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15. Februar 1997

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Heilte auf Seite 3: Preußens Reformen

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U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E U T S C H L A N D

J a h r g a n g 48 - F o l g e 7 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt

15. Februar 1997

Landsmannschaft Ostpreußen e.V.

Parkallee 84/36, 20144 Hamburg

C 5524

Sicherheit:

„ . . . d i e R u s s e n i m A u g e "

USA differenzieren ihre Europa-Politik mit Blick auf Moskau

A l s Deutschland, Europa u n d die Welt noch in mindestens zwei Blöcke geteilt waren, galten aus unserem na- tionalen Blickwinkel der A b z u g der Besatzungsmächte als höchste T u - gend u n d dringendste Wünschbar- keit, auch w e n n sie - selbstverständ- lich - zumeist unausgesprochen blieb. Über die Mechanik fremder Machtausübung auf deutschem Bo- den erreichte m a n bei den Verständi- gen a m ehesten mit d e m H i n w e i s auf das W o r t L o r d Ismyas Konsens, w o - nach es die Funktion der N a t o sei, die Deutschen unten, die Russen drau- ßen u n d die Amerikaner drinnen (in- nerhalb Europas) z u halten.

Es ist nicht nachweisbar i m Sinne eines Zitats überliefert, aber gleich- w o h l augenscheinlich gewesen, daß bestimmte Moskauer Kräfte mit d e m U m k e h r s p r u c h unter Einschluß W a r - schaus u n d Prags analoge Politik mit ihrem Militärpaktsystem betrieben.

Den Mauerfall u n d den Z u s a m m e n - bruch der kommunistischen Regime ließen die wacheren Kräfte nur kurz- zeitig ungenutzt; während M o s k a u nur einmal u n d dann auch noch halb- herzig die Forderung nach einer N e u - tralisierung Deutschlands erhob, u m dann i n den Zustand außenpoliti- scher A g o n i e z u verfallen, schlug man in Washington bereits die über- nächsten Seiten der europäischen Zukunft auf: N a c h der zahlenmäßi- gen Begrenzung der Bundeswehr folgte sofort die Aufstellung multina- tionaler Streitkräfte. Letzte in Mittel- deutschland stationierte nationale Einheiten k o m m e n dieser Tage unter ein polnisches K o m m a n d o aus Stet- tin.

Vorläufiger Gipfelpunkt dieser Tendenz bildete schließlich die Oster- weiterung der Nato, wobei das größte

DIESE W O C H E Einheit verspielt?

Die Dinge laufen derzeit ohne das V o l k

Zeitgeschichte

U S A untersucht

Kriegsverbrechen an Deutschen

Prager Schattenspiele

Das tschechische Parlament im Sog seiner Altlasten

Naive Kunst

Bedeutende Sammlung in Schloß Bönnigheim

Abseits touristischen Lärms

Reiseeindrücke aus dem

nördlichen Ostpreußen 13

Sorge um die D-Mark

LvD-Landesvorsitzender

kritisierte Euro-Paket 23

Neid statt Recht?

Kommunismus-Opfer

erneut in Not 24

A u g e n m e r k auf den eigentlichen Z w e c k dieser Übung gerichtet wurde, daß der unmittelbare Schulterschluß zwischen d e m politisch u n d wirt- schaftlich fast erledigtem Rußland u n d der soeben faktisch in die Souve- ränität entlassenen u n d damit z u al- len neuen Kombinationen freien Bun- desrepublik unterblieb.

Die Bonner Republik hätte gewis- sermaßen ihren frühen Geist der Schwere preisgeben u n d just z u r Ber- liner Republik mutieren müssen, w e n n sie diese einmalige Ausgangs- lage k l u g wägend genutzt hätte. Die U S A , an einem unbegrenzten Aufent- halt in Europa interessiert, schlugen Bonn vor, die Zentralmacht Europas bei Anwesenheit ihrer T r u p p e n i n Deutschland z u werden. Dies hätte für uns z u einem allmählichen A u s - bau der frisch erworbenen Souveräni- tät führen können. Die ungleich ris- kantere Lösung eines deutsch-russi- schen Wirtschaftsblockes hat m a n i n Bonn mutmaßlich nicht einmal abends bei abgedunkelten Z i m m e r n z u denken gewagt, sondern sich unter Preisgabe der eigenen Währung für die Maastricht-Variante entschieden.

Dennoch bleibt m a n i n A m e r i k a miß- trauisch.

D e n n Washingtons Planspiel mit der Nato-Osterweiterung hat z w a r weiterhin nur den alleinigen Sinn, die U S A i n Europa, „die Russen i m A u g e u n d eine freundliche - aber feste - H a n d auf die Deutschen" z u halten, wie dies Prof. Michael M a n d e l b a u m , Forschungsleiter des mächtigen C o u n c i l o n Foreign Relations i n sei- nem Buch „The D a w n of Peace i n E u - rope" (Twentieth Century F u n d , 1996) formulierte. Anders aber als die unbekümmert munter plätschernden Agitatoren jener Osterweiterung sieht der politisch gewitzte US-Fah- rensmann die (für sie) drohende Mög-

lichkeit a m H i m m e l auftauchen. Ruß- land könnte, durch U S A u n d Nato ge- drängt, sich z u schöpferischen kon- trapunktischen Visionen aufraffen, die auch nach d e m Ende des Ersten Weltkriegs kurzzeitig aufschienen:

„Weimar - Rußland", der schlimmste u n d zugleich folgenschwerste A l b - traum der U S A . M a n d e l b a u m plä- diert für elastische Reaktionen gegen- über M o s k a u .

In der Tat, Washington u n d Bonn könnten (so es ihnen denn möglich wäre) mit Engelszungen reden, w e n n Rußland das nördliche Ostpreußen freigäbe, hätte sich M o s k a u schon mit einem dicken Pluspunkt i n die A n n a - len der deutschen Geschichte einge- schrieben. So m a g es vielleicht kein Zufall sein, w e n n die „Rossiskaja G a - zeta" den neuen Gouverneur v o n Kö- nigsberg, Leonid Gorbenko, fragt:

„Würden Sie nicht gerne, n u n sagen wir, Deutschland beitreten? A n g e b - lich ist es das, was sie quält. Sie verei- nigen sich mit d e m reichen Nachbarn u n d schon w i r d die Blütezeit ausbre- chen" u n d dieser darauf nur die fata- listische Antwort z u geben weiß:

„Wenn w i r nicht bald anfangen u m - zubauen, als ob dies russischer Boden wäre, dann ist es uns nichts wert."

Ergänzung findet dies durch Äuße- rungen des Ex-Sowjet-Präsidenten Gorbatschow, der den „gegenwärtig wichtigsten Führern Rußlands" vor- wirft, sie trügen mit d e m Fehlen „ei- ner Außenpolitik" nicht w e n i g z u r

„Verwirrung der Situation" bei.

Gleichzeitig aber verweist er unnach- giebig darauf, daß die Osterweite- rung der N a t o „vitale geopolitische undSicherheitsinteressen Rußlands "

verletze. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, daß M o s k a u gemäß Prof. M . M a n d e l b a u m i n Z u g z w a n g gerät; es muß sich ja beileibe nicht immer falsch entscneiden ... P. F.

Zeichnung aus „Frankfurter Allgemeine'

V o r l e i s t u n g / v o n

h ö r s t s t e l n

D

ie D i s k u s s i o n u m d i e E i n - führung einer g e m e i n s a - m e n Europäischen W ä h - r u n g , m i t d e r das E n d e d e r D e u t - schen M a r k besiegelt w e r d e n soll, hat e r k e n n b a r a n Fahrt a u f g e n o m - m e n . O b w o h l d i e Ä n g s t e v o r einer künftigen instabilen W e i c h w ä h - r u n g k e i n e s w e g s gebannt s i n d , las- sen s i c h D e u t s c h l a n d s H a n d e l s - k a m m e r n u n d Verbandspräsiden- ten z u n e h m e n d p o s i t i v über das T h e m a aus. E u r o p a - P a t h o s , h i e r - z u l a n d e i n Jahrzehnten z u r d o m i -

Z u s a m m e n a r b e i t s e t z t s i c h d u r c h Rückkehrer nach Nord-Ostpreußen trotz aller Hindernisse erfolgreich

Zuerst schlug ihnen vor allem die kalte Ablehnung westdeutscher Stel- len entgegen, denen jeder Mitbürger, der sich mit „dem Osten" einläßt oder gar seine eigenen Wurzeln dort hat, ein Affront an sich war. Bald darauf schlug die erneute Abkühlung i m deutsch-russischen Verhältnis auf sie durch: Ostpreußen, die nach der Öff- nung des nördlichen Provinzteils in ihre Heimat zurückkehren wollten, hatten es v o n Anfang an nicht leicht.

Schon 1993 aber konnte Das Ost- menßcnblatt berichten, daß es einige besonders Hartnäckige dennoch ge- schafft haben oder nahe daran waren, in die Heimat ihrer Familie zurückzu- kehren. A u f die N e n n u n g v o n N a m e n wurde indes aus gutem G r u n d e ver- zichtet: A l l z u oft geschah es, daß deut- sches Engagement zunächst problem- los u n d unter ausdrücklichem W o h l - wollen der russischen Seite anlief, bis - ja bis bundesdeutsche Medienma- cher davon W i n d bekamen. Sofort machten diese sich auf den Weg an den Pregel, u m unter den erstaunten Russen Mißtrauen z u sähen gegen die finsteren „revanchistischen" Absich- ten der neuen deutschen Nachbarn.

Verwirrt v o n soviel Widersprüchen und erneut i m Zweifel verfangen, ob die Stalin-Propaganda gegen die

„deutschen Fasenisten" nicht viel- leicht doch ein Fünkchen Wahrheit enthielt (wenn selbst deutsche Journa- listen dies bestätigen), rückten so manche Russen v o n ihrer aufge- schlossenen Haltung wieder ab. Das Ostpreußenblatt wollte hier nicht der Fährtenleger sein.

U m so erfreulicher nicht nur, daß eine Reihe Unverzagter trotz alledem den kühnen Sprung wagten u n d schafften, sondern auch, daß sich die starre Haltung westdeutscher Medien z u lösen scheint - zumindest einiger.

Das „Hamburger Abendblatt", i n - des schon früher in Erscheinung ge- treten durch eine sonst nicht alltägli- che Sorgfalt beim Thema Königsberg, brachte jetzt eine ganze Reine v o n Beiträgen über das nördliche Ostpreu- ßen.

Eine Reportage schildert in ebenso nüchternem wie einfühlsamem Ton den W e g v o n Ursula Trautmann.

Gleich nach der Öffnung 1991 machte sich die heute 68jährige Bäuerin von

ihrem „Exil" i m Hunsrück auf in die ostpreußische Heimat, u m den H o f ihrer Familie am Kurischen Haff bei Labiau zurück z u erlangen. N u n ist sie - fast - am Ziel. Das Haus ihrer E l - tern, das sie mit 16 verlassen mußte, ist nämlich zerstört. So hat sich Frau Trautmann mit ihrem M a n n i m be- nachbarten „Annenhof" mit allen Ge- nehmigungen der russischen Behör- den niedergelassen. 80 Hektar umfaßt er. Die Viehzucht hat sie bereits aufge- nommen, die ersten mitgebrachten Kühe haben sogar schon gekalbt, ob- w o h l erst i m A p r i l die offizielle Über- gabe erfolgt. Die russischen Behörden und (für die Ostpreußen nichts neues) vor allem die russischen Nachbarn sehen das Engagement v o n Frau Trautmann mit Wohlwollen u n d O p - timismus.

Das Beispiel zeigt, wie viel trotz al- ler Turbulenzen i m Miteinander v o n Russen u n d Deutschen am Pregel möglich ist. Ein Zeichen vielleicht, daß sich die immer enger werdende Z u - sammenarbeit von Ostpreußen u n d Russen am Ende doch gegen alte Res- sentiments und neue Diffamierungen durchsetzt. Hans H e c k e l

nanten M e l o d i e g e w o r d e n , beflü- gelt d i e R e d n e r u n d m a c h t ihre Texte s a l b u n g s v o l l .

E i n S c h e l m , w e r kritische E i n - w ä n d e gegen das Projekt insge- samt o d e r Modalitäten d e r Einfüh- r u n g des E u r o w i d e r d i e v o m B o n - ner E s t a b l i s h m e n t parteiübergrei- f e n d vorgegebene L i n i e laut w e r - d e n läßt. D e r deutsche d e m o k r a t i - sche G u t m e n s c h hat d a eine Schere i m K o p f . In F r a n k r e i c h , i n S k a n d i - n a v i e n , i n E n g l a n d gar, w o w e g e n des E u r o leidenschaftliche A u s e i n - a n d e r s e t z u n g e n a n d e r T a g e s o r d - n u n g s i n d , spricht m a n verächtlich v o n e i n e m deutschen D e n k v e r b o t . So n i m m t es d e n n nicht w u n d e r , d a ß sich sogar d i e M a n a g e r unserer G r o ß u n t e r n e h m e n aus H a n d e l u n d Industrie m i t V o l l d a m p f auf das neue Zeitalter einzustellen be- g i n n e n

er politische W e i t - u n d Überblick, so zeigt sich w i e d e r e i n m a l , ist d e r D e u t s c h e n Sache nicht. Sie lassen sich n o c h i m m e r , w i e z u K a i s e r Rotbarts Z e i t e n s c h o n , v o m S o g großer Ideen i n u n b e k a n n t e F e r n e n locken, w o sie nicht n u r b a d e n ge- h e n , s o n d e r n z u w e i l e n u m s L e b e n k o m m e n . So fragt m a n sich, w e s - halb Köpfe v o n unbestreitbar ana- lytischer Kraft u n d politischer E r - f a h r u n g w i e Sachsens Ministerprä- sident B i e d e n k o p f , Bayerns Stoiber o d e r a u c h Bundesbankpräsident T h i e t m e y e r m i t i h r e n E i n w ä n d e n z u r Sache k a u m B e a c h t u n g finden.

D i e europäische Integration, so meint B i e d e n k o p f , sei heute schon irreversibel, d i e K a n z l e r - D r o h u n g , d a ß d i e g e m e i n s a m e europäische W ä h r u n g „als Frage v o n K r i e g u n d F r i e d e n " gesehen w e r d e n müsse, k a n n d e n Professor aus D r e s d e n

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15. Februar 1997 - Folge 7 - Seite 2

folglich nicht schrecken. D e n K r i t i - kern eines überstürzten Vorgehens scheint die Gefahr weit drohender, daß der E u r o d u r c h die Ausgabe- freude einzelner EU-Parlamente inflationär werden könnte - w o - möglich i n V e r b i n d u n g mit einer teuren europäischen Sozial-Char- ta. V o n den Belastungen d u r c h künftige zusätzliche Transferzah- lungen an neue EU-Mitglieder ha- ben die Europa-Macher i n Bonn bislang wohlweislich geschwie- gen.

D e n n der Europa-Fahrplan, w i e ihn Kanzler K o h l den Deutschen versprochen hat, ist längst schon auf den K o p f gestellt. Der Euro w i r d n u n nicht mehr, w i e verhei- ßen, als Schlußstein einer EU-ge- meinsamen Wirtschafts- u n d F i - nanzpolitik eingefügt werden, son- dern geht ihr jetzt bekanntlich vor- aus. Diese deutsche Vorleistung, auf d e m E U - G i p f e l i n D u b l i n u n - längst erneut besiegelt, w i r d k a u m ein Partner honorieren. M a n darf daran erinnern, daß eine E U - M e h r - heit unter Frankreichs Führung Deutschlands W u n s c h nach zuver- lässigen Stabilitäts-Garantien re- gelrecht abgeschmettert hat.

U

n d Paris hat mittlerweile noch einmal nachgefaßt:

N i c h t die Fachleute der künftigen Europäischen Zentral- bank, sondern ein Europäischer Ministerrat, also ein politisches G r e m i u m , solle darüber entschei- den, ob ein Mitgliedsland nach- träglich gegen die Stabilitäts-Krite- rien verstoßen hat.

Der E u r o allein kurbelt Europas darniederliegende Volkswirt- schaften nicht an u n d bringt auch nicht gleichsam automatisch die Arbeitslosen v o n der Straße. 1970 etwa, als die Arbeitslosenquote i m EU-Durchschnitt lediglich drei Prozent betrug, gab es nicht w e n i - ger Währungen als heute, da elf Prozent ohne Arbeit sind. „Das Euro-Geld w i r d Belgier oder Italie- ner genausowenig z u ,Europäern' machen, w i e der Rubel aus Tschet- schenen Russen gemacht hat." Die- sem Satz eines klugen A m e r i k a - ners ist nichts hinzuzufügen.

EU-Kandidaturen:

UNABHÄNGIGE W O C H E N - ZEITUNG FÜR D E U T S C H L A N D

Chefredakteur: Horst Stein

(Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeitgeschehen, Leserbriefe:

Peter Fischer, Hans Heckel (Freier Mit- arbeiter), Markus Zehme; Kultur, Unter- haltung, Frauenseite: Silke Osman;

Geschichte, Landeskunde: Hartmut Syskowski; Heimatkreise, Gruppen, Ak- tuelles: Maike Mattern; Ostpreußische Familie: Ruth Geede.

Ständige Mitarbeiter: Alfred v. Arneth (Wien/Bozen), Pierre Campguilhem (Pa- ris), Helmut Kamphausen (Gartow), Eleo- nore Kutschke (Allenstein/Stettin), Jür- gen Mathus (Bonn), Dr. Paul Polak (Prag), Willy Fehling (Berlin).

Anschrift für alle: Parkallee 84/86,20144 Hamburg. Verlag: Landsmannschaft Ost- preußen e.V., Parkallee 86, 20144 Ham- burg. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Lands- mannschaft Ostpreußen. - Bezugspreis Inland 11,50 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 14,90 DM monatlich, Luftpost 21,40 DM monatlich. Konten: Landesbank Ham- burg, BLZ 200 500 00, Konto-Nr.

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S o n d e r r e c h t f ü r d i e R e p u b l i k P o l e n ? Bonn hält immer noch an einem Abkommen mit Warschau von 1975 fest

Mit großer Energie betreibt die Bun- desregierung den Beitritt Polens zur Europäischen Union. Es ist durchaus realistisch anzunehmen, daß - da Rußland keine Einwände erhebt - die- ser Beitritt in absehbarer Zeit erfolgen könnte. Damit verbunden ist die Lö- sung eines Bündels von Problemen, die noch nicht überblickt werden kön- nen.

Gehört Polen der Europäischen Union an, dann ist damit das Recht der Freizügigkeit verbunden. Es könnten sich beispielsweise Deutsche nieder- lassen in Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien und Ostpreußen genauso wie sich Deutsche niederlassen kön- nen auf der französischen Seite unse- rer Westgrenze oder im dänischen Nordschleswig.

Während aber Übersiedler nach Frankreich oder Dänemark weiterhin in den Genuß der deutschen Renten- zahlung kommen für die Zeit, in der sie in Deutschland berufstätig und damit versicherungspflichtig waren, ist das bislang in Polen nicht möglich.

In einem Bescheid, der vor kurzem auf eine entsprechende Frage vom Bundesminister für Arbeit und Sozial- ordnung, Bonn, eingegangen ist, heißt es: „Nach dem ... deutsch-polnischen Abkommen vom 9. Oktober 1975 über Renten- und Unfallversicherung, das am 1. M a i 1976 in Kraft, getreten ist, könnten Sie nach einer Übersiedlung in die Volksrepublik Polen eine polni- sche Rente nach polnischem Recht er- halten. Die deutschen Versicherungs- zeiten in der gesetzlichen Rentenver- sicherung werden bei dieser polni- schen Rente so berücksichtigt, als ob sie in Polen zurückgelegt worden wä- ren. Die Zahlung einer deutschen A l - tersrente nach Polen aus Ihren in der

Bundesrepublik Deutschland z u - rückgelegten Versicherungszeiten ist dagegen nicht möglich." Dieser Z u - stand kann selbstverständlich nicht aufrechterhalten werden, wenn Po- len der E U angehört, es sei denn, man nimmt in Kauf, daß nach Polen umge- zogene Deutsche im Alter viel schlechter gestellt sind, als wenn sie in Deutschland geblieben wären. Da- für gibt es keinen plausiblen Grund.

Statt M a l l o r c a i m A l t e r zurück i n die Heimat?

Bliebe die Bundesregierung aber bei der nunmehr 22 Jahre alten Regelung, dann käme das einer Verhinderung des Rechts auf Freizügigkeit und des Rechts auf Niederlassung in einem Land der E U gleich, denn indem man

dem Rentner die durch Beitragszah- lung in die gesetzliche Rentenversi- cherung wohlerworbenen Rechte nimmt und ihn stattdessen auf die viel niedrigere polnische Rente verweist, entzieht man ihm in Polen die Lebens- grundlage. So würden ehemalige Be- wohner etwa von Schlesien oder dem südlichen Ostpreußen daran gehin- dert, wieder in ihre Heimat zurückzu- ziehen. Das aber dürfte kaum im Sinne der Europäischen Union sein, die nicht zuletzt darum gepriesen wird, weil sie die Freizügigkeit innerhalb ih- rer Mitgliedsländer garantiert.

Es stellt sich am Rande die Frage, wie in dem vom Bonner Arbeitsmini- sterium zitierten deutsch-polnischen Abkommen aus dem Jahre 1975 die Rentenzahlung an Polen geregelt ist, die aus Polen nach Deutschland um- ziehen. Erhalten sie etwa unter A b - rechnung der von ihnen in Polen ge- zahlten Versicherungsbeiträge in Deutschland Altersrente in der Höhe, die deutschen Versicherten gezahlt wird? Wenn es so ist, dann dürfte eine Welle von polnischen Rentnern bald in Deutschland zu erwarten sein.

Eine solche Regelung ist kaum glaublich, doch ist angesichts der all- gemeinen Haltung der Bundesregie- rung ausländischen Forderungen ge- genüber Unglaubliches nicht mit Ge- wißheit auszuschließen.

Es ist die Bundesregierung zu fra- gen, was sie bislang in dieser Angele- genheit unternommen hat und wie sie sich die Regelung für den Fall, daß Po- len der Europäischen Union beitritt, vorstellt. Gerade viele Rentner, die aus Ostdeutschland stammen, dürf- ten mit lebhaftem Interesse auf die Antwort warten.

Hans-Joachim v. Leesen

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Bilanz:

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„ E i n h e i t g n a d e n l o s v e r s p i e l t "

Ob Zufall oder nicht, es war zumin- dest eine bemerkenswerte Koinzidenz:

Just am Tag, als Bundeskanzler Hel- mut Kohl für das neue Kanzleramt ei- nen Spaten in die Berliner Erde stieß, meldete sich der einstens aus der DDR ausgebürgerte Geschichts- und Wirt- schaftsprofessor Hermann von Berg zu Wort. Der ebenso eloquente wie analy- tisch denkende Emeritus und ehemali- ge Berater beim Vorsitzenden des DDR-Ministerrats, Willy Stoph, wollte an diesem Abend in der von der Ham- burger Staats- und Wirtschaftspoliti- schen Vereinigung organisierten Ge- sprächsrunde in der Paul-Gerhard-Ge- meinde im Berliner Bezirk Brenzlauer Berg - in Übereinstimmung mit seinem Lebensmotto - nicht kleckern, sondern klotzen. Kaum verwunderlich des- halb, daß dieser vom früheren Marxis- mus-Jünger zu einem entschiedenen Gegner jener „Lehre" gewandelte freie Geist zum Thema „Die gewendete Wende" sprach.

Hatte der Kanzler in den Morgen- stunden beim feierlichen Spatenstich noch in gleichermaßen treffender wie treuherziger Art und Weise bemerkt, eine Dekade zuvor hätte er sich wohl schwerlich einen derart bewegenden Tag vorzustellen vermocht, so gerieten von Bergs Ausführungen in diesem Zusammenhang geradezu zu einer Philippika. Der Schreck stand einigen Gemeindemitgliedern und anderen in- teressierten Zuhörern förmlich ins Ge- sicht geschrieben, als von Berg mit bei- ßender Ironie davon sprach, der Kanz- ler habe das „Gnadengeschenk der deutschen Einheit gnadenlos ver- spielt".

Und es kam für Kohl noch ärger. In Bonn, so von Berg weiter, stünden die Verantwortlichen gewissermaßen auf einem Scherbenhaufen der seit 1989 verpaßten Gelegenheiten. Weder habe man beispielsweise einen Friedensver- trag für ganz Deutschland erreicht, noch sei überhaupt eine wirkliche Vor- bereitung auf die Einheit durch ent- sprechende klare Analysen und andere Erkenntnisse vorhanden gewesen.

Das, was gemeinhin unter einer geisti- gen Wende verstanden werde, sei völ-

lig ausgeblieben - nicht zuletzt auch deshalb, weil vielerorts in den Westtei- len Deutschlands die Einheit über- haupt nicht gewollt worden sei.

Rückblickend auf die Zeit seit dem Abbruch der Mauer und der Beseiti-

§

ung der „Friedensgrenze" kam von erg zu einer bemerkenswerten Fest- stellung: „Wenn wir uns nicht bald be- sinnen, was Nation bedeutet, dann wird es für uns sehr gefährlich." Auch wenn es mancherorts anders gesehen werde: Die Nation bestehe immer aus dem Volk, das den Kern ausmache.

„Derzeit aber laufen die Dinge ohne das Volk", konstatierte von Berg, der sich als Historiker vor allem aufgrund seiner Kenntnisse über das 19. Jahr- hundert einen Namen gemacht hat.

A n die Bonner Adresse gerichtet fuhr von Berg fort: „Warum können die Regierenden trotz sechs Millionen A r -

„Die Dinge laufen derzeit ohne das Volk"

beitslosen ruhig schlafen?" Und die Zusatzfrage ließ nicht auf sich warten:

Er will wissen, weshalb die alte Bun- desrepublik über den Marshall-Plan mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum erreichte, während heute in Mittel- und Ostdeutschland mit einem Maximum an Mitteln praktisch nichts erreicht werde. Von Bergs Prognose fällt jedenfalls recht düster aus. Wenn nicht, so meinte er, eine Reform von A bis Z bald erfolgt, werde Deutschland zwangsläufig auf der „schiefen Ebene"

landen.

Je länger der einstige Professor der Berliner Humboldt-Universität spricht, desto deutlicher wird seine tie- fe Verletzung über das deutschlandpo- litische Geschehen der vergangenen 25 Jahre offenkundig. So sind denn viele seiner Sätze im Gemeindesaal in Prenz- lauer Berg von Subjektivität geprägt.

Aber dennoch: Von Berg war immer- hin Mit-Autor jener in Ost-Berlin ver-

fertigten Studie zur Lösung der deut- schen Frage Ende der 70er Jahre, die schließlich in die Hände der „Spiegel"- Redaktion gelangte und unter der Be- zeichnung „Manifest" im Westen für Furore sorgte. Und immerhin waren es der damalige Oppositionsführer Hel- mut Kohl und die C D U / C S U , die in diesem Papier damals - zumindest ver- bal - Signalwirkung sahen. „Aber was ist daraus geworden", fragt der Profes- sor heute.

Für von Berg jedenfalls gab es für sei- nen deutschlandpolitiscnen Einsatz hochnotpeinliche Verhöre der Staatssi- cherheit, vorübergehende Inhaftie- rung und schließlich eine Art Berufs- verbot. Im Jahr 1986 schließlich erfolgte die Ausbürgerung nach Westdeutsch- land, wo er jedoch nur noch verhalte- nes Interesse an seinen Vorstellungen fand. Ein deutsches Schicksal, auch wenn sein Absage-Buch an den Mar- xismus-Leninismus mit dem Untertitel

„Das Elend der halb deutschen, halb russischen Ideologie" für einige Zeit für Aufmerksamkeit sorgte. Auch wenn er 1990 wieder einen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität erhielt, die Abgründe deutschen politischen Lebens Dlieben ihm dabei gleichfalls nicht erspart. Die „Stasi"-Vernetzung sei dort auch nach der vermeintlichen Wende unvermindert geblieben, „und so habe ich schließlich hingeschmis- sen", resümierte von Berg im Gemein- desaal der Paul-GerhardVGemeinde, dort wo noch bis in die 70er Jahre ein Pastor für die deutsche Einheit betete und wo sich in Folge bei Gemeindege- sprächen gedanklicher Widerstand ge- gen das SED-Regime formierte.

„Fest stehe", so konstatierte von Berg an dieser gewissermaßen historischen Stätte abschließend, „daß Erich Honek- ker mit dem Abrücken vom Wieder- vereinigungsgebot Anfang der 80er Jahre die Verfassung seines Landes ge- brochen hat". Entgegen dem Gebot des Grundgesetzes sei dem Volk 1990 dann eine Verfassung vorenthalten worden.

Ob darin die „gewendete Wende" zu sehen ist? Hermann von Berg ließ es offen. Konrad Rost-Gaudenz

K o m m e n t a r

V o r f r ü h l i n g

A u c h w e n n sie selbst k e i n er- kennbares nationalpolitisches K o n t r a s t p r o g r a m m e n t w i c k e l n , u m unser V o l k aus d e n drohen- d e n w i r t s c h a f t l i c h e n Nöten z u führen, b e s c h w ö r e n G r ü n e u n d L i b e r a l e seit W o c h e n das fatale B i l d einer d e n k b a r e n Großen K o - a l i t i o n aus d e m leicht einsichti- g e n G r u n d , d a ß sie d i e größten V e r l i e r e r einer solchen Konstella- tion w e r d e n w ü r d e n . A n s o n s t e n ist es natürlich längst k e i n Ge- h e i m n i s m e h r , d a ß d i e Zeit K o h l s als K a n z l e r a b z u l a u f e n scheint.

D a s Sündenregister ist nicht nur auf d e m außenpolitischen Feld i m m e n s ; a u c h d i e ungeheure S t a a t s v e r s c h u l d u n g v o n i n z w i - schen w e i t über z w e i Billionen M a r k , für d i e jährlich allein 100 M i l l i a r d e n M a r k Z i n s e n aufge- bracht w e r d e n m ü s s e n , u n d die A r b e i t s l o s e n z a h l e n v o n weit über v i e r M i l l i o n e n sprechen eine eindeutige Sprache, d i e unge- heuer w e i t v o n d e r i n früheren Jahren so oft w i e d e r u n d wieder b e s c h w o r e n e n geistig-morali- schen W e n d e entfernt ist. A u c h sonst gibt es w e n i g , w a s des Rüh- m e n s w e r t wäre: D i e K r i m i n a l - statistik ist n a c h o b e n gegangen w i e unter sonst k e i n e m N a c h - o d e r V o r k r i e g s k a n z l e r , Staats- r a t s v o r s i t z e n d e m , K a i s e r oder König. D e r E l a n d e r frühen u n d u n g l e i c h s c h w i e r i g e r e n N a c h - kriegsjahre ist d a h i n , das elegisch fatalistische G e f ü h l auf der einen Seite kontrastiert m i t d e m neu ge- w a c h s e n e n Gefühl eisiger Smart- heit, i n d e m s i c h erkennbar die g a n z e B a n d b r e i t e des übersee- ischen Lebensgefühls m i t seinem b i n d u n g s l o s e n E g o i s m u s wider- spiegeln. O b s i c h dies m i t den in d e n Startlöchern b e f i n d l i c h e n Po- l i t i k e r n u m Stoiber, Schröder o d e r S c h ä u b l e ändern dürfte, sei dahingestellt. S i c h e r l i c h käme m i t e i n e m K a n z l e r Schäuble möglicherweise a u c h der A b - schied v o n d e r Währungsunion z u s t a n d e . V i e l l e i c h t könnte sogar dessen K o n z e p t d e r Verknüp- f u n g leistungsstarker mittel- und nordeuropäischer Industrie- m ä c h t e n e u ins Gespräch ge- bracht w e r d e n , n a c h d e m es z u - v o r s c h n e l l w i e d e r aus den S c h l a g z e i l e n gebracht worden w a r , i n F u n k t i o n . D e n k b a r wäre aber a u c h eine Konstellation S c h r ö d e r / S t o i b e r , w e i l ange- sichts d e r i m m e r krasser hervor- tretenden s o z i a l e n Widersprüche a m ehesten eine sozial-demokra- tische Partei d e n daraus erwach- s e n d e n G e g e n w i n d auffangen u n d ableiten könnte. Bei Schrö- d e r gilt f r e i l i c h a u c h , daß er trotz d e r e r k e n n b a r e n nationalen Ret- t u n g s v e r s u c h e z u g u n s t e n der ei- g e n e n W ä h r u n g u n d des Volks- w a g e n w e r k e s u n d gegen die a m e r i k a n i s c h e n A b l e g e r in D e u t s c h l a n d eine fatale Bilanz in N i e d e r s a c h s e n hinterlassen hat.

E i n e E m p f e h l u n g ist das nicht, aber d e r V e r s u c h , einen anderen W e g z u beschreiten, ist nach Lage d e r D i n g e a l l e m a l besser, als tiefer u n d tiefer i m L a b y r i n t h des A b w e g e s v o l l e n d s z u verschwin- d e n . A u c h w e n n insgesamt wahr- scheinlich gilt, d a ß das N e u e dar- a n nicht gut u n d das G u t e daran nicht n e u ist. Peter Fischer

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15. F e b r u a r 1997 - F o l g e 7 - Seite 3 £ o s £ f l p m i f i m u ( a i l

Blickpunkt

Preußen

V e r t e u f e l t , v e r b o t e n , v e r d r ä n g t

Als „Träger des Militarismus und der Reaktion" liquidierte der Alliierte Kontrollrat den Staat Preußen vor genau 50 Jahren, am 25. Februar 1947. Ein groteskes Zerrbild, wie unser

Autor belegt. Anhand der Preußischen Reformer zeichnet er das Porträt eines Staates, der ethische und politische Maßstäbe gesetzt hat.

Z

u B e g i n n d e s 19. J a h r h u n d e r t s , n a c h d e m tiefen S t u r z v o n 1806, w a r P r e u ß e n , trotz d e r N i e d e r l a g e i m K r i e g eegen N a p o l e o n I., d e r m o d e r n - ste Staat d e r W e l t . N u r so ist es erklärlich, d a ß s o v i e l e begabte N i c h t p r e u ß e n d o r t - h i n g i n g e n u n d i h r e Dienste anboten. D e r

P

roße P r e u ß e n k e n n e r u n d - b e w u n d e r e r , rofessor H a n s J o a c h i m Schoeps, hat i n s e i n e m B u c h „ P r e u ß e n - G e s c h i c h t e eines Staates" z u d e r Z e i t d e r a u f k e i m e n d e n R e - f o r m e n geschrieben: „ D e r W e g v o n Jena u n d A u e r s t e d t n a c h L e i p z i g u n d B e l l e - A l - liance w ä r e o h n e d i e R e f o r m e r des p r e u - ßischen Staates nicht m ö g l i c h g e w e s e n . D a s Zeitalter d e r R e f o r m e n b e g a n n m i t einer geistigen R e c h e n s c h a f t s a b l e g u n g über d i e tieferen U r s a c h e n , d i e z u d e r K a - tastrophe v o n 1806 geführt h a b e n . " Fast alle R e f o r m e r z u r Z e i t d e r Freiheitskriege k a m e n aus a n d e r e n d e u t s c h e n Ländern.

K a r l R e i c h s f r e i h e r r v o m u n d z u m Stein s t a m m t e aus N a s s a u ; d e r d i e Steinschen R e f o r m e n fortsetzende Staatsminister K a r l A u g u s t Fürst v o n H a r d e n b e r g w a r , w i e a u c h G e n e r a l G e r h a r d v o n S c h a r n - horst, H a n n o v e r a n e r . A u g u s t G r a f N e i t - h a r d t v o n G n e i s e n a u , einer d e r begabte- sten Strategen d e r d a m a l i g e n Z e i t , s t a m m t e aus W ü r z b u r g . Sie alle strebten eine A u f g a b e i n P r e u ß e n a n u n d w u r d e n Preußen aus U b e r z e u g u n g . E s w a r jenes Preußen, das i m D e u t s c h l a n d des 19. Jahr- h u n d e r t s eine Blüte v o n K u n s t u n d W i s - senschaft h e r v o r b r a c h t e . W e l c h glänzen- d e geistige W e l t repräsentierte es: A r n d t , Fichte, K a n t , C l a u s e w i t z , d i e G e b r ü d e r H u m b o l d t , R a n k o , S c h l e i e r m a c h e r u n d später H e g e l , S c h i n k e l , H e r d e r , S c h a d o w , R a u c h , B r e n t a n o , T i e c k , E . T . A . H o f f - m a n n , K l e i s t , F r e y t a g , F o n t a n e , M e n z e l . Sie prägten n i c h t n u r P r e u ß e n , sie g a b e n i h r e m J a h r h u n d e r t e i n G e s i c h t .

B e g o n n e n hatte alles aber m i t d e n R e - f o r m e n , d i e v o r 190 Jahren d u r c h d e n R e i c h s f r e i h e r m v o m Stein eingeleitet w u r d e n . U n m i t t e l b a r n a c h d e r N i e d e r l a - ge v o n Jena u n d A u e r s t e d t u n d d e m d a r - auf f o l g e n d e n Friedensschluß v o n Tilsit a m 9. J u l i 1807 b e g a n n S c h a r n h o r s t d a s

V o n H E L M U T K A M P H A U S E N

staatsrechtlich festgeschrieben w u r d e , w a r d e r B e g i n n einer a k t i v e n M i t w i r k u n g d e r Bevölkerung a m Staatsleben.

Es f i n g m i t d e r B a u e r n b e f r e i u n g a n u n d führte über d i e G l e i c h s t e l l u n g v o n A d e l u n d B ü r g e r t u m i m Recht auf L a n d b e s i t z (1807) , d i e S e l b s t v e r w a l t u n g d e r Städte (1808) , d i e Ö f f n u n g des O f f i z i e r s k o r p s für Bürgerliche, d i e G e w e r b e f r e i h e i t (1811), d i e bürgerliche G l e i c h s t e l l u n g d e r J u d e n (1812) u n d schließlich d i e Einführung d e r W e h r p f l i c h t z u einer völligen V e r ä n d e - r u n g d e r S t r u k t u r des Z u s a m m e n l e b e n s d e r S t ä n d e u n d d a m i t der M e n s c h e n i m Staat.

Z u d e n o b e n bereits angeführten g r u n d - sätzlichen Ä n d e r u n g e n k a m e n überdies U m w ä l z u n g e n i n d e r Behördenorganisa- tion. V o m Stein löste das alte G e n e r a l d i - r e k t o r i u m ab. A n seine Stelle setzte er a m Tage seiner - v o n N a p o l e o n v e r l a n g t e n - E n t l a s s u n g p e r O r g a n i s a t i o n s e d i k t v o m 24. N o v e m b e r 1808 e i n kollegiales Staats- m i n i s t e r i u m m i t fünf R e s s o r t m i n i s t e r n (Außeres, Inneres, K r i e g , F i n a n z e n , J u - stiz). A u s d e n „ G e h e i m e n R ä t e n " des G r o - ßen Kurfürsten w a r e n n u n v e r a n t w o r t l i - che M i n i s t e r g e w o r d e n , d e r e n Zuständig- keiten d e u t l i c h v o n e i n a n d e r abgegrenzt w a r e n . A l l e M i n i s t e r hatten das Recht z u r e g e l m ä ß i g e m V o r t r a g v o r d e m K ö n i g u n d zeichneten a u c h d i e königlichen E r - lasse u n d Gesetze gegen. D i e K r i e g s - u n d D o m ä n e n k a m m e r n w u r d e 1808 d u r c h d i e P r o v i n z i a l r e g i e r u n g e n ersetzt.

D e r Königsberger P o l i z e i d i r e k t o r J. G . F r e y hatte w ä h r e n d d e s s e n d e n E n t w u r f einer n e u e n S t ä d t e o r d n u n g ausgearbei- tet. A l l e n städtischen G e m e i n d e n w u r d e h i e r d u r c h d i e politische u n d wirtschaftli- che S e l b s t v e r w a l t u n g z u g e s t a n d e n , w o - m i t d e r G e m e i n s i n n i n d e n K o m m u n e n belebt w u r d e . Preußen, das d a m a l s nahe- z u e i n reines A g r a r l a n d w a r , verfügte 1808 über 18 „ G r o ß s t ä d t e " m i t m e h r a l s 20 000 E i n w o h n e r n . H i e r lebten n u r u n g e - fähr sechs P r o z e n t d e r gesamten Bevölke- r u n g . D a z u k a m e n n o c h Mittelstädte m i t einer E i n w o h n e r s c h a f t z w i s c h e n 6000 u n d 20 000, d i e z u s a m m e n n o c h e i n m a l

„ J e d e r ist e i n V e r t e i d i g e r seines V a t e r l a n d e s "

d u r c h d a s D i k t a t N a p o l e o n s stark v e r - kleinerte H e e r z u r e f o r m i e r e n . E r schuf eine völlig n e u e W e h r v e r f a s s u n g . S o führte er d i e a l l g e m e i n e W e h r p f l i c h t e i n , d i e jeden P r e u ß e n z u m g e b o r e n e n V e r t e i - d i g e r seines V a t e r l a n d e s erklärte. D a s w a r natürlich n u r möglich, i n d e m m a n d i e i n a l l e n d a m a l i g e n H e e r e n übliche, entehrende Prügelstrafe abschaffte. I n der A r m e e d e r V e r e i n i g t e n Staaten v o n A m e r i k a w u r d e n o c h bis 1861 geprügelt, in E n g l a n d n o c h 1880, i n d e r e n g l i s c h e n Militärjustiz sogar n o c h bis 1907. D u r c h diese M a ß n a h m e , d i e trotz s c h w e r e r Be- d e n k e n v o m K ö n i g m i t g e t r a g e n w u r d e , w a r es d e m preußischen G e n e r a l m ö g - lich, d e n G r u n d s t o c k für eine preußische A r m e e z u schaffen, d i e n u r fünf Jahre später i n d e r L a g e w a r , e n t s c h e i d e n d bei der N i e d e r r i n g u n e d e s k o r s i s c h e n U r - supators m i t z u w i r k e n .

D i e s w a r e i n g r o ß e r E r f o l g . D a s E n t - s c h e i d e n d e aber w a r d i e zeitliche R e f o r m des z i v i l e n Z u s a m m e n l e b e n s d e r M e n - schen i n Preußen. H e u t e w ü r d e n w i r das, w a s v o n d e m M i n i s t e r v o m Stein angesto- ßen u n d v o m Staatskanzler v o n H a r d e n - berg d a n n d u r c h g e f ü h r t w u r d e , als eine grundsätzliche V e r ä n d e r u n g des gesell- schaftspolitischen S y s t e m s b e z e i c h n e n . Das, w a s d a m a l s v o r 190 Jahren m B e r l i n

e t w a sieben P r o z e n t d e r Bevölkerung Preußens beherbergten. D a s bedeutet, d a ß i m Jahre 1808 n u r 13 P r o z e n t aller Preußen i n einer „ g r ö ß e r e n " Stadt lebten.

N a c h d e m A b g a n g v o m Steins w u r d e i m J u n i 1810 K a r l A u g u s t v o n H a r d e n - b e r g z u m Staatskanzler i n Preußen er- nannt. E r setzte d i e unter v o m Stein e i n - geleiteten R e f o r m e n konsequent fort.

H a r d e n b e r g leitete seine Reformgesetze m i t d e m Königlichen F i n a n z e d i k t v o m 27. O k t o b e r 1810 e i n . H i e r b e i h o b er d i e ständische V e r s c h i e d e n h e i t h i n s i c h t l i c h d e r Besteuerung auf u n d führte für alle Bevölkerungsklassen d i e gleichen Steu- ergrundsätze e i n . D i e finanzielle L a g e des Staates w u r d e d a d u r c h auf eine ande- re, solidere, G r u n d l a g e gestellt.

W a s heute, b e d i n g t d u r c h die V e r f o l - g u n g d e r J u d e n d u r c h d a s N S - S y s t e m , verdrängt w i r d , ist d i e Tatsache, d a ß Preußen i m R a h m e n d e r R e f o r m e n a m A n f a n g d e s v o r i g e n Jahrhunderts d i e E m a n z i p a t i o n der J u d e n i n Preußen als erster Staat i n E u r o p a nach d e m r e v o l u - tionären F r a n k r e i c h gesetzlich festlegte.

I m „Edikt betreffend die bürgerlichen Ver- hältnisse der Juden in den preußischen Staa- ten, vom Ilten März 1812" heißt es i n der Präambel: „Wir Friedrich Wilhelm, von

Gottes Gnaden König von Preußen usw. ha- ben beschlossen, den jüdischen Glaubensge- nossen in Unserer Monarchie eine neue, der allgemeinen Wohlfahrt angemessene Verfas- sung zu ertheilen, erklären alle bisherige, durch das gegenwärtige Edikt nicht bestätigte Gesetze und Vorschriften für die Juden für aufgehoben und verordnen wie folgt: § 1. Die in unseren Staaten jetzt wohnhaften, mit Ge- neral-Privilegien, Naturalisationspatenten, Schutzbriefen und Konzessionen versehenen Juden und deren Familien sind für Einländer und Preußische Staatsbürger zu achten."

U n d w e i t e r heißt es i m P a r a g r a p h 7: „Für die Einländer zu achtende Juden hingegen sol- len, insofern diese Verordnung nichts abwei- chendes enthält, gleiche bürgerliche Rechte und Freiheiten mit den Christen genießen."

U n d w e i t e r heißt es i n P a r a g r a p h 8: „Sie können daher akademische Lehr- und Schul- auch Gemeinde-Ämter, zu welchen sie sich geschickt gemacht haben, verwalten." U n d schließlich sagt d e r P a r a g r a p h 11: „Sie können Grundstücke jeder Art, gleich den christlichen Einwohnern, erwerben, auch alle erlaubten Gewerbe mit Beobachtung der all- gemeinengesetzlichen Vorschriften treiben."

D a s w a r für d a s d a m a l i g e E u r o p a eine G e s e t z g e b u n g , d i e nicht n u r fortschritt- l i c h w a r , s o n d e r n d i e i n Sachen M e n - schenrechte, u n d d e r Begriff w a r 1812 n o c h nicht e i n m a l e r f u n d e n , w e i t v o r - wärts zeigte.

U m s o unverständlicher erscheint d e n h e u t i g e n Preußen d i e Präambel des P r e u - ßenverbotes d e r Siegermächte des Z w e i - ten W e l t k r i e g e s v o n 1947. Sie besagt, d a ß Preußen d e r H o r t des M i l i t a r i s m u s u n d d e r kriegerischen A u s e i n a n d e r s e t z u n - g e n g e w e s e n sei. D a s ist falsch. D e n n :

„Preußen, das v o n a l l e n m o d e r n e n Staa- ten m i t d i e w e n i g s t e n K r i e g e geführt hat, für d i e zentrale Brutstätte des M i l i t a r i s - m u s z u halten, ist eine geschichtsferne L e g e n d e . A n a l l e n z w i s c h e n 1701 u n d 1933 geführten K r i e g e n ist F r a n k r e i c h m i t 28 P r o z e n t , E n g l a n d m i t 23 P r o z e n t , R u ß - l a n d m i t 21 P r o z e n t u n d Preußen- D e u t s c h l a n d m i t acht P r o z e n t beteiligt gewesen. K e i n preußischer König k a n n a u c h n u r v o n fern m i t L u d w i g X I V . o d e r N a p o l e o n I. v e r g l i c h e n w e r d e n , m a n c h e w i e F r i e d r i c h W i l h e l m I V . w a r e n eher z u skrupelhaft. N i c h t zufällig höhnte z . B . d i e L o n d o n e r T i m e s v o n 1860 u n d gab d a - m i t d i e ö f f e n t l i c h e M e i n u n g ' des d a m a l i - g e n E u r o p a über Preußen w i e d e r , d a ß dieses L a n d sich lieber auf K o n f e r e n z e n vertreten lasse, als d a ß es sich d a n a c h dränge, auf d e n Schlachtfeldern E u r o p a s z u erscheinen. D e s s e n ungeachtet De- durfte aber gerade dieses L a n d , o h n e n a - türliche G r e n z e n i m H e r z e n E u r o p a s , e i - nes starken Heeres, aber auf d e n preußi- schen K a n o n e n s t a n d d i e Inschrift: u l t i - m a ratio regis', w a s heißen sollte: D e r W a f f e n g a n g ist d e r letzte A u s w e g . " S o schrieb es H a n s J o a c h i m Schoeps i m Sep- tember 1966. W a r u m Preußen nach d e m Z w e i t e n W e l t k r i e g so verteufelt u n d schließlich v o n d e n Siegermächten sogar verboten w u r d e , darüber ist i n D e u t s c h - l a n d n u r w e n i g diskutiert w o r d e n . D a ß es das siegreiche A u s l a n d nicht w o l l t e ist klar, d e n n das B e s i n n e n auf d i e preußi- schen T u g e n d e n , d i e v o n heutigen P o l i t i - k e r n als Sekundärtugenden, d i e a u c h z u r L e i t u n g eines K o n z e n t r a t i o n s l a g e r s aus- reichten, bezeichnet w e r d e n (so O s k a r Lafontaine) könnte E r i n n e r u n g e n a n d i e Jahre nach 1812 w e c k e n . U n d w e r ist h e u - te i n D e u t s c h l a n d d a r a n n o c h interes- siert? V o r 190 Jahren w u r d e n i n B e r l i n W e i c h e n gestellt, d i e z u r M o d e r n e i m Staat führten. A b e r das ist vergessen.

K ö n i g o d e r M i n i s t e r , W i s s e n s c h a f t l e r o d e r M i l i t ä r - E i n z i g a r t i g e K ö p f e i h r e r E p o c h e n , d i e d a s G e - sicht P r e u ß e n s geprägt h a b e n : (von oben) Friedrich der Große, Karl Reichsjreiherr vom und zum Stein, Wil- helm von Humboldt, General Karl von Clausewitz

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Politik

£ o s £)ftpmtfimMaii 15. Februar 1997 - Folge 7 - Seite 4

In Kürze

DM-Kurs gefährdet

Horst Siebert, Präsident des Kie- ler Instituts für Weltwirtschaft, hat vor einer A u f n a h m e der Lira i n die Europäische Währungsunion ge- warnt. D e r Wirtschaftsprofessor befürchtet einen Außenwertver- lust der Deutschen M a r k u m 25 Prozent, falls auch die italienische Währung z u m „Euro"-Verbund Zutritt bekäme.

Lords für EU-Austritt

Das britische Oberhaus (House of Lords) hat sich mit 52 gegen 51 Stimmen für den Austritt Britanni- ens aus der E U ausgesprochen. Die meisten „Lords" waren allerdings bereits i m Wochenende. Dennoch hat die Entscheidung der Adels- kammer z w a r keine gesetzliche, aber eine beträchtliche psychologi- sche W i r k u n g .

Der häßliche Däne

Dänemarks Fremdenverkehrs- branche wirbt seit kurzem erstmals i m Fernsehen u m deutsche U r l a u - ber. Hintergrund: Wegen grassie- render Fremdenfeindhchkeit, rup- piger Behandlung u n d Schikanen gegen deutsche Ferienhausbesit- zer mögen d i e Deutschen d e n nördlichen Nachbarn i m m e r weni- ger u n d buchen u m - etwa auf die deutschfreundlichen Baltenrepu- bliken.

„Das Ende der Nation"

Hans-Gottfried Bernrath, E x - SPD-Bundestagsabgeordneter, ist

egen das Ziefseiner Partei, auch inderjährigen das k o m m u n a l e Wahlrecht z u geben. D e r frühere Präsident des Städte- u n d G e m e i n - debundes wörtlich: „Wenn sie die K i n d e r wählen lassen, wählen i n Wirklichkeit die Lehrer - u n d das wäre das Ende der N a t i o n . "

E

Gegen Diffamierung

Für Montag, den 24. Februar u m 18 U h r ruft das „Friedenskomitee 2000" z u r Demonstration gegen die umstrittene Anti-Wehrmacht- Ausstellung v o n Johannes Heer (Das Ostpreußenblatt berichtete) i n München auf, O r t : Marienplatz.

U m 19 U h r soll i m A l t e n Münchner Rathaus die Ausstellung eröffnet werden. Sie sei, so das Friedensko- mitee, kein Ergebnis ehrlicher For- schung sondern „eine weitere A k - tion gegen die Identität der Deut- schen". A u f Partei- oder Verbands- abzeichen sollen alle Teilnehmer verzichten.

Zweiter Weltkrieg:

„ A m e r i k a n e r t u n s o e t w a s n i c h t ! "

US-Ermittler untersuchen Kriegsverbrechen an deutschen Soldaten

Die Tabu-Brecher kamen von jen- seits des Atlantik: Seit Herbst vergan- genen Jahres ermitteln Spezialagenten der Criminal Investigation Division (CID) der US^Army gegen amerikani- sche Armeeangehörige, die während der letzten Kriegshandlungen in Nord- Württemberg deutsche Soldaten nach ihrer Gefangennahme mißhandelten und ermordeten.

Jungholzhausen im Hohenlohischen:

A m 15. April 1945 besetzt die K-Kompa- nie des 254. US-Infanterieregiments das kleine Dorf über dem Kochertal. Fünf- zehn Pioniere wurden von den uner- wartet einmarschierenden Amerika- nern überrascht und gefangengenom- men. Ohne langes Fragen ordneten die US-Soldaten sie der SS zu; eine Waffen- SS-Einheit hatte ihren Gefechtsstand in der Nähe. Die Solda ten wurden geschla-

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en und mißhandelt, schheßhchbei Ein- ruch der Dunkelheit zu einer Beton- mauer geführt und von hinten niederge- schossen. Einige überlebten, weil sie sich tot stellten und. versteckten. Die Berichte der ersten Überlebenden, die sich wieder zu eigenen Teilen durchge- schlagen und im nächsten Kompaniege- fechtsstand gemeldet hatten, stießen zunächst auf Unglauben: „Amerikaner tun so etwas nicht", war die erste Reak- tion eines Offiziers.

Sie taten es doch. 48 gefangene deut- sche Soldaten waren es, die nach Er- kenntnissen der US-Ermittler allein in Jungholzhausen massakriert wurden.

Die CID-Agenten vernahmen überle- bende Soldaten, militärische und zivile Zeugen, die nicht selten ihre Geschich- ten lange für sich behalten hatten. Jung- holzhausen war jedoch kein Einzelfall:

In Lippach bei Aalen etwa war über ein Dutzend Gefangener erschlagen wor- den. Durch Kopfschüsse wurden in Döt- tingen am Kocher vier Soldaten massa- kriert. Die 63. US-Infanterie-Division galt bei der Bevölkerung als „Gangster- Division": Bei ihrem Vormarsch durch die Hohenlohe zog sie eine breite Blut- spur. Nahe Hermersberg (bei Niedern- hall) fand man im April 1945 tote Land- ser, die mit Drahtschlingen erdrosselt worden waren. Soldaten wurden ge- zwungen, ihre eigenen Gräber zu schau- feln, ehe sie mit dem Spaten erschlagen wurden. U m die Eheringe zu rauben, hackte man den Leichen die Finger ab.

Historiker wissen von 92 solchen Fällen;

die Liste ist fraglos bei weitem nicht voll- ständig. In Gedenkfriedhöfen und vor al- lem in der Erinnerung der Zeitgenossen sind diese Verbrechen noch präsent. Ein Schwäbisch Haller Lokalhistoriker veröf- fentlichte zum 50. Jahrestag des Kriegsen- des einen Artikel darüber. Dieser wurde von einem in Hall lebenden Ex-GI in die Staaten geschickt und löste die Recherchen der CID-Agenten aus. Aufgrund des gro- ßen Zeitabstandes läßt sich heute zwar her- ausfinden, welche US-Einheiten an sol- chen Verbrechen beteiligt sind; einzelne Täter festzumachen, ist nahezu unmög-

P r e s s e s c h a u Die Ohnmacht der Bonner Kartellbrüder

Die katastrophalen Daten vom deutschen Arbeitsmarkt beunruhigen die Medien im In- wie im Ausland.

So die „Frankfurter Allgemeine":

Den Gedanken eines Beschäftigungs-

&

ipfels beim Staatsoberhaupt hat der

undespräsident durch den knappen Satz eines Sprechers gebührend gewür- digt. Das rasche Wegwerfen der Institu- tionen des demokratischen Verfas- sungsstaates wird möglicherweise als

„Eicnel-Beck-Svndrom in die Patholo- gie des Politischen eingehen. Es sei aber um der Gerechtigkeit willen ausdrück- lich vermerkt: Was die beiden Minister- präsidenten hier vorgeschlagen haben, entspricht der Mentalität der Kartell- brüder aller Couleur und Herkunft.

Und daran ist dieses Land reich - was wiederum einen Teil seiner selbstver- schuldeten Armut erklärt.

... den Mailänder „Corriere della Sera":

Viele Male in den 14 lahren seiner Amtszeit hat es der Christdemokrat ge- schafft, das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Was das Szenario eines langen Abschieds nun wahrscheinlich macht, ist der Fall eines Tabus, das in all den Jahren verhindert hat, daß in der C D U

9 r h nur an ein Leben nach Kohl ge-

dacht wurde. Die Krise des rheinischen Modells, der Schatten von fünf Millio- nen Arbeitslosen am Horizont und die wachsenden Zweifel an einer Teilnah- me Deutschlands an der Währungsuni- on haben einen unsicheren, zaudernden Kanzler zum Vorschein gebracht. Kohl fehlen in dieser Situation, abgesehen von seinem unerschütterlichen Opti- mismus, wahre Rezepte.

... und die „Thüringer Allgemeine" aus Erfurt:

„... Die dramatischen Januardaten sind noch nicht der Tiefpunkt. Der Fe- bruar wird schlimmer. Und wer noch vor kurzem die Drei vor dem Komma für unvorstellbar hielt, muß sich in Gedan- ken mit der Fünf vertraut machen. Offen- bar ist den Enkeln Erhards einiges an Ein- sicht in die Geheimnisse der sozialen Marktwirtschaft abhanden gekommen.

Während Unternehmen Kosten senken, indem Zigtausende Arbeitsplätze ver- schwinden, muten die Versuche, gegen- zusteuern, eher hilflos an. Und die ei- gentlichen Turbulenzen stehen noch aus:

Steuerreform, Rentenreform, Euro. Was sich über Jahre angestaut hat, drückt nun doppelt und dreifach. Es rächen sich Ignoranz und das ewige Schielen auf die nächsten Wahlen ..."

lieh. Dennoch: „Mord bleibt Mord ", ist der Standpunkt der Army-Ermittler, „und der verjährt nicht."

So denkt in Amerika nicht jeder. Kon- trollrat und Hochkommissariat verbo- ten in der Besatzungszeit der deutschen Justiz, Straftaten der alliierten Streit- kräfte und der Personen in ihren Dien- sten zu verfolgen. Durch Art. 3 Abs. 2 des „Überleitungsvertrags" vom 26.

Haben offenbar nicht immer die Ge- bote der Haager Landkriegsordnung im Sinn gehabt: die Soldaten der US- Armee während ihres Einmarsches in Deutschland. Spezialagenten ermitteln nunmehr, was 1945 im süddeutschen Ort Jungholzhausen mit Soldaten der Wehr- macht geschehen ist. Zudem ein beachtens- wertes Musterbeispiel für alle noch offenen Fragen, sofern sie Kriegsverlauf und Kriegsursachenforschung betreffen Mai 1952 wurde diese besatzungsrecht- liche Verfügung in die Rechtsordnung der teilsouveränen Bundesrepublik übernommen. Sie war den Siegermäch- ten von einst offenbar so wichtig, daß durch einen Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik und den USA, Frankreich und Großbritannien Ende September 1990 sichergestellt wurde, daß dieser Artikel des „Überleitungs- vertrags" auch nach Erlangung der

„vollen Souveränität" durch den Mos- kauer Vertrag vom 12. September 1990 (2+4-Vertrag) gültig bleibt.

Weder in der unmittelbaren Nach- kriegszeit noch in den fünfziger Jahren hatten die Amerikaner großes Interesse, den dunklen Flecken auf ihrem militäri-

schen Ehrenschild nachzuspüren. Was aber unternahmen deutsche Behörden?

Auf eine Kleine Anfrage der Republika- ner im Landtag von Baden-Württem- berg teilte die Landesregierung mit, daß Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Heilbronn zu den Berichten über die Kriegsverbrechen in Jungholzhausen, die von der Presseberichterstattung aus- gelöst worden waren, im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage am 29. No- vember 19% eingestellt worden seien (Ds. 12/692). Die Antwort auf eine Fol- geanfrage, die u. a. wissen will, wer die- se Ermittlungen und ihre Einstellung veranlaßt hat, steht noch aus.

Es erscheint befremdlich, daß Deutschland sich über ein halbes Jahr- hundert nach Kriegsende noch immer juristisch die Hände binden läßt, was die kriegsverbrechen der Alliierten angeht.

Noch befremdlicher ist, daß man frei- willig darauf verzichtet, mögliche Spiel- räume auszunützen. Aus der erwähn- ten parlamentarischen Anfrage geht hervor, daß die Landesregierung ihre Möglichkeiten darin erschöpft sieht, vorhandene Unterlagen den zuständi- gen US-Behörden anzubieten und ein Rechtshilfeersuchen abzuwarten. Die Frage muß erlaubt sein, warum in all den Jahren keine deutsche Stelle auf den Gedanken kam, auf amerikanische Er- mittlungen zu dringen, wenn eigene schon nicht mögüch waren. Dazu be- durfte es erst eines aufmerksam Zeitung lesenden US-Veteranen.

In früheren Zeiten war man aktiver:

Obwohl keine Aussicht auf Verfolgung durch die deutsche Justiz bestand, wur- den zwischen 1948 und 1950 durch das Statistische Landesamt Berichte aus den Gemeinden Nord-Württembergs über die Kriegsereignisse 1945 und die Besat- zungszeit gesammelt. Der mehrere tau- send Seiten starke Bestand hegt bis heu- te offenbar unausgewertet im Stuttgar- ter Hauptstaatsarcniv. Erst auf Anfrage hin hat das Hauptstaatsarchiv das US- Forces Liaison Otfice auf seine Bestände hingewiesen.

Auch andernorts - etwa in Bayern - weiß man seit langem um solche Verbre- chen. Wer setzt die amerikanischen Er- mittler auf die Spur? Noch mehr freilich darf man gespannt sein, wann sich US- Spezialisten um die furchtbarsten ame- rikanischen Kriegsverbrechen küm- mern: die Terrorangriffe auf deutsche Zivilsiedlungen, die in der Vernichtung Dresdens am 12./13. Februar 1945 gip- felten. Auch massenhafter Mord ver- jährt nicht - jedenfalls nach amerikani- schem Recht. Paul Michwitz

W a s s o l l e n w i r n u n g l a u b e n ?

M e n s c h e n v e r l u s t e i n z w e i W e l t k r i e g e n

V e r l u s t e d e r; deui sehen Zi v i I b e v o l k der O s c p r o v i n z e n dos' a l t e n P.oichge' d u r c h V e r t r e i b u n g ( e i n s c h l . der Lu k r i e g s t o t e n ) • i:: ,44 b i s 1946 , V e r l u s t e d e r V o l k s d e u t s c h e n *

t r e i b u n g 1944 b i s 1946 . . . .

Deutsche vet: 1 mt. e

1000 000 T o t e

00 T o t e

Jugend:

V e r l ü d e d e r sow^et:

. V e r l u s t e d e r Zivilb«

S o w j e t u n i o n

V e r l u s t e d e r Wehrmacht d e r S t a a t e n v o n Not. <]-• Arcor i k as .

00 000 T o t e , 6 700 000 T o t e

229000 T o t e Zu ü b e r t r a g e n : 31 589 000 T o t e

r e m i g t e n

Der A n g r i f f a u f d i e m i t F l ü c h t l i n g e n ü b e r f ü l l t e S t a d t Dresden am 15. 2. .1945 f o r d e r t e a l l e i n etwa 250 000 T o t e . Seit die Landesverwaltung der sächsischen Landeshauptstadt im Juli 1992 i n einem möglichen Uberschwang von Freiheitsgefühl und Zeitenwende die Fest- stellung getroffen hat, daß während des barbarischen Luftangriffs auf Dresden bis zum 20. März 1945 von der dortigen Ordnungspolizei 202 040 Tote registriert wurden und diese Tatsache nur kurze Zeit später m dem Sinne widerrufen hat daß nur etwa 38 000 Menschen zu Tode gekommen seien, wächst die Unsicher- heit über den Umfang des Verbrechens. Interessant bleibt da eine amtliche Fest- stellung aus dem Jahre 1953, herausgegeben unter dem Titel „Deutschland heu- te" vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, in der in einer Fuß- note ausgeführt wird, daß der „Angriff auf die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Dresden am 13. Februar 1945 allein etwa 250 000 Tote" gefordert habe. P F

9*

M o l o t o w - C l u b "

g e s c h l o s s e n

„Aufruhr, Widerstand und Klassen- kampf statt Vaterland" - das ist eine der knalligsten Parolen, die die Wände des autonomen selbstverwalteten Kommunikations- und Jugendzen- trums „Komm" in Nürnberg schmük- ken. Die Stadt finanzierte bislang die Stätte einer dubiosen „Jugendkultur"

alljährlich mit 1,5 Millionen D M Steu- ergeldern.

Damit soll jetzt Schluß sein. Die CSU ist sich diesmal sogar mit SPD und - man höre und staune - den Grünen ei- nig, das Chaotenhaus bis Ende dieses Jahres abzuwickeln. So hat die Stadt den Mietvertrag mit dem Komm-Ver- ein gekündigt. Der „Schandfleck" und

„rechtsfreie Kaum" soll ein wirkliches Kulturzentrum werden.

Im Komm hatten sich etwa vierzig linksextreme Gruppen etabliert, vom

„Molotow-Club" bis z u m „Junkie- Bund". Eine 4000 Bände umfassende Bibliothek mit anarchistischen und kommunistischen Büchern war mit Steuermitteln aufgebaut worden. Im Komm wurden „antifaschistische" Ak- tionen ausgebrütet und gelenkt wie etwa illegale Hausbesetzungen und Übergriffe auf politisch Andersden- kende. Wollte die Polizei bei der Ver- folgung von Verdächtigen das Haus betreten, wurde ihr der Zu tritt verwei- gert. Drogensüchtige lungerten vor dem Hause herum und warteten auf ihre Dealer. Ältere Bewohner der Nachbarhäuser fühlten sich immer wieder bedroht.

Jetzt ist das Faß übergelaufen, nach- dem der Rat und die Stadtverwaltung jahrelang die Sache hatten treiben las- sen. Selbst jene in der Ratsversamm- lung, die bisher die Exzesse im Komm als Ausdruck autonomer Selbstver- wirklichung verteidigt hatten, müssen nun zugeben: So kann es nicht weiter- gehen.

Aber die Drahtzieher hoffen immer noch, daß die Allparteien-Koalition zerbricht, so daß das sogenannte Ju- gendzentrum als Hauptquartier und Rückzugsmöglichkeit der Linksextre- misten erhalten bleibt.

Und wenn sie in andere Städte schauen, etwa nach Hamburg oder Berlin, dann dürften ihre Hoffnungen berechtigt sein. Trotz ausführlicher Darstellung i m Hamburger Verfas- sungsschutzbericht blüht und gedeiht die „Rote Flora" als Zentrum linksau- tonomer Aktivitäten und Straftaten, und in Berlin bleibt der Mehring-Hof ein rechtsfreier Raum, in dem Linksex- treme frei schalten und walten können.

Und die Grünen i m Nürnberger Stadtrat haben denn auch bereits ange- kündigt, sie hofften, daß das dann ent- stehende neue Kulturzentrum ein

„bunter Laden" bleiben werde.

Jochen Arp

D e u t s c h l a n d t r e f f e n d e r O s t p r e u ß e n

Düsseldorf, 17.-18. M a l 1997 Großkundgebung: Sonntag, 18.

M a i , 11 Uhr, auf dem Messege-

lände _ m

Landsmannschaft Ostpreußen, Bun- desgeschäftsstellc, Parkallee 86<

20144 Hamburg

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