Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 1 vom 1. Januar 1981
Versand von
gonokokkenhaltigem Material
Erika Rosenthal, Christine Dostal und Sigrid Jäger
Aus dem Institut für Medizinische Mikrobiologie (Direktor: Professor Dr. med. Götz Linzenmeier) des Universitäts-Klinikums (GHS) Essen und dem Gesundheitsamt der Stadt Essen
(Leitender Medizinaldirektor: Dr. med. Agnes Holtwick-Singendonk)
Mit Recht wird gefordert, die Diagnose „Gonorrhöe" zu- mindest in speziellen Fällen bakteriologisch durch kultu- relle Anzüchtung zu bewei- sen. In der Praxis stößt man wegen des raschen Abster- bens der Erreger beim Trans- port auf Schwierigkeiten. Eine Self-made-Bakteriologie ist mit vielen Fehlermöglichkei- ten behaftet. Weitgehend Ab- hilfe kann ein geeignetes Transportmedium als Binde- glied zwischen Praktiker und Speziallabor schaffen.
Klinische Diagnose bakteriologisch sichern
Die klinische Diagnose „Gonor- rhöe" sollte bakteriologisch gesi- chert werden (4)*). Dazu dienen das nach Gram gefärbte Abstrichpräpa- rat, die kulturelle Anzüchtung und die Identifizierung von Neisseria go- norrhoeae, der Gonokokken.
Bei Beherrschung der Gram-Fär- bung — die Methylenblau-Färbung bringt Unsicherheitsfaktoren wie die Verwechslung mit grampositiven Di- plokokken — ist die mikroskopische Diagnose nicht allzu schwierig. Im Idealfall findet man semmelförmige, gramnegative Diplokokken, die teils intrazellulär, teils extrazellulär gela- gert sind. Hierbei handelt es sich meist um Gonokokken; es darf je- doch nicht außer acht gelassen wer- den, daß auch andere Arten der Gat- tung Neisseria sowie Moraxella, Mi- ma, Herella im mikroskopischen Präparat nicht von Gonokokken zu unterscheiden sind (1).
Sprechen Anamnese, klinischer Be- fund, mikroskopisches Präparat und therapeutischer Erfolg für eine Go- norrhöe, gilt die Diagnose beim
Mann in der Regel als gesichert (2, 4, 5). Bei der Frau kann nur in etwa der Hälfte der Fälle mit einem eindeutigen mikroskopischen Er- gebnis gerechnet werden (5). Aus diagnostischen und/oder psycholo- gisch-sozialen Gründen wird man nicht nur in Zweifelsfällen eine kul- turelle Anzüchtung der Gonokokken anstreben.
Anzüchtung und
Transport der Gonokokken Wegen der hohen Nährbodenan- sprüche der Gonokokken, ihres CO 2-Bedarfs und ihrer Empfindlich- keit gegen Austrocknung und Kälte sollte ihre Anzüchtung Spezialla- bors vorbehalten bleiben. Dem Klini- ker und Praktiker sollte ein geeigne- tes Transportmedium zur Verfügung stehen (6), das er, auf Raumtempe- ratur gebracht, direkt beimpft und so schnell wie möglich an das ent- sprechende Labor weiterleitet.
Die Durchsicht einschlägiger Lite- ratur ergab, daß sich Transgrow
*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.
19
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Gonorrhöe
. < . •. ''-.,_ ,. •. ~~ ~ ~· ., ' l
Tabelle: Transportmedien für Gonokokken }
·,.,.,
' . ·•·'~ ·~··~'"'·' :, \ Sofort Erst 24 Stunden später weiterverarbeitet weite rve rarbe itet
Anzahl Positiver
Anzahl Positiver Transportmedium
insgesamt Erreger-
insgesamt Erreger-
nachweis nachweis
Schokoladenagar 26 20 37 17
Transgrow 28 26 37 33
Port-A-Cul 28 21 38 11
Culturette 22 14 37 1
"Begleitflora": Männer 2 von 21; Frauen 20 von 45
(Firma Secton Dickinson), ein Scho- koladen-Schrägagar in einem abge- flachten Fläschchen, als gutes Transportmedium für Gonokokken (3) erwiesen hat.
Auch die nachfolgend angeführte Untersuchung bestätigt die Vorteile von Transgrow, welches die antimi- krobiell wirksamen Zusätze Vanco- mycin, Kanamycin, Nystatin und Tri- methoprim enthielt.
Bei 66 klinisch und mikroskopisch gesicherten Fällen von Gonorrhöe (21 Männer, 45 Frauen) zeigten sich die in der Tabelle wiedergegebenen Ergebnisse. Aus ihnen geht hervor, daß man mit Transgrow am besten Gonokokken anzüchtet, auch wenn man einen 24-stündigen Transport imitiert.
Falls man die Möglichkeit des sofor- tigen Transports in ein Labor hat, zum Beispiel durch den Patienten selbst oder durch einen Boten, kann man auch mit Schokoladenagar, der erheblich preiswerter ist als Trans-
grow, gute Ergebnisse erhalten, be-
sonders wenn es sich um männliche Patienten handelt.
Folgendes Vorgehen ist für den Praktiker empfehlenswert:
..". Transgrow nach Vorschrift beimpfen und innerhalb von 24 Stunden dem Labor unbebrütet zu- leiten.
Unsicherheitsfaktoren verschiedener
Untersuchungsverfahren
Gegen eine Bebrütung von Trans- grow in der eigenen Praxis - also außerhalb des bakteriologischen Speziallabors- spricht die Tatsache, daß es trotz der antimikrobiell wirk- samen Zusätze im Transgrow-Me- dium nicht selten zum Anwachsen von Begfeitkeimen (Kontaminations- flora) kommt, welche sich auf einem anschließenden Transport zum La- bor durch das entstandene Kon- denswasser mit den zarten Gono- kokkenkulturen vermischen und die- se überwuchern.
Von einer diagnostischen Weiterver- arbeitung, wie Prüfen der Oxidase- Reaktion und Mikroskopieren, ist ebenfalls abzuraten, denn auch bei 20 Heft 1 vom 1. Januar 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT
sachgerechter Durchführung ist die Diagnose hiermit nicht gesichert, da diese letztlich nur durch biochemi- sche und/oder serologische Tests verifiziert werden kann.
Außerdem sollte grundsätzlich eine Resistenzbestimmung vorgenom- men werden, da in den letzten Jah- ren auch in Deutschland gelegent- lich penicillinresistente Stämme iso- liert worden sind.
Die nebenstehend genannten Unter- suchungsverfahren bergen außer- dem weitere Unsicherheitsfaktoren.
Zum einen reagieren alle Neisseria- Arten sowie etliche weitere Bakte- rienarten Oxidase-positiv und/oder imponieren mikroskopisch als gram- negative Kokken, unter anderem auch junge Kolonien von Enterobak- terien, welche häufig als Kontamina- tionsflora vorkommen.
Zum anderen können die angebote- nen Oxidase-Reagenzien zu emp- findlich reagieren und damit ein falsch positives Ergebnis vortäu- schen.
Literatur
(1) Berger, U.: Fortschritte der bakteriologi- schen Gonorrhoe-Diagnostik, Dtsch. med.
Wschr. 92 (1967) 847-850 - (2) Gründer, K.:
Gonorrhoe, Fortschr. Med. 98 (1980) 118--128- (3) Hosty, T. S.; Freear, Mary, A.; Baker, Christi- ne. and Holston. J.: Comparison of Transporta- tion Media for the Culturing of N. gonor- rhoeae. Amer. J. Clin. Path. 62 (1974) 435-437 - (4) Meyer-Rohn. J.: Diagnostik und Therapie cjer Gonorrhöe und Pseudogonorrhöe, Dtsch. Arzteblatt 70 (1973) 487-490- (5) Reichlin, B ..
und Rufli, Th.: Zur Aussagekraft heute verfüg- barer Gonorrhöe-Untersuchungsmethoden. Schweiz. med. Wschr. 104 (1974) 1712-1717- (6) Schaal. K. P.: Entnahme und Transport von Untersuchungsmaterial zur mikrobiologi- schen, parasilologischen und serologischen Diagnostik von Infektionskrankheiten (Teil I (a) und Teil II (a)). Krankenhausarzt 49 (1976) 395-464 und 531-547
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Erika Rosenthai Institut für
Medizinische Mikrobiologie Hufelandstraße 55
4300 Essen 1