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Archiv "Vertragsarztrechtsänderungsgesetz: Perspektiven der sektoren- übergreifenden Diabetesversorgung" (25.01.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008 A149

T H E M E N D E R Z E I T

D

ie Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus ist heute schon einer der größten Pos- ten in den Budgets der Kranken- kassen. Experten rechnen zudem mit einem starken Anstieg sowohl der Patientenzahlen als auch der Kosten. Bliebe alles beim Alten, sei für Deutschland im Jahr 2010 bun- desweit mit bis zu zehn Millionen Diabetikern und jährlichen Ausga- ben von 40 Milliarden Euro für die Krankenversicherungen zu rechnen (4). Seit einiger Zeit versucht die Politik gegenzusteuern. Als effekti- ve Maßnahme wird die stärkere In- tegration von Versorgungsleistun- gen erachtet. Doch die konsequente Überwindung der Sektorengrenzen scheiterte bisher oft an den starren Regelungen des Vertragsarztrechts.

Anfang 2007 ist das Vertrags- arztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) in Kraft getreten, das die Aufhebung der Sektorengrenzen ermöglicht. Da- mit ergeben sich lange geforderte Möglichkeiten der Verzahnung von stationären und ambulanten Leistun- gen. Der Weg hin zu einer stärker in- tegrierten Versorgung ist geebnet.

Die Versorgung von Diabetikern erfolgt in Deutschland auf drei Ebe- nen. Hausärzte betreuen den über- wiegenden Teil (circa 90 Prozent) der Typ-II-Diabetiker. Jeder Hausarzt versorgt im Durchschnitt etwa 100 Diabetespatienten. Typ-I-Diabetiker und die übrigen zehn Prozent Typ- II-Diabetiker werden in Schwer- punktpraxen von Fachärzten oder in Krankenhausambulanzen behandelt (5). Um die Behandlung der Typ-II- Diabetiker indikationsgesteuert sys- tematisch zu koordinieren und um eine Therapie nach gesichertem me- dizinischem Wissensstand bieten zu

können, sind seit 2003 in allen Bun- desländern entsprechende Disease- Management-Programme (DMP) eingeführt worden. DMP streben nach § 137 f SGB V die stärkere Inte- gration der Versorgungsleistungen mit dem Ziel an, eine qualifizierte Be- handlung über die gesamte Versor- gungskette zu gewährleisten. Bezo- gen auf den Diabetes mellitus Typ II hebt die Anlage 1 der Risikostruktur- ausgleichsverordnung in ihrer Fas- sung vom August 2005 explizit her- vor, dass dies die Zusammenarbeit al- ler Sektoren erfordere.

Mehr Kooperationen möglich In der Regel sind es im Rahmen von DMP die teilnehmenden Hausärzte, welche die Langzeitbetreuung, die Dokumentation und die Koordinati- on der weiteren Maßnahmen zur qualifizierten Versorgung der Dia- betespatienten übernehmen. Die Weitervermittlung der Patienten an

die jeweils kompetenten Kollegen erfolgt dann per Überweisung. So gelangen die Patienten zu den ent- sprechenden Fachärzten oder sta- tionären Einrichtungen, an die dann auch die Daten der Patienten über- mittelt werden müssen.

In Teilbereichen sind aber auch bisher schon Kooperationen möglich gewesen, die über die relativ lose Vernetzung innerhalb eines DMP deutlich hinausgehen. So können sich Hausärzte und Diabetologen zum Beispiel in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) zu Praxisge- meinschaften zusammenfinden. Die Ärzte üben ihre Tätigkeit dann in ge- meinsamen Praxisräumen aus und bilden dabei eine Kostengemein- schaft, im Abrechnungsverhältnis zur jeweiligen Kassenärztlichen Ver- einigung (KV) treten sie aber selbst- ständig auf. Gründen sie dagegen ei- ne Gemeinschaftspraxis (seit dem In- VERTRAGSARZTRECHTSÄNDERUNGSGESETZ

Perspektiven der sektoren-

übergreifenden Diabetesversorgung

Mit der gesetzlichen Neuregelung, die seit Beginn des Jahres 2007 gilt, kann die Qualität der Versorgung der Patienten positiv beeinflusst werden.

Daniel Scheible, Gudrun Neises, Thomas Schlegel

Foto:Caro

Hausärzte übernehmen bei den Diabetikern in der Regel die Lang- zeitbetreuung, Do- kumentation und Koordination weite- rer Maßnahmen.

Dr. rer. pol. Scheible, Prof. Dr. med. Neises:

Europa Fachhochschule Fresenius, Idstein Prof. Dr. jur. Schlegel:

Kanzlei für Medizin- recht, Frankfurt/Main

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A150 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

T H E M E N D E R Z E I T

krafttreten des VÄndG eine „Berufs- ausübungsgemeinschaft“), werden sie im Abrechnungsverhältnis zur KV als wirtschaftliche Einheit behandelt.

Außerdem können seit dem GKV-Modernisierungsgesetz vom 1. Januar 2004 fachübergreifende Kooperationen nach § 95 SGB V gegründet werden – die Medizini- schen Versorgungszentren (MVZ).

Dabei handelt es sich um Zusam- menschlüsse von zugelassenen Leis- tungserbringern im Gesundheits- wesen. Gesellschafter eines MVZ können alle zugelassenen Leis- tungserbringer nach SGB V sein, also beispielsweise (Fach-)Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten – aber auch Krankenhäuser. MVZ müssen einen ärztlichen Leiter ha- ben, welcher Mitglied derjenigen KV ist, in deren Bezirk das MVZ seinen Sitz hat. Das MVZ kann dann die ambulante Versorgung durch angestellte Ärzte anbieten. Das war vor 2004 in Deutschland nicht mög- lich und stellt einen wesentlichen Schritt hin zur Überwindung sekto- raler Grenzen in der medizinischen Versorgung dar. Spezialisiert sich ein MVZ nun auf die Diabetesver- sorgung, so kann es Diabetologen, Diabetesberater und Diabetesassis- tenten einstellen, aber zum Beispiel auch einen Augenarzt oder einen Nephrologen. Für Kliniken, die sich auf die Diabetesversorgung spezia- lisieren, ist die Beteiligung an einem solchen MVZ interessant, da das MVZ dann als Zuweiser für die Pa- tienten dient. Das VÄndG eröffnet den Kliniken jedoch noch zahl- reiche weitere Möglichkeiten.

Neben dem DMP war die inte- grierte Versorgung (IV) das wesentli- che Bindeglied zwischen den Sekto- ren (§ 140 a SGB V). Das VÄndG hat diese Grenzen aufgehoben und auch neue Kooperationsmöglichkeiten ge- schaffen, die vor allem die speziali- sierte Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen begünstigen.

So hat beispielsweise ein Kran- kenhausarzt nun die Möglichkeit, gleichzeitig auch in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung tätig zu sein. Das kann er im Rahmen eines MVZ als angestellter Arzt tun, aber auch in der eigenen Praxis. Damit die Anforderungen des Versorgungs-

auftrags erfüllt werden, ist es nun auch möglich, auf der Basis einer so- genannten Teilzulassung zu arbeiten.

Damit reduziert sich die Präsenz- pflicht des Arztes in der ambulanten Versorgung auf die Hälfte der Zeit (nach dem Bundesmantelvertrag mindestens zehn Stunden pro Wo- che) – allerdings auch das zur Verfü- gung stehende Leistungsvolumen. In einer solchen Konstellation könnte ein im Krankenhaus angestellter Dia- betologe nun auch ambulante diabe- tologische Leistungen erbringen – in eigener Praxis, angestellt in fremder Praxis oder in einem MVZ. Über diese ambulante Versorgung kann die spezialisierte Tätigkeit mit ande- ren Leistungserbringern spezifisch im Bereich der Diabetologie ver- zahnt werden.

Optimierung der Kosten Mithilfe des neuen vertragsarztrecht- lichen Instituts der Teilgemein- schaftspraxis ist es möglich, sich mit einem Hausarzt, Augenarzt, Nephro- logen, Chirurgen oder mit Angehöri- gen anderer, ergänzender Fachgebie- te überörtlich zusammenzuschlie- ßen. Diese erhalten ihre Selbststän- digkeit und eigene Praxis aufrecht und erbringen nur im gemeinsamen Leistungsspektrum Diabetes ge- meinsame, aufeinander aufbauende Leistungen. Die Leistungen werden zusammen abgerechnet, die Erlöse im Innenverhältnis zwischen den Be- teiligten verteilt. Damit erhöht sich die Qualität der Versorgung aufgrund deutlich verbesserter Kommunikati- on und Abstimmung zwischen den Ärzten. Es entsteht aber auch eine gemeinsame wirtschaftliche und ver- bindliche Zusammenarbeit. Eine sol- che Struktur ermöglicht parallel eine Teilnahme an der integrierten Ver- sorgung – allerdings ist die Teilnah- me nicht zwingend. Sie kann optio- nal gewählt werden, wenn die wirt- schaftlichen Faktoren passen und die Beteiligten darin einen Vorteil sehen.

Ist dies nicht erkennbar, bleibt die Versorgung weiterhin sektorenüber- greifend integriert.

Neben diesen Möglichkeiten er- geben sich aus dem VÄndG noch weitere Formen der Zusammenar- beit, welche die Diabetesversorgung sektorenübergreifend begünstigen.

So können weitere Ärzte angestellt werden, es können Zulassungen in eine Praxis (dauerhaft) eingebracht werden (wie im MVZ), und es kön- nen überörtliche Gemeinschaftspra- xen gebildet werden (auch KV-über- greifend). Näheres dazu ist in dem zum 1. Juli 2007 in Kraft getretenen Bundesmantelvertrag geregelt.

Die mit dem VÄndG einherge- henden Liberalisierungen können die Qualität der Versorgung der Pa- tienten positiv beeinflussen. Der überörtliche Einsatz von medizini- schen Spezialisten zu einem wirt- schaftlicheren Preis kann ein positi- ver Nebeneffekt der Gesetzesände- rung sein, aber auch die Optimie- rung der Praxis- und Behandlungs- kosten im Rahmen von ärztlichen Kooperationen. Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte werden sich daher mit einem medizinischen Fo- kus enger miteinander verzahnen.

❚Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2008; 105(4): A 149–50

LITERATUR

1. Baehring T, Hüfken V, Nagel H: Ergebnisbe- richt zur 3. Online-Umfrage des DDZ Düs- seldorf 2006. URL: www.diabetes-panel.de (12. 1. 2007).

2. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Grund- daten zur vertragsärztlichen Versorgung 2005. Zahlen, Fakten, Informationen. URL:

http://daris.kbv.de/daris/doccontent.dll?

LibraryName=EXTDARIS^DMSSLAVE&Sy stemType=2&LogonId=a960bec2fd028be9 28d9fc7ee2030a38&DocId=003752616

&Page=1 (19. 1. 2007).

3. Nagel H, Baehring T, Scherbaum WA: Diabe- tesversorgung. Deutliche regionale Unter- schiede. Dtsch Arztebl 2006; 103(7):

A 394–8.

4. Richter-Kuhlmann E: Diabetes mellitus. Mit einer Stimme sprechen. Dtsch Arztebl 2006; 103(14): A 902.

5. Siegel E: Strukturen der flächendeckenden Diabetikerversorgung. Bestandsaufnahme.

In: Deutsche Diabetes-Union (Hrsg.): Diabe- tes 2006; 23–30.

6. Stock SAK, Redaelli M, Wendland G et al.:

Diabetes-prevalence and cost of illness in Germany. A study evaluating data from the statutory health insurance in Germany. Dia- betic Medicine 2006; 23(3): 299–305.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Gudrun Neises

Dekanin Fachbereich Wirtschaft & Medien Fachärztin für Innere Medizin & Endokrinologie, Diabetologie

Europa Fachschule Fresenius gGmbH Limburger Straße 2, 65510 Idstein E-Mail: neises@fh-fresenius.de

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