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2 Hamburg 13, Parkallee 84 / 27. September 1975 C 5524 C

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&teute auf Seite 3: „ftie Stunde det YDahtkeit"

Jahrgang 26 — Folge 39

U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G FQR D E U T S C H L A N D

2 Hamburg 13, Parkallee 84 / 27. September 1975 C 5524 C

Die Alpträume eines Generals

Ehemaliger Stadtkommandant von Berlin verkauft seltsame Thesen über die deutsche Gefahr und propagiert die Teilung

Vor wenigen Monaten, anläßlich des Jah- restages der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht im M a i 1945, haben wir an die- ser Stelle unseren hohen Respekt vor einei Entscheidung des französischen Staats- präsidenten bekundet. Präsident Giscard d'Estaing nämlich hat die seit Kriegsende zur Erinnerung an den Sieg über Hitler- Deutschland auch in Paris stattfindende

Parade abgesetzt. W i r haben diese Ent- scheidung in dem Sinne interpretiert, daß

Frankreichs Staatsoberhaupt einen Strich unter die unselige Vergangenheit gezogen und seine Augen auf die Zukunft gerichtet hat. Er konnte dabei aufbauen auf dem Versöhnungswerk, das Charles de Gaulle und Konrad Adenauer besiegelt haben.

Seine Entscheidung hat denn auch in unse- rer Bevölkerung eine ungeteilte positive Aufnahme gefunden. W i r sind glücklich über die vielfältigen Zeugnisse echter deutsch-französischer Freundschaft und Part- nerschaft und wir meinen, daß sie für die Zukunft der Eckpfeiler jeder europäischen Entwicklung sein muß.

Mit dieser Entwicklung ist eine leidvolle Epoche zwischen den beiden großen Völ- kern in Europa abgeschlossen. Es führt einfach nicht weiter, wenn man in der Ver- gangenheit blättert und die Zeiten herauf- zitiert, da französische Politik auf den Rhein zielte, es führt zu nichts, die leidvolle Ge- schichte der Pfalz aufzublättern und es führt nicht weiter, wenn man die napoleonischen Kriege, den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und schließlich den Ersten Welt- krieg zitiert. Da man bei uns „Siegreich wol- len wir Frankreich schlagen" sang und der französische Sieger 1918 seiner Befriedigung dadurch Ausdruck gab, daß der gallische Hahn sich über Preußens Fahne spreizen konnte. W i r wollen nicht zurückblättern in die Zeiten der Ruhrbesetzung und wir wol- len nicht z u r ü c k s e n d e n in das Frühjahr 1940, als deutsche Panzerarmeen Frankreich überrannten. W i r sollten vielmehr glück- lich darüber sein, daß diese leidvolle Zeit zwischen den beiden Völkern abgeschlos- sen und tatsächlich eine neue Zeit ange- brochen ist.

Seien wir glücklich darüber, daß sich vor allem zwischen den Völkern und insbeson- dere innerhalb der Jugend ein echtes Ver- trauensverhältnis herausgebildet hat, das

eine ständige Vertie- fung erfährt. Gerade weil dem so ist, empfin- den wir es peinlich, wenn der frühere Kom- mandant des französi- schen Sektors von Ber- lin, Brigadegeneral Francois Binoche, es sich angelegen sein läßt, seinen Landsleu- ten Thesen zu verkau- fen, die nicht unwider- sprochen bleiben kön- nen. Wenn Monsieur Binoche, den die französische Regierung erst kürzlich wegen seines unverantwort- lichen Geschwätzes aus der Reserveliste der Generalität gestrichen hat, zum Beispiel sagt: „Die Feindseligkeit der Deutschen gegenüber allem, was französisch heißt, ist nie erloschen", dann sagt er ganz schlicht die Unwahrheit. Und wenn er fortfährt, in deutschen Zeitungen sei, wenn von Frank- reich die Rede ist, „Böswilligkeit, Verach- tung und Ironie an der Tagesordnung",

dann klassifiziert Monsieur Binoche sich selbst, denn die Zehntausende von Franzo- sen, die in unser Land kommen, können feststellen, daß hieran aber auch kein Wort wahr ist. Ebenso falsch ist die von dem Brigadegeneral a. D. Binoche hieraus ge- zogene Forderung, daß sich die Deutschen

seit Bismarck und Hitler nicht geändert haben.

Hier beginnt die Sache hochpolitisch zu werden, denn M . Binoche folgert aus seiner Voreingenommenheit, „es wäre ein Ver- brechen gegen künftige Generationen und gegen den Frieden der Welt, nicht alles Er- denkliche zu tun, um Deutschland davon Francois Binoche

„ W i r h a b e n sie!" T r i u m p h des f r a n z ö s i s c h e n S i e g e r s Postkarte 1918

abzuhalten, am Ende dieses Jahrhunderts zu werden, was es in der ersten Hälfte war".

„ . . . daß Deutschland eine Gefahr auf Le- ben und Tod für Frankreich ist".

Francois Binoche scheint aus den Denk- vorstellungen früherer Zeiten nicht in die Wirklichkeit unserer Tage zu finden. Mag man damals die Schwäche des Nachbarn als Vorteil für die eigene Nation ausgelegt haben, so hat inzwischen — nament- lich nach dem Zweiten Weltkrieg und der gemeinsamen Bedrohung Europas durch die Gefahr aus dem Osten — die Erkenntnis Platz gewonnen, daß wir alle in einem gemeinsamen Boot leben — gemeinsam überleben oder gemeinsam untergehen!

Europa wird nämlich nur dann überleben, wenn seine Nationen zu einer gemein- samen Politik finden und dazu gehört ein echtes Verstehen zwischen den Völkern.

Städtepartnerschaften und die Begegnung der Jugend, wirtschaftliche und technolo- gische Zusammenarbeit, das alles sind Mei- lensteine, die zu diesem großen Ziel führen und wir sollten davon nicht lassen, sondern alles tun, um ihren Ausbau zu fördern. Nur ein gesundes Deutschland ist für den fran- zösischen Nachbarn von Wert und die von

M . Binoche befürchtete Vormachtstellung ist zu sehr den Vorstellungen einer ver- gangenen Zeit entnommen, als daß sie hier noch abgehandelt werden müßte. Ein wirt- schaftlich prosperierender Nachbar, der auch den sozialen Frieden zu gewährleisten weiß, müßte vielmehr auch für M . Binoche eine Beruhigung sein.

Oder ist dieser frühere, sicherlich als Soldat recht tapfere General politisch so farbenblind, daß er nicht erkennt, wie sich die Dinge in Europa wandeln? Der General, der in Algerien gekämpft hat, sollte seinen Blick einmal auf den Mittelmeerraum len- ken. Dort, wo in Italien die Kommunisten auf dem Vormarsch sind oder auf Portugal, wo ihre totale Machtübernahme gerade noch verhindert (oder nur hinausgezögert)

werden konnte. Kennt Monsieur Binoche nicht den Henry Kissinger zugeschriebenen pessimistischen Ausspruch, wonach Europa

in zehn Jahren kommunistisch sein wird?

Zwar hat der amerikanische Außenminister sich bemüht, sein Wort abzumildern, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß die Ereignisse ihm eher Recht als Unrecht zu geben scheinen.

„Ich finde, daß zwei deutsche Staaten, davon einer im Westen, mit dem wir durch- aus verbündet sein können, eine gute Lö- sung für alle Europäer in Ost und West sind", meint der frühere Stadtkommandant, doch er übersieht, daß auch die Deutschen

— wie es bei den Franzosen selbstverständ- lich wäre — wieder ein Volk sein wollen und er vergißt, daß die westlichen Alliier- ten sich einmal verpflichtet haben, an der

Wiedervereinigung Deutschlands in Frie- den und Freiheit mitzuwirken. Monsieur Binoches Befürchtung, die Russen, „auf die Deutschland eine mysteriöse Anziehung

ausübt", könnten ihre Deutschlandpolitik von heute auf morgen ändern, würde doch nur dann in den Bereich der Realitäten rücken können, wenn die Deutschen zu der Uberzeugung gelangen müßten, daß die Welt voller Binoches wäre, und die Wieder- vereinigung Deutschlands zwar nur im Zei- chen von Hammer und Sichel, aber immer- hin durch die Sowjets zu erreichen wäre.

Ein Sowjetdeutschland aber kann doch nun wirklich nicht im Interesse der Franzosen liegen. Der Militär Binoche aber müßte eigentlich wissen, daß keineswegs nur Deutschland eine mysteriöse Anziehung auf die Russen ausübt, sondern auch Frank- reich, und seine Atlantikküste ein erstre- benswertes Objekt sowjetischer Strategie und ehrgeiziger Marschälle sein könnte.

Schon aus dem Grunde, damit die atlanti- sche Brücke zerschlagen und auch Europas Westen in den sowjetischen Hegemonial- bereich einbezogen werden kann.

Das zu behaupten, heißt keineswegs in Antikommunismus zu machen, sondern nur, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Der General sagte irgendwo, er bemühe sich,

„historisch zu denken". Er sollte dabei aber nicht nur in die Vergangenheit, sondern mehr in die Zukunft blicken. H. Wellems

Der Trick

mit dem Kognak

H. W . — Die herzliche Atmosphäre, die Willy Brandt umgibt, wenn er ab und an nach Moskau reist, herrschte noch keines-

wegs, als im September 1955, also vor 20 Jahren, der damalige Bundeskanzler Adenauer den Führern der Sowjetunion gegenübersaß, um über die Freilassung der deutschen Kriegsgefangenen zu verhandeln.

Es ist bekannt, daß Adenauer, das Scheitern der harten Verhandlungen einkalkulierend, sich sein Flugzeug für den Rückflug früher als geplant bestellen ließ. Als die Sowjets dann doch nachgaben, hatten sie für die Zusage der Freilassung der Gefangenen die Wiederaufnahme der diplomatischen Be- ziehungen zwischen Bonn und Moskau ein- gehandelt.

Teilnehmer dieser Reise erinnern sich der sowjetischen Gastfreundschaft, wobei Kon- rad Adenauer allerdings schnell heraus- bekam, daß Chruschtschew seinem Gast harten Kognak einschenken, sich selbst aber mit weniger wirkungsvollem Wein bedie- nen ließ. Doch der Trick verfing nicht:

Adenauer wußte, was er wollte. Da zogen weder Kognak noch Wodka.

Was damals der Kognak, das scheint heute das Schlagwort der Entspannung zu sein, mittels dessen die Sowjets ihre Ziele erreichen wollen. Nur, so befürchten wir, sind manche Politiker unserer Tage gutgläu- biger als der nüchterne Adenauer. Sie lau- fen deshalb auch Gefahr, sich mit dem Schlagwort von der Entspannung „besoffen reden" zu lassen — ohne daß man im Kreml noch Kognak aufzuwenden braucht.

Dabei kann von einer echten Entspannung trotz Helsinki keine Rede sein. Nur: die Sowjets, ihrerseits bestrebt, den Kampf um Europa unterhalb des Risikos eines Atom- krieges zu halten, setzen ihre Erwartungen in den weiteren Zerfall des Westens. Sie registrieren mit Befriedigung den Vor- marsch der Kommunisten in Italien, die Ent- wicklung in Portugal, und von Spanien hoffte W i l l y Brandt dieser Tage, Franco werde vielleicht den 40. Jahrestag seines Sieges nicht mehr feiern können . . .

Wenn überkommene Informationen zu- treffen, beginnen die Außenminister der großen Staaten sich Sorgen über diese Ent- wicklung zu machen, nicht zuletzt, seit sie wissen, daß die Kommunisten in Portugal monatlich mit 22 Millionen Mark aus den Ostblockländern bedient werden und außerdem seitdem eine unaufhaltsame Auf- rüstung und Modernisierung der Streit- kräfte des Warschauer Paktes nicht mehr übersehen werden kann. Eigentlich müßten sie nun auch erkennen, daß die Sowjets stets Meister der Täuschung gewesen sind:

auf der Bühne wird der Entspannungsdrink serviert, in den Kulissen schafft man die Voraussetzung dafür, jederzeit von „kalt"

auf „heiß" umschalten zu können.

Nach Brandt und Bahr und Scheel weilt in diesen Tagen Helmut Kohl, Minister- präsident des Rebenlandes zwischen Rhein und Mosel und Kanzlerkandidat der Unions- parteien, an der Moskwa.

Sicherlich wird es auch diesmal an so- wjetischer Gastfreundschaft nicht mangeln.

Doch man sollte davon ausgehen, daß Hel-

mut Kohl, der gerade in diesen Tagen im

Parlament eine gute Figur gemacht hat, in

Moskau auf keinen Kognak-Trick herein-

fallen, sondern seinen sowjetischen Ge-

sprächspartnern in aller Offenheit sagen

wird, daß auch eine von ihm geführte Bun-

desregierung mit der Sowjetunion in Frie-

den leben und gegenseitige Prosperität er-

reichen will, daß jedoch unser nationales

Anliegen, die Erhaltung eines freiheitlichen

Rechtsstaates ohne sozialistische Einfärbung

und der Wunsch nach einer Wiedervereini-

gung der Deutschen nicht in Zweifel ge-

zogen werden sollten.

(2)

Politik

•fc.iiiiM i'i'it'ii1!!

27. September 1975 — Folge 39 — Seite 2

Vertreibung:

WarStalin doch ein Werkzeug Gottes?

Kritische Anmerkungen zur Rundiunkandacht eines ostpreußischen Pfarrers — Von W. Marienield

A m 23. A u g u s t w u r d e i n Stuttgart i n e i n e r F e i e r - s t u n d e d e r C h a r t a d e r deutschen H e i m a t v e r t r i e - b e n e n gedacht, g e r a d e a n der S t e l l e , a n der v o r 25 J a h r e n — a m 5. A u g u s t 1950 — sie f e i e r l i c h v o r d e m deutschen V o l k u n d v o r der W e l t ö f f e n t - l i c h k e i t v e r k ü n d e t w u r d e . D e r B u n d e s m i n i s t e r des I n n e r e n , P r o f e s s o r D r . M a i h o f e r , u n d v o r a l l e m M i n i s t e r p r ä s i d e n t F i l b i n g e r v o n B a d e n - W ü r t t e m b e r g f a n d e n gute W o r t e für die v e r - a n t w o r t l i c h e M i t a r b e i t der V e r t r i e b e n e n a m w i r t - schaftlichen W i e d e r a u f b a u der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d u n d a n der d e m o k r a t i s c h - f r e i h e i t - l i c h e n G e s t a l t u n g i n Staat u n d Gesellschaft, j a für i h r A n l i e g e n auf V e r w i r k l i c h u n g u n d A n e r - k e n n u n g des Rechtes auf d i e H e i m a t . D a s F e r n - s e h e n ü b e r t r u g diese F e i e r s t u n d e , u n d so k o n n - ten v i e l e m i t h ö r e n u n d m i t s e h e n .

A m g l e i c h e n T a g e gab es i n der F r ü h e i m S ü d - deutschen R u n d f u n k e i n sehr k r i t i s c h e s W o r t z u der C h a r t a , v o r a l l e m z u der B e r u f u n g der H e i - m a t v e r t r i e b e n e n „auf i h r e V e r a n t w o r t u n g v o r G o t t u n d auf i h r e Z u g e h ö r i g k e i t z u m christlich- a b e n d l ä n d i s c h e n K u l t u r k r e i s " . H o r s t B a n n a c h sprach es, e i n e v a n g e l i s c h e r P f a r r e r aus O s t p r e u - ß e n , jetzt i n Stuttgart.

E r w i s s e z w a r , w a s „ v e r l o r e n e H e i m a t " h e i ß t , aber „ d a s L a n d " w ä r e nach s e i n e r M e i n u n g „für alles, w a s m a n H e i m a t n e n n e n k ö n n t e , n u r a m R a n d e w i c h t i g " . V o n d a h e r k ö n n t e er „ ü b e r h a u p t nicht v e r s t e h e n , w i e die C h r i s t e n , d i e a n d e r A b f a s s u n g der C h a r t a b e t e i l i g t g e w e s e n s i n d , d e n Satz h i n s c h r e i b e n k ö n n t e n : G o t t hat die M e n s c h e n i n i h r e H e i m a t h i n e i n g e s t e l l t " .

N u n , d i e H e i m a t , sie i s t das L a n d u n d d i e M e n s c h e n . S i e g e h ö r t z u d e n G a b e n G o t t e s , u m d i e w i r i n der B i t t e u m das t ä g l i c h e B r o t i m V a t e r u n s e r b i t t e n d ü r f e n . S i e ist der R a u m i r d i - schen Schutzes u n d i r d i s c h e r G e b o r g e n h e i t , d e n G o t t u m u n s e r L e b e n auf d i e s e r E r d e legt. V o r G o t t h a b e n w i r f r e i l i c h k e i n e n A n s p r u c h dar- auf. H e i m a t ist g e n a u s o w i e a l l e a n d e r e n G a b e n G o t t e s e i n e G n a d e n g a b e G o t t e s . A b e r M e n s c h e n d ü r f e n uns diese G n a d e n g a b e G o t t e s nicht n e h - men, ebenso w e n i g w i e das L e b e n u n d d i e ande- r e n G ü t e r der 4. B i t t e .

C h r i s t e n s i n d f r e i l i c h das w a n d e r n d e G o t t e s - v o l k auf E r d e n , w o r a u f H o r s t B a n n a c h h i n w e i s t , aber auf i h r e r W a n d e r s c h a f t l e b e n sie v o n dem, w a s G o t t aus G n a d e n z u r F r i s t u n g i h r e s L e b e n s ddrreicht — u n d d a z u g e h ö r t auch d i e H e i m a t . G o t t k a n n d e m A b r a h a m s a g e n : G e h aus d e i n e m V a t e r l a n d , a b e r k a n n m a n für d i e V e r t r e i b u n g v o n ü b e r 16 M i l l i o n e n M e n s c h e n u n d f ü r d i e A n n e k t i o n i h r e r H e i m a t G o t t so i n A n s p r u c h n e h m e n u n d d a m i t s c h l i e ß l i c h i h n d a f ü r v e r a n t - w o r t l i c h machen? D a s w a r doch das W e r k der S o w j e t s , a l l e n v o r a n S t a l i n s ! Ist H o r s t B a n n a c h h i e r auch d e r g l e i c h e n M e i n u n g w i e d i e M i t - g l i e d e r des „ B r u d e r r a t s der e h e m a l i g e n o s t p r e u - ß i s c h e n B e k e n n t n i s s y n o d e " , d i e i n i h r e r E r k l ä - r u n g v o m J a n u a r 1971 ö f f e n t l i c h b e k u n d e t e n :

„Im B l i c k auf sie (die H e i m a t ) mischt sich i n d e n D a n k g e g e n G o t t , d e r u n s diese H e i m a t gab, g e w i ß i m m e r n o c h d i e B i t t e r k e i t d a r ü b e r , d a ß er sie uns n a h m , u n d der G r o l l g e g e n d i e M e n s c h e n , seine W e r k z e u g e ! " A l s o S t a l i n u n d d i e S o w j e t s

Parlament:

„Dich m u ß ich jetzt schlachten!"

i n d i e s e r g r a u e n v o l l e n V e r t r e i b u n g W e r k z e u g e G o t t e s ? D a s ist doch L ä s t e r u n g G o t t e s , S ü n d e w i d e r das 2. G e b o t !

H o r s t B a n n a c h w i l l nicht „für d i e V e r t r e i b e r r e d e n " . A b e r tut er es nicht doch, wenn er H e i m a t für so g e r i n g a n s i e h t ? D a n n ist doch H e i m a t - v e r l u s t n u r n o c h e i n e L a p p a l i e — u n d V e r t r e i - b u n g e i n g e r i n g e s D i n g ! Wird h i e r doch der V e r - t r e i b e r r e i n g e w a s c h e n , g e r a d e auch d u r c h d i e k r i t i s c h e A n f r a g e , d i e a n d i e C h r i s t e n u n t e r den V e r t r i e b e n e n gerichtet w i r d ?

U n d w a s s o l l das h e i ß e n , er, H o r s t B a n n a c h , habe d e n Satz i n der C h a r t a n i e v e r s t a n d e n : „den M e n s c h e n m i t Z w a n g v o n s e i n e r H e i m a t t r e n n e n , bedeutet i h n i m G e i s t e t ö t e n ! „ M a g s e i n , d a ß d i e s e r A u s d r u c k nicht g e r a d e g l ü c k l i c h ist. A b e r das ist doch w o h l k l a r , d a ß d a d u r c h d a r a u f h i n - g e w i e s e n w i r d , d a ß „ d i e V e r t r e i b u n g d e n M e n - schen nicht n u r i n s e i n e r m a t e r i e l l e n , s o n d e r n in s e i n e r g a n z e n E x i s t e n z betrifft." So sagt es H a n s - W a l t e r K r u m m w i e d e i n „20 J a h r e C h a r t a d e r deutschen H e i m a t v e r t r i e b e n e n " (1970).

Ich m e i n e a u ß e r d e m , H o r s t B a n n a c h m a c h t es sich z u einfach, w e n n er aus der C h a r t a n u r z w e i S ä t z e h e r a u s n i m m t u n d a l l e s a n d e r e ü b e r g e h t , w i e z. B . d e n f e i e r l i c h e n - V e r z i c h t auf Rache u n d V e r g e l t u n g , w i e das B e k e n n t n i s z u m g e e i n t e n E u r o p a , w i e die V e r p f l i c h t u n g z u m W i e d e r a u f - b a u E u r o p a s u s w . U n d ist es s c h l i e ß l i c h unchrist- l i c h , z u v e r l a n g e n , „ d a ß das Recht auf die H e i m a t als eines der v o n G o t t g e s c h e n k t e n G r u n d r e c h t e der M e n s c h h e i t a n e r k a n n t u n d v e r w i r k l i c h t w i r d " ?

Hinter Abgeordneten lauert der T o d

Zwang zum Erfolg führt an die Grenzen der Leistungsfähigkeit

A m M o n t a g l e t z t e r W o c h e b e g a n n i n B o n n nach d e r S o m m e r p a u s e w i e d e r d i e P a r l a m e n t s - arbeit, u n d das h e i ß t d i e s m a l : w i e d e r der g r o ß e E n d s p u r t . I m R e n n e n s i n d A b g e o r d n e t e u n d andere P o l i t i k e r a l l e r K l a s s e n u n d P a r t e i e n , i h r Z i e l ist d e r O k t o b e r 1976, das D a t u m der B u n - d e s t a g s w a h l . A m M o n t a g b e g a n n nicht n u r d i e neue S i t z u n g p e r i o d e , s o n d e r n auch, offen o d e r versteckt, der W a h l k a m p f . D a s b e d e u t e t e i n M a r a t h o n ü b e r d r e i z e h n M o n a t e , z u d e m m i t Z w i - schenspurts u n d H ü r d e n l a u f . D e n n v o r d e m O k t o - ber n ä c h s t e n J a h r e s s i n d a m 28. S e p t e m b e r n o c h die S t i m m b ü r g e r i n B r e m e n , a m 4. A p r i l i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g aufgerufen, T e s t w a h l e n a l l e m a l , u n d b i s z u m F r ü h s o m m e r m u ß a u s g e t ü f t e l t u n d a u s g e r a n g e l t s e i n , w e r sich i n d e n W a h l k r e i s e n u n d auf d e n L a n d e s l i s t e n d e m V o l k als K a n d i d a t für das H o h e H a u s i n B o n n p r ä s e n t i e r t .

A b e r die Z w i s c h e n s p u r t s i n B r e m e n u n d B a - d e n - W ü r t t e m b e r g u n d der H ü r d e n l a u f u m W a h l - k r e i s e u n d L i s t e n p l ä t z e s i n d n u r e i n T e i l der Strecke. D e n n das P a r l a m e n t hat d i e s m a l auch e i n S c h l u ß p e n s u m v o r sich, w i e es s c h w e r e r k a u m s e i n k ö n n t e . A u f s e i n e r A g e n d a s t e h e n n o c h so dicke B r o c k e n u n d u m s t r i t t e n e T h e m e n w i e d i e M i t b e s t i m m u n g , das B o d e n r e c h t , d i e B e r u f s a u s - b i l d u n g , d i e a b e r m a l i g e N e u f a s s u n g des P a r a - grafen 218 o d e r d i e R e f o r m des P r ü f u n g s v e r f a h - rens b e i d e r W e h r d i e n s t v e r w e i g e r u n g , d a z u d i e Dauergefechte u m die O s t - u n d D e u t s c h l a n d p o l i - tik, u m d i e e u r o p ä i s c h e I n t e g r a t i o n , u m d i e S t a a t s f i n a n z e n , d i e W i r t s c h a f t s l a g e u n d d i e A r - b e i t s l o s i g k e i t , u m A u f s c h w u n g o d e r A b s c h w u n g oder N u l l w a c h s t u m . D a w i s s e n d i e A b g e o r d n e - ion, w a s sie e r w a r t e t : U b e r b e a n s p r u c h u n g , S t r e ß . D e r S t r e ß a m R h e i n ist oft l e b e n s g e f ä h r l i c h . V o n d e n 1629 P a r l a m e n t a r i e r n , d i e i n d e n s i e b e n W a h l p e r i o d e n seit der K o n s t i t u i e r u n g des e r s t e n B u n d e s t a g e s e i n M a n d a t i n n e h a t t e n , s i n d b i s h e r 141 i n den S i e l e n g e s t o r b e n , a l s o fast j e d e r elfte.

D o c h das s i n d nicht a l l e . D e n n w e r d u r c h d i e P o l i t i k z u T o d e k a m , n a c h d e m er schon v o n i h r A b s c h i e d g e n o m m e n hatte, w e s s e n L e b e n nach- t r ä g l i c h durch d e n S t r e ß i n B o n n v e r k ü r z t w o r - d e n ist, d a r ü b e r gibt die S t a t i s t i k k e i n e A u s - kunft.

P o l i t i k u n d P o l i t i k e r s t e h e n u n t e r E r i o l g s - z w a n g . W e r a u s s t e i g t o d e r a u s f ä l l t , i s t geschei- tert. Also werden Denkzettel der Physis nur mit

ä r z t l i c h e r B e h a n d l u n g , a l l e n f a l l s m i t l ä n g e r e m U r l a u b , v i e l l e i c h t m i t e i n e r K u r q u i t t i e r t . D i e R e i h e j e n e r , d i e solche D e n k z e t t e l e r h a l t e n h a - b e n , ist e n d l o s : W a l t e r S c h e e l machen chronische N i e r e n s t e i n e z u schaffen, b e i H e l m u t S c h m i d t muckte die S c h i l d d r ü s e auf, W i l l y B r a n d t l e r n t e d e n Z u s t a n d d e p r e s s i v e r E r s c h ö p f u n g k e n n e n , H e r b e r t W e h n e r t r ä g t a n s e i n e m D i a b e t e s , G e r - h a r d S c h r ö d e r e r l i t t e i n e H e r z r h y t h m u s s t ö r u n g samt B e w u ß t s e i n s t r ü b u n g , J o s e f E r t l e i n e H e r z - s c h w ä c h e , L a u r i t z L a u r i t z e n e i n e n K r e i s l a u f z u - s a m m e n b r u c h — a l l e s w i l l k ü r l i c h h e r a u s g e g r i f - fene B e i s p i e l e aus e i n e r U n z a h l v o n F ä l l e n . U b e r - h a u p t H e r z u n d K r e i s l a u f : S i e f ü h r e n d i e K r a n k - h e i t s s t a t i s t i k an.

W o r i n d e r S t r e ß besteht, d a r ü b e r s i n d sich a l l e w e i t h i n e i n i g . D i e M e d i z i n e r s a g e n , d i e s t a r k e psychische u n d p h y s i s c h e B e l a s t u n g , m a n - g e l n d e B e w e g u n g , u n r e g e l m ä ß i g e s E s s e n , v e r - h ä l t n i s m ä ß i g v i e l A l k o h o l u n d N i k o t i n , Ü b e r g e - wicht, h ä u f i g e s R e i s e n m i t oft raschem Z e i t - u n d K l i m a w e c h s e l , u n d i n B o n n das s c h w ü l e W e t t e r i m S o m m e r u n d der L u f t s t a u i m R h e i n t a l w ä h - r e n d des g a n z e n J a h r e s .

D i e A b g e o r d n e t e n s a g e n : d i e e n d l o s e n S i t z u n - g e n , d e r T e r m i n d r u c k , d i e i m m e r k o m p l i z i e r t e r e p o l i t i s c h e M a t e r i e , d i e v i e l e n V i e r z e h n - o d e r S e c h z e h n - S t u n d e n - T a g e , d i e P a p i e r f l u t — u n d nicht z u l e t z t der L e e r l a u f . D a s a l l e s l ä ß t sich n a c h p r ü f e n u n d b e w e i s e n . E t w a d i e m a n g e l n d e B e w e g u n g , die e n d l o s e n S i t z u n g e n u n d d i e T e r - m i n f ü l l e : A u s e i n e r U n t e r s u c h u n g des Instituts für K o m m u n i k a t i o n s p l a n u n g geht h e r v o r , d a ß die A b g e o r d n e t e n i n S i t z u n g s w o c h e n r u n d 87 S t u n - d e n u n d i n s i t z u n g s f r e i e n W o c h e n r u n d 78 S t u n - d e n a r b e i t e n . W e n n das P a r l a m e n t tagt, b r i n g e n sie m e h r a l s 32 S t u n d e n m i t d e n B e r a t u n g e n i m P l e n u m , i n A u s s c h ü s s e n u n d a n d e r e n G r e m i e n z u .

D o d i m i t d e r A r b e i t i n B o n n ist es nicht g e t a n : D e r A b g e o r d n e t e m u ß i n s e i n e m W a h l k r e i s e b e n - falls s t ä n d i g p r ä s e n t s e i n u n d e i n O h r f ü r d i e v e r s c h i e d e n a r t i g e n W ü n s c h e s e i n e r W ä h l e r h a - b e n .

S o stehen alle M d B ' s u n t e r d a u e r n d e m Erfolgs- z w a n g . M i ß e r f o l g , S c h e i t e r n , a b t r e t e n o d e r auf- g e b e n m ü s s e n k a n n für j e m a n d e n , d e r s t ä n d i g an u n d ü b e r d i e G r e n z e n s e i n e r L e i s t u n g s f ä h i g - k e i t h i n a u s gearbeitet hat, durchaus z u m T o d e führen.

Zeichnung Deutsche Zeitung/Christ und Welt In der g a n z e n W e l t w i r d v o n K i r c h e n u n d v o n C h r i s t e n p r o t e s t i e r t , w e n n M e n s c h e n r e c h t e v e r - letzt w e r d e n u n d V e r t r e i b u n g e n s t a t t f i n d e n . N u r d e n deutschen H e i m a t v e r t r i e b e n e n , G l i e d e r n des e i g e n e n V o l k e s u n d G l i e d e r n der g l e i c h e n K i r - che, w i r d gesagt, sie s o l l t e n es l i e b e r l a s s e n , sich auf i h r e n G l a u b e n a n C h r i s t u s z u b e r u f e n , w e n n sie auf i h r e m Recht a u f d i e H e i m a t be- s t e h e n ; d e n n i h n e n h a b e s c h l i e ß l i c h G o t t selbst d i e H e i m a t g e n o m m e n — u n d n u n „ s o l l t e n sie i h r S c h i c k s a l a n n e h m e n ! "

O b m a n nicht auch e n d l i c h e i n m a l ü b e r l e g e n s o l l t e , w e l c h e V e r b i t t e r u n g , j a w e l c h e s Ä r g e r - n i s m a n d u r c h solche W o r t e u n d B e t r a c h t u n g e n i n d e n H e r z e n d e r e v a n g e l i s c h e n H e i m a t v e r t r i e - b e n e n anrichtet? O d e r w i l l m a n p a r t o u i m m e r w i e d e r n e u b e i i h n e n d e n E i n d r u c k e r w e c k e n , d a ß i h r e e v a n g e l i s c h e K i r c h e sie a b g e s c h r i e b e n hat?

Nach Helsinki:

W i r h a b e n uns a l l e g e i r r t .

Helmut Schmidt, Bundeskanzler zur Konjunkturentwicklung ü b e r s p i t z t trifft f ü r e i n i g e B e r e i c h e i n der W i r t - schaft d e r S a t z z u , d a ß es d e n A r b e i t s l o s e n z u qut geht.

Karl König

Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung A l s w i r v o r z e h n J a h r e n d i e O s t p o l i t i k formu- l i e r t e n , d i e d a n n v o n B u n d e s k a n z l e r B r a n d t ver- w i r k l i c h t w u r d e , h i e l t m a n uns für S p i n n e r . M i t u n s e r e r F o r d e r u n g nach w i r t s c h a f t l i c h e r K o n - t r o l l e ist es h e u t e nicht a n d e r s .

Heide Wieczorek-Zeul W i r s o l l t e n uns a l l e für d i e n ä c h s t e Z e i t mit d e m B ü ß e r g e w a n d der B e s c h e i d e n h e i t b e k l e i d e n .

Alex Möller

stellvertretender SPD-Fraktionschet D i e A n s p r u c h s i n f l a t i o n d r o h t i h r e K i n d e r z u fres- sen, Peter Gillies in ,Die Welt', Bonn W i r U n t e r n e h m e r w ü n s c h e n nichts m e h r herbei als d e n T a g , a n d e m w i r i n d e n B e t r i e b e n s p ü r e n w e r d e n , d a ß es w i e d e r a u f w ä r t s geht.

D r . Hans-Günther Sohl

Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie E i n t o t a l e r U m b a u der g e g e n w ä r t i g e n S t r u k t u r d e r w e s t d e u t s c h e n I n d u s t r i e ist i n d e n n ä c h s t e n J a h r e n n ö t i g .

Prognos AG, Basel

führendes Institut für Wirlschattsvoraussagen Bei r i c h t i g e r O r g a n i s a t i o n d e r ö f f e n t l i c h e n A u f - g a b e n l i e ß e n sich b e i m i n d e s t e n s g l e i c h e r L e i - s t u n g d i e S t e u e r s ä t z e i n d e r B u n d e s r e p u b l i k h a l - b i e r e n .

Wolfram Engels

Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Frankfurt (Main) D i e v o r uns l i e g e n d e n P r o b l e m e k ö n n e n nicht mit k l a s s e n k ä m p f e r i s c h e n U m g a n g s f o r m e l n be- w ä l t i g t w e r d e n .

D r . Hans Friderichs, Bundeswirtschaftsminister N i c h t s ist u n g e w i s s e r als d e r L a u f d e r

Geschichte

in d e n n ä c h s t e n z e h n J a h r e n . Prof. Karl Hettlage

Leiter des Ifo-Instiluts für Wirtschaftsforschung München

W a s uns b e d r ü c k t , ist d i e h o h e I n f l a t i o n s r a t e u n d die Tatsache, d a ß d i e R e g i e r u n g b e i der I n f l a t i o n s b e k ä m p f u n g so d e u t l i c h v e r s a g t

S i r Kenneth Keith, britischer Bankdirektor

Keine Verbesserung für die Deutschen

V O N PROFESSOR K A R L C A R S T E N S M d B Schon 1970, bei Abschluß des Warschauer

Vertrages, hatten die Polen eine Zusage gegeben, die dort lebenden Deutschen dürf- ten ausreisen. Nach Auskunft der Bundes- regierung war damals keine obere Zahlen- grenze für diese Ausreisegenehmigung

vereinbart worden. Heute ereignet sich eben das, was wir an der Ostpolitik dieser Regierung seit eh und je kritisiert haben, daß nämlich unsere Seite für ein und die- selbenLeistungen der anderen Seite zweimal einen Preis entrichtet. Zunächst den Preis in Gestalt des Warschauer Vertrages, an dem ja den Polen ungeheuer viel gelegen war, und jetzt einen Preis in Höhe von 2,3 M r d . D M . So kann man keine Politik machen.

Zum weiteren habe ich den Eindruck, daß die Vereinbarung über die Ausreise der Deutschen nicht völkerrechtlich verbind- lich ist. Ich habe den Verdacht, daß auch dieses Abkommen nicht hieb- und stichfest ist. Außerdem: von mindestens 250 000 aus- reisewilligen Deutschen erhalten nur 120 000 bis 125 000 die Genehmigung. Eine Hälfte bleibt also zurück, wird entgegen allen Zusicherungen der Helsinki-Konferenz über die Menschenrechte in Polen festge- halten.

Außerdem kommt hinzu, daß denjenigen Deutschen, die in Polen bleiben müssen oder bleiben wollen, doch die mindesten Rechte zugebilligt werden müßten, die jede Minder-

heit nach den Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen beanspruchen kann, z. B. das Recht auf Gebrauch der eigenen Sprache. Ich glaube von dieser Forderung können wir gar nicht ablassen. Ich sehe daher nicht, daß mit dieser Vereinbarung alle Probleme aus der W e l t geschafft sind.

W i r wenden uns auch gegen das hier und da verwendete Argument, daß wir uns für 2,3 Milliarden D M 120 000 neue Arbeits- lose in die Bundesrepublik Deutschland holen würden. Dieses Argument würde ich mir unter keinen Umständen zu eigen machen. Es handelt sich um Deutsche, die in Polen leben. W i r haben ihnen gegenüber nach meiner Auffassung sowohl eine mora- lische wie eine politische Verpflichtung, und wir k ö n n e n nicht die Einlösung dieser Verpflichtung von der jeweiligen konjunk- turellen Lage bei uns im Land abhängig machen. W i r sollten alles tun, damit die Deutschen, die ausreisen wollen, hierher kommen können.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß die Union, die seit den Tagen Konrad Adenauers die V e r s t ä n d i g u n g mit dem polnischen V o l k als ein wichtiges Ziel ihrer Politik angesehen hat, davon bis heute nicht abgewichen ist. Wogegen w i r uns wenden

und was der Gegenstand unserer Kritik ist, ist diese unseriöse Behandlung der deutsch-polnischen Frage durch die Regie- rung der derzeitigen Koalition.

UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR D E U T S C H L A N D Chefredakteur.

Hugo Wellems

Verantwortlich für den politischen Teil Stellvertr. Chefredakteur:

Ruth Maria Wagner Kultur, Unterhaltung, Frauenseite

Chef vom Dienst:

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Geschichte, Landeskunde und Aktuelles Soziales und L A G :

Horst Zander

Zugleich Jugend. Heimatkreise, Gruppen Das OstpreuBenoiatt ist das Organ der La

Information der Mitglieder des Förderkre.ses d l ' U n d s m a ^

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Reportagen:

Silke Steinberg Literaturkritik:

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Clemens J Neumann Berliner Redaktion:

Peter Achtmann Anzeigen und Vertrieb:

Heinz Passarge

Anrufbeantworter nach

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der Landsmannschaf» Ostpreußen uno erscheint wöchentlich zur s Inland 4.80 DM irg 84 26 2 04 -

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für Anzeigen gilt Preisliste Nr. 18

(3)

27. September 1975 — Folge 39 — Seite 3 Aus dem Zeitgeschehen

Zum Parlamentsbeginn:

Die Stunde

der

Wahrheit

Wirtschaft und Finanzen bestimmen das Schicksal von Regierung und Opposition

Berliner Tagespost:

. D a s B i l d v o m s t a r k e n K a n z l e r ist v e r b l a ß t . . . ' .starkes u n d ü b e r z e u g e n d e s G e g e n g e w i c h t " : F r a n k f u r t e r A l l g e m e i n e Fotos dpa W e r aus d e m P l a c e m e n t auf d e m P a r t e i t a g

der C S U h e r a u s l e s e n w o l l t e , w i e dort die G r ö - ßen der P a r t e i auf der W a a g e der S y m p a t h i e gemessen w e r d e n , der m ü ß t e aus der Tatsache, d a ß der G e n e r a l s e k r e t ä r der C D U , Professor Biedenkopf, i n M ü n c h e n der „ z w e i t e n G a r n i - tur" z u g e t e i l t w a r , d e n E i n d r u c k g e w i n n e n , d a ß sich i n n e r h a l b der U n i o n s p a r t e i e n e i n g e w i s s e r W a n d e l v o l l z o g e n hat oder z u v o l l z i e h e n scheint. D e r B e i f a l l galt so auch nicht d e m M a n a - ger der P a r t e i z e n t r a l e i n B o n n , s o n d e r n v i e l m e h r dem V a t e r des W i r t s c h a f t s w u n d e r s , Prof. L u d - w i g E r h a r d , der, w i e b e k a n n t , erst k ü r z l i c h seine B e d e n k e n gegen d e n n e u e n K u r s der C D U in e i n e m B r i e f a n d e n P a r t e i v o r s i t z e n d e n nieder- gelegt hatte.

H e l m u t K o h l , der K a n z l e r k a n d i d a t der U n i o n s p a r t e i e n , dessen N o m i n i e r u n g nicht o h n e einiges G e r a n g e l h i n t e r d e n K u l i s s e n abgegan- gen s e i n d ü r f t e , fand a n der Isar e i n e recht positive A u f n a h m e u n d e b e n d i e Tatsache, d a ß K o h l z w a r m i t h e r z l i c h e m B e i f a l l , der Professor B i e d e n k o p f j e d o c h m i t v i e l e n P h o n w e n i g e r b e g r ü ß t w u r d e , l i e ß d i e V e r m u t u n g a u f k o m m e n , d a ß der Parteichef K o h l sich v o n s e i n e m Professor abgesetzt u n d sich F r a n z - J o s e f S t r a u ß zuge- wandt hat, so d a ß B i e d e n k o p f s „ N e u e s o z i a l e Frage" m i t „ P a r t n e r r e n t e " u n d „ E r z i e h u n g s g e l d "

bei den U n i o n s p a r t e i e n nicht m e h r d e n g l e i c h e n S t e l l e n w e r t besitzt w i e b i s h e r . D e n n e i n F i n a n z - minister S t r a u ß , w e n n die U n i o n s i e g e n u n d der B a y e r diese P o s i t i o n ü b e r n e h m e n w ü r d e , h ä t t e m e h r a l s a l l e H ä n d e v o l l z u t u n , u m aus den r o t e n Z a h l e n z u k o m m e n u n d er k ö n n t e es sich nicht l e i s t e n , des Professors Ideen z u finanzieren.

Es scheint also nicht ausgeschlossen, d a ß H e l - mut K o h l i n z w i s c h e n e r k a n n t hat, d a ß e i n e W e n d e b e i der n ä c h s t e n W a h l n u r d a n n h e r b e i - g e f ü h r t w e r d e n k a n n , w e n n eine w e i t g e h e n d e Ü b e r n a h m e des C S U - K o n z e p t e s erfolgt. H i e r steht m i t S i c h e r h e i t d i e W i r t s c h a f t i m V o r d e r - grund, aber auch das „ J a " z u m E i g e n t u m u n d das „ J a " z u m L o h n für L e i s t u n g . E i n e G e f ä l l i g - k e i t s p a r t e i hat für die Z u k u n f t w e n i g C h a n c e n und w e n n die U n i o n t a t s ä c h l i c h siegen w i l l , dann w i r d sie sich auch entsprechend p r o f i l i e r e n m ü s s e n . D a k o m m t es nicht z u l e t z t auch darauf an, w e n d i e U n i o n s p a r t e i e n d e m W ä h l e r a n - bieten. E i n W i r t s c h a f t s m i n i s t e r S t o l t e n b e r g ist sicherlich ü b e r z e u g e n d e r als j e m a n d , der sich bisher noch i n k e i n e m Staatsamt z u b e w ä h r e n hatte. N o c h offen ist d i e F r a g e , ob u n d welches Ressort eben F r a n z - J o s e f S t r a u ß ü b e r n e h m e n w i l l — ob er mitmacht, n u n , das d ü r f t e nach d e m M ü n c h e n e r P a r t e i t a g sicher s e i n . Z u n ä c h s t aber ist der C S U - C h e f w i e d e r e i n m a l nach P e k i n g geflogen u n d erst i m O k t o b e r s o l l die M a n n - schaft v o r g e s t e l l t w e r d e n , m i t der K o h l die W a h l e n i m H e r b s t 1976 g e w i n n e n w i l l .

M ö g l i c h , d a ß e i n e K u r s k o r r e k t u r der C D U , und das bedeutet e i n s t ä r k e r e s E i n s c h w e n k e n auf die L i n i e der b a y e r i s c h e n Schwesterpartei, auch i n der U n i o n e i n i g e n U n w i l l e n h e r v o r - rufen k a n n . So h e i ß t es, d a ß die N a c h w u c h s - o r g a n i s a t i o n , d i e J u n g e U n i o n , aufmucken u n d der P a r t e i f ü h r u n g d e n Ä r g e r machen w o l l e , m i t denen d i e S P D durch i h r e n N a c h w u c h s v e r - w ö h n t w i r d . Es ist a u g e n f ä l l i g , d a ß die J u n g e U n i o n , s e i t d e m M a t t h i a s W i s s m a n n a n i h r e r tete steht, e i n e n g e w i s s e n L i n k s k u r s steuert, der durch eine V e r b i n d u n g m i t d e n S o z i a l a u s s c h ü s - sen v o r a l l e m gefestigt w e r d e n s o l l .

W i e w e i t die V e r m u t u n g e n , d a ß eben der a u ß e n p o l i t i s c h e Sprecher der C D U , W a l t h e r L e i s l e r K i e p , h i n t e r d e n A m b i t i o n e n der W i s s -

m ä n n e r stehe, m e h r als G e r ü c h t e s i n d , s o l l dahingestellt b l e i b e n .

D a b e i k a n n den U n i o n s p a r t e i e n n u r dann ein E r f o l g w i n k e n , w e n n sie w e i t g e h e n d als eine geschlossene E i n h e i t auftreten. In M ü n c h e n h ö r t e m a n schon v o n d e m U m f r a g e - E r g e b n i s v o n gleich d r e i s e r i ö s e n d e m o s k o p i s c h e n Insti-

tuten. D i e U n i o n w ü r d e , eben nach diesen E r - gebnissen, w e n n jetzt B u n d e s t a g s w a h l e n w ä r e n , mit 53 Prozent der W ä h l e r s t i m m e n die absolute M e h r h e i t erreichen, w ä h r e n d die S o z i a l d e m o - k r a t e n an der 4 0 - P r o z e n t - H ü r d e scheitern w ü r - den. In B o n n w o l l t e m a n es letzte W o c h e w i e d e r anders w i s s e n : da s o l l e n nach einer j ü n g s t e n E m n i d - U m f r a g e die U n i o n s c h r i s t e n v o n 53 auf gleich 38 P u n k t e z u r ü c k g e f a l l e n sein, w ä h r e n d die S P D v o n 38 auf 40 anstieg u n d die F D P ihre 9 P r o z e n t g e h a l t e n habe. D o c h w i r m e i n e n , d a ß derartige Z a h l e n s p i e l e m i t V o r s i c h t z u g e n i e ß e n s i n d u n d gerade i n i h r e r j e t z i g e n S i - t u a t i o n h ä t t e die R e g i e r u n g sich (oder uns!) die Z e m e n t s p r i t z e des g u t e n E r g e b n i s s e s v e r - p a ß t , w e n n dieses durch die R e g i e r u n g s p r o p a - g a n d a auszuschlachten g e w e s e n w ä r e .

V o n M ü n c h e n g i n g es nach B e r l i n , w o die U n i o n s f r a k t i o n sich auf die g r o ß e A u s e i n a n d e r - setzung m i t der R e g i e r u n g einstimmte, die d a n n i n der v e r g a n g e n e n W o c h e i n B o n n ü b e r die B ü h n e g i n g . W e n n g l e i c h die R e g i e r u n g auch mit schlechten Z a h l e n aufwarten k o n n t e , sie hat sicherlich j e n e n B o n u s für sich, der i m m e r b e i d e n e n ist, die a m D r ü c k e r s i n d . Doch es scheint, d a ß das B i l d des B u n d e s k a n z l e r s die ersten d u n k l e n F l e c k e n aufweist. Schrieb doch d i e „ B e r l i n e r T a g e s p o s t " i n e i n e r k r i t i s c h e n B e t r a c h t u n g : „ D a s B i l d v o m s t a r k e n K a n z l e r H e l m u t Schmidt, der W i r t s c h a f t s k r i s e n w i e w e i - l a n d die H a m b u r g e r H o c h w a s s e r k a t a s t r o p h e e i n - d r u c k s v o l l z u m e i s t e r n versteht, ist v e r b l a ß t . D i e E r i n n e r u n g daran, d a ß Schmidt sich i m F r ü h j a h r nicht n u r geirrt, s o n d e r n auch gemogelt hat, w i r d so schnell nicht aus d e m ö f f e n t l i c h e n B e w u ß t s e i n g e t i l g t w e r d e n k ö n n e n . W e n i g e W o c h e n v o r der n o r d r h e i n - w e s t f ä l i s c h e n L a n d - t a g s w a h l h ä t t e der K a n z l e r i m m e r h i n w i s s e n m ü s s e n , d a ß s e i n wirtschaftlicher O p t i m i s m u s nicht m e h r gerechtfertigt w a r . W e n n er trotz- d e m behauptete, der K o n j u n k t u r a u f s c h w u n g stehe v o r der T ü r , so hat er damit auch die G l a u b w ü r d i g k e i t s e i n e r s p ä t e r e n A u s s a g e n n a c h h a l t i g e r s c h ü t t e r t . "

Solche S t i m m e n s i n d u m so b e d e n k l i c h e r , als der Parlamentsauftakt der l e t z t e n W o c h e ganz e i n d e u t i g e r k e n n e n l i e ß , d a ß es h i e r u m mehr g i n g als die D i s k u s s i o n ü b e r das S p a r p r o g r a m m der B u n d e s r e g i e r u n g : ganz u n ü b e r h ö r b a r w u r d e in der letzten W o c h e i n B o n n bereits der W a h l -

k a m p f e r ö f f n e t u n d die T h e m e n , die i n der v e r g a n g e n e n W o c h e i m B u n d e s t a g anstanden, w e r d e n auch die n ä c h s t e n M o n a t e beherrschen.

N i c h t zuletzt dadurch, d a ß alles das, w a s be- schlossen w e r d e n w i r d , sich auf die B e v ö l k e - r u n g a u s w i r k e n m u ß . D e r K a n z l e r w a r d i e s m a l w e i t z u r ü c k h a l t e n d e r als f r ü h e r . Seine P r o g n o s e n s i n d mehr als mager, aber selbst diese w i l l die O p p o s i t i o n nicht mehr g e l t e n lassen.

H a t t e H e l m u t Schmidt noch am 24. J u n i dieses J a h r e s sich d a h i n g e h e n d v e r n e h m e n lassen, d a ß i h m die finanzielle L a g e der ö f f e n t l i c h e n H a u s - halte der B u n d e s r e p u b l i k i m J a h r e 1975 k e i n e Sorge mache, so m u ß t e er i m B u n d e s t a g das g r ö ß t e F i n a n z d e b a k e l eingestehen, das die B u n - d e s r e p u b l i k erlebt hat: 41 M i l l i a r d e n fehlen i n d i e s e m J a h r , 39 M i l l i a r d e n i m n ä c h s t e n , 22 M i l - l i a r d e n 1977 u n d 18 M i l l i a r d e n 1978 u n d auch i m J a h r e 1979 ist die F i n a n z i e r u n g s l ü c k e nicht z u s c h l i e ß e n . Selbst b e i diesen Z a h l e n m e i n e n K e n n e r der B o n n e r F i n a n z m i s e r e , i n W i r k l i c h - k e i t sei a l l e s noch sehr v i e l trister u n d m a n b e f ü r c h t e t , d a ß Schmidt u n d A p e l , s e i n F i n a n z - m i n i s t e r , i n i h r e n V o r a u s b e r e c h n u n g e n den W u n s c h v o r s t e l l u n g e n mehr R a u m geben als e x a k t e n Z a h l e n .

D i e Bundestagsdebatte der letzten W o c h e w u r d e m i t g r ö ß t e m Interesse beobachtet u n d w e i t g e h e n d herrschte U b e r e i n s t i m m u n g d a r i n , d a ß H e l m u t Schmidt e i n i g e P u n k t e a n seinen e i g e n t l i c h e n G e g e n s p i e l e r i m n ä c h s t e n W a h l - kampf, a n H e l m u t K o h l , den M i n i s t e r p r ä s i d e n - ten aus R h e i n l a d - P f a l z u n d K a n z l e r k a n d i d a t e n der U n i o n s p a r t e i e n , abgeben m u ß t e . Selbst die

„ F r a n k f u r t e r A l l g e m e i n e " testierte K o h l , er habe m i t seiner Rede z u r R e g i e r u n g s e r k l ä r u n g ,

„mit der der B u n d e s k a n z l e r das letzte J a h r seiner W a h l p e r i o d e einleitete, e i n starkes u n d ü b e r z e u g e n d e s G e g e n g e w i c h t " entgegengesetzt.

„ K o h l s R e d e " , so schreibt das Blatt, habe „ z u m richtigen Z e i t p u n k t i n die richtige K e r b e " ge- troffen u n d er habe „ d e n h ä ß l i c h e n R a t t e n k o p f der f i n a n z i e l l e n K a l a m i t ä t e n dort hin(gehoben), w o er h i n g e h ö r t — auf die E b e n e der p o l i t i - schen, das G a n z e unseres staatlichen u n d ge- sellschaftlichen Z u s t a n d s ins A u g e fassenden A u s e i n a n d e r s e t z u n g . " D e n n das sei „ n a c h d r e i W o c h e n finanzpolitischen Tauziehens, v o m Brahmsee bis z u r A u s s p r a c h e i m Bundestag,

S T A A T S - AvseASc-rt'

GLATTEIS

„Erst bereuen, mein Sohn!* Zeichnung aus „Kölnische Rundschau"

k l a r g e w o r d e n : M i t d e m Rechenstift u n d d e n M a n ö v e r n der E x p e r t e n a l l e i n ist d e n gegen- w ä r t i g e n S c h w i e r i g k e i t e n nicht b e i z u k o m m e n . W a s z u r Debatte steht, ist nichts G e r i n g e r e s als e i n neues A u s t a r i e r e n der G e w i c h t e , ist das N a c h d e n k e n ü b e r die R o l l e staatlicher L e i s t u n g , ist die Frage, w a s G e s e l l s c h a f t s p o l i t i k w o l l e n s o l l u n d k a n n " .

N u n , m a n w i r d sehen, w a s die v i e l z i t i e r t e Gesellschaft d a z u sagen w i r d . Z u dem, w a s der K a n z l e r als das S p a r p r o g r a m m seiner R e g i e r u n g angeboten hat. E i n A n g e b o t , das H e l m u t Schmidt v o r den G e w e r k s c h a f t e n m i t der F e s t s t e l l u n g d r a p i e r t e : „Es l i e g t ü b e r h a u p t k e i n G r u n d v o r z u r M u t l o s i g k e i t oder R e s i g n a t i o n . Ich w i l l k e i - nen ungerechtfertigten O p t i m i s m u s v e r b r e i t e n . A b e r n i e m a n d ' darf sich den Blidc d a f ü r v e r - s t e l l e n lassen, w e l c h e u n g e h e u r e s c h ö p f e r i s c h e Potenz u n d wirtschaftliche Leistungskraft i n un- serer Gesellschaft v o r h a n d e n ist."

Z u n ä c h s t jedenfalls scheint es, d a ß H e l m u t Schmidt b e i den G e w e r k s c h a f t e n k e i n e unge- teilte Z u s t i m m u n g findet u n d b e i den Beamten ist es nicht anders.

„Die A r b e i t n e h m e r o r g a n i s a t i o n e n i m öffent- lichen D i e n s t " — so schreibt das „ H a m b u r g e r A b e n d b l a t t " — „ l e h n e n jedes z u s ä t z l i c h e L o h n - opfer zugunsten der Staatskasse ab u n d fordern E i n k o m m e n s e r h ö h u n g e n z u m i n d e s t i m U m f a n g der z u e r w a r t e n d e n T e u e r u n g s r a t e . D i e aber d ü r f t e auch i m n ä c h s t e n J a h r k a u m unter sechs Prozent rutschen. Setzen sich die Gewerkschaf- ten durch, so g e r ä t schon v o n dieser Seite her das m i t flotter H a n d gezimmerte F i n a n z g e r ü s t ins W a n k e n . "

Doch der K a n z l e r H e l m u t Schmidt u n d mit i h m seine p o l i t i s c h e n F r e u n d e („Die W e l t " ) ,

„ a l l e n v o r a n F i n a n z m i n i s t e r H a n s A p e l , v a - r i i e r e n i n a l l e n T o n a r t e n das W o r t v o m p o l i t i - schen M u t . M e h r als e i n O p p o s i t i o n s a b g e o r d n e - ter sieht i n T a k t i k u n d M e t h o d e des Bundes- k a n z l e r s die .teuflische politische G e r i s s e n h e i t ' . M i t i h r w e r d e das durch die gesetzlichen B e - s t i m m u n g e n V o r g e s c h r i e b e n e als e i n g e w a l t i g e r freier E n t s c h l u ß zur S p a r s a m k e i t v e r k a u f t u n d d i e E r h ö h u n g e n v o n S t e u e r n u n d A b g a b e n so f r ü h z e i t i g beschlossen, d a ß sie der W ä h l e r i m O k t o b e r 1976 w e n n schon nicht vergessen, so

doch v e r d a u t h ä t t e , .Augenw.ischerei" nannte F r a n z - J o s e f S t r a u ß g r i m m i g Schmidts M e t h o d e . "

A l s H e l m u t Schmidt das Erbe W i l l y Brandts ü b e r n a h m , w a r m a n sich d a r ü b e r k l a r , d a ß die Wirtschaft u n d d i e F i n a n z e n s e i n Schicksal sein w ü r d e n . U m beides ist es heute mehr als schlecht bestellt. D e s K a n z l e r s A b s i c h t , h i e r f ü r w e l t w e i t e G r ü n d e i n A n s p r u c h z u n e h m e n , w i r d i h m nicht mehr abgenommen, denn die O p p o s i t i o n hat aufgezeigt, w a s a n der Sache v o r w i e g e n d „ h a u s - gemacht" ist. Das F ü l l h o r n , das der g r o ß e Re- former W i l l y schwenkte, gibt nichts mehr her u n d seinem N a c h f o l g e r w i r d es heute nicht leicht gemacht. D i e W o c h e i m B u n d e s t a g hat gezeigt, d a ß die O p p o s i t i o n es v e r s t a n d e n hat, die Fehler, S c h w ä c h e n u n d d i e S ü n d e n der s o z i a l l i b e r a l e n R e g i e r u n g b l o ß z u l e g e n u n d a n z u p r a n g e r n . Z w a r ist es nicht i h r e A u f g a b e , m i t e i g e n e n Rezepten d e n H e r r e n Schmidt u n d A p e l aus dem K r a n k e n - bett w i e d e r auf die F ü ß e z u helfen, aber i m G r u n d e w i l l der B ü r g e r w i s s e n , w i e die O p p o - s i t i o n es besser macht, w e n n sie m o r g e n w i e d e r die R e g i e r u n g ü b e r n e h m e n w ü r d e . D a w i r d es schon darauf a n k o m m e n , eine echte A l t e r n a t i v e z u b i e t e n u n d aufzuzeigen, w i e eine W i e d e r - b e l e b u n g der Wirtschaft erreicht u n d w i e die A r b e i t s l o s i g k e i t abgebaut w e r d e n k a n n .

D i e Wirtschaft ist also nicht n u r das Schick- sal H e l m u t Schmidts. A n der ü b e r z e u g e n d e n D a r s t e l l u n g i h r e r V o r s t e l l u n g e n u n d an der U b e r w i n d u n g dieser M i s e r e w i r d auch die U n i o n gemessen w e r d e n , w e n n es i m H e r b s t n ä c h s t e n J a h r e s w i e d e r an d i e

Wahlurnen geht. H . W .

(4)

Politik

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27. September 1975 — Folge 39 — Seite 4

Andere

M e i n u n g e n

Innenpolitik:

Das Ziel heißt Kurskorrektur

Nur eine Konzentration bietet 1976 wirkliche Aussicht auf Erfolg - Von Heinz Karst NEUE RUHR ZEITUNG

Genscher warnt den Partner

E s s e n — „Hätte es noch eines Beweises dafür bedurft, daß es in der SPD mittlerweile zwei Parteien gibt, Georg Leber hat ihn mit seiner .Spiegel'-Bemerkung geliefert: .Jemand wie ich, der einmal zum Mittespektrum der Partei ge- hörte, ist jetzt aus der Mitte herausgerückt.' Im Klartext: Die SPD ist weit nach links gerutscht Zumindest das Öffentlichkeitsbild der SPD ist heute von Hessen-Süd und den Sprechern der Jungsozialisten bestimmt, nicht aber mehr von Helmut Schmidt, Klaus Schütz, Jochen Vogel und Hans-Ulrich Klose. Auf diesem Hintergrund sind die Signale der FDP zu werten. Genscher stellt nüchtern fest, daß zu einer Bonner SPD-FDP- Koalition auch eine programmatische Basis des Partners gehört, die weitgehend identisch sein muß mit der Haltung derer, die für die Partner- Partei das Regieren in Bonn besorgen."

- W E L T L S O W T A C J

Auf der Anklagebank

H a m b u r g — „Im abhör- und schußsicheren Keller zu Düsseldorf, wo über Günther Guil- laume Gericht gehalten wird, geschieht Seltsa- mes: Auf der Anklagebank sitzt zwar nach wie vor der freundlich lächelnde Kanzlerspion, des- sen Effizienz fast all seine berühmten Kollegen in den Rang marginaler Figuren verweist — die Szene wird indes nicht für den gutgelaunten Hauptmann der Volksarmee und die ihm ange- traute Berufskollegin Christel zum Tribunal, son- dern für die Mächtigen in unserem Land. Mehr und mehr, dies ist die (vorläufig) letzte böse Tat des Zwielichtigen, geraten die Lichtfiguren unse- rer Zeit ins Zwielicht: Parteiführer wie Brandt, Gewerkschaftsführer wie Vetter, Geheimdienst- chefs wie Nollau . . . Daß liederlicher Umgang mit Geheimsachen üblich war, daß Parteibuch- protektion höher bewertet wird als Erkenntnisse der Sicherheitsorgane — ob Ost-Berlin nicht auch für diese Tips dankbar ist."

In der Bundesrepublik sind die Erörte- rungen über eine „Vierte Partei" lebhaft, wobei stutzig macht, daß gerade Gazetten der Linken diese Diskussion anheizen. SPD/

FDP werden von vielen Bürgern kaum noch als zwei selbständige Parteien gewertet; die FDP ist Gefangener ihrer linken Anhän- ger geworden, die die SPD noch links über- holen wollen. Die derzeitigen Regierungs- parteien sind als linksliberaler Block anzu- sprechen, wobei die FDP ihre „Bremser- rolle" längst aufgegeben hat. Es gibt

Bürger, die meinen, daß rechts von den Unionsparteien, etwa nach dem Muster der ehemaligen DP, eine maßvoll konservative Partei einige Millionen Stimmen abschöp- fen könne, die dann in Koalition mit den Unionsparteien das Rennen 1976 machen würde. Dabei wird vor allem auf den Er- folg des BfD in den Berliner Arbeitervierteln hingewiesen. Andere sind überzeugt, daß nur eine bundesweite C S U diesen Erfolg haben könne. Das Argument ist nicht selten, daß selbst ein Adenauer in der hohen Zeit der C D U nur einmal die absolute Mehrheit geschafft habe.

Zweifellos ist das Parteiensystem der Bundesrepublik von beachtlicher Stabilität.

Versuche kleiner Parteien, wie etwa der DKP, K P D oder NPD, sind an der Fünf- Prozent-Klausel gescheitert. Nach einer Blitzmeinungsumfrage des Wickert-Instituts von Mitte August läge zur Zeit die Stim- menmehrheit mit 55 Prozent bei den Unions- parteien, mit 35 Prozent bei der SPD und mit 9 Prozent bei der FDP. Die Erfahrung lehrt, daß solche Mehrheiten schwankend sind und sich bald ändern können, vor allem in der „grauen Zone" der Wechselwähler, die zwischen 15 bis 20 Prozent ausmachen.

Abgesehen davon, daß die Neugründung einer Partei auf Bundesebene, die 1976 mit Aussicht auf Erfolg in den Bundestagswah- len antreten könnte, zeitlich zu spät sein dürfte, muß vor allem erkannt werden, daß Wahlen in der Bundesrepublik weniger Wahlen nach Programmen sind, als nach

Rußlanddeutsche:

200000 Menschen starben in Sibirien

Offener Brief an die Bundesregierung schildert ihre Leiden

Persönlichkeiten. Auch eine neue Partei mit einem ausgewogenen Programm hätte kaum eine Chance, fänden sich nicht bekannte und ausstrahlende Persönlichkeiten, die das Programm wirkungsvoll öffentlich vertre- ten. Soweit sich bisher erkennen läßt, sind solche politischen Repräsentanten außer- halb der großen Parteien kaum zu erkennen.

Eine Ausdehnung der C S U auf Bundes- ebene — wohl die einzige reale Chance einer Vierten Partei — ist aus wahltakti- schen und anderen Gründen zur Zeit nicht wahrscheinlich. Wenn C D U / C S U sich im kommenden Wahlkampf zu einer deut-

lichen, entschlossenen Alternative zur schleichenden „Sozialisierung" unserer Ge- sellschaft profilieren — und nicht nur V a - riationen der Politik der sozialliberalen Koalition vorweisen — können sie bei der anwachsenden Ablehnung eines Marsches in einen wie immer gearteten „Sozialismus"

in unserem V o l k mit der Mehrheit rechnen.

Das ungeschickte Vorprellen des Düssel- dorfer Landtagsabgeordneten Klaus Evertz beweist, daß es Kräfte in der C D U gibt — in diesem Falle der Jungen Union — die die Politik von Franz-Josef Strauß als

„Wahlkampfballast" abwerfen wollen. Das aber gerade w ä r e die Gefahr, da Parteien sich nicht nur aus sich, sondern auch im Gegensatz zu anderen profilieren müssen.

Die Chance einer großen christlichen Volks- partei w ä r e vertan, ü b e r d i e s beweisen die steigenden Erfolge der C S U in Bayern mit einem permanenten Mitgliederzuwachs, während die SPD über 7000 Mitglieder ver- lor, daß die Politik Strauß' den richtigen Kurs steuert. Liest man heute die Sonthofe- ner Rede von Franz-Josef Strauß, bei man- chen Verkürzungen und einseitigen Wieder- gaben des Abschreibers, so trifft sie den Nagel auf den Kopf. Das Geheul der linken Meinungsmaffia unterstreicht nur, wie recht er hatte!

Sicherlich w ä r e es wünschenswert, eine

„Vierte Partei" in der Palette des Parteien- spektrums in der Bundesrepublik zu haben, um verkrustete Positionen aufzulockern und der Koalitionsbildung im Parteiengefüge

Jugend:

wieder mehr Spielraum zu geben. Es würde aber zur Zeit eine Zersplitterung der Stim- men bedeuten, träten jetzt neue Parteien auf, die sich ohne glaubwürdige und über- zeugende Persönlichkeiten zur W a h l stell- ten. Es erscheint daher im Sinne einer „Kurs- korrektur" der deutschen Politik angeraten, so ist meine Meinung, alle Kraft und per- sönliche Energie auf den Wahlsieg der Unionsparteien zu verwenden.

M a g die Kritik an manchen Vertretern und Vorstellungen der C D U lebhaft sein und diesen oder jenen Bürger abhalten, ihr die Stimme zu geben: nur eine Konzentra- tion der Anstrengungen und Stimmen für die parlamentarische Opposition dürfte eine wirkliche Aussicht auf Erfolg bieten.

Für jeden Bürger, der sich für die Erhaltung unseres freiheitlichen Rechtsstaates und seinen Ausbau einsetzt und der gegen jede Volksfrontpolitik Front macht, sollte es da- her nur eine Entscheidung geben. Das be- deutet keineswegs die Aufgabe einer kriti- schen Distanz auch zu Vorstellungen und Vertretern der Unionsparteien.

Eine große Partei, die aus vielen Gruppen und geistigen Strömungen unseres Volkes zusammengesetzt ist, bedarf der konstruk- tiven und, wenn es sein muß, entschiedenen Kritik. Verglichen aber mit dem ideologi- schen W i r r w a r r in der SPD, die nur durch die „harte", scheinbar „rechte" Politik Hel- mut Schmidts zugedeckt wird, sind Kontro- versen innerhalb der Unionsparteien gering- fügig.

Die entschiedene Ablehnung der KSZE in der gegenwärtigen Form bleibt z. B. ein Ruhmesblatt der Unionsparteien. Die Ge- schichte wird — leider — es lehren, wie recht sie mit ihrer Ablehnung hatten. Die mensdienhändlerische Erpressung der Bun- desrepublik durch die Partei Giereks hat bereits bewiesen, wie triumphal der Aus- gang dieser Appeasementpolitik für den Warschauer Pakt war und ist und wie wenig außenpolitischen Spielraum die Regierung Schmidt/Genscher überhaupt noch hat: sie kann nur noch Ja sagen! Damit m u ß ein Ende gemacht werdenl

K a i s e r i n K a t h a r i n a II. hatte 1793 deutsche B a u e r n und H a n d w e r k e r n a c h R u ß l a n d k o m - m e n l a s s e n , w e i l sie m i t i h r e n technischen u n d h a n d w e r k l i c h e n F ä h i g k e i t e n z u r a l l g e m e i n e n E n t w i c k l u n g des L a n d e s b e i t r a g e n s o l l t e n . A u c h Z a r A l e x a n d e r I., d e r n a c h K a t h a r i n a s T o d die Herrschaft ü b e r n a h m , s i e d e l t e Deutsche i m S c h w a r z m e e r g e b i e t , in O d e s s a , in T a u r i e n , auf der K r i m u n d i m S ü d k a u k a s u s an, d a m i t auch diese T e i l e R u ß l a n d s r i c h t i g b e w i r t s c h a f t e t w u r d e n . D i e D e u t s c h e n l e i s t e t e n e i n e v o r z ü g - liche A r b e i t , d e n n sie schufen s a u b e r e Stadt- g e m e i n d e n , e r t r a g r e i c h e Ä c k e r u n d h a n d w e r k - liche P r o d u k t i o n s s t ä t t e n , d i e n o c h h e u t e e r h a l - t e n s i n d . T r o t z d i e s e r e n t w i c k l u n g s f ö r d e r n d e n A r b e i t b e k a m e n d i e deutschen A r b e i t e r e i n e A b l e h n u n g z u s p ü r e n , d i e i m E r s t e n W e l t k r i e g e i n n o c h s c h l i m m e r e s A u s m a ß a n n a h m . T a u - s e n d e v o n D e u t s c h e n w u r d e n o h n e B e g r ü n d u n g i n s i b i r i s c h e A r b e i t s k o l o n n e n o d e r i n asiatische U r w a l d d ö r f e r gebracht. V i e l e , d i e d i e Q u a l e n dort ü b e r s t a n d e n , m u ß t e n e r n e u t 1941 u n t e r S t a - l i n s B e f e h l s f ü h r u n g furchtbarste S c h i k a n e n u n d M i ß h a n d l u n g e n e r l e i d e n . E b e n f a l l s w u r d e d i e deutsche B e v ö l k e r u n g , d i e i m e u r o p ä i s c h e n T e i l der S o w j e t u n i o n G r u n d b e s i t z hatte, e n t e i g n e t u n d d a n n i n Z w a n g s l a g e r gebracht, „ w e g e n Z u - s a m m e n a r b e i t m i t d e m F e i n d " , w i e s o w j e t i s c h e F ü h r u n g s k r ä f t e b e h a u p t e t e n .

„ E n t s p r e c h e n d g l a u b w ü r d i g e n N a c h r i c h t e n der M i l i t ä r b e h ö r d e n , b e f i n d e n sich i n d e n W o l g a - g e b i e t e n u n t e r der d o r t i g e n deutschen B e v ö l - k e r u n g T a u s e n d e u n d Z e h n t a u s e n d e v o n D i v e r - santen u n d S p i o n e n , d i e auf e i n v o n D e u t s c h l a n d zu g e b e n d e s S i g n a l S a b o t a g e a k t e . . . a u s z u f ü h - r e n h a b e n . " S o l a u t e t e d i e A n s c h u l d i g u n g , d i e a m 28. 8. 1941 a u s g e s p r o c h e n w u r d e . M a n w o l l t e d i e V o l k s d e u t s c h e n nach S i b i r i e n abschieben, w o sie für i m m e r v e r s c h w i n d e n s o l l t e n u n d z u v o r i h r e E x i s t e n z a l s b i l l i g e A r b e i t s k r a f t fristeten. D i e s e g r a u s a m e n V o r g ä n g e p a s s i e r - ten, o h n e d a ß auch n u r e i n B e w e i s für S p i o n a g e oder s o n s t i g e f e i n d l i c h e H a l t u n g erbracht w u r d e . E i n z i g u n d a l l e i n d i e Tatsache, d a ß es sich u m Deutsche h a n d e l t e , d i e e i n e G e m e i n s c h a f t ge- w o r d e n w a r e n , l i e ß d i e S o w j e t s so h a n d e l n . H u n d e r t e v o n R u ß l a n d - D e u t s c h e n b e r i c h t e t e n der B o n n e r R e g i e r u n g z u m 34. J a h r e s t a g i n e i n e m O f f e n e n B r i e f v o n d e n S c h i c k s a l e n , d i e sie u n d i h r e A n g e h ö r i g e n z u e r l e i d e n hatten. F a m i l i e n w u r d e n getrennt, e b e n s o M ä n n e r v o n i h r e n F r a u e n o d e r M ü t t e r v o n i h r e n K i n d e r n . D a n n k a m e n sie i n A r b e i t s l a g e r , w o T a u s e n d e w e g e n d e r u n z u m u t b a r e n u n d e n t w ü r d i g e n d e n Z u - s t ä n d e starben. D i e u n b a r m h e r z i g e B e h a n d l u n g

d u r c h sowjetische A u f p a s s e r t r u g a u ß e r d e m z u m M a s s e n s t e r b e n der D e u t s c h e n b e i . D i e V e r - l u s t e s i n d auf m i n d e s t e n s 200 000 M e n s c h e n z u b e z i f f e r n . Insgesamt gab es e t w a 500 000 R u ß - l a n d d e u t s c h e .

D i e s e T a t s a c h e n b e r i c h t e w e r d e n h e u t e v o n d e r s o w j e t i s c h e n F ü h r u n g s s p i t z e a l s b ö s a r t i g e V e r l e u m d u n g h i n g e s t e l l t . D o c h d i e R u ß l a n d - deutschen, d i e d i e Q u ä l e r e i e n ü b e r s t a n d e n , k ö n n e n handfeste B e w e i s e b r i n g e n . N i c h t n u r

i h r e Z e u g e n b e r i c h t e , s o n d e r n auch d e r z e i t i g e Z e i t u n g s v e r ö f f e n t l i c h u n g e n i n d e r s o w j e t i s c h e n P r e s s e d e u t e n auf d i e stattgefundenen G e s c h e h - n i s s e h i n u n d g e b e n g e n u g A n k l a g e m a t e r i a l ab.

E s i s t u n b e g r e i f l i c h , w a r u m d i e A r b e i t der D e u t s c h e n e i n so u n d a n k b a r e s u n d g n a d e n l o s e s E n d e fand. W e r sich e i n g e h e n d m i t d e n d a m a - l i g e n V o r g ä n g e n b e s c h ä f t i g t , k a n n einfach nicht a n e i n e e r n s t g e m e i n t e K o e x i s t e n z , n o c h a n E n t s p a n n u n g g l a u b e n .

Numerus clausus blockiert Lehrstellen

Zahl der studienwilligen Abiturienten nimmt jetzt wieder ab

Bonn — Die Zahl der studienwilligen A b i - turienten nimmt ab. Die Unsicherheit über den weiteren Bildungsweg, die Hürden der umstrittenen Durchschnittsnote, mit denen über die tatsächliche Qualifikation — etwa für den Beruf des Arztes — überhaupt nichts ausgesagt wird, hat dazu geführt, daß nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes 1975 nur noch knapp 79 Prozent der Abitu- rienten mit einem Studium beginnen wollen.

1974 waren es noch etwa 85 Prozent.

Was aber tun die jungen Leute mit dem Abitur? Mädchen, die trotz „Hochschulreife"

z. B. nicht zum Studium der Medizin zuge- lassen werden, bewerben sich in steigender Zahl bei Schwesternschulen. Und dort zieht

„ I n l e t z t e r Zeit hat er offenbar e t w a s g e g e n uns Zeichnung aus „Welt am Sonntag"

man Abiturientinnen häufig den Hauptschul- abgängerinnen und denen mit Mittlerer Reife vor. Zum Schaden für den Pflegeberuf, wie man bald erkennen wird: denn sobald Studienplätze zu bekommen sind, ziehen die meisten Krankenschwestern mit Abitur die Pflegerinnentracht wieder aus, um nun doch noch ihr eigentliches Ziel anzusteuern.

Für junge M ä n n e r hingegen mit Abitur ist das Angebot der Wirtschaftsakademien in- teressant geworden. Diese praxisnahen Ausbildungsstätten bieten die Chance, schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit im mitt- leren Management der Wirtschaft einen gut bezahlten Posten zu bekommen.

Das noch vor wenigen Jahren von den Kultusministern der Länder hochgelobte Berufsziel .Lehrer" wird nur noch von 26,4 Prozent der Abiturienten angestrebt. Die gegenwärtige Unsicherheit mangels aus- reichender Planstellen nach abgeschlosse- nem Studium auch eine Anstellung als Lehrer zu bekommen, läßt viele Studien- anfänger zurückschrecken. Noch vor knapp zwei Jahren, im November 1973, waren in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungs- reichsten Bundesland, 20 000 Lehrer-Plan- stellen unbesetzt, heute gibt es nicht genug Planstellen, um fertig ausgebildete Lehrer anstellen zu k ö n n e n .

So wie die Mädchen, die als Schwestern- schulerinnen eine später vielleicht sich bie- tende Chance zum Medizinstudium abwar- ten und damit die Ausbildungspläne für junge Haupt- und Realschulabsolventinnen blockieren, weichen auch viele junge Män- ner mit Abitur zunächst in einen Lernberuf aus und versperren damit die Lehrstellen für andere A n w ä r t e r . Es erscheint deshalb als notig, daß die Berufsberatung nicht erst zum Abschluß der Schulzeit einsetzt, son- dern bereits zu einem früheren Zeitpunkt.

Denn so wenig die Schuljahre zwischen

Mittlerer Reife und Abitur einem jungen

Menschen schaden, so wenig nützen .sie ihm

auch, wenn er zur Hochschule nicht zu-

gelassen wird und einen praktischen Beruf

ergreifen muß.

H

e l n z Otto

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\ I e s •(• \i.ii|.1 in" herausgegeben, die Über- wiegend aus den Anzeigen westdeutscher Firmen finanziert worden Ist. Weitere 40 steuerte das westliche Ausland bei. Bahr