeln kann, be- wirkt epidemisch oder endemisch Durchfallerkrankungen unterschied- licher Intensität. Asymptomatische

"Träger" sind sicher ebenso häufig. Die Schleimhaut des Dünndarmes kann intakt oder in unterschiedli- chem Maße entzündet und die Zot- ten können atrophisch sein, wobei die Lamblien sich auf die Enterozy- tenoberfläche setzen oder auch in die Mukosa eindringen können. Dennoch ist die Ursache der Durch- fälle im Sinne eines auslösenden Mechanismus, der über die Verklei- nerung der absorptiven Schleirn- hautoberfläche beziehungsweise die entzündliche Schleimhautschä- digung hinausgeht, bislang nicht be- kannt. Diagnostisch ist der Nach- weis der beweglichen Trophozoiten im Dünndarmaspirat oder zytolo- gisch im Giemsa-gefärbten Schleim- haut-Quetschpräparat direkter und rascher zu führen, als der von Lam- blienzysten im Stuhl. Metronidazol (Clont®), in der Dosierung von 3 x 250 bis 4 x 500 mg pro Tag für 7 Tage, ist das Mittel der Wahl. ln der Abbildung 1 ist ein gefärbtes

Quetschpräparat mit den typischen zweikernigen, begeißelten Tropho- zoiten zu sehen.

Unter den Amoeben spielt als durch- fallerzeugender Erreger Entamoeba histolytica die bedeutendste Rolle.

Inwieweit die sogenannten apatho- genen Amoeben (Entamoeba coli, hartmanni, Dientamoeba fragilis und andere) gastrointestinale Beschwer- den - vor allem im Kindesalter- zu erzeugen vermögen, ist bislang nicht eingehend genug untersucht worden. Endolimax nana zumindest wurde kürzlich als Durchfallursache beschrieben. Hingegen können ver- schiedene apathogene Amoeben primäre, meist tödlich verlaufende Meningoenzephalitiden bewirken.

Der Befall der Hirnhäute durch Enta- moeba histolytica als extraintestina- le Manifestation geht jedoch sekun- där aus der enteralen Manifestation hervor. Tropenreisende, die daheim mit Allgemeinsymptomen chroni- scher Diarrhöe und/oder Fieber und Abdominalbeschwerden erkranken, sind in jedem Falle auf Befall mit Entamoeba histolytica zu untersu- chen. Rektoskopisch oder kolosko- pisch aus Schleimhautläsionen ent- nommene Biopsien und Schleim- ausstrich mit Vitalbetrachtung unter dem Phasenkontrastmikroskop si-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

50

vom

11 .

Dezember

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Dünndarm-Entzündungen

chern die Diagnose durch Nachweis der beweglichen Magnaformen. Die Behandlung erfolgt mit Metronid- azol (Clonte, Flagyl®), Ornidazol (Ti- beral®) oder Kombination eines die- ser Präparate mit Tetrazyklin-HCI (zum Beispiel Hostacycline).

Bakterielle Besiedlung (Überwucherung) des Dünndarmes

Dieses Syndrom, das bei einer Reihe anatomischer oder funktioneller Störungen der Darmpassage (Tabel- le 3) auftritt, ist durch eine Zunahme und einen Wandel in der Art der Keimbesiedlung des Dünndarmes, vor allem seiner keimarmen proxi- malen Abschnitte, gekennzeichnet.

Die normale Keimzahl des oberen Jejunums liegt unter 10 4/ml. Bei bak- terieller Überwucherung sind Bacte- roides sp., anaerobe Lactobazillen und Clostridien in zehnfacher und höherer Konzentration im Jejunal- aspirat nachweisbar. Durch bakte- rielle Enzyme werden im Darm be- findliche Gallensalze dekonjugiert und führen in der freien Form zur Sekretion von Wasser und Elektroly- ten sowohl im Dünndarm, wie vor allem aber auch im Dickdarm, in den sie infolge verminderter Absorption durch das Ileum verstärkt gelangen.

Sinkt infolge der bakteriellen Dekon- jugation die Konzentration konju-

gierter Gallensalze unter die kriti- sche mizellare Konzentration, dann kommt es zusätzlich zur Steator- rhöe. Die in den Stuhl eintretenden Neutralfette werden bakteriell zu Hy- droxyfettsäuren verwandelt; diese bewirken, ähnlich wie dekonjugierte Gallensalze, Sekretion von Wasser und Elektrolyten durch die Dick- darmschleimhaut. Auch die Absorp- tion von Kohlenhydraten und Eiwei- ßen ist bei bakterieller Überwuche- rung des Dünndarmes gestört. Das führt zu Gewichtsverlust und Auftre- ten hypoproteinämischer Ödeme.

Kohlenhydrate werden durch bakte- riellen Abbau zu kurzkettigen Fett- säuren (Acetat, Propionat und Buty- rat), Wasserstoff, 00 2 , Laktat und Alkohol umgesetzt. Wasserstoff wird nach Diffusion ins Kapillarblut über die Lungen abgeatmet und ist gas- chromatographisch meßbar.

Dieser Vorgang wird seit kurzer Zeit als Nachweis für die bakterielle Überwucherung des Dünndarmes genutzt: Steigt nach oraler Aufnah- me von Glukose, Saccharose oder Lactulose die H 2-Konzentration in der Ausatmungsluft bereits nach we- nigen Minuten an, so liegen entwe- der eine gastrokolische Fistel oder eine bakterielle Überwucherung des Dünndarmes vor. Normalerweise wird nämlich das nicht absorbierba- re Disaccharid Lactulose erst im Dickdarm bakteriell in der oben ge-

schilderten Weise gespalten, bezie- hungsweise Glukose und Saccharo- se gelangen beim Gesunden nicht in nennenswerten Mengen ins Kolon.

Lactulose führt daher beim Gesun- den und Glukose oder Saccharose bei Kohlenhydratmalabsorption zum Spätanstieg (nach 90 bis 120 Minu- ten) der H 2-Konzentration im Atem- gas. Vitamin B12 wird bei bakterieller Überwucherung des Dünndarmes nicht ausreichend absorbiert, so daß der Schilling-Test pathologisch aus- fällt, sich aber nach antibiotischer Therapie normalisieren kann. Als Ur- sache der Vitamin-B 12-Absorptions- störung kommen die Bindung von Intrinsic Factor durch Bakterien und der bakterielle Abbau von Vitamin

B12 in unwirksame Metabolite in Frage.

Die Therapie besteht in der operati- ven Beseitigung anatomischer Ursa- chen (Tabelle 3) und der Verabrei- chung von Antibiotika (vor allem Lincomycin und Metronidazol). Bis zur operativen Sanierung des Dar- mes müssen Kalorien- und Vitamin- bedarf sowie der Elektrolyt- und Wasserhaushalt parenteral gedeckt beziehungsweise bilanziert werden.

Motilitätshemmer sind als Therapeu- tika nicht indiziert, da sie die Dünn- darmpassagestörung und damit die bakterielle Überwucherung noch weiter beeinträchtigen würden. >

Abbildung 1: Schleimhautquetschpräparat aus dem Jejunum bei Befall des Darmes durch Giardia lamblia. Färbung nach May- Grünewald

2964 Heft 50 vom 11. Dezember 1980

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Dünndarm-Entzündungen

Chronische Diarrhöe

Die Ursachen und die Klinik chroni- scher Durchfälle sind außerordent- lich vielgestaltig und stellen den Kli- niker bezüglich Erkennung der Ge- nese und Wahl der adäquaten The- rapie nicht selten vor ungewöhnli- che Probleme. Meist wird die Be- handlung über längere Zeit erfolglos mit verschiedenen Medikamenten, wie Pankreasextrakten, Antidiarrhoi- ka. vom Typ der Motilitätshemmer, Antibiotika oder Salazosulfapyridin durchgeführt, bevor die Patienten schließlich in eine gastroenterolo-

gisch orientierte Klinik eingewiesen werden. in manchen Fällen führt dann die eingehende Diät- und Stuhlanamnese bereits zur Dia- gnose.

Laktoseintoleranz

Durchfälle, die nur nach dem Genuß von Milchprodukten auftreten, sind in der Regel durch eine Laktoseinto- leranz auf dem Boden eines Lakta- semangels der morphologisch un- auffälligen Dünndarmschleimhaut bedingt. Dagegen sind echte Nah-

Tabelle 3: Bakterielle Überwucherung des Dünndarmes

..,.. Anatomische Ursachen:

Angeborene intestinale Obstruktion Erworbene intestinale Stenosen

Divertikulose des Duodenums oder des Jejunums Gastrointestinale Fisteln

Syndrom der zuführenden Schlinge Gastroenterostomie

lleostomie

Entereenterostomie lleorektostomie Jejunoilealer Bypass

..,.. Funktionelle Ursachen:

Intestinale Pseudoobstruktion Sklerodermie

Degeneration des Plexus myentericus Hypochlorhydria

Malabsorptionssyndrome Immundefekt-Zustände

..,.. Infektiöse Ursachen:

Cholangitis Tropische Sprue

2966 Heft 50 vom 11. Dezember 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT

rungsmittelallergien (Milcheiweiß, Fleisch oder Pflanzeneiweiße) au- ßerordentlich selten. Ein einfacher oraler Laktose-Toleranztest mit 50 g des Disaccharids gefolgt von einer oralen Belastung mit 25 g Glukose+

25 g Galaktose und Vergleich der beiden Kurven der Blutglukose, die· über 8 jeweils 15-Minuten-lntervalle verfolgt wird, ermöglicht bereits die Diagnose. Durch Bestimmung der

H2-Exkretion im Atemgas kann dar-

über hinaus eine semiquantitative Information über das Ausmaß der Laktosemalabsorption, das heißt über die ins Kolon eintretende Lak- tose, gewonnen werden. Durch sinn- volle Vermeidung oder Reduktion von Milchprodukten kann der Be- troffene nach Aufklärung über sei- nen harmlosen Schleimhautdefekt seine Stuhlfrequenz und die lästigen Begleiterscheinungen der bakteriel- len Vergährung der Laktose im Ko- lon (Blähungen, Flatuleszenz) selbst in Grenzen halten.

Glutenenteropathie (Sprue) Das Manifestationsalter dieses Syn- droms ist nicht auf das Säuglings- bis Kindesalter beschränkt. Ein Teil der Betroffenen erkrankt im jugend- lichen oder mittleren Erwachsenen- alter. Die eingehende Befragung al- lerdings bestätigt meist, daß Sym- ptome des Schleimhautdefektes (Durchfälle, verzögerte Größen- und Gewichtsentwicklung) bereits in der Kindheit bestanden, fehlgedeutet wurden und später an Intensität wie- der abgenommen haben. Die Sym- ptome bestehen in voluminösen breiförmigen Stühlen (Steatorrhöe), mehrmals am Tag entleert, mit ei- nem Gewicht von mehr als 500 g in 24 Stunden. Ursache ist eine Intole- ranz gegenüber Gluten, das als Be- standteil des Klebers in den meisten Getreideprodukten enthalten ist. Die Dünndarmschleimhaut reagiert mit totaler Atrophie der Zotten und Mal- absorption nahezu aller Nahrungs- bestandteile. in seltenen Fällen be- steht zusätzlich ein primärer oder sekundärer Immundefekt mit Lam- blien- Befall des Darmes. Bei recht- zeitiger Erkennung können irreversi- ble Schäden der Kalzium- und Vit-

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Fleisch, Fisch, Geflügel Eier, Milchprodukte

Früchte, Gemüse außer Kohl, Kraut, Hülsenfrüchte

Fette, Öle — MCT Fett vorziehen

Marmelade, Gelee, Honig Zucker, Vanillezucker Traubenzucker, Kakao, Kaba Reis, Kartoffeln, Mais Sago

Reine Stärke

(Mondamin, Maizena) Buchweizengrütze, Maisgrieß Soja-Mehl

Alle Gewürze, Kräuter, Salz

Getreide: Weizen, Gerste, Hafer, Roggen

Getreideprodukte: Mehle, Grieß, Haferflocken,

Weizenkeimlinge, Gerstengrütze, Graupen, Grünkern

Brot: alle Sorten

Kuchen, Gebäck, Salzgebäck Paniermehl

Teigwaren: Nudeln, Spätzle, Ravioli

Puddingpulver, Malzprodukte Nährbier, Bier

Panierte Fertigprodukte: Hack- braten, Frikadellen, gefüllte Kalbsbrust, Bratklopse, paniertes Fleisch, Blutwurst, Grützwurst, Leberwurst, Fertigsuppen, Sa- latsaucen

Schokolade, Marzipan, Pralinen Eiscreme, Pudding,

Cremespeisen

Kohl, Kraut, Hülsenfrüchte

Glutenfreie Spezial-Produkte

Fa. Hammermühle KG, 6735 Maikammer-Kirrweiler: Toastbrot, Mais- brot, Zwieback, Paniermehl, Teigwaren, Grieß, Teekuchen, Diätkeks, Maissuppe m. Gemüse, Mais-Grießsuppe

Fa. Heinz Wiechert & Co, Postfach 93 20 48, 2102 Hamburg 93: Fertig- mehl für Brot, Brötchen, Kuchen

Greifen Apotheke, Bahnhofstr. 6, 7815 Kirchzarten: Rite-Brot Fa. Maizena: Knorr-Suppen, -Erbswurst, -Soßen, -Stocki Kartoffelpü- ree, -Klöße, -Knödel

Spezial-Margarine, Spezial-Öl CERES (MCT Fett): Union Deutsche Lebensmittel GmbH, Postfach 10 20, 2 Hamburg 50

Tabelle 4: Glutenfreie Diät

Erlaubte Nahrungsmittel Verbotene Nahrungsmittel

Aktuelle Medizin Dünndarm-Entzündungen

amin-D-Malabsorption (Osteomala- zie mit Keilwirbelbildung oder Kypho- skoliose) durch Einhaltung einer glu- tenfreien Diät vermieden werden.

Die Schleimhautzotten sind am be- sten im Ileum erhalten, und die Re- generation dieser Strukturen unter Diät ist dort auch am besten. Daher ist die auf das Ileum beschränkte Absorption von Vitamin B12 meist normal oder nur gering reduziert und bessert sich rasch unter Be- handlung. Im Jejunum bleiben die Zotten trotz guter diätetischer Füh- rung oftmals rudimentär, wobei sich jedoch alle Parameter der Malab- sorption zurückbilden können. Gele- gentlich verhält sich aber die Sprue nach anfänglichen diätetischen Er- folgen in zunehmendem Maße thera- pieresistent.

Solche, meist rasch letal verlaufen- den Krankheitsbilder weisen oftmals eine monströse Vermehrung von Kollagenfasern unter der abgeflach- ten Mukosa auf und werden dann als Kollagensprue bezeichnet. Wie weit diese ein eigenes Krankheitsbild oder nur eine foudroyante Verlaufs- form der Glutenenteropathie dar- stellt, ist bislang noch nicht geklärt.

Wichtig für die diätetische Prophyla- xe von Schäden ist die Aufklärung der Patienten, da die Kosten der Diät von den Krankenkassen in der Regel nicht getragen werden. Gelegentlich verzichten indolente Patienten aus Kostengründen und infolge man- gelnder Aufklärung auf die Einhal- tung der glutenfreien Ernährung und nehmen Durchfälle, Wirbelsäu- lenverkrümmung und Eiweißman- gelödeme in Kauf.

In Tabelle 4 sind die wichtigsten Richtlinien für die Zusammenstel- lung der Diät und die Bezugsquellen für glutenfreie Fertigprodukte auf- geführt. Regelmäßige klinische oder fachärztliche Kontrolluntersuchun- gen sind nicht nur zur Überwachung des Therapieerfolges, sondern auch aus prophylaktischen Gründen bei der nach langjährigem Verlauf zur Manifestation von Malignomen — vor allem intestinalen Lymphomen — neigenden Erkrankung.

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Tabelle 5: Arzneimittel, die für Durchfälle verantwortlich sein können

Laxantien (alle Präparate) Diuretika (vor allem Saluretika)

Kardiotone Glykoside (vor allem Meproscillardin, Clift®) Gallensäurehaltige Präparate

(zum Beispiel Pancreon forte®, Chenofalk®)

Dünndarm-Entzündungen

Chronischer Alkoholismus Diarrhöe ist eine häufige Begleiter- scheinung bei chronischem Alkoho- lismus. Die Alkoholwirkung am Dünndarmepithel ist komplex und involviert direkte morphologische Alterationen mit Zellzerstörung und Aufbrechung von „tight junctions", Hemmung der aktiven Natrium- und Zuckerabsorption und Stimulation der Chloridsekretion durch Aktivie- rung der Adenylzyklase. Auch Thia- min, Vitamin B 12 , Folsäure, Kalzium, Zink und Fett werden vermindert ab- sorbiert, wobei zumindest für Fol- säure und Fett eher die Mangeler- nährung des Alkoholikers denn spe- zifische Absorptionsdefekte die aus- schlaggebende Rolle spielen.

Laxantien- und Diuretika-Abusus

Bei etwa einem Viertel der Patienten mit chronischer Diarrhöe läßt sich mit allen zur Verfügung stehenden diagnostischen Methoden keine Ur- sache erkennen. Der weitaus größte Anteil dieser Gruppe treibt einen sorgsam verheimlichten Laxantien- und/oder Diuretikaabusus. Das Stuhlgewicht liegt meist über 1000 g bei flüssiger Konsistenz. Blutbei- mengungen im Stuhl fehlen, können aber, vor allem anfänglich, vorhan- den sein und an entzündliche Dick- darmerkrankungen denken lassen.

Die Durchfälle persistieren auch bei völliger Nahrungskarenz und haben somit sekretorischen Charakter. Bei Dünndarm-Perfusionsu ntersuchu n- gen sind daher Wasser- und Elektro-

lytabsorption normal. Nur bei Antra- chinon-Abusus bildet sich bereits nach kurzer Zeit eine Pigmentierung der Rektumschleimhaut aus (Pseu- domelanosis coli), die auf den La- xantienkonsum hinweist. Phenol- phthalein und Aloe färben sich im Stuhl nach Zusatz von Natronlauge rot. Bisacodyl muß gaschromatogra- phisch aus Stuhlfiltraten bestimmt werden.

Am schwierigsten ist der Nachweis osmotisch wirksamer Laxantien, wie MgSO4 und Na 2SO4 . Für diese Fälle ist die Bestimmung von Osmolalität, Natrium- und Kaliumkonzentration im Stuhlwasser möglich. Übersteigt die Osmolalität das Doppelte der ge- messenen Konzentrationen von Na- trium plus Kalium wesentlich, so liegt eine osmotische Diarrhöe vor.

Die Messung der Magnesiumkon- zentration im Stuhlwasser kann ebenfalls manchmal zum Ziel füh- ren. Dennoch bleibt in vielen Fällen keine andere Möglichkeit, als Schränke, Schubfächer und Ta- schen des Patienten in seiner Abwe- senheit und unter Zeugen zu unter- suchen. Die Anzahl und Mengen an verschiedenen laxierend und diure- tisch wirksamen Präparaten, die da- bei entdeckt werden können, sind oftmals verblüffend.

Ein langjähriger Abusus führt immer zum sekundären Hyperaldosteronis- mus mit exzessiv gesteigerten Plas- maspiegeln von Aldosteron und Re- nin und damit, nicht selten, zum sogenannten Pseudo-Bartter-Syn- drom. Dieses ist durch eine Angio- tensin-resistente Hypotonie, Hypo-

kaliämie, Hyponatriämie und Hy- pochlorämie bei ausgeprägter Kach- exie und sekundärer Nierentubulus- schädigung im Sinne einer Kalium- verlust-Nephropathie gekennzeich- net. Typischerweise ist die Ausschei- dung von Prostaglandinen im Urin exzessiv erhöht und läßt sich durch Prostaglandinantagonisten, wie In- domethacin (zum Beispiel Amuno®) senken, womit auch die arterielle Hypotonie bis zu einem gewissen Grade gebessert werden kann. Eine intensive psychologische Führung durch den behandelnden Internisten und später durch einen Psychothe- rapeuten ist die einzige Möglichkeit, diesen instabilen, die Aufmerksam- keit ihrer Umgebung erheischenden Persönlichkeiten zu helfen, von dem Abusus auf Dauer loszukommen.

Arzneimittelnebenwirkungen Wenn man von der zuvor geschilder- ten antibiotikaassoziierten Kolitis absieht, gibt es nur eine kleine An- zahl an Arzneimittelgruppen, die ge- legentlich als unerwünschte Neben- wirkungen Durchfälle hervorrufen können (Tabelle 5). Der konsultierte Arzt sollte darüber Bescheid wissen und vor einer aufwendigen Diagno- stik oder Verordnung von Motilitäts- hemmern das potentiell auslösende Präparat absetzen beziehungsweise durch ein gleichwertiges, das diese Nebenwirkung nicht hat, ersetzen.

Zu diesen gehören vor allem Diureti- ka, kardiotone Glykoside und Gal- lensäuren. Von den Diuretika haben sich vor allem saluretisch wirkende Stoffe, wie Amilorid (Arumin®), Chlorthalidon (Hygroton®), Kalium- canrenoat — besonders in Kombina- tion mit Thiaziden (zum Beispiel Al- dactone-Saltucie) und Etacrynsäu- re (Hydromedie als potentiell durchfallerzeugend gezeigt. Unter den Glykosiden muß vor allem das Meproscillaridin (Clift®) erwähnt werden, bei dem in etwa 10 Prozent mit dem Auftreten von Durchfällen zu rechnen ist.

Ursache der Durchfälle mit diesen Präparaten ist die Hemmung der Na- trium- und Wasserabsorption in Dünn- und Dickdarm. Pankreasfer-

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Dünndarm-Entzündungen

ment-Präparate, denen Gallensäu- ren beigefügt sind, zum Beispiel Pancreon forte®, können bei höhe- rer Dosierung ebenfalls zu Durchfäl- len führen. Desgleichen ist beim Versuch der medikamentösen Gal- lensteinauflösung mit Chenodes- oxycholsäure (Chenofalk®) mit die- ser Komplikation zu rechnen, die bei Verabreichung von Ursodeoxychol- säure (Ursofalk®) keine klinisch rele- vante Rolle spielt.

Hormonell induzierte Durchfälle

In äußerst seltenen Fällen können hormonaktive Tumoren des Gastro- intestinaltraktes (Pankreas, Dünn- darm) oder extraenteraler Lokalisa- tion (Schilddrüse, Nebennieren, Paravertebralganglien, Bronchial- baum) mit wäßrigen Durchfällen ein- hergehen. Diese können ganz im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen (Syndrom der wäßrigen Diarrhöe, Hypokaliämie und Achlor- hydrie, auch unter dem Namen Ver- ner-Morrison-Syndrom oder der Be- zeichnung „pankreatische Cholera"

bekannt).

Verschiedenste Hormone sind als auslösende Ursache angeschuldigt worden: Vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP), Gastric inhibitory polypeptide (GIP), Pankreatisches Polypeptid, Somatostatin, Thyreo- calcitonin, Katecholamine, Seroto- nin und Prostaglandine. Von diesen ist VIP der glaubwürdigste Kandidat, da es die Säuresekretion des Ma- gens hemmt und die intestinale und pankreatische Sekretion stimuliert.

Dennoch ist der Plasma-VIP-Spiegel nicht in allen Fällen erhöht; in vielen werden hingegen mehrere Hormone gleichzeitig im Plasma erhöht gefun- den; darüber hinaus wurden bei Diarrhöen anderer Genese (Laxan- tienabusus, Sprue, Cholera, Lei- tungswassereinläufe) episodisch ebenfalls erhöhte Plasmaspiegel für VIP berichtet.

Diese Unklarheiten lassen es daher nicht ratsam erscheinen, aus einem erhöhten Plasma-VIP-Spiegel bei wäßriger Diarrhöe weitreichende, das heißt operative, Konsequenzen

zu ziehen. Der therapeutische Ein- satz von Motilitätshemmern ist bei diesen Erkrankungen gefahrlos. Die Durchfälle beim Zollinger-Ellison- Syndrom (Gastrinom) rühren nicht von Stimulation intestinaler Sekre- tion durch das vom Tumor gebildete Gastrin, sondern von der Überla- stung des Darmes mit gewaltigen Mengen an Magensekret und der Reduktion der Gallensäurekonzen- tration im Dünndarm unter die kriti- sche mizellare Konzentration und dadurch bedingter Steatorrhöe her.

Thyroxin stimuliert die propulsive in- testinale Motilität. Die bei unbehan- delter Hyperthyreose in etwa 10 Pro- zent auftretenden Durchfälle sind je- doch nicht Folge der Motilitätsstö- rung, sondern Ausdruck der Hyper- alimentation mit Überlastung des Darmes durch Neutralfette. Das im Kolon zu Hydroxyfettsäuren bakte- riell fermentierte Fett führt dort zur Sekretion von Wasser- und Elektro- lyten.

Sogenannte Durchfälle bei Analsphinkter-lnsuffizienz und irritablem Kolon

Eine Reihe von Patienten klagen über schwere, hartnäckige Durchfäl- le, ohne jedoch erhöhte Stuhlge- wichte aufzuweisen. In diesen Fällen lohnt es sich, manometrische Unter- suchungen an Anus und Rektum so- wie Flüssigkeits-Kontinenzprüfun- gen durchzuführen. In den meisten Fällen liegt eine Insuffizienz des Sphinkterorgans oder eine rezeptive Funktionsstörung der Ampulla recti vor, so daß flüssiger Stuhl entweder unbewußt oder in ausgeprägten Fäl- len auch bewußt nicht zurückgehal- ten werden kann. Da die Betroffenen unter ihrer Anomalie erheblich lei- den, sind eine exakte Diagnose und anschließend ein Sphinktertraining notwendig. Auch hier können Motili- tätshemmer im Einzelfalle die sub- jektiven Beschwerden lindern, ob- gleich eine theoretische Begrün- dung dafür fehlt. Beim irritablen Ko- lon können Obstipation und wäßri- ger Stuhl miteinander abwechseln.

Das Stuhlgewicht ist normal und Analsphinkter-Funktion wie rektale Flüssigkeitskontinenz sind intakt.

Zusammenfassung

Diese Übersicht ist keineswegs er- schöpfend und kann nur die wesent- lichen Erkrankungen und ihre zu- grunde liegenden Ursachen auf- zeigen.

Die Abhandlung aller zum Teil ex- trem seltener und meist angebore- ner oder erblicher Syndrome hätte den Rahmen dieser Arbeit ge- sprengt.

Der Autor war bemüht, das Kompli- zierte Gebiet leicht verständlich dar- zustellen, Ursachen und Pathogene- se anklingen zu lassen und vor allem therapeutische Aspekte hervorzu- heben.

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Chronic diarrhea of unknown origin. Gastro- enterology 78 (1980) 264-271

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans Ruppin

Medizinische Universitätsklinik Krankenhausstraße 12

8520 Erlangen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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