DIE AKKULTURATION DER NUBISCHEN C-GRUPPE
IM NEUEN REICH
Von Tobgny Säve-Söderbbrgh, Uppsala
Das Problem, das ich in meinem Referat kurz behandehi möchte, ohne
auf alle Einzelheiten einzugehen, ist schon oft behandelt worden, und kei¬
ner, der sich ernsthch um eine Analyse der ägyptischen Kolonialpolitik
bemüht, kann vermeiden, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Es handelt sich um die ethnischen Komponenten der nubischen Provinz
des Neuen Reiches und üir gegenseitiges pohtisches und kulturelles Verhält¬
nis. Es ist, anders ausgedrückt, die Frage, inwiefern eine größere Anzahl
von ägyptischen Kolonisten nach Nubien auswanderte und dort die ein¬
heimische Bevölkerung verdrängte oder ausrottete, oder ob eine bedeuten¬
dere ägyptische Auswanderung nach Nubien überhaupt nicht stattfand,
sondern die nubische Bevölkerung in ihrem Gebiet weiterlebte und zu der
überlegenen Zivilisation des Pharaonenreichs überging.
Die Geschichte der Eroberung und die administrative Organisation der
Provinz in ihren Hauptzügen sind wohlbekannt und können hier ausgelas¬
sen werden. Nur einige Züge sollen hervorgehoben werden.
Die ägyptische Abneigung, außerhalb Ägyptens zu leben und dort begra¬
ben zu werden, ist durch Texte gut belegt und kann wohl als eine bekannte
Tatsache bloß erwähnt werden. Dieser Charakterzug ist natürhch für die
Bemteilung der inneren Entwicklung in der nubischen Provinz von Be¬
deutung und darf nicht außer Acht gelassen werden. Als archäologischer
Beleg kann die Tatsache dienen, daß die Gräber der ägyptischen Vizekönige
von Nubien in Ägypten zu finden sind, sowie die Gräber vieler anderer
ägyptischer Beamter, die in Nubien kürzere oder längere Zeit tätig
waren.
Weiter ist es auch so, daß wir nach den Texten nicht sicher beurteilen
können, wieviele der Beamten mit ägyptischen Titeln und Namen in Nubien
wirklich reine Ägypter waren und ob sich darunter eino größere Anzahl von
Nubiern befand, da die Nubier zu dieser Zeit oft, wenn nicht fast immer,
rein ägyptische Namen trugen, nicht selten in Kombination mit einem
einheimischen Namen. Dies gilt sowohl in Ägypten als auch in Nubien, und
vom ägyptischen Gesichtspunkt aus kann man sich fragen, ob eine Defini¬
tion, daß, wer sich als Ägypter fühlte und als Ägypter auftrat, auch als
Ägypter betrachtet wurde, richtiger und wichtiger ist als eine rassenmäßige
Trennung. Eine solche Definition wird ja noch heutzutage, was Juden be¬
trifft, in Israel gebraucht.
Texte und Bilder zeigen aber deutlich, daß von einer Ausrottung der
einheimischen Bevölkerung in der nubischen Provinz keine Rede sein kann,
sondern eher, daß diese Bevölkerung unter der ägyptischen Herrschaft
weiter gedieh.
Mit diesem Hintergrund können wir uns zunächst an den archäologischen
Befund wenden, und dabei wollen wir zuerst die sohon in der Zweiten Zwi¬
schenzeit bekannten Gruppen der Reihe nach behandeln.
1. Wir beginnen mit der in der vorhergehenden Periode ganz dominieren¬
den C-Gruppe, die schon vor dem N. R. von der ägyptischen Kultur stark
beeinflußt war.
Die früheren Forscher, die in Nubien gearbeitet haben, und zwar im
ägyptischen Teil des Landes, - ich nenne hier Reisner, Firth, Emery, Kirwan,
Steindorff und Junker - waren alle der Meinung, daß die C-Gruppe am An¬
fang des N. R. ihr Ende fand oder schon gefunden hatte, und wenn auch
zweifelsohne einige C-Gruppen-Gräber im ägyptischen Nubien in die aller¬
erste Zeit des N. R. zu datieren sind, scheint diese Analyse der früheren
Grabungsresultate in der Hauptsache korrekt zu sein.
Im nördhohsten Sudan und wohl auch im südlichsten ägyptischen Nubien
waren die Verhältnisse anders. Es war eins der wichtigsten Resultate der
skandinavischen Expedition, daß wir feststellen konnten, daß die C-Gruppe
hier bis tief in die 18. Dynastie weiter gediehen war, und wahrscheinlich,
nach Anzahl und Größe der Nekropole zu urteilen, immer noch eine bedeu¬
tende Völkergruppe ausmachte. Vereinzelte Friedhöfe mit Begräbnissen vom
C-Gruppen-Typus reichen sogar bis ins späte 13. Jh., - das zeigt u. a. eine
Nachahmung einer mykenischen Bügelkanne, deren Original nioht früher
angesetzt werden kann.
Das bedeutet, daß hier die C-Gruppon-Tradition ebensolange weitergelebt
hat wie die sogenannten ägyptischen Gräber, die nach dem Ende der 18. Dy¬
nastie selten sind und fast aufhören.
In diesen späten C-Gruppen-Friedhöfen können wir eine zunehmende
Ägyptisierung deutlich beobachten - eine Entwicklung, die in der vorher¬
gehenden Periode eingeleitet worden war. Die rein nubischen Beigaben
von Keramik sind oft selten, und statt dessen treten ägyptische Gefäße auf,
wobei verschiedene Gruppen verschiedene ägyptische Typen bevorzugt ha¬
ben. So finden wir in einer Nekropole eine besondere Vorliebe für ,,carinated jars", in einer anderen vor allem ,, Pilgerflaschen".
Es geht so weit, daß in einigen sonst typischen C-Gruppen-Friedhöfen
nubische Keramik überhaupt fehlt, und das Vorhandensein von ägyptischer
Keramik beziehungsweise Abwesenheit von nubischer Keramik kann nach
unserer Erfahrung nioht mehr als Kriterium gelten, ob ein Grab als C-Gruppe
14 ToBONY Säve-Södebbebgh
oder nicht bezeichnet werden soü. Auch in den übrigen Beigaben dominieren
ägyptische Gegenstände auf Kosten des einheimischen Elements. Aber
Grabkonstruktion und Begräbnisgebräuche bewahren die alten Traditionen
und zeigen m. E. deutlich, daß dieses Kriterium das einzig praktische ist,
um die kulturelle und wohl auch religiöse Zugehörigkeit zur C-Gruppe fest¬
zustellen.
In einigen interessanten Artikeln, worin er für die Auffassung eintritt,
daß die C-Gruppe nicht ägyptisiert wurde, sondern eher nach Süden aus¬
wanderte, vermißt Adams ,,a marked development of the late C-Group
graves towards Pharaonic norms". Aber diese Ägyptisierung kann m. E.
kaum deutlicher sein, als wie wir es in unserem Material besonders in den
Beigaben ablesen können. Bei den Grabformen und Begräbnissitten, die von
der Religion bedingt sind, sind Übergangsformon kaum zu erwarten. Da
gibt es wohl nur ein Entweder-Oder. Entweder geht man zur ägyptischen
Religion über und soll dann auch nach ägyptischen Normen begraben wer¬
den, oder auch hält man am alten Glauben fest und muß dann auch nach
alter Tradition bestattet wurde.
Hier, im nördhchen Sudan, können wir also eine Akkulturation der
C-Gruppe deutlich sehen, die sich in einer Ägyptisierung, was Grabbeigaben betrifft, äußert, die aber bei den Begräbnissitten Halt macht.
Was Unternubien im allgemeinen betrifft, so stellt das Vorhandensein
solcher konservativer Gruppen eher eine Ausnahme dar, wenn auch einige
Parallelfälle ira ägyptischen Nubien zu finden sind. Allgemein gesehen
spielt die reine C-Gruppe im kulturellen und religiösen Leben der nubischen
Provinz keine bedeutende Rolle mehr.
Bevor wir zum Hauptbestand der Gräber übergehen, der sogenannten
ägyptischen Gräber, betrachten wir zuerst die zwei anderen nubischen
Gruppen, die schon in der Zweiten Zwischenzeit auftraten.
2. Die schon früher ägyptisch beeinflußte Kerma-Gruppe, die in der
Hyksos-Zeit nach Unternubien vorgedrungen war und im freien nubischen
Königstum womöglich als eine dünne Herrscherschicht auftrat, ist jetzt
im N. R. fast vollständig verschwunden und nur wenige Gräber können ins
N. R. datiert werden. Aber isolierte Funde von Kerma-Bechern treten in
N. R.-Gräbern auf, und zwar bis nach dem ägyptischen Kerngebiet.
Die Kerma-Gruppe gehört also auch zu den Gruppen, die in der Zweiten
Zwischenzeit in Unternubien vertreten waren und nach der ägyptischen
Eroberung plötzlich und fast völlig verschwanden.
3. Auch die reinen Pan-Gräber, die früher über ganz Unternubien und
in Oberägypten bis zur Gegend von Asiut vorkamen und deren Ägyptisie¬
rung schon vor dem N. R. festzustellen ist, spielen jetzt keine größere Rolle
mehr, aber ihre typische Keramik flnden wir in Nekropolen, die zwar nicht
mehr als Pan-Gräber bezeichnet werden können, die sich aber von der so-
zusagen klassischen C-Gruppe deutlich unterscheiden. Auch hier können
wir eine ähnliche weitere Akkulturation in den Beigaben beobachten wie
in der N. R. C-Gruppe.
Wenn die Pan-Gräber der ethnischen Gruppe Medjayu entsprechen,
wissen wir ja auch durch viele Texte, daß die Gruppe weiter existierte, und
zwar als Soldaten und Polizisten in ägyptischem Dienst. So fand man auch
die typische Pan-Gräber-Keramik in den N. R. Schichten in der Serra-
Festung im nördlichen Sudan.
In diesem Fall können wir also feststellen, daß die typische Pan-Gräber-
Kultin verschwindet, und zwar durch eine Akkulturation, daß aber die
ethnische Gruppe weder ausgewandert ist noch ausgerottet wurde.
4. Damit können wir uns zum Hauptbestand der N. R. Gräber wenden,
den sogenannten ägyptischen Gräbern, deren Interpretation für die Beurtei¬
lung der ägyptischen Kolonialpolitik von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Je nachdem von welchem Ausgangspunkt man das Problem angreift,
kann eine Lösung als einleuchtend betrachtet werden.
Zunächst können wn die Lage folgendermaßen betrachten: Das freie
Nubien wird von den Ägyptern erobert. Die einheimischen Kulturen ver¬
schwinden dabei und der nubische Anteil im archäologischen Bestand stellt
nachher einen ziemlich unbedeutenden Teil im Verhältnis zu Gräbern von
ägyptischem Typus dar. Ohne eine eingehende Analyse wäre es fast selbst¬
verständlich anzunehmen, daß die Nubier von ägyptischen Einwanderern
überrannt und verdrängt wurden, und daß das Herrschervolk dann die
Hauptmasse der Bevölkerung ausmachte.
Wenn wir aber die Lage im N. R. sozusagen vom nubischen Gesichtspunkt
aus betrachten, kommen wir ebenso selbstverständlich zu einer anderen
Lösung, die zuerst Junker befürwortet hat und der ich mich vor fast 30
Jahren angeschlossen habe.
Sowohl in der C-Gruppe als auoh in Kerma tmd im Falle der Pan-Gräber
können wir als eine Tatsache feststellen, daß ägyptisches Kulturgut schon
vor dem N. R. eine zunehmende Rolle in diesen Kulturen spielte, so daß
ein Übergang zu ägyptischen Begräbnisformen bloß den letzten Tritt auf
einem schon längst betretenen Weg bedeutet. Wenn wir dann auch durch
Bilder und Texte feststellen können, daß die Bevölkerung in Unternubien
von den Ägyptern als Ausländer betrachtet wurde und daß der Hauptteil,
nach diesen Quellen zu urteilen, immer noch Nubier waren, während auf
der anderen Seite von größeren Mengen ägyptischer Auswanderer nach
Nubien niemals die Rede ist, hegt die Schlußfolgerung außerordentlich
nahe, daß viele, ja die meisten Nubier insofern ägyptisiert wurden, daß
sie sich auch nach ägyptischer Sitte begraben ließen. Und damit können
wir das Vorhandensein von Gräbern ägyptischen Tj-pus nioht als Zeichen
oder Maßstab für eine ägyptische Auswanderung nach Nubien betrachten.
16 Tobgny Save-Sodebbbbgh
Es gibt jetzt verschiedene Umstände, die für eine nubische Interpretation
der sogenannten ägyptischen Gräber sprechen.
In eimgen Fällen ist die Lage völlig klar. Ich denke an die in Debeira und
Toschke untersuchten Fürstengräber. Sowohl in Debeira als auch in Toschke
sind die Grabform und Grabausstattung wie auch die Beigaben völlig
ägyptisch und zeigen keine nubischen Züge auf. Ohne weitere Evidenz zu
haben, würde man sie zweifelsohne zu den sicher ägyptischen Bestattungen
zählen. Jedoch wissen wir hier, daß die Grabherren Nubier waren, und zwar
nubische Herrscher {wr) - im Falle von Toschke, weil der Grabherr, der
Fürst Hekanefer von Miam, im Grabe des Vizekönigs Huy deutlich als
Nubier abgebildet ist.
Im Fall von Debeira zeigen die Abbildungen (in den dortigen Gräbern, im
Grabe des Senmose in Assuan und bei Statuen im Buhen-Tempel) zwar
einen ägyptischen Normaltypus - in Gegensatz zum Huy-Bild handelt es
sich hier um ,, Selbstporträts" - aber Vater und Mutter der beiden Brüder
Djehutihotep und Amenemhet haben unägyptischc Namen (Ruyu und
Runa) und ihr Nubiortum ist auch niemals bezweifelt worden. Sie führen
auch beide den Titel wr n Thht d. h. ,, (einheimischer) Fürst von Debeira/
Serra", was ihren nubischen Charakter unterstreicht.
Die Untertanen der Toschke-Aniba-Familie, mit dem am ägyptischen Hof
als hrd n k^p erzogenen Hekanefer von Miam an der Spitze, sind im Huy-
Grab als stark ägyptisicrte Nubier dargestellt, wobei verschiedene Einzel¬
heiten Mißverständnisse der ägyptischen Kulturgüter aufzeigen, und ihre
Tracht ist ein sonderbares Gemisch ägyptischer und nubischer Elemente.
Die Untertanen der Debeira-Familie sind im Grabe des Djehutihotep ab¬
gebildet rmd stellen eine Mischimg von dunkelbraunen und schwarzen
Leuten dar - eine Darstellung, die entweder konventionell ist oder tatsäch¬
hch von einer Rassenmischung zeugt. Auch archäologisch sind diese Unter¬
tanen durch Grabfeldcr in der Nähe greifbar, und zwar in erster Linie durch
gleichzeitige C-Gruppen-Nckropolen und durch eine Nekropole (Nr. 176)
mit Pan-Gräber-verwandten Zügen, aber mit vorwiegenden ägyptischen
Beigaben. Daß diese Repräsentanten der fortlebenden nubischen Kultur
zu den unmittelbaren Untertanen des nubischen Lokalfürsten gehörten, ist
wohl sicher, wie wohl auch die Inhaber gleichzeitiger Felsgräber ägypti¬
schen Typus im Gelände unmittelbar vor dem Grabe Djehutihoteps.
Bei dem größten Friedhof in der Gegend - die große Nekropole von
Fadrus (Nr. 185) mit fast 700 sogenannten ägyptischen Gräbern von der
Hyksos-Zeit bis zur Regierung Amenophis' III. datierbar - hängt die Inter¬
pretation von der ethnischen Zugehörigkeit der Grabbesitzer ab. Daß eine
größere Kolonie ägyptischer Einwanderer dem nubischen Lokalfürsten
unterstellt gewesen wäre, leuchtet mir nicht ein. Aber waren hier Ägypter
oder ägyptisicrte Nubier begraben 1
Bei der Interpretation dieser „ägyptischen" Gräber von Fadrus und
anderer Gruppen in der Nähe müssen einige Umstände, was ihre Lage be¬
trifft, beachtet werden.
Diese Gräber befinden sich im allgemeinen in unmittelbarer Nähe von
C-Gruppen-Gräbern und erwecken den Eindruck, sie seien eine direkte Fort¬
setzung dieser nubischen Friedhöfe, mit denen sie hier oft gleichzeitig sind.
Weiter muß daran erinnert werden, daß sich keine ägyptischen Verwal¬
tungszentren in unmittelbarer Nähe befinden, sondern wir befinden uns
sozusagen auf dem platten Lande Nubiens. Serra und Buhen sind ziemlich
weit entfernt und die Nekropolen dieser Zentren liegen in der Nähe der
Städte. Auch eine N. R.-Festung auf Gebel Sahaba stellt kein bedeutendes
Bevölkerungszontrum dar.
Beim ersten Anblick scheint auf dem Fadrus-Friedhof alles gut ägyptisch
zu sein. Grabformen, Begräbnisart und Beigaben (mit Ausnahme einiger
vereinzelter nubischer Gefäße) sind ägyptisch. Aber es ist ebenso wichtig zu
notieren, daß vieles hier fehlt, was für eine ,, orthodoxe" ägyptische Be¬
stattung von großer Bedeutung war. Eine der wichtigsten Aufgaben eines
ägyptischen Grabes war doch, den Namen des Toten leben zu lassen, imd
wenn diese Gräber tatsächlich Ägyptern gehörten, wäre es recht auffallend,
daß niclit einmal in den reichsten und ungeplünderten Gräbern der Name des
Toten zu finden ist - weder auf der einfachsten Grabstele noch auf Uschebti-
Figuren, Skarabäen, Grabkonen oder sonstigen Gegenständen. Uschebti
kommen überhaupt nicht vor, von Herz-Skarabäen nur ein einzelner ohne
Namen, auch keine Stelen oder beschriftete Architekturfragmeiite ; die
einzigen Namen, die überhaupt vorkommen, sind zwei Topf-Inschriften
eines Wakils (idnw) und eines Künstlers {sä kdwt).
Ein Vergleich mit den N. R.-Gräbern bei den Verwaltungszentren Buhen
und Aniba, wo wir eher mit der Anweserüieit von Ägyptern unter den
Grabherren rechnen könnten, ist dabei lehrreich. Hier finden wir sowohl
Herz-Skarabäen und Uschebtis als auch Inschriften mit Namen, obwohl sie
sich in vielen Fällen nicht auf den Grabherrn beziehen, sondern Lehngut
sind. Bei den 152 N. R.-Gräbern von Buhen kommen sieben Stelen mit Na¬
men vor, und von den 156 N. R.-Gräbern bei Aniba enthalten 43 Gräber
Architekturclemente oder sonstige Gegenstände, die mit Namen beschrittet
sind.
Selbst in Aniba, wo, wie gesagt die Anwesenheit von echten Ägyptern
wahrscheinlicher ist als auf dem platten Lande, finden wir fremde Elemente
und solche leicht pathetische Mißverständnisse wie etwa im Grab SA 34,
wo der Grabherr zwar mit 361 Uschebti-Figuren versehen ist - ungefähr
die normalägyptische Anzahl -, wobei aber 23 dem Vizekönig Sethi ge¬
hörten !
Auch sonstwo finden wir ähnliche Verhältnisse, besonders auf N. R.
18 TORGNY Säve-Södebbergh
Friedhöfen, die von den Verwaltungszentren etwas entfernt liegen, und es
will mir deshalb nicht einleuchten, daß eine größere Anzahl oder selbst die
Majorität dieser Gräber tatsächlich Bestattungen eingewanderter Ägypter
sein können, eine Annahme, die übrigens mit dem, was uns Texte und Bilder
erzählen, schwer vereinbar ist.
Soweit scheint sich alles gut zu erklären, wenn wir annehmen, daß die so¬
genannten ägyptischen Gräber im allgemeinen als Bestattungen ägyptisier-
ter Nubier, und zwar vor allem Nachkommen der C-Gruppe, zu deuten sind
und nicht eine ägyptische Einwanderung bezeugen, wenn auch die letzte
Möglichkeit in Ausnahmefällen keineswegs ausgeschlossen ist.
Jedoch wird die Rekonstruktion durch die anthropologischen Resultate
kompliziert.
Dr. Vagn Nielsen, der für die Bearbeitung des anthropologischen Mate¬
rials der skandinavischen Expedition verantwortlich ist, hat jetzt die
neuesten Resultate und die Analyse unseres Materials zusammengestellt.
Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern kurz nm Folgendes
hervorheben :
Schon Batrawi (1934/5) fand einen signifikanten Unterschied zwischen der
C-Gruppe und dem Material aus den sogenannten ägyptischen Gräbern in
Nubien. Später hat Mukherjee mit einer besseren Analysemethode fest¬
gestellt, daß der Unterschied zwischen C-Gruppe und „ägyptischen" Grä¬
bern fast doppelt so groß ist wie der Abstand zwischen der meroitischen
Serie und der X-Gruppe. Dagegen unterscheiden sich das ,, ägyptische" Ma¬
terial und Kerma weniger. Barnard fand auch eine große Ähnlichkeit zwi¬
schen der Kerma-Gruppe und einer Dendereh-Gruppe aus der 11. und 12.
Dynastie.
Vagn Nielsen findet nun auch, durch eine Analyse sowohl von unserem
Material aus Nordsudan als auch von den früheren Resultaten, einen größe¬
ren Unterschied zwischen der C-Gruppe und dem „ägyptischen" Material
aus Nubien, als was von einer zufälligen Auswahl aus demselben Volk zu
erwarten wäre. Außerdem liegt derselbe Unterschied zwischen Kerma und
C-Gruppe vor, während ein signifikanter Unterschied zwischen Kerma und
dem „ägyptischen" Material kaum vorliegt.
Diese Unterschiede treten deutlicher bei den Männern als bei den Frauen
hervor.
Einige Bemerkungen sollen hier gemacht werden. Vagn Nielsen und seine
Vorgänger haben C-Gruppe und ,, ägyptisches" Material aus Nubien als
Einheiten behandelt, ohne die Pan-Gräber abzutrennen und ohne eine
Trennung von früheren und späteren ,, ägyptischen" Gräbern zu ma¬
chen.
Außerdem konnten wegen des schlechten Erhaltungszustandes nur etwa
150 Individuen aus den fast 700 Gräbern in Fadrus untersucht werden - je-
doch können diese 150 wohl als eine gute und repräsentative Zufallsauswahl („random sample") betrachtet werden.
Die anthropologischen Resultate können verschieden analysiert werden,
und ich sehe an und für sich drei Möglichkeiten :
1. Die sogenannten ,, ägyptischen" Gräber stellen tatsächlich Bestattun¬
gen ägyptischer Einwanderer dar. Die wenigen C-Gruppen-Friedhöfe - wie
etwa die von uns im Nordsudan untersuchten Nekropolen - würden dann
allein die Überreste der nubsichen Bevölkerung vertreten, und demnach wäre
die Bevölkerung Unternubiens schon am Anfang des N. R. von eingewan¬
derten Ägyptern dominiert gewesen, denn zahlenmäßig sind ja diese ,, ägyp¬
tischen" Gräber den C-Gruppen-Gräbern zu dieser Zeit weit überlegen. Die
Mehrzahl der C-Gruppe wäre wohl dann ausgewandert, ohne daß man
jedooh bis jetzt Spuren davon in den Nachbargebieten gefunden hätte. Diese
Rekonstruktion stimmt aber weder mit den Texten und Bildern noch mit
der oben dargestellten Sonderart der sogenannten „ägyptischen" Gräber
in Unternubien überein.
2. Eine andere Lösung hat Batrawi vorgeschlagen. Da das anthropologische
Kerma-Material mit dem ägyptischen gut übereinstimmt, hat er angenom¬
men, daß die sogenannten ,, ägyptischen" Gräber die Begräbnisse vom Süden
eingewanderter Kerma-Leute wären. Eine solche Völkerbewegung nach
Norden können wir ja tatsächlich auch in der Zweiten Zwischenzeit fest¬
stellen. Aber nach dem archäologischen Bestand zu urteilen, hatte diese
Wanderung einen ziemlich begrenzten Umfang und würde kaum als Er¬
klärung für die außerordentlich große Anzahl der sogenannten ägyptischen
Gräber in Unternubien genügen.
3. Persönlich möchte ich eine dritte Lösung vorschlagen: Die sogenannten
„ägyptischen" Gräber in Unternubien stellen keine ethnische oder politi¬
sche Einheit dar, sondern sind die Begräbnisse folgender Einzelgruppen:
a) eingewanderte Ägypter, was wohl besonders bei den Verwaltungs¬
zentren z. T. der Fall sein kann, kaum aber auf dem platten Lande, und
zwar in begrenztem Umfang
b) aus dem Süden zugewanderte Kerma-Leute, die schon früher stark
ägyptisch beeinflußt waren
c) Vertreter der ägyptisierten C-Gruppe, die ihre alten Traditionen auf¬
gegeben haben, im Gegensatz zu anderen weniger zahlreich vertretenen
Gruppen, die die alten Begräbnissitten beibehielten, aber in den Beigaben
eine weiter fortschreitende Ägyptisierung zeigen
d) ganz ägyptisicrte Vertreter der früheren Pan-Gräber-Kultm* tmd
höchstwahrscheinlich mit den in den Texten erwähnten Medjayu identisch.
Wenn die sogenannten ,, ägyptischen" Gräber eine Mischung aller dieser
Elemente darstellen, wäre es auch natürlich, daß ihr anthropologischer Be-
20 ToRGNY Säve-Södeebergh
stand sich deuthch von dera der früheren reinen Elemente abtrennt, und
wenn zwei der Komponenten (Kerma und Ägypter) eine Übereinstimmung
mit den anthropologischen Eigenheiten der Bevölkerung in Ägypten
aufweisen, wäre es ja auch natürlich, wenn die ganze Mischgruppe sich dem
ägyptischen Menschentypus mehr näherte als die ursprünghche C-Gruppe.
Demnach wäre wichtig festzustellen, nicht nur inwiefern sich die so¬
genannten ,, ägyptischen" Gräber von der reinen C-Gruppe unterscheiden, sondern auch wie sich dieser ,, ägyptische" Friedhofsbestand in jedem Ein¬
zelfall zu den angenommenen Komponenten verhält. Dabei muß man jedoch
leider konstatieren, daß eine wirklich repräsentative und gut untersuchte
gleichzeitige Serie aus Ägypten noch zu fehlen scheint und daß es sich
ebenso mit der Kerma-Gruppe verhält, wo das Material aus früherer Zeit
stammt.
Für eine sichere Lösung bedürfen wir also mehr Material, und man kann
nur hoffen, daß die weiteren Resultate der großen Nubienkampagne in
Kombination mit besseren Untersuchungen im ägyptischen Kerngebiet
mehr Klarheit brmgen werden.
Wichtig ist ja dieses Problem nicht nur für die richtige Beurteilung der
ägyptischen Kolonialpolitik, sondern auch für unser Verständnis für die
echt-ägyptische Zivilisation. Denn falls etwa die Kerma-Kultur oder die
unternubische ägyptische Kultur tatsächlich lokale Entartungen der ägyp¬
tischen Kulturträger im Auslande darstellen würde - woran ich persönhch
kaum glaube -, müßten wir ägyptische Kulturzüge, die wir bisher als ge¬
sichert hingenommen haben, anders beurteilen und würden dadmch auoh
viele unserer Vorstellungen von der ägyptischen Kultur im Grunde ver¬
ändern müssen.
BEI ASSUAN 1968
Von Elmab Edel, Bonn
Im Verlauf einer kurzen Grabungskampagne von 5 Wochen wurden in
diesem Frühjahr (1968) auf dem Gräberberg Qubbet el Hawa bei Assuan
die Schächte dreier Gräber gesäubert: die Schächte von Grab 29 sowie die
zweier nördhch davon gelegenen Gräber, deren Kultkammern ich bereits
in früheren Jahren freigelegt hatte, (Nummern 29b und 30b). Insgesamt
fanden sich 13 Sargkammern, die zu diesen Gräbern gehörten; sie waren
"wie üblich sämtlich schon in alter Zeit von Dieben durchwühlt worden,
wobei die Särge kurz und klein geschlagen wurden. Noch schlimmer war
die weitgehende Zerstörung der Sargfragmente durch Termiten, so daß nur
vereinzelte beschriftete Bretter dieser Kastensärge aus dem Ende der
6. Dynastie geborgen werden konnten.
Der Reichtum der Schächte der Qubbet el Hawa liegt jedoch in den alt-
hieratisch beschrifteten Töpfen, die man mit Nahrungsmitteln gefüllt dem
Verstorbenen mit ins Grab zu geben pflegte, wobei man außer der Inhalts¬
angabe gerne auch Titel und Namen, manchmal sogar auch Angaben über
die Eltern des Stifters auf die Töpfe schrieb. Auch in diesem Jahr war die
Ausbeute recht ergiebig. Grab 29 wies allein schon zehn Sargkammern auf;
gleich am dritten Tag fanden wir in einer einzigen Sargkammer 45 beschrif¬
tete Töpfe und in den restlichen neun Sargkammern, von denen aber nm
zwei fündig waren, fanden sich nach eimgen Tagen noch einmal 10 beschrif¬
tete Töpfe, alle 55 Töpfe nicht bloß mit Namen von Früchten, sondern auch
alle mit den Titeln und Namen der Spender beschriftet. Diese Aufschriften
bestätigten verschiedentlich in höchst willkommener Weise die Lesungen
der Titel und Namen von FamiUenangehörigen, die sich auf einem Pfeiler
der Kultkammer des Grabes 29 beflnden, aber so stark zerstört sind, daß
de Morgan bei seiner Publikation der durch Grenfells Grabungen ans Licht
gebrachten Assuangräber die Inschriften von Grab 29 gar nicht erst zu ko¬
pieren versucht hatte. Der Grabbesitzer, der ,, Einzigartige Freund und Vor¬
lesepriester" Sebekhotep, und andere Mitglieder der weitverzweigten Fa¬
milie waren zum Teil schon zuvor als Stifter in anderen Assuangräbern be¬
kannt geworden, so daß die zeitliche Stellung des Grabes gesichert ist.
Sebekhotep ist ein Zeitgenosse des Fürsten Sahni, dessen Grab Nr. 26
schon von Grenfell freigelegt worden war, und der nach Ausweis seiner histo-
5 Or.-Tg.