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1848/49 - eine gescheiterte Revolution? Analyse zeitgenössischer Lieder, Bilder und Reden

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Academic year: 2022

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Reihe 4 S 1

Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

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1848/49 – eine gescheiterte Revolution?

Analyse zeitgenössischer Lieder, Bilder und Reden

Prof. Dr. Sven Günther, Changchun (VR China)

Klassenstufe:11. Klasse (G 8) Dauer: 4–5 Stunden + LEK

Aus dem Inhalt: Märzforderungen und Barrikadenkämpfe in Berlin; Fraktionen und Arbeitsweise der Frankfurter Nationalver- sammlung; Revolutionslieder als Spiegel der Ereig nisgeschichte; Darstellung und Bewer- tung der Revolution in deutschen Schul - büchern

Kompetenzen:

– Reden und Lieder unter dem Aspekt ihres historischen Aussagegehalts analysieren – Bilder und Karikaturen hinsichtlich der

Symbole, Thesen und Intentionen inter- pretieren

– die Zeitgebundenheit von Geschichtsbil- dern und historischen Urteilen kritisch re- flektieren

– in Arbeitsgruppen kooperieren und Ergeb-

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inigkeit und Recht und Freiheit“ – was heute als Zusicherung einer funktionierenden Demokratie erscheint, war im Jahr 1841, als August Heinrich Hoffmann von Fallersleben das „Lied der Deutschen“ schrieb, noch nicht ver- wirklicht. In der Revolution von 1848/49 wurde versucht, diese Ideale (nicht nur) des Bürgertums in die Realität umzuset- zen. Auch wenn der Revolution mit ih- rem Verfassungs- und Staatsmodell letztlich kein Erfolg beschieden war, blieben die Ideen der Revolutionäre in der Folgezeit wirkmächtig und beein- flussen die deutsche Geschichte bis heute.

Mit den Materialien dieses Beitrags er- halten Ihre Schülerinnen und Schüler Einblick in die brennenden Diskussio- nen und Debatten während der Revolu- tion und erkunden exemplarisch ihre Auswirkungen, insbesondere auf das Geschichtsbild.

„Wie der deutsche Michel die Nachtmütze wegwirft und sich vornimmt ins Freie zu gehen!!“

Kreidelithografie von Heinrich Wilhelm Storck. Leipzig: J. G. Fritzsche Drucker 1848.

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Fachwissenschaftliche Orientierung

Die Revolution von 1848/49 gilt als gescheitert und sie wurde rückblickend vielfach kritisiert, von rechter wie von linker Seite: Die Revolution „machte vor den Thronen halt“, „war zu ra- dikal-demokratisch“, „unterminierte die Einheit der Deutschen“ – so das Spektrum der Ur- teile. Die teils massive Kritik lässt ein totales Scheitern der Revolution in vielfacher Hinsicht vermuten. Doch so sehr diese apodiktischen Narrative bis in unser heutiges Geschichtsbild nachwirken und diesem Ereignis – gerade in den neuen Lehrplänen der Oberstufe – immer weniger Gewicht neben der scheinbar unausweichlichen kontinuierlichen Linie „Kaiser- reich-Weimar-Nationalsozialismus“, dem sogenannten Sonderweg, einräumen, so sehr ist Skepsis angebracht: Hat die Bewertung der nicht erfolgreich verlaufenen ersten deutschen Revolution womöglich mehr mit dem eigenen Zeit- und Geschichtsverständnis zu tun als mit den historischen Ereignissen 1848/49?

Explosion der Ideen – und der Ideologien: Der Vormärz

Dass es überhaupt 1848 zur Revolution kommen konnte, hat viel mit dem erfolgreichen Ab- wehrkampf gegen Napoleon zu tun. Der Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leip- zig 1813 zog nicht nur die Neuordnung Europas im restaurativen Sinne nach sich (Wiener Kongress), sondern auch das Erwachen eines bürgerlichen Bewusstseins. Neben alten, kon- servativen Ansichten brachen sich nun auch liberale und demokratische, später sogar so- zialistisch-kommunistische Ideen Bahn, die in den Gebieten des Deutschen Bundes vor al- lem mit den beiden Themen „Recht/Freiheit“ und „nationale Einheit“ verknüpft wurden.

Dabei bildeten sich unterschiedliche Gewichtungen und Ausprägungen heraus – für die Bürgerlichen standen z. B. Presse- und Meinungsfreiheit im Zentrum, für die Bauern eher die Auflösung der feudalen Ordnung und grundlegende Eigentumsrechte, und mit dem auf- kommenden Nationalismus des 19. Jahrhunderts wurden die „Kleinstaaterei“ und die feh- lende einheitliche Regierung der Deutschen als Manko empfunden. Beide Themen begrün- deten in je unterschiedlichem Maße zwischen 1813 und 1848 den Geist des Vormärz – wie z. B. beim Wartburgfest 1817 oder beim Hambacher Fest 1832 deutlich wird. Doch erst im Verein mit der aufkommenden sozialen Frage und den Hungerkrisen der 1840er-Jahre ent- stand eine Situation, in der der revolutionäre Funke der Februarrevolution im benachbarten Frankreich (mit der Ablösung des immer autoritärer regierenden „Bürgerkönigs“ Louis-Phi- lippe von Orléans und mit der Ausrufung der Zweiten Republik) auch auf die deutschen Staaten überspringen und die Revolution entfachen konnte.

Geregelte Reform statt blindem Umsturz: Der Beginn der Märzrevolution 1848/49 Von Anfang an zeichneten sich die revolutionären Ereignisse in den einzelnen Staaten des Deutschen Bundes dadurch aus, dass nicht blindlings die alten Fürstentümer in radikalem Sturm beseitigt wurden, sondern dass Aufmärsche und Besetzungen symbolträchtiger Ge- bäude mit Petitionen, den sogenannten Märzforderungen, einhergingen. In diesen Petitio- nen wurden – je nach Zusammensetzung und Ausrichtung der Gruppe, die das Gesuch ein- reichte – von den Herrschenden bestimmte Zugeständnisse an Freiheiten und Rechten gefordert. Indem diese Forderungen zumeist schnell erfüllt und durch die Einsetzung libe- raler „Märzminister“ scheinbar abgesichert wurden, konnten gewaltsame Auseinanderset- zungen vermieden werden. Zu bewaffneten Kämpfen kam es jedoch beispielsweise in Wien, wo die Absetzung der Symbolfigur der Reaktion, Fürst Metternich, als Staatskanzler erreicht wurde, und in Berlin, wo es am 18. März 1848 bei der Verlesung eines königlichen Reformpatentes durch (unabsichtlich abgegebene) Gewehrschüsse zu gewaltsamen Zu- sammenstößen zwischen preußischem Militär und der Bevölkerung und zu nachfolgenden Barrikadenkämpfen kam. Letztere währten allerdings nur kurze Zeit, da König Friedrich Wil- helm IV. bereits einen Tag später den „Märzgefallenen“ seine Reverenz erwies und am 21.

März mit schwarz-rot-goldener Schärpe durch Berlin ritt, um fortan für die Einigkeit und Freiheit Deutschlands einzustehen. Auch spätere Radikalisierungen, wie etwa der berühm- te republikanisch motivierte Heckerzug in Baden im April 1848, blieben ohne größere Fol- gen für den nun weitgehend von institutionellen Veränderungen bestimmten Verlauf der

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Reihe 4 Verlauf Material S 1

Klausuren Glossar Literatur

Materialübersicht

Stunde 1 (K)eine Revolution!? Der März 1848 zwischen Revolutions- fieber und Reformeifer

M 1 (Bi) Der deutsche Michel erhebt sich! – Eine Zeichnung M 2 (Tx) Reform oder Revolution? Der preußische König kündigt

Veränderungen an

Stunde 2 Eine Revolution in geordneten Bahnen? Das Parlament als Symbol der Hoffnung wie des Scheiterns der Revolution

M 3 (Tx) Im Parlament, das Reden nimmt kein End‘!

M 4 (Tx) Die geordnete Revolution – Struktur und Arbeit der Nationalversammlung

Stunde 3 Freiheit und Gleichheit, aber wie? Der Weg zu den Grundrechten M 5 (Fo) Freiheit – mehr als ein Symbol? Deutungsvielfalt eines schillernden

Begriffs

M 6 (Tx) Das Spiel um die Gleichheit – Debatten und Diskussionen über ein elementares Grundrecht der Deutschen

Stunde 4 Erfolg auf ganzer Linie? Die Gegenrevolution der Fürsten

M 7 (Bi) Die Revolution am Ende? – Eine Spottmedaille

M 8 (Tx) Die Fürsten gewinnen ihr Land zurück – Badisches Wiegenlied

Stunde 5 Eine Revolution, viele Urteile – 1848/49 im deutschen Geschichtsunterricht

M 9 (Tx) Was bleibt? Deutungen der Revolution von 1848/49 in deutschen Schulbüchern von der Kaiserzeit bis heute

Lernerfolgskontrolle

M 10 (Tx) Was wäre, wenn? – Von der Fiktion eines liberalen preußischen Königs

Glossar

Abkürzungen:Bi = Bild/Grafik; Fo = Folie; Tx = Text

Minimalplan

Bei Zeitnot sollten zumindest die Stunden 1, 2 und 4 der Unterrichtsreihe durchge- führt werden, sowie die Beurteilung des Scheiterns der Revolution durch die moder- ne Geschichtswissenschaft (Teilaspekt der Stunde 5, der mithilfe des jeweiligen Schulbuches erarbeitet werden kann). Auf diese Weise werden die wesentlichen Grundlagen nicht nur für die Lernerfolgskontrolle gelegt, sondern auch für den wei- teren Geschichtsunterricht.

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flaggte Berlin an jenem Tage zeigt. Dieser Aspekt wurde also schon damals als hauptsäch- lich wahrgenommen. Erst in zweiter Linie soll die Einheit Deutschlands dann auch mit be- stimmten allgemeinen Freiheiten einhergehen, wobei vor allem Zugeständnisse von Ver- fassung(en), Rechtsweg, verlässlicher Verwaltung und bürgerlichen wie politischen Rechten angesprochen, aber keine konkreteren Angaben gemacht werden. Dies steht – vor allem bezüglich der Freiheit(en) – im Gegensatz zu den ganz konkreten Märzforderungen, so unterschiedlich diese auch von Ort zu Ort ausgefallen sind. Zwar wurden auch darin die Ein- heit Deutschlands, eine allgemeine Bewaffnung und die Einführung von Verfassungen ge- fordert, allerdings waren auch die Anforderungen an die zuzugestehenden Freiheiten genau formuliert worden, etwa Presse- und Versammlungsfreiheit, Bürger- und Menschenrechte, Schwurgerichte etc. Von daher werden die Märzforderungen seitens des preußischen Kö- nigs nur teilweise erfüllt.

Zu 3: Der preußische König scheint sich eines drohenden Machtverlustes bewusst zu sein, weswegen er nach den blutigen Unruhen vom 18. März deutliche Zugeständnisse macht, in- dem er die Einheit Deutschlands, ein allgemeines Heer, die Einführung von Verfassungen und die Gewährung von Freiheit proklamiert. Gerade bei letzterem Punkt wird er allerdings nicht sehr konkret, sondern nimmt zwar die Schlagworte der Märzrevolutionäre auf, etwa die Forderung nach bürgerlichen und politischen Rechten für alle Konfessionen, lässt aber zugleich offen, welche Rechte dies genau sein sollen. Dies will er der deutschen Ständever- sammlung, hervorgegangen aus dem preußischen Landtag, zur Beratung überlassen, die allerdings schon dem Namen nach im alten Sinne – nach Ständen gegliedert und eben nicht in freier Wahl zusammengesetzt – agieren soll. Dies lässt darauf schließen, dass der preu- ßische König es nicht zu einer vollständigen Revolution im Sinne einer völligen Neugestal- tung Preußens oder Deutschlands seitens der Revolutionäre kommen lassen will, sondern das Heft (stellvertretend für die Fürsten) selbst in die Hand zu nehmen versucht, um den Umgestaltungsprozess soweit wie möglich lenken und bestimmen zu können.

Mögliches Tafelbild:

Als eine erste Antwort auf die Problemfrage zu Anfang der Stunde („Inwieweit handelt es sich bei der Märzbewegung tatsächlich um eine Revolution?“) kann festgehalten werden, dass der Beginn der Revolution zwar radikal war, bald aber in ein geordnetes Reformieren überging, dessen Erfolg von dem Einfluss abhing, den die Revolutionäre auf die weitere

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Märzforderungen Zugeständnisse des Königs

Einheit der Nation Einheit unter seiner Leitung

Verfassung Verfassung durch allgemeine Ständeversammlung Rechtssicherheit Rechtssicherheit und verlässliche Verwaltung

allgemeine Bewaffnung allgemeine Bewaffnung zur Abwehr äußerer (und innerer) Gefahren

Bürgerrechte gleiche politische und bürgerliche Rechte für alle religiösen Glaubensbekenntnisse

Pressefreiheit –

Versammlungsfreiheit –

➝Märzforderungen sind konkreter und freiheitlicher als die Zugeständnisse des preußi- schen Königs

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Klausuren Glossar Literatur

M 3 Im Parlament, das Reden nimmt kein End’!

Der deutsche Vormärzdichter Georg Herwegh (1817–1875), der radikaldemokra- tisch-sozialistische Ideen in Wort und Tat vertrat, äußert sich in folgendem Lied- text zu den Reformbemühungen in der Frankfurter Nationalversammlung.

Georg Herwegh

Das Reden nimmt kein End’ (ursprünglich 1848, Fassung von 1877)

Herwegh, Georg: Das Reden nimmt kein End’. Aus: Deutsche Londoner Zeitung. Blätter für Politik, Literatur und Kunst. London, 7. Juli 1848 (Nr. 170), Beilage, S. 680 (Erstveröffentlichung). Die obige Fassung wurde 1877 mit dem Zusatz der 5. Strophe veröffentlicht, siehe http://www.liederlexikon.de/lieder/zu_frankfurt_an_dem_main.

Erläuterungen: (1)der Stein der Weisen: eine Substanz in der mittelalterlichen Alchemie, die Stein zu Gold ver- wandeln wollte; hier übertragen für: die Lösung eines vertrackten Problems. (2) Bassermann und Welcker: Daniel Friedrich Bassermann (1811–1855), von Beruf Verleger, war ein populärer badischer Politiker der Liberalen und wurde in der Nationalversammlung Vorsitzender des Verfassungsausschusses und Staatssekretär im Innenminis- terium; Karl Theodor Welcker (1790–1869), Rechtstheoretiker des Liberalismus, Herausgeber des „Staatslexikon.

Encyklopaedie der Staatswissenschaften“ (1834), war ebenfalls Mitglied des Verfassungsausschusses der Frank- furter Nationalversammlung. (3) trotz aller Professoren: Die Nationalversammlung bestand zwar nicht aus lauter Professoren, doch kam die deutliche Mehrheit aus dem akademischen Milieu, insbesondere gab es viele Staats- beamte und Juristen unter den Abgeordneten. (4) giga – gagern: Anspielung auf Heinrich Wilhelm August Freiherr von Gagern (1799–1880), dem bekanntesten liberalen Politiker seiner Zeit und Präsidenten der Frankfurter Natio- nalversammlung.

Aufgaben

1. Fassen Sie den Inhalt des Liedes nach Hören und Lesen des Textes zusammen.

2. Stellen Sie dar, inwieweit die Arbeit der Nationalversammlung kritisch reflektiert wird.

3. Formulieren Sie eine Leitfrage für die weitere Arbeit am Thema „Nationalversammlung“

unter Berücksichtigung Ihrer bisherigen Arbeitsergebnisse.

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1. Zu Frankfurt an dem Main – Sucht man der Weisen Stein;1 Sie sind gar sehr in Nöten, Moses und die Propheten, Präsident und Sekretäre, Wie er zu finden wäre – Im Parla – Parla – Parlament Das Reden nimmt kein End!

2. Zu Frankfurt an dem Main – Da wird man uns befrein;

Man wird die Republiken Im Mutterleib ersticken, Und Bassermann und Welcker2 Beglücken dann die Völker Im Parla – Parla – Parlament Das Reden nimmt kein End!

[…]

4. Zu Frankfurt an dem Main – Die Wäsche wird nicht rein;

Sie bürsten, und sie bürsten,

Die Fürsten bleiben Fürsten, Die Mohren bleiben Mohren Trotz aller Professoren3 Im Parla – Parla – Parlament Das Reden nimmt kein End!

5. Zu Frankfurt an dem Main – Ist alles Trug und Schein.

Alt-Deutschland bleibt zersplittert, Das Kapitol erzittert,

Umringt von Feindeslagern, Die Gänse giga – gagern4 Im Parla – Parla – Parlament, Das Reden nimmt kein End!

6. Zu Frankfurt an dem Main – So schlag der Teufel drein!

Es steht die Welt in Flammen, Sie schwatzen noch zusammen, Wie lange soll das dauern?

Dem König Schach, ihr Bauern!

Dein Parla – Parla – Parlament, O Volk, mach ihm ein End!

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M 4 Die geordnete Revolution – Struktur und Arbeit der Nationalversammlung

Am 18. Mai 1848 wurde in der Frankfurter Paulskirche die Nationalversammlung eröffnet.

Im Folgenden lesen Sie einen Auszug aus dem amtlichen Protokoll vom Tag der Eröffnung.

Nachdem die Abgeordneten in der festlich geschmückten Kirche ihre Plätze eingenom- men hatten, eröffnet der Alterspräsident Dr. Lang von Werden die Versammlung mit fol- genden Worten:

„Meine Herren! Das sehr zweideutige Glück, einer der Aeltesten in dieser Versammlung zu sein, verschafft mir die Ehre, an diesem Tage das Präsidium einer Versammlung zu führen, wie sie Deutschland noch nie gesehen, einer Versammlung, deren Beruf es ist, ein bedeutendes Stück der Weltgeschichte zu machen, einen Abschnitt in unserer Zeit, der, so Gott will, Segen bringend von der fernsten Zukunft begrüßt wird. Ich wünsche, daß der Himmel uns stärken möge, diesen hohen Beruf, der uns geworden ist, würdig zu erfüllen. Sie aber, meine Herren, bitte ich, beizutragen, was in Ihren Kräften steht, daß wir ihn auf keine Weise verfehlen, daß wir ihn nicht verfehlen, indem wir uns überstür- zen in Ideen, die einer Zeit angehören, die noch nicht da ist; aber noch weniger, indem wir festhalten an Dingen, die untergegangen sind. Somit erfülle ich meinen ernsten Be- ruf und eröffne die heutige Versammlung. Sie ist constituirt als solche. Jetzt haben wir uns zu den Geschäften zu wenden, welche uns obliegen. Es ist ein Schreiben eingegan- gen, welches ich vor allen Dingen vorlesen muß. Es lautet, wie folgt: ...

(Der Präsident wird von dem allseitigen Rufe: „Es wird nichts verstanden!“ unterbro- chen.)

Ich mache den Vorschlag, daß der Secretär das Schreiben von der Rednerbühne verle- se.“

(Mehrere Stimmen: Bravo!)

Alterssecretär Dr. v. Stremayr verliest das Schreiben von der Rednerbühne aus. Dassel- be lautet: „Die Bundesversammlung an die deutsche Nationalversammlung“.

„Die Macht außerordentlicher Begebenheiten, das Verlangen, welches sich laut in un- serm ganzen Vaterland ausgesprochen hat, und der aus Beidem hervorgegangene Auf- ruf der Regierungen haben in dieser großen Stunde eine Versammlung hierher geführt, wie unsere Geschichte sie noch niemals sah. In seinen Grundfesten hat das alte politi- sche Leben gebebt, und, von dem Jubel und dem Vertrauen des ganzen deutschen Vol- kes begrüßt, erhebt sich eine neue Größe: das deutsche Parlament. Die deutschen Re- gierungen und ihr gemeinschaftliches Organ, die Bundesversammlung, mit dem deutschen Volke in der gleichen Liebe für unser großes Vaterland vereint und aufrichtig huldigend dem neuen Geiste der Zeit, reichen den National-Vertretern die Hand zum Willkomm und wünschen Ihnen Heil und Segen.“

Alterspräsident Lang: Meine Herren! Ich richte jetzt den Antrag an die Versammlung, auf dieses Glückwunschschreiben eine Erwiderung zu erlassen. Ich ersuche die Herren, wel- che sich beistimmend erklären wollen, sich zu erheben.

Eine Stimme: Ich trage darauf an, daß hierüber vorerst die Debatte eröffnet werde.

Eine andere Stimme: Da die Ansicht der Versammlung über das, was zu thun ist, eine zweifelhafte zu sein scheint, so halte ich es für sehr wesentlich, daß über diesen Gegen- stand debattirt werde.

Alterspräsident: Ich möchte der Versammlung anheimgeben, ob es nicht besser sei, die- se Debatte dem künftigen Präsidenten zu überweisen.

(Mehrere Stimmen: Ja!)

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M 5 Freiheit – mehr als ein Symbol? Deutungsvielfalt eines schillernden Begriffs

Freiheit spielte nicht nur als Begriff, sondern auch in der Bildsymbolik der Revolutionszeit eine wichtige Rolle. Dabei konnte der Begriff ganz unterschiedlich interpretiert werden. Ver- gleichen Sie die personifizierte Freiheit für das deutsche Vorparlament in Frankfurt (links) mit derjenigen im Staatssiegel Frankreichs (rechts). Beide Darstellungen stammen aus dem Jahre 1848.

Aufgaben

1. Beschreiben Sie die beiden Abbildungen.

2. Analysieren Sie die einzelnen Bildelemente.

3. Vergleichen Sie die Personifikationen der Freiheit hinsichtlich des Aussagegehalts.

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Abb. 2

Staatssiegel Frankreichs nach der Februar - revolution 1848. Entnommen aus:

https://commons.wikimedia.org

Abb. 1

Philipp Veit: „Germania“. Gemälde 1848. (Während der Frankfurter Nationalversammlung hing es in der Paulskirche vor der Orgel auf der Empore.)

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M 10 Was wäre, wenn? Von der Fiktion eines liberalen preußischen Königs

Der folgende Text ist ein Auszug aus einem liberalen Flugblatt von Mai 1848. Darauf ist eine fiktive Thronrede des preußischen Königs Friedrich Wilhelms IV. zur Eröffnung der verfas- sunggebenden Nationalversammlung in Preußen am 22. Mai 1848 wiedergegeben.

Demokratische Thronrede.

Am 22sten Mai 1848 nicht gehalten.

Dem demokratischen Klubb gewidmet. […]

————————————————

Die Thronrede lautet (vom Könige vorgelesen) folgendermaßen:

„Meine Herren Abgeordneten!“

„Mit gepreßtem Herzen begrüße ich eine Versammlung, welche der allgemeine Volkswille im Widerspruche gegen meine früheren Gesinnungen berufen hat, um eine Verfassung mir vorzuschreiben, die jetzt den Glanz der Krone verdunkeln wird, während sie vor zwei Jahren1, wo ich, stolzer wie heute, die Konstitution als ein geschriebenes Blatt Papier zwischen Volk und Fürst verdammte, mir die Be- wunderung Europa‘s errungen hätte.“

„Ich gestehe mit Betrübniß, daß die Bande, die das preußische Volk seit 400 Jah- ren mit dem Hause der Hohenzollern verknüpft haben, durch ein unglückseliges System und ein unheilvolles Mißverständnis, in Folge dessen sogar mein könig- licher Bruder noch immer außer seinem Vaterlande weilt2, theilweise zerrissen sind. Die Stimme des Volks hat sich deutlich für eine konstitutionelle Erb- Monarchie entschieden und sie hat mich aufgefordert, in dem provisorischen Zustande nach der Revolution, die Zügel in den Händen zu behalten. Jetzt aber, meine Herren, ist es Ihre Aufgabe, die Machtvollkommenheit der Krone zu bestimmen, damit auf diese Weise die Souveränität des Volks eine Wahrheit werde. Der Entwurf der neuen Verfassung sollte Ihnen von meinen Ministern vorgelegt werden, doch wünsche ich nicht, daß das Volk sich in Folge dieser Maßregel von Neuem für betrogen halten könnte, und überlasse es Ihnen, durch eine aus Ihrem Schoße hervorgegangene Kommission dies Verfassungswerk zu entwerfen.“

„Mit Ihnen zugleich werden in Frankfurt a. M. die Vertreter der ganzen Nation zusammentreten. Es könnte besser erscheinen, wenn ich mit Ihrer Einberufung gewartet hätte, bis jene Versammlung über das Schicksal Deutschlands ent- schieden hat, allein sie wird auf die Verfassung des Staats höchstens insofern einwirken, als sie die Macht der Fürsten schmälert, und ich werde mich den Be- schlüssen derselben gern unterwerfen. Der Rechtszustand ist zwar ein beruhi- gender, und das Volk hat seine Würde auf so herrliche Weise an den Tag gelegt, daß ich die Versammlung noch länger hätte verschieben können, allein der Theil des Volks, welchen wir früher Pöbel nannten, steht so unterdrückt dem Reichen gegenüber, daß wir ihm bald einige Rechte einräumen müssen, damit nicht ein

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