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RHETORIK UND KÖRPERSPRACHE BEIM TAEKWONDO-TRAINING

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Academic year: 2022

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RHETORIK UND KÖRPERSPRACHE BEIM TAEKWONDO-TRAINING

ITO-Fachübungsleiterausbildung Modul: C

Stand: März 2017 INHALT:

Einleitung (2)

1. Grundvoraussetzungen 1.1 Der Trainer (3)

1.2 Der Führungsstil (3) 2. Der ‘neue’ Trainer (5) 2.1 Aller Anfang ist schwer (5) 2.2 Sprachstil (7)

2.3 Trainingsbeginn (7)

3. Kommunikation und Beeinflussung (8) 3.1 Lob und Tadel (8)

3.2 Konfrontation und Provokation (9) 3.3 Zuhören (9)

3.4 Schweigen (10)

3.5 Keine totale Offenheit (10) 3.6 Disziplinieren (10)

4. Der unpersönliche Trainer (11)

4.1 Das realistische und unrealistische ‘wir’ (11) 4.2 Andere Floskeln (12)

Schlussbemerkung: Beiderseitiger Respekt (13)

© Independent Taekwondo Organisation

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2 EINLEITUNG:

Menschenführung ist situativ bedingt und ihre jeweilige Form hängt auch nichtunwesentlich von der Persönlichkeit des Trainers ab. Eines der wichtigsten Mittel zur Menschenführung ist das Wissen, dass jeder Mensch anders ist. Es gehört deshalb zur erfolgreichen Trainingsleitung dazu, Menschen und Situationen einschätzen zu können. Gruppentraining verlangt vom Übungsleiter Übersicht, Kontrolle und Lenkung der Trainingssituation. Wenn sich, wie in den meisten Taekwondo-Schulen üblich, die Gruppe durch eine ständige Fluktuation der Trainierenden öfters neu zusammensetzt, steht der Trainer immer wieder einer Art

‘zusammengewürfelten Haufen’ gegenüber, einer zufällig zusammengesetzten Gruppe, in der sich eine natürliche Hackordnung ständig neu entwickelt. Die Einhaltung der durch die Gürtelfarben vorgegebenen Rangfolge und begleitende Etikette, wie sie im Ursprungsland der Martial Arts überwiegend praktiziert wird und die in sich schon ein eigenes Disziplinarsystem innerhalb einer Kampfsportschule ist, ist im Westen meist nur ein schwer erreichbares Ideal. Der Vorbildcharakter Höhergraduierter lässt hier häufig sehr zu wünschen übrig, so dass nicht selten der Trainer mit seiner Ordnungsfunktion ganz alleine dasteht. Diese einzuführen oder durchzusetzen ist für manche Menschen mitunter ein schwieriges Unterfangen. Im Kontakt mit Einzelpersonen oder bei Partnerübungen werden vom Trainer differenziertere Kommunikationsfähigkeiten verlangt, als in der Konfrontation mit einer Gruppe. Er muss in der Lage sein, auf die individuellen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften der Personen Einfluss zu nehmen. Kommunikation mit anderen Menschen findet unter Verwendung eines gewissen Codes und unter Zuhilfenahme bestimmter Übermittler statt. Dies sind Worte, Sätze, Körpersprache, Mimik und Gestik. Eine Abhandlung über Rhetorik im Taekwondo- Training schließt deshalb den Bereich der Körpersprache mit ein. Eine der zentralen Erkenntnisse aus der Kommunikationstheorie nach Watzlawick ist, dass der Körper jeden Augenblick Signale darüber aussendet, was der Betreffende gerade denkt und empfindet.

Manche sagen, dass menschliche Kommunikation zu mehr als 2/3 nicht verbal und zu 1/3 verbal abläuft. Wenn beides in Widerspruch zueinander tritt, sagt im Zweifel das körpersprachliche Signal die Wahrheit. Es ist allerdings umstritten, in welchem Umfang Körpersprache trainingsmäßig erwerbbar ist. Ein besonders intensives Training der Körpersprache findet in der Schauspielerausbildung statt, aber es kann nicht von einem durchschnittlichen Sportlehrer erwartet werden, die gleichen Fähigkeiten wie diese ‘Fachleute’ mitzubringen. Trotzdem sind einige Körpersignale, ebenso wie sprachliche Kompetenz, trainierbar.

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1. Grundvoraussetzungen

1.1 Der Trainer

Ein Trainer muss in der Lage sein, mit seinen Sportlern zu ‘kommunizieren’.

Kommunikation besteht sowohl aus dem Senden als auch dem Empfangen von Botschaften. Ein intensiver Informationsaustausch ist deshalb die wirksamste Einflussmöglichkeit des Trainers. Kommunikation des Trainers mit den Trainierenden ist in erster Instanz ‘Motivation’. Er gibt mehr oder weniger klare Anweisungen bei der Durchführung und Kontrolle des Trainings, ermutigt oder ermahnt den Sportler, begleitet den Wettkampf, führt Gespräche, leitet das emotionale Training, gibt Tips zur Konzentration und holt auch Sportler auf den Boden der Tatsachen zurück. Für diese verschiedenen Situationen benötigt ein Trainer unterschiedliche Führungs- und damit Kommunikationskompetenzen. Ein Trainer sollte von Anfang an versuchen, einen ‘Draht’ zu seinen Sportlern zufinden, sie auf eine Weise kennenzulernen, die eine realistische Einschätzung ihrerPerson erlaubt. Dadurch weiß er schließlich, auf welche verbalen und nonverbalen Mitteilungen er in der Kommunikation mit dem Sportler zu achten hat.Bei jeder Kommunikation werden sowohl sachliche als auch emotionale Informationen ausgetauscht. Wenn ein Trainer sagt „So, legt mal los“

dann klingt das anders, als wenn er anordnet „Ihr macht jetzt 20 Tritte links und rechts.“ Ein Trainer stellt nach außen eine Persönlichkeit dar. Wie kleidet er sich privat? Was kann er? Welche Ausstrahlung besitzt er? Kann er sich durchsetzen?

Wird er gesponsert? Etc. Durch solche Kriterien wird er als Person von den Trainierenden eingeschätzt: Er ist ein Ansprechpartner für den Sportler und ihm gegenüber eineherausgehobene Figur mit Erfahrung und Menschenkenntnis, die in der Lage ist,Fachfragen zu beantworten. Das Selbstwertgefühl des Trainers sollte vom Verhalten seiner Sportler unabhängig sein. Verschiedene Faktoren haben auf die Kommunikation des Trainers in einerÜbungssituation Einfluss:

1.Die Zahl der Trainierenden.

2.Das Alter der Trainierenden

3.Der Ausbildungsstand der Trainierenden

4.Die Art der Übungsstunde: Grundschule, Kampftraining, freies Training, Kindertraining etc. Grundsätzlich sollte dabei das Geschlecht der trainierenden Sportler auf das Rhetorikverhalten des Übungsleiters keine Rolle spielen, obwohl ein gewisses Einfühlungsvermögen oder Verständnis des jeweils anderen Geschlechts von Vorteil ist.

1.2 Der Führungsstil

Kommunikation im Taekwondo unterscheidet sich aufgrund der Geschichte und des philosophischen Ursprungs des Sports von vielen anderen Sportarten, denn Taekwondo besitzt, ähnlich wie militärischen Einheiten, schon von sich aus als Basislehrmittel eine spezifische ‘Kommandosprache’ (chunbi, guman, sijak etc.), die vom Sportler befolgt werden (soll). Obwohl der Westen mit dieser Art Sprache anders umgeht als der Osten und es hier weitgehend auch zu einer Lockerung der straffen Führungsstruktur gekommen ist, ist es unrealistisch zu glauben, Taekwondo sei eine grundsätzlich militärische, gar demokratische Sportart. Die Kommandostruktur bleibt selbst dann, wenn sich eine Gruppe nicht mehr wie früher im Block dem Trainer gegenüber aufstellt, sondern einen Kreis bildet, weiterhin autoritär gefärbt. Der autoritäre Führungsstil geht von der Annahmen aus, dass der Mensch durch Umweltreize gesteuert wird und sein Verhalten vorhersagbar ist, wenn man weiß,

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was von ihm verlangt wird und welche Belohnung/Bestrafung er dafür erhält. Bei einem durchweg autoritären Trainingsstil beteiligt der Trainer den Sportler nur gering an seinen Entscheidungen. Der Trainierende wird nicht um seine Meinung gefragt.

Die Anweisungen werden ohne Kommentar oder Fragen befolgt. Der Trainer fühlt sich für alle Aktivitäten der Sportler verantwortlich und kontrolliert durchweg alle Maßnahmen. Ohne den Trainer und sein unpersönliches Disziplinarsystem fällt eine solche Gruppe aber auch schnell auseinander und ist nicht in der Lage, sich auch selbst zu beschäftigen. Deshalb ist man im europäischen Taekwondo-Training von dieser ‘asiatischen’ Methode abgekommen und hat teilweise den partizipativen Führungsstil eingeführt. Wenn auch zweckmäßigerweise nicht im direkten Trainingsablauf, so doch im Umfeld des Sports beteiligt der Trainer darin den Sportler an seinen Entscheidungen. Jeder Mensch will sich – auch im Sport – mit seinen persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten verwirklichen. Ein Sportler wird sich umso mehr engagieren, je mehr er seine Erlebnisse und Gefühle in der Gruppe leben kann. Allzu strenge Kontrolle schadet mehr als dass sie nützt. Menschen müssen vor allem lernen, sich selbst zu kontrollieren. Eine solche Gruppe bleibt auch ohne den Trainer intakt und kann ihre Aufgaben für Training und Kampf bestimmen.

Studien der Sozialpsychologie haben nachgewiesen, dass bei einfachen Aufgaben – dem sturen Einstudieren und ständigen Wiederholen – der autoritäre Führungsstil bessere Leistungen erbringt, als der demokratische. Sind jedoch neue Ideen im Training gefragt, ist der partizipative Führungsstil effektiver. Der autoritäre Führungsstil erschwert das Nachdenken über die eigenen Möglichkeiten und blockiert die Gruppenentwicklung. Für geschlossene Handlungssituationen also, in denen sich die Trainingsstruktur samt der darin enthaltenen Bewegungsabläufe kaum unterscheiden und der Handlungsvollzug eindeutig vorgegeben ist, eignen sich autoritäre Führungsstile. Der Sportler strebt eine Perfektionierung eines Sportelements an, versucht diesen zu automatisieren und Optimieren. Das Training ist stark technik- und normorientiert. Im Taekwondo sind viele Normen im Grundschultraining zu beachten. Einen Schritt weiter, im Wettkampftraining, ist jedoch schon wieder die Flexibilität und Mitarbeit des Sportlers an der Bewegungserarbeitung gefragt. Der Trainer gibt weiterhin Impulse, Anregungen und Informationen, damit der Sportler seinen Handlungsspielraum erweitern kann. Der militärische Ursprung von Taekwondo ist für die meisten Sportler im Westen nicht von Bedeutung, da Martial Arts hier grundsätzlich als Sport ausgeübt und nicht als

‘Waffe’ einstudiert werden. Dessen ungeachtet wird das Kommando eines Trainers primär als ‘Befehl’ und nicht als ‘Bitte’ aufgefasst. Die innere Beteiligung des Sportlers am Training ist jedoch durch nichts zu ersetzen. Ein Sportler muss sich mit seiner Aufgabe identifizieren. Die Identifikation kann man verstärken, indem der Trainer seine Trainings- und Wettkampfplanung gemeinsam mit den Sportlern durchspricht (Festlegen einer Wettkampftaktik). Durch eine Mitarbeit des Sportlers an der Planung, identifiziert sich der Sportler stärker mit dem Ergebnis. Auch wenn es für viele Taekwondo-Trainer, die seit Jahren ihr eigenen Vorstellungen in ihrem Unterricht ausleben, unvertraut klingen mag, sollte er doch seinen Sportlern die Möglichkeit geben, eigene Vorstellungen mit einzubringen, neue Ideen zu erläutern, auch wenn sie ungewöhnlich klingen. Ein Trainer sollte seinem Sportler auch die Möglichkeit geben, eigene, wichtige Bewegungserfahrungen zu machen und nicht nur zum Imitieren auffordern. Ein Trainer ist angeraten, seine Schüler zum intuitiven Lernen nach persönlichen Bewegungsmöglichkeiten und - Vorstellungen zu erziehen.

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2. Der ‘neue’ Trainer

2.1 Aller Anfang ist schwer

Selbstverständlich haben Übungsleiter, die schon seit Jahren in ihrem Job tätig sind, schon eine ganz bestimmte Form der Kommunikation mit ihren Schülern entwickelt, die sich meist nicht mehr grundlegend verändern lässt, was an sich auch nicht ratsam wäre, da dadurch eine Gruppe irritiert werden könnte. Die meisten erfahrenen Trainer haben sich einen kurzen, knappen Kommandostil, eine Mischung aus Anweisungen („Los jetzt.“ „Macht schneller.“), koreanischen Befehlen, Zählrhythmen (eins, zwei, drei ...) oder alle Formen von ‘Kommando-Kihaps’ angewöhnt.

Zusammen mit einer eindeutigen Mimik und Gestik beherrschen solche Trainer ihre Gruppe meist ziemlich gut. Doch bis dahin ist es für viele ein weiter Weg. Besonders Neuanfänger im Traineralltag sind oft mit Organisations- und Disziplinarproblemen im Dojang konfrontiert. Die Gruppe, sei sie noch so positiv eingestellt, erscheint der einsamen, exponierten Gestalt als Bedrohung, deshalb führt sie in Momenten, wenn sie nicht gerade mit Vormachen oder Korrektur der Trainierenden beschäftigt ist, alternierende Intentionsbewegungen aus. Pendelt hin und her, macht fahrige Bewegungen und wirkt unruhig. Steigt diese Unruhe, leidet darunter die Aufmerksamkeit der Gruppe. Besser ist es, aufrecht zu stehen mit leicht durchgedrückten Knien, die Hände nicht vor dem Körper zu verschränken oder sich am Dobok zu verkrallen, nervöse Ausweichhandlungen in Phasen höchster Anspannung, sogenannte Übersprungshandlungen (sich am Kopf Kratzen, Zerzausen oder vermeintliches Ordnen der Haare, Wangen- und Bartstreichen, Reiben der Finger etc.) zu vermeiden. Unruhiges Hin- und hergehen lenkt die Gruppe ab, eine steife Haltung wirkt allerdings verklemmt, eine lässige Haltung arrogant. Zu häufiges Anlehnen an die Wand signalisiert Langeweile. Das freie Stehen ist am günstigsten. Es ist nicht leicht, einen ausgewogenen Lehrstil zu finden. Bewährt hat es sich, ruhig zu bleiben, ab und zu den Platz zu wechseln, dabei aber nicht überhastet oder unkontrolliert zu wirken, den Blickkontakt zur Gruppe dabei aufrecht zu erhalten, um die Übergänge zu überbrücken. Eine Liste typischer Körpersignale beinhaltet folgende charakteristische Interpretationen:

1. Stirn runzeln (Entrüstung)

2. mit Hand über Stirn streichen (Verlegenheit, Wegwischen von Sorgen) 3. den Kopf einziehen (Unsicherheit, Schuldbewusstsein)

4. das Kinn streicheln (Nachdenklichkeit)

5. den Kopf mehrmals ruckartig zurückwerfen (Trotz)

6. den Kopf senken (Unsicherheit, Schuldbewusstsein, Ergebenheit, Demut) 7. häufig die Lider bewegen (Nervosität)

8. die Augenbrauen heben (Skepsis, Erstaunen, Arroganz)

9. die Augenbrauen senken bzw. zusammenziehen (Ärger, Nachdenklichkeit)

10. keinen Blickkontakt mehr halten (Unsicherheit, Konzentration, Nachdenklichkeit) 12. sich kurz an die Nase greifen (Verlegenheit, sich ertappt fühlen)

13. sich die Nase reiben (Nachdenklichkeit)

14. mit den Füßen wippen, im Stehen (einmal: Unsicherheit; häufiger: Arroganz) 15. die Brille hochschieben (Zeit gewinnen, Nachdenklichkeit)

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Überlegenheitssignale wie das Zurückwerfen des Kopfes während einer verbalen Attacke sind zu vermeiden, aufmunternde Bewegungen zu bevorzugen. Weitere negative Signale sind hohle Dominanzgebärden, die Unsicherheit oder Ablehnung verbreiten, wie: Spottsignale (Auslachen)

Zurückweisungssignale (Körper abwenden, Hände entgegenstrecken) Langeweile (ins Leere starren, seufzen, gähnen, Blick auf die Uhr)

Ungeduld (Zappeln, Klopfen mit dem Fuß, Unruhebewegungen mit den Fingern, wiederholtes Schlagen der Hände auf den Körper)

Eigene Unsicherheitsgebärden (Zappeln, Einknicken des Oberkörpers, rhythmisch wippende Bewegungen, Demutsgebärden)

Weitere Körpersignale und ihre Wirkungen:

1. den Mundwinkel heben (Zynismus, Arroganz, Überlegenheitsgefühl) 2. den Mund öffnen (Erstaunen, will unterbrechen)

3. die Lippen zusammenpressen (verhaltener Zorn, Starrsinn) 4. die Unterlippe hochziehen (Überlegung, Nachdenklichkeit)

5. die Arme vor der Brust verschränken (Abwarten, Ablehnung, Suche nach Geborgenheit,

sich unter Kontrolle halten)

6. die Hände vor der Brust falten (Verkrampfung, Unsicherheit) 7. weite Armbewegung (Sicherheit)

8. kurze, enge, andeutende Hand- und Armbewegungen (Unsicherheit)

9. sich die Hände reiben, schnell (Schadenfreude), langsam (Zufriedenheit, Freude) 10. die Hand zur Faust verkrampfen (Zorn, verhaltener Zorn)

11. die Hand vor den Mund nehmen, während des Sprechens (Unsicherheit), nach dem Sprechen (will das Gesagte zurücknehmen)

12. die Hände in die Hüften stemmen (Imponiergehabe, Überlegenheitsgefühl, Entrüstung)

13. die Hände vor die Brust legen (Beteuerungsgeste) 14. die Hände zusammenkrampfen (Nervosität, Aggression)

15. die Hände im Nacken verschränken (Wohlbehagen, Entspannung) 16. mit dem Finger zeigen (Entrüstung, Aggression).

Der erste Blick auf einen Menschen hinterlässt meist einen hinterher nur schwer wieder zu revidierenden Eindruck bei seinem Gegenüber. Wenn man von Anfang an einige der Erkenntnisse über die Ausdrucksfähigkeit des menschlichen Körpers beachtet, gestaltet sich der Einstieg als Trainer oft um einiges leichter.

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7 2.2 Sprachstil

Der Sprachstil eines Trainers besteht aus folgenden Komponenten:

Sprechtempo (langsam, rhythmisch, abgehackt) Stimmstärke (laut, leise, hart, weich)

Modulation (hoch, tief, dünn, voluminös)

Artikulationsfähigkeit (deutlich, nuschelnd, lispelnd)

Stimme (streng und Distanz erzeugend oder sympathisch und vertrauenserweckend)

Die Verstehbarkeit der Stimme setzt sich zusammen aus:

Satzbau (kurze, vollständige Sätze oder knappe Kommandos) Geschwindigkeit (langsam, hektisch)

Intonation (am Ende eines Satzes tiefer)

Lebendigkeit (anschaulich, kompliziert, mit Beispielen versehen)

Der Trainer soll die Konzentration beim Techniktraining unterstützen, indem er konkrete, auf die Aufgabe bezogene Anweisungen gibt, globale Abschweifungen ausspart und erlebensorientiert spricht, d. h., auf die persönliche Informationsverarbeitung des Sportlers bezogen. Die Anweisungen sollten anregend sein und können ruhig eine persönliche Note des Trainers besitzen, anstatt nur farblos und unbeteiligt zu sein. Die Anweisungen sollen konsequent sein, so dass eine klare Linie für den Sportler erkennbar ist. Ein Trainer muss seine eigene Stimme als Kontrast einsetzen. Es ist wichtig, kontrolliert langsam oder leise auf eine erregte Sportleräußerung und umgekehrt zu sprechen und sich nicht zunehmend in eine schnelle hektische Sprechweise hineinzusteigern. Eine Trainerstimme sollte deutlich zu verstehen sein (Nuscheln oder Wörter Verschlucken ist zu vermeiden). Der Ratschlag, den man Lehrern oft gibt, den Jargon der Jugendlichen, die sie unterrichten, zu vermeiden, gilt im Taekwondo-Training nur bedingt. Bei jugendlichen Trainern versteht es sich von selbst, dass sie dieselben Kommunikationscodes benutzen wie ihre Altersgenossen. Aber ältere Trainer sollten abwägen, ob jugendliche Sportler ihren Sprachstil, der den gleichen Code wie sie verwendet, nicht als Anbiederung verstehen könnten und er sie nicht eher der Lächerlichkeit preisgibt.

Die Grenze zwischen Trainer und Trainierenden sollte grundsätzlich nicht auf Dauer überschritten werden. Jeder Trainer muss seinen eigenen Ausdruck und seine eigene Identität finden und sich nicht bewusst und dabei verkrampft in die Kommunikationsstrukturen einer anderen Altersgruppe oder Klasse begeben.

2.3 Trainingsbeginn

Mit dem Trainingsbeginn fängt die Kommunikation mit den Trainierenden an. Es bietet sich an, zuerst den Blick im Raum langsam schweifen lassen und regelrecht die Blicke der Sportler aufzusammeln. Es zahlt sich nicht aus, gegen den Anfangslärm einer Gruppe anzuschreien. Vielmehr rentiert es sich, ein entscheidendes Anfangssignal einzuführen (in die Hände klatschen, Trillerpfeife, ein lautes Kommando, oder sich einfach an dem üblichen Kopfende des Raums aufzustellen o.ä.). Es zeugt von Nervosität und Disziplinarproblemen, gegen einen hohen Lärmpegel anzusprechen. Es ist auch wichtig, bei Trainingsbeginn nicht auf die Tür oder ein Fenster zu blicken, da dies eine Art Fluchttendenz signalisiert. Beim

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Training in der Blockaufstellung sollte der Trainer eine gute Position einnehmen, von der er alle Sportler im Blick hat, ohne hin- und herschauen zu müssen (Scheibenwischerblick) und dabei keinen richtig wahrzunehmen. Es lohnt sich, zu Anfang einen positiv gestimmten Sportler, der signalisiert, dass er Interesse am Training hat, als Blickpartner zu suchen und nicht einen, der gähnt oder Langeweile signalisiert. Dieser positive Kontakt überträgt sich automatisch auf die anderen. Da der Trainer für jeden Sportler Einzelgegenüber ist, bezieht jeder die positive Ausstrahlung auf sich selbst. Wichtig ist jedoch dabei, niemanden zu lange oder zu intensiv anzuschauen, da dies den Betreffenden verunsichert, einschüchtert oder bei ihm Aggressionen gegen den Trainer aufbaut.

3. Kommunikation und Beeinflussung

3.1 Lob und Tadel

Mit Lob und Tadel kann man besser umgehen, wenn man die einfache Grundaussage der Lerntheorie von SKINNER (1986) beherzigt: Der Sportler wird ein bestimmtes Verhalten (z. B. das pünktliche Erscheinen des früher unpünktlichen Sportlers oder das die Trainingsgruppe und die eigenen Konzentration störende Geschwätz des Sportlers) in Zukunft umso häufiger bzw. seltener zeigen (äußern), je nachdem welche Konsequenzen dieses Verhalten für ihn hat.10 Positive Konsequenzen (Verstärker), wie beispielsweise das Lob des Trainers, eine herzliche Begrüßung bei Trainingsbeginn, Spaß am Training und eine gute Trainingsatmosphäre, sind in der Lage, neue Verhaltensweisen im Schüler aufzubauen. Das positive Verhalten wird sich in der Folge öfter zeigen oder sogar ganz beibehalten. Die verschiedensten Verstärker im Sport sind: Materielle Verstärker: Geld, Trophäen, Fahnen. Informationsverstärker: Kommentar des Verhaltens. Soziale Verstärker: Lob, Anerkennung, Ehrung, Freude am Wettkampf, an Konfrontation mit Gegner. Situative Verstärker: Momentane Erfolgserlebnisse,

„Ach, so geht das.“ Treffer, Punktgewinn etc. Selbstverstärkung: Selbstlob, Körpersprache drückt Freude aus, Ich-Gebärden. Der Erfolg von Verstärkung ist von der Beziehung zwischen Trainer und Sportler abhängig. Ein Trainer, dem der Sportler kein Vertrauen entgegenbringt, hat es schwer, ihn zu verstärken. Wenn jemand einen Wettkampf verliert, obwohl er von sich meint, sein Bestes gegeben zu haben, und dann vom Trainer nur Negatives und Kritik hört, wird seine Motivation noch weiter sinken, ein weiteres Mal gegen die Gegner anzutreten. Er braucht in diesem Fall trotzdem Verstärkung.

Der Trainer sollte immer den Einsatz seines Schülers beloben. Er ist angeraten, den Schüler dabei zu unterstützen, ein Ziel anzusteuern. Dabei setzt der Trainer seine Beziehung zum Sportler ein und gibt ihm anregende Prophezeihungen: „Du bist gut vorbereitet für den Wettkampf.“ „Du merkst, wie das Training Dir gutgetan hat.“

„Deine Konzentration ist besser geworden.“ Wenn der anerkannte und verehrte Trainer sagt „Du läufst die Form jetzt perfekt“, dann steckt da mehr dahinter, als wenn eine neutrale Person dies äußert. Solche positiven Verstärker sind natürlich nur überzeugend, wenn sie realistisch sind. Zuviel Lob kann schnell unrealistisch sein, die Selbstverstärkung negativ beeinflussen und zu Selbstüberschätzung des Sportlers führen. Zu wenig Lob kann sein Selbstvertrauen hingegen schwächen.

Zu wenig Verstärkung bei sehr hohem Aufwand kann zu dem Übertrainingsphänomen des „Ausbrennens“ führen. Für den Aufbau eines neuen Zielverhaltens (z. B. Konzentration im Training) sind Verstärker wichtig. Dabei gilt der Leitsatz: Greif den Sportler, wenn er gut ist. In dem Moment, wenn ein Sportler gutes oder erwünschtes Verhalten zeigt, muss man sofort – während oder unmittelbar

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dann, wenn es der Sportler zeigt – darauf reagieren. Negative Konsequenzen (Abschwächen), wie beispielsweise Tadel, Verbot des Geschwätzes, Strafaktionen (Liegestütze), das Bezeichnen eines Bewegungsverhaltens des Sportlers als falsch oder Fehler, die Bitte um Beendigung der störenden Verhaltensweisen, das Einstellen von bisher empfangenen Verstärkern (z. B. finanzieller Mittel aber auch sozialer Zuwendung) können Verhaltensweisen unterdrücken und die Wahrscheinlichkeit ihres Wiederauftretens verringern. Nichtbeachten kann zur Löschung unerwünschten Verhaltens führen. Manche Fehler korrigieren sich von selbst. In diesem Moment sind weder Lob noch Tadel und eine neutrale Körpersprache angebracht. Oft zeigt der Sportler, wenn er keine Aufmerksamkeit erregt, von selbst das erwünschte Verhalten. Nichtbeachten ist besonders dann wichtig, wenn Tadel in dem Fall auch Verstärkung (nämlich Aufmerksamkeit) sein kann. Nichtbeachten ist frei von negativer oder positiver Wertung und entsteht aus der Hoffnung um das positive Sportlerverhalten.

3.2 Konfrontation und Provokation

Provokation, d. h. Konfrontation des Sportlers mit der harten Wirklichkeit (mit seinen unzulänglichen oder falschen Techniken, seiner schlechten Kondition etc.), kann eine Maßnahme des Trainers sein, beim Schüler eine Trotzreaktion hervorzurufen, die seinen Willen bestärkt, sich zu ändern oder etwas Neues auszuprobieren. Menschen wachsen, wenn sie herausgefordert werden. Oft ist es einfacher, so zu bleiben, wie man ist, auch wenn dies die sportliche Leistungsfähgkeit blockiert. Hier führen Provokationsmethoden des Trainers oft zu spontanen Äußerungen und Neuanfängen. Der Sportler haut auf den Tisch und sagt sich: „Dem werde ich’s zeigen.“ Der Umgangston beim Training ist oft ein fröhliches Beschimpfen und humorvoller Sadismus. Der Ton ist rau aber herzlich. Doch manchmal muss der Trainer dem Schüler laut und deutlich sagen, dass es so nicht geht. Durch eine Überschätzung der psychischen Zerbrechlichkeit des Schülers erschwert man ihm hingegen die Konfrontation mit der Wirklichkeit. Nur wenn man ihm die Wirklichkeit nicht erspart, kommt er an seine inneren Kraftquellen heran, die vor der Provokation durch Vermeidungsreaktionen verdeckt waren. Es ist dabei wichtig, auch nicht das kleinste Ausweichen oder Vermeiden zu dulden. Erreicht werden soll, dass der Schüler selbst seine bisherigen Verhaltensweisen satt hat und sich ändern will. Die Willenskraft des Trainierenden bleibt erhalten.

3.3 Zuhören

Die Fähigkeit zuzuhören ist bei vielen Trainern oft nicht sehr ausgebildet. Viele sind mit ihren Gedanken ganz woanders und nehmen nur noch selektiv das wahr, was gerade in ihre eigenen Gedanken hineinpasst. Ein Trainer sollte sich aber besonders in Einzelgesprächen persönlich auf sein Gegenüber einlassen und besonders in emotionalen Situationen (z. B. nach einer Wettkampfniederlage des Trainierenden) keine Expertenmaske tragen. „In jeder tatsächlichen Mitteilung des Trainers an den Sportler scheint seine Person in mehr oder weniger großem Maße durch.“Nichts ist demotivierender für einen Sportler, als wenn er gerade ein emotionales Gespräch braucht und eine unpersönliche Mitteilung erhält. Dies kann auch in der Folge zu einer Kommunikationssperre zwischen Trainer und Sportler führen. Die Fähigkeit zuzuhören, seine ganze Aufmerksamkeit auf einen Sportler zu richten, auch wenn dies für ihn oder das Training gerade nicht so wichtig ist, gehört zur Kommunikationsfähigkeit des Trainers dazu. Das Empfangen von Botschaften, ohne sie zu bewerten. In diesem Moment ist er Partner, ohne aufgrund größerer Macht

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etwas durchsetzen zu wollen. Man will in dem Augenblick dem Sportler gegenüber nichts verändern. Auch die Körpersprache sollte Zuhören ausdrücken (Blickabschweifen zur Tür oder anderen Trainierenden vermeiden). In einem weiteren Schritt ist auch ‘verstehendes Zuhören’ gefragt. D. h. der Trainer kommentiert die Worte des Sportlers und teilt diesem mit, wie er seine Mitteilung verstanden hat.

3.4 Schweigen

Die Fähigkeit zum Schweigen setzt ein hohes Maß an Selbstkontrolle voraus.

Sekunden des Wartens können zur halben Ewigkeit werden. In Verbindung mit

Blickkontakt stellt es vor Gruppen ein außerordentliches Mittel intensiver Kommunikation dar, denn Sprache kann auch oft Puffer-Funktion haben, Unsicherheit verdecken oder Aktivität vortäuschen. Beim Schweigen werden Körpersignale jedoch unmittelbar und besonders intensiv registriert. Dadurch können gezielte Akzente gesetzt werden.

3.5 Keine totale Offenheit

Immer wieder versucht man, unansehnliche Teile seiner Person zu verbergen (Fassadentechnik), oder seine besten Seiten hervorzuheben (Imponier-Technik). Ein Trainer sollte sich jedoch nicht völlig durchsichtig machen und in jeder Situation so darstellen, wie er wirklich ist. Jeder Mensch hat sein Geheimnis und sein Revier, wo er für sich sein will. Die Ausstrahlung des Trainers sollte immer mal wieder Neugier wecken und nicht langweilig werden. In solchen Momenten greifen kommunikative Vermeidungsreaktionen und Ausreden. Schlechte Ausreden hingegen verzerren die Darstellung der eigenen Person und vermeiden den Aufbau einer Vertrauensbasis zu den Sportlern. „Ja, ich wollte eigentlich sowieso was anderes machen.“ „Ich hätte gerne das Training gemacht, aber man lässt mich nicht.“

3.6 Disziplinieren

Eines der größten Schwierigkeiten im Lehrbetrieb bereitet den meisten Lehrern und Trainern das Disziplinieren ihrer Schüler. Es gibt kein ‘Allheilmittel’ für Disziplin im Dojang. Die Persönlichkeit des Trainers ist das elementare Mittel. Nicht jeder Trainer hat diese ‘Gabe’, andere mit einem Blick oder nur einem Wort zur Ordnung zu rufen.

Trotzdem gibt es einige Standardsituationen, für die Heidemann einige Verhaltenstipps aufgeführt hat.

1. Erwünschtes Verhalten loben. Unerwünschtes Verhalten nicht durch Ermahnen oder andere Formen der Zuwendung verstärken.

2. Von Anfang an Grenzen setzen. Hinweissignale trainieren, die an die Grenzen erinnern, ohne den Trainingsverlauf zu stören. Z. B. im Reden innehalten. Intensiven Blickkontakt mit dem Betreffenden halten. Tempo und Lautstärke beim Sprechen verändern.

3. Individualisierung: Unmerklich an den störenden Schüler herantreten, ohne den Trainingsverlauf zu stören.

4. Störer einbeziehen: Ohne Ironie den Störer in den Trainingsfluß einbauen. „Jan, kannst Du das nochmal vormachen?“

5. Störungen registrieren: Durch Blickkontakt und kaum merkliche Signale (leichtes Lächeln, kurzes Zucken mit dem Kopf) unmerklich dem Betreffenden signalisieren, dass die Störung bemerkt wurde, der Sportler aber nicht bloßgestellt werden soll. 6. Bei Unruhe nicht

persönlich reagieren: Die Sportler reden meist nicht über den Trainer.

7. Aktives Schweigen. s.o.

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8. Bei Unruhe immer leiser werden. Wirkt aber nur am Anfang. Nur nicht unkontrolliert lauter werden.

9. Kleinere Störungen ignorieren, damit sie nicht zuviel Gewicht bekommen.

10. Kritik sachlich und nicht persönlich gekränkt formulieren.

11. „Negative Instruktionen“ (Das war falsch.) durch „positive Instruktionen“ (So geht das leichter.) und Informationen ersetzen, statt nur auf Fehlleistungen hinzuweisen.

12. Anweisungen neutral formulieren, ohne Ablehnung.

13. Kein Ordnungsfetischismus. Nicht immer ist absolute Ruhe nötig. Doch da, wo sie es ist, z. B. beim Formlaufen, sollte sie eingehalten werden.

14. Versuchen Hauptstörer für sich zu gewinnen, indem mane außerhalb des Trainings mit ihnen redet, oder kleinere Verantwortungen überträgt. Ohne Ironie positive Beachtung schenken.

15. Verbale Attacken gegen die eigene Person überhören oder den Sprecher um

Wiederholung des Gesagten auffordern. Beim zweiten Mal fällt es ihm meist schon schwerer.

4. Der unpersönliche Trainer

4.1 Das realistische und unrealistische ‘wir’

Im alltäglichen Sprachgebrauch ist es höchst unüblich, die folgende ‘wir’-Formel zu verwenden. Eltern verwenden es Kindern und Ärzte ihren Patienten gegenüber („Na, wie geht’s uns denn heute?“). Im Sport ist es jedoch unter Umständen unangebracht, denn es signalisiert dem Sportler, dass er in seinen persönlichen Wünschen nicht ernstgenommen wird. Es gibt zwei Gründe dafür, warum man ‘wir’ sagt. ‘Wir’ haben ursprünglich die Kaiser und Könige anstelle des Wortes ‘ich’ verwandt, um ihren vom Fußvolk abgehobenen Status darzustellen, der sogenannte ‘pluralis majestatis’ (Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden, deutscher Kaiser ...). ‘Wir’ kann aber auch ein Plural der Bescheidenheit sein, in dem Moment, wenn der Sprechende die Absicht hat, in der Menge aufzugehen, den sogenannten ‘pluralis modestiae’. Aufforderungen und Anweisungen können in diesem Modus ausgesprochen werden, ohne die Schärfe eines direkten Befehls zu besitzen. Das unpersönliche ‘wir’ entsteht aus dem Wunsch des Trainers, sich unpersönlich im Hintergrund zu halten. Dies kann im Taekwondo-Training unter Umständen durchaus von Vorteil sein, wenn man nicht während einer ganzen Trainingseinheit im Kommandoton kommunizieren möchte. Es ist wichtig, daß ein echtes, von allen Beteiligten getragenes ‘wir’ gefunden wird. Als Appell an den Gruppengeist schafft es so neue Motivation und gereicht zur Konfliktbearbeitung. ‘Wir’ macht stark: „Heute werden wir es der anderen Mannschaft zeigen.“ Nur sollte der Trainer einige Unterscheidungsmerkmale zwischen einem realistischen und einem unrealistischen ‘wir’ beachten. ‘Wir’ stellt ein unrealistisches Rollenverhalten her, in dem der Trainer gleichsam aufgehoben und geschützt ist. Er

‘vertuscht’ die eigenen Forderungen an den Sportler und vermeidet es, sich als jemand darzustellen, der den Sportler beeinflusst. Der Trainer verlangt von seinen Schülern, dass sie etwas Bestimmtes tun sollen. Er sagt: „Wir machen jetzt 20 Tritte vor die Pratze.“ Diese Äußerung ist unrealistisch, da er sich selbst nicht an der Aktion beteiligt. Besser wäre es, er sagt: „Ihr tretet jetzt 20 Mal vor die Pratze.“ Auch mit dem Modalverb ‘können’ („Du kannst jetzt 20 Mal vor die Pratze treten.“) ist der Befehl nicht adäquat, da der Schüler nicht die Wahl hat zwischen tun und nicht tun.

Der Pluralis modestiae täuscht eine Art Harmonie im Trainer-Schüler-Verhältnis vor, die oft nur selten der wahren Beziehungsstruktur entspricht. Es ist nicht selten viel effektiver, seine Sprache der wahren Interaktionsstruktur anzupassen und ‘ich’ zu benutzen. ‘Ich’ zu verwenden bedeutet, dass der Trainer bereit ist, seine eigene Person hinter dem ‘Kommandierenden’ sichtbar werden zu lassen. Er ist nicht länger nur Funktionsträger. Ein Risiko für den Trainer dabei ist, dass er durch die

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Verwendung des ‘ich' auch persönlich angreifbar und kritisierbar wird, denn nur wer

‘ich’ sagt, kann auch persönlich betroffen sein, persönlich enttäuscht werden, ungerecht sein und Fehler machen.19 Mit dem ‘wir’ vermeidet der Trainer diese persönliche Ablehnung. Es klingt anders, wenn ein Sportler sagt: „Ich will nicht bei Ihnen trainieren.“ als wenn er meint: „Der andere Verein ist besser für mich.“ Ein Trainer braucht eine sichere Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung! Vorbild sein heißt Vorleben. Ein Trainer sollte seine Erzieherrolle akzeptieren. Zu seiner Glaubwürdigkeit gehört allerdings auch, in der Lage zu sein, eigene Unzulänglichkeiten zugeben zu können. Es ist oft bei Trainern üblich, dass sie nur bei Konfrontationen vom unpersönlichen ‘wir’ abweichen: „Du hörst sofort damit auf!“

„Lass das sein!“ „Du solltest es besser wissen...“ Keine der genannten Botschaften vermittelt etwas von den Gefühlen des Trainers, seinen Grad der Betroffenheit oder Ärger. Dies könnten Sätze, die die ‘Echtheit’ seiner Person unterstreichen würden:

„Ich bin wirklich ärgerlich, wenn Du so weitermachst!“

Und wer meint, Sprache könne nur das wiedergeben, was an realen Machtstrukturen vorhanden sei, und andere Redewendungen des [Trainers] trügen lediglich zu ihrer Verschleierung bei, der verkennt die große Bedeutung, die der [Trainer] als Vorbild gerade für den Umgangston im [Dojang] hat.

Andere Floskeln

Auch das Wörtchen ‘man‘ drückt Unpersönlichkeit aus. Dahinter kann sich der Trainer ebenso verstecken wie hinter der ‘wir’-Formel. Noch schwieriger ist das Wort

‘vielleicht’ im Sprachschatz zu eliminieren. Die meisten Menschen stellen unbeabsichtigt oft rhetorische Fragen, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen und Offenheit zu signalisieren, doch meistens verbreiten sie nur Unsicherheit, da niemand weiß, ob es sich nun um eine klare Anweisung oder einen Vorschlag handelt („Vielleicht sollten wir jetzt mit dem Training anfangen.“). Im Taekwondo Training ist dies unangebracht. Werden diese Floskeln öfters verwendet, können sie eine mühsam aufgebaute Kommandostruktur langsam wieder zunichtemachen.

‘Danke’ und ‘bitte’ zu sagen, ist ebenfalls nicht angebracht. Der Trainer verschwindet dabei hinter einem Mantel aus unrealistischer Höflichkeit, verkleinert sich selbst, lehnt es ab, eine eigene Meinung zu haben und dem Sportler gegenüber eine übergeordnete Position einzunehmen. Höflichkeitsfloskeln entstehen aus der Angst, sich selbst darzustellen, so wie das die situative Menschenführung erfordert. Man hofft in dem Moment, dass der ‘Geführte’ von allein auf die Idee kommt, etwas zu tun. So etwas ist für den Sportler verwirrend.

Weitere unpersönliche und persönliche Botschaften:

Befehle: „Hör jetzt auf damit!“ (Vermiedene persönliche Mitteilung: „Ich finde es gut, dass Du Deine Meinung sagst; aber jetzt ist Training, wir können nach dem Training darüber reden.“) Anklagen: „Du solltest Dir überlegen, ob Du überhaupt noch mitmachen willst.“ (Vermiedene persönliche Mitteilung: „Ich möchte Dich öfter im Training dabei haben.“)

Sarkasmus: „Das hat Deine Großmutter auch schon so gemacht.“ (Vermiedene persönliche Mitteilung: „Ich finde es langweilig, wenn Du nicht mal was Neues versuchst.“)

Vorwurf: „Du weißt ja alles besser.“ (Vermiedene persönliche Mitteilung: „Du weißt, dass ich froh bin, wenn ich von Dir höre, wie das Training bei Dir ankommt. Aber jetzt finde ich es sehr mühsam, Dich für jede Einzelheit gewinnen zu müssen.“)

Indirekter Ausdruck: „Für Dich wäre es besser, in unserem Verein zu bleiben.“ (Vermiedene persönliche Mitteilung: „Schade, dass Du den Verein wechseln willst. Gerade in letzter Zeit, hast Du große Fortschritte gemacht.“)

(13)

13 Skalenwert Mitteilungen

Unpersönlich Offensichtliche Widersprüche zwischen Erleben und Verhalten des Trainers. Er bemüht sich, als Person ungreifbar zu bleiben und lenkt ab, wenn der Sportler versucht, sich mit seiner Person zu beschäftigen. Etwas persönlich Trainer lässt zu, dass der Sportler sich mit seiner Person beschäftigt. Über seine Person gibt er aber im Rahmen seiner Trainerrolle nur Sachinformationen. Persönlich Verhalten des Trainers Entspricht seiner persönlichen Besonderheit. Keine Widersprüche zwischen Erleben und Verhalten zu erkennen. Trainer macht, wenn dies die Situation erfordert, auch über sein Erleben Mitteilungen.

Schlussbemerkung:

Beiderseitiger Respekt

Zum Schluss noch ein Wort, das viele Trainer häufig missachten. Jeder Trainierende, egal wie alt, wie talentiert oder unscheinbar, hat das gleiche Anrecht auf Respekt von seinem Trainer. So wie er es auch von seinen Schülern erwartet. „Was sie persönlich vielleicht als emotional unkontrollierte, aber doch letztlich gutmütige Äußerung einschätzen, kann von den [Trainierenden] negativ als patriarchalisch-gönnerhafte Bemerkung empfunden werden“. Auf sprachliche Korrektheit hat selbst das ‘kleinste Würstchen’ Anspruch. Ein Trainer kann auch streng sein, ohne persönlich verletzen zu müssen, und auf Dauer hat er damit auch die größeren Chancen auf Sympathie und Respekt seiner Schüler.

© Independent Taekwondo Organisation

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