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Bemerk Hilgen über einige Stellen des Avesfa.
Von
Prof. Fr. SpieK«!.
I.
Den Angriffen, weiclie Hr. M. Hnug verschiedene Mnle ge¬
gen meine Schriften gerichtet hnt , hahe ich his jetzt ein ent
schiedenes .Schweigen entgegengesetzt, Iheils weil ich eine Ant¬
wort fiir unnölliig hielt, theils weil ich nlineliin nligenrigl hin,
Kinzelnheiten nuf dem Gehiete der .^vestaphilologie polemisch zu
erörtern. Die Gründe, die mir eine solche Polemik unrntlisain
erscheinen Inssen , hahe ich schon öfter dargelegt und knnn sie
daher hier ühergelien. Vor Allem wäre ich nun geneigt ge¬
wesen , auch dem neuesten Angriffe Hrn. Haug's gegenUher ein
gleiches Schweigen zu beobachten, da sicb derselbe durrh seine
Musslosigkeit von selbst richtet. Docb dies hat mir Hr. Hniig
unmöglich gemncbt, indein er nicht hlos meine liternrisclien .Ar¬
beiten, sondern aucb meinen Charakter angreift. Bei seinen tiefen
Studien in den traditionellen Schrifteo der Parsen will er ge¬
funden haben, nicht nur, dass ich vom Huzvärescb nichts ver¬
stehe, sondern aurh, dass ich dasselbe gar nicht crnsilirli studirt
hahe. Kr beschuldigt mich, dass ich fälschlich vorgebe, mit Zu-
grundelcsfung drs Huzvärescb ühersetzt zu haben, dass ich viel¬
mebr meine Kenntniss der Tradition lediglich der hnndschrifl-
lichen Cebersetzung Ani|uetil du Perrons verdanke. .So lächerlich
dieses nun auch fiir Jeden ist, der Anquetils bnndsrhriftliche
Uebersetzung wirklich kennt, so kann ich diese kecke itehnup-
tung doch nicht völlig ignoriren, und da ich keine Lust hnhe,
dem Publikum von' Punn und Bombny das Schauspiel eines
Kampfes zwischen zwei Deutschen zu gehen, der nothwendig
persönlich werden müsste, so will ich mich begnügen, hier, vor
meinen Knebgenossen , auf das Kntschiedenste gegen jene Be¬
hauptung zu protestiren und sie als das zu bezeichnen , was sie
ist: als eine böswillige Verleumdung, die nuch jeden .Schatten
von Begründung entbehrt.
Nachdem ich nber nun genöthigt gewesen hin, in dieser
VVeise von Hrn. Hnug zu sprechen, so hnlte ich es für meine
Pflicht, etwns ausführlicher nuf die Voiwürfe einzugehen, die er
mir macht; denn sonst könnte es Uebelwollenden scheinen, als er¬
griffe ich mit Freuden die Gelegenbeit, einen literarischen Streit
Spiegel , Bemerkungen über einige Slellen des AvesliL 49
auf «Ins moraliscli« Gebiet hinüber zu spielen , um der Verpflich¬
tung- ZH entgehen, einem so gefährlichen Gegner antworten zu
müssen. lia ich indess von dem Publikum dieser Zeitschrift
voraussetze, das« dasselbe ebenso ungern Polemik liest als ich
sie niederschreibe, so werde ich mich bemühen, alles Persön¬
liche soviel als nur möglich in den Hintergrund treten zu lassen
uud diese itemerkungen für die mundgerecht zu machen, die
sich nicht für die streitenden Personen , sondern für die Sache
interessiren. Uie Pnnkte, die ich zu behandeln habe, sind znmcist
lexikalischer Natnr, ich werde aie durch besondere Ueberschriften
von einander sondern, ich kann indess nicht anf Kinzelnheiten
eingehen , ohne vorher meinen im Allgemeinen von Hrn. Hang's
Methode total abweichenden Standpunkt kurz angegeben cu hn¬
ben. i>ie Wichtigkeit des Gegenstandes mag es entschnidigen,
wenn ich hier zum Theil Dinge wiederhole, die ich früher schoii
gesagt habe.
Meine philologische Thätigkeit bat sich bis jetzt bauptsäch¬
lich anf den i»nnkt gerichtet, zn erweisen, dass die Tradition
der Parsen keineswegs nus aufs Gerndcwolil zusammengeschrie¬
benen Vermuthungen unwissender Parsenprieater hesteht, sondern
vielmehr auf einem wirklichen Verständnisse des Textes beruht.
Dnss dem so sei und dasa somit die Tradition der Parsen als
wichtiges HUlfsmittel zur Brklärung des Textes nicht ansser
Acht gelassen werden darf, wird mir, wie ich glaube, jetzt all¬
gemein zugestanden. Hiermit ist eine Verständigung allerdings
angebahnt, aher keineswegs schou ersielt Bs ffagt sieh nnn
eben noch weiter, w i e man die Tradition benutzen müsse. Mein
Weg ist nun der folgende. Bei jedem noch zu erklärenden
Worte suche ich mir vor Allem die Erklärung zu verschaffen,
welche die Parsen selbst dem Worle geben. Diese nehme icb
als den Ausgangspunkt der Forschung, natürlich hlos als einen
vnrläHÜgen, um zu sehen , ob er sich bestätigen wird, ich sehe
sodann die Stellen ein, in denen der fragliche Ausdrnck vor*^
kommt, und erwäge, ob die angegebene Bedeutung zur Erklä¬
rung derselben ausreicht oder, nicht, ich frage sodann nach der
Herkunft des Wortes und ob die Etymologie es für möglich
erklärt, dass das Wort die angegebene Bedeutung in der Sprache
gehaht habe. Erhalte ich auf 'alle diese Fragen eine bejahende
Antwort, so halte ich die Bedentung des fraglichen Wortes für
erwiesen. Fällt die Antwort verneinend aus, so kann ich natür¬
lich, ohne eine Inconsequenz zu begehen, die Tradition fallen
lassen, leb bin aber dann daranf angewiesen , vermittelst der
Texte und der Etymologie allein eino neue Erklärung zu ver¬
suchen und dies heisst naeh meiner Deberzeiigung nichts Ande¬
res als Vermuthungen aufstellen.
Ea scheint mir einleuchtend, dass dieses mein Verfahren von
dem des Hrn. Hang sehr verscliieden ist. Bei mir bildet die
Bll. Wll. 4
50 Spiegel, Bemerkitngen über einige Stellen dei Avesla.
Vergleicbuug der Textesstellen und die Anwendung der Etymo¬
logie blos eine dienende Macht; im besten Falle können sie die
traditionelle Ueberlieferung bestätigen, im schlimmsten geben sie
hlos das negative Resultat, duss eben die traditionelle Ueber¬
lieferung nicbt richtig sein könne. Ganz anders stellt sich aber
die $ucbe, wenn man gleich von voroe herein damit beginot, die
Bedeutuog einea Wortes durch Textvergleichung und Etymologie
festzustelleo. Hier sind dieae beiden Uülfawissenscbuften sou¬
verain und bestimmen positiv, was das Wort heiaaeo soll. So¬
viel acheiot mir voo Aofang an gewiss, daas derjenige, der die¬
sen Weg für den richtigen bält, consequent das Zeugniss der
Tradition verwerfen muss. Eine traditiooelle Angabe kann man
ganz gut verwerfen , weno aie sich nicht mit der wiaaeoschaft-
lichen Ueberzeugung vereinigen lässt, aber man kann nicht eine
gewonnene wissenschaftliche Ueberzeugung deswegeo aufgeben,
weil sie der Tradition widerspricht. Die Zustimmung der Tra¬
dition iat bei dieser Richtung eine ganz gleichgültige Zugabe,
die Abweichuog der Traditioo voo der einmal ermittelten Bedeu¬
tung keiner Beriickaichtigung werth. — Während also. Hr. Haug
und diejenigen Erklärer, die aich auf die Texte und die Etymo¬
logie stUtzeo zwei Momente ins Auge fassen, füge icb noch eio
drittes hinzu: die Traditioo oder, wie man besser sagt, die ge¬
schichtliche Ueberlieferung, der auch in jedem andern Zweige
der Philologie ihr Recht oicbt atreitig gemacht wird. Ich balte
nun diesen meioeo Weg für den einzig ricbtigen und beatreite,
dass Textvergleicbung und Etymologie, sei es jede eiozelo für
sich oder beide zusammengenommen, dazu binreicl>en, uns die
wissenscbaftliche Definition einea Wortes mit Sicherheit zu ge¬
beo. Waa zuerat die Vergleicbuog der Textesstellen betrifft, ao
behaupte ich, dass selbst aolcbe Wörter, die sich, mehrfach be¬
legen lassen, nur in den seltensten Fällen in ao prägnanter Stel¬
lung eracheinen, daaa man mit vollkommener Sicherheit aagen
kann: das Wort muss diese oder jene Bedeutung hüben. Mei¬
stens sind mehrere Bedeutungen möglich und ea bleibt dann der
Subjectivität des Erklärers überlassen, welche gelten aoll. Ea
iat aber aucb, beim Liebte beseheo,, daa sogeoaonte Uebersetzen
aua dem Zusammenhange niclits Anderea ala ein Verauch, die
Bedeutung eines Wortes aus dem Zusammenhange zu errathen,
Rathen aber iat keine Wissenschaft.
.Schon dadurch also , dass ich stets meinen Auagaagapuokt
von der Tradition nehme, werde ich meist schon vom Anfang an
auf ganz andere Wege gewiesen, als Hr. Haug einschlagt. Ea
kommt aber dazu eine oicht minder wichtige Verachiedenlieit in
etymologischen Verfahreo, auf die ich nun einzugehco haben werde.
Es ist nämlich bei mir eine Regel, von der ich, ohne dazu
gezwungen zu aein, niemals abweiche, dass ich jedes etymolo¬
gisch zu beatimmeode Wort in aeioe Grundbeatandtheile auflöse,
Spiegel, Bemerkungen über einige Slellen des Avesta. 51
die Wurzel zu den iibrigen oitbaJttriacben Wurzeln, das Suffix
zu den allbaktriscbeo Suffisen stelle. Auf diese Art erhalte ich
ein althaktrisclies Wurzelwörterbuch, in dem sich alle Spröss¬
linge ein und derselben Wurzel zu einer Wortsippe zusammen
ordnen. Betracbtel man nun eiue solcbe Wortsippe mit Bezug auf
die traditionellen Erklärungen der einzelnen Wörter, so 'hat man
damit eio neues Biilfsmittel in deo Häoden, um zu prüfen, ob
die Traditiou ricbtig ist oder nicht. Auf der aodero Seite, zeigt
sich dann auch der Grundbegriff einer Wurzel , ao wie die ab¬
geleiteten Bedeutungen derselben auf das Deutlichste, aumal weno
man auch die neuem eränischen Spracben dazu hält, wie ich dies
stets EU thun pflege, leb wüsste nun nicht, was wissenschaft¬
lich gegen dieses mein Verfahreo einzuwenden wäre. Wenn aucb
Sanskrit und Altbaktrisch zwei nahe verwandte Sptacheo siod,
so folgt daraus doch noch oicht, dasa ,man dus suoskritiache
Wurzelwärterbuch aucb für das Altbaktrische gelten lassen müsse.
Viele hielten und halten noch jettt Griechisch und Lateiniach für
zwei eben so enge verbuodene Sprachen wie Sanakrit und Alt-'
baktrisch, aber es iat doch meioes Wissens noch Niemaodem ein¬
gefallen, die Behauptung aufzustellen, dasa das griechische Wur¬
zelwörterbuch auch für das Lateiniache gelte. Wenn ea nun
aber einmal passend ist, den Wortacbats des Altbaktrischen in
der voo mir aogegebeoen Weiae zu behandeln, so muss natürlich
jedes Wort so behandelt werden, gleiefaviel ob dasselbe eioea
vedischen Passirachein aufzuweisen bat oder nicht
Diea iat nun der Punkt, io dem ich micb vollkommen voa
Hro. Haug acbeide, der von voroe bereiu annimmt, daas Veda
und Aveata identiacb aeien und zum Beweia dafür sofort feathält,
dasa auch die eiozeluen Wörter dea Veda und Aveata identisch
seien. Man weist dann gewöbolich auf die grosse Verwaadt¬
scbaft grammatischer Formeo bio — als oh dadurcb texikaliache
Ideotität begründet würde. Ea ist leicht zu sehen, wie sick
dieae Art zu etymologiaireo voo der meioigeo unterscheidet. Ich
bebaodle das Altbaktrische als Schwestersprache des Saos¬
krit ganz in derselben Weise, wie man das Lateinische, Grie¬
chische, Gothische u. s. w. auch behaodelt; Hr. Haug hingegen
behandelt das Altbaktrische als Tochtersprache des vedi¬
schen Saoakrit, er setzt oicht bloa Gemeiosamkeit der Wurzelo,
gleiche oder ähnliche Bedeutungen der Ableitungssuffixe voraus,
sondern ganz fertige Wörter mit fest gebildeten Begriffen. Wäh¬
rend bei mir die Entwickelung des Altbaktrischen mit der dea
Sanskrit parallel läuft, müssen bei der andern Methode die alt¬
baktrischen Wärter speciell in das Sanskrit einmünden. Ich halte
nun dieses Verfahren durchaus für uiigerechtfertigt. Wer du sagt,
das Lateinische sei mit dem Griechischen am nächsten verwandt,
der pflegt sich gewöbniicb alsbald zu verwahren , dass er damit
nicbt sagen wolle, das Latein stamme aus dem Griechischen oder
4»
5'i Spiegel, Itemerkungen über einige Sleilen des Avesla.
nmgekehrt, ja, mnn pflegt tndelnil nnf den Vcrsueh älterer Phi¬
lologen hinzuweisen, welche dus Ijnteinische aus dem Aeolischen
erklären wollten. Ks ist aher gewiss um nichts hosser, weun
man das Altbaktrische aus dem vedischen Sanskrit erklärt, son¬
dern viel schlimmer.
Au^ dem Gesagten geht wohl hinlänglich hervor, dass die
Behauptung des Hrn. Haug, der Unterschied zwischen seiner und
meiner Bearbeitung der GAthäs sei eben der, dnss er philologisch
genau , ich aber ungenau gearbeitet habe , gänzlich unhaltbar ist.
Es ist klar, dass hier principielle Verschiedenheiten von grösster
Wichtigkeit vorhanden sind, es kann uns nichl wundern, wenn
sich die Folgen duvon sofort in der Behandlung der Sprache zei¬
gen. Sie bedingen vor Allem eine fast gänzliche Verschie¬
denheit des Lexikons. Fast jedes noch zu bestimmende
Wort wird von Hrn. Haug anders erklärt als von mir. Da nun
die Wörter aber Begriffe entbalten, so werden natürlich die Ueber¬
setzungen total von einander abweichen müssen. Die Verschie¬
denheit der Uebersetzungen und des Textveratändnisses ist nber
eine so grosse, dass ieh ohne alle Uebertreibung sngen kann,
ich verstehe unter Parsismus etwas ganz Anderes, als' was Hr. H.
darunter versteht. Man wird nun auch begreifen , warnm ich
immer, Hrn. H, gegenüber, nur diesen principiellen Unterschied
betont habe, ohne mich jtuf Bekämpfung der Einzelnheiten ein¬
zulassen. Ich halte gerade diesen Weg für den von der Wissen¬
schaft gebotenen und werde dorum auch künftighin in gleicher
Weise fortfahren, auf ihm zu gehen. Wollte ich Hr. H.'s An¬
sichten in ihren Einzelnheiten widerlegen , so würde ich eben
gferadezu ein Buch gegen ihn ichreiben müssen. Eine solche
eingehende Polemik wäre aber für die Anhänger meiner eigenen
Ansichten bald nutzlos und unerquicklich , während sie den , der
einmal meine GniniLsätze nicht theilt, doch nicht überzeugen
würde. Noch weniger kann ich mich anf solche Fragen einlas¬
sen, wie sie Hr. H. io seiner Lecture on the origin of the Parsee
religion (Bombay 1861) behandelt, ohne dass der Streit sofort in
ein verwirrendes Gezanke ausartete. Kurz , wenn ich üher irgend
etwas mit Hrn. H. streiten knnn, so ist dies eben üher die Prin¬
cipien der Erklärung und Hrn. H. geht es mit mir ebenso. Kr
scheint dies auch gefühlt zu haben , denn in den Vorwürfen , die
er mir in der Vorrede zur zwejten Ablheilung seiner Ausgabe
der Gäthis macht, lässt er sich daxu herbei , mich auf dem Bo¬
den der Parseatradition zu bekämpfen, ich bedaure nur, sngen
zu müssen, dass er sich auch in diesem Streite nicht correct
benimmt. Br hält nämlich (so auch noch io seinem neuesten
Buclie) fortwährend die Fiction fest, als habe ich die 'i'radition
übersetzen wollen, nicht den Text, Nun habe ich aber, in der
Vorrede zum zweiten Bande meiner Avestaübersctzung, gegen
eine solche Vorraussetzung förmlich protestirt nnd Hr. H. 'kennt
Spieyel, Bi meikumjen über einige Stellen des Avesta. 53
jene Vorrede, aber wäbreud er genau weisa, wus auf p. VII
gicli findet, scbeint er Iteiue Alinung davon zu buben, was auf
Vlll u. IX zu leseu ist. Uocb, dem sei wie ibm wolle, icb
glaube CS unserer Gesellscbaft scbuldig zu seiu , auf jene Vor¬
würfe, die mir unter ibren Auspicien gemacbt wurden sind , bier
/u untworten.
1. Hd-fräshmd-dditi.
Dieses etwus schwierige Wort ist mir zuerst Vd. VH, 147
begegnet. Ich habe es iu der betreifeuden Stelle meiner Ceber¬
setzung blos umschrieben und in der Nute dazu bemerkt: v„llu-
fräshmö-däiti wird hier in der HüzväreschUbersctzung und ebenso
vuu Nerioseugb hlos umschrieben. Es muss Sonnenaufgang he¬
deuten." Dieser Ansicht bin ich uucb im zweiten Bunde meiues
Werkes getreu gebliebeu (vgl. Y(;. LVI, 4. 2. u. 7. 5. iu meiuer
(Jebers.). Hiergegen erklärt sieh nun Hr. H. mit Heftigkeit ünd
behuuptet, das VVurt heisse vielmehr Sonnenuntergang, die
pärsen selbst bätten dies eingesehen und seine Krklärung ange¬
nommen. Ist dies wirklich der Fall, so wolleu wir ibnen nicht
nachfolgen, denn wie mir scheint, lässt sich der vollgültige Be¬
weis führen, dass diese Krklärung sowobl der Traditiou~ als den
Texten widerspricht. Ich will den Leser ganz den Weg fübren,
uuf dem icb zu meiner Erklärung gekommen biu.
Befragen wir Uber dieses Wort zuerst die Traditiou, so
zeigt sich eine vun mir schou berührte Schwierigkeit : die älteste
Uebersetzung umschreibt den .Ausdruck blos und auch bei Ne¬
riosengh findeu wir Y^. LVI , 7. 5. pa^cAt bupräsmö dadäti , iu
der verwirrten Uebersetzuug von Yc. LVI, 4. 2. entspricht pa^cät
vriddhidänum dadäti. Das blose Umscbreiben des Ausdruckes
kauu nun eiuen doppelten Grund haben. Entweder: schon die
ältesten Uebersetzer wussten denselbeu oicht mehr zu erklären,
dunn werden ibn aucb die Spätern nicht mebr zu deuten wissen.
Oder: das Wort Hü-fräshmd-däiti war ein ullgemein angenom¬
mener Kunstausdruck, den man nicht zu erklären brauchte, in
diesem Falle können auch die späteren Erklärer noch etwas dar¬
über wissen. Von solchen neuern Erklärungen war mir früher
nur eine hei Anquetil zugänglich, lu seinem Zendglossur (ZAv.
T. II. p. 463) übersetzt er Houfruschniodäd : Commencement du
jour, le cuq celeste. In einer Note (ibid. p. 173. n. 1.) sugt er:
L'lloufrascbmodud appelle encore Perodereseh et uomme impro¬
prement Kebrkäs. Hier wird also Hu-fräshoiö-däiti als Morgen
gefasst. Was icb seit 1852 von der Trudition weiter kennen
gelernt habe, hat nur dazu dienen können, micb in dieser Ansicht
zu bestärken. Alle neueru Erklärer, die icb keunen gelernt habe,
übersetzen den Ausdruck mit ardhi-räl oder nim-sab (w^i^ f^)^
.Mitternacht. Dies ist aber geuau Anquetil's comuiencemeot du
jour, denn der Tag der Pursen beginnt um Mitternacht. — Allen
54 Spiegel, BemerkungeH üb'er einige Stellen des Avesta.
diesen znsammenstimmenden Zeugnissen gegenüber bringt nun Hr.
H. ein gans neues herbei, welches ganz Anderes hesagt. Es soll
dasselbe dem Nerengestin entnommen sein und behauptet, es sei
HA-frAshmd-dAiti die Zeit Uiajöirina d. i. Nachmittag bis die
Sterne aufgeben, lih hin wohl entschuldigt wenn ich .nicht weiss
was in einem Buche steht welches, wie Hr. H. selbst weiss,
niemals ein Europäer gesehen hat und zwar n u r in diesem. Ich
müsste mir es auoh auf alle Fälle angesehen und genau ange¬
sehen hahen, ehe ich ihm eine solche Autorität einräumte, dass
ich seine Angabe allen andern gegenüber vorziehen sollte, dienn
ich gestehe, diese Angabe ist mir sehr verdächtig. Doch dem
sei wie ihm wolle, im besten Falle hahen wir eben eine Tradi¬
tion vor uns wie die obige auch , und da sich beide nicht ver¬
einigen lassen, so werden wir entscheiden müssen welche wir
vorziehen wollen. Ich bleibe bei der früher schon von mir an¬
genommenen, schon weil sie die besser beglaubigte ist. Wir
werden später finden, dass sie sicb noch rait andern Gründen
stützen lässt.
Wir wenden ons nun zur Betrachtung der Textstellen in
denen das Wort hA-frdshm6-däiti vorkommt. Es sind deren nicht
sehr viele, wir können sie daher vollständig hersetzen, Vd. VII,
146. 147 (7, 58. 59')) aeta^sbva dakhmadshva mashya hanm mere-
cya^^tema bavainti pa^ca hfl fräshmA däittm tadca yä kuqu khratus
ma^yd khratbwal(m odit paitishaiti. In diesen Dakhmas sind die
Menschen am tödtlichsteo. Naeh ... beneiden (öder verlan¬
gen) die welche wenig Verstand haben, nicht die welche vielen
haben >).
Tf. L|VI, 4. 2. (57, 10) yd drigbao^ca drlvayäo^ca amavat
nmlnem halim tästem pa^ca hfl fi-4shmd däitim. Welcher (^raosha)
für' den Armen und die Arme eine wohlgezimmerte Wohnung ist
nach >).
1) Die in Kfammern eingeschlossenen Zahlen beziehen sich aof Wosler- faard's Aaigabe.
2} Westergaard zieht die Worte pa^ea bü-frAshmi dUiliia xam Vorher¬
gehenden, 4er Sinn wird dadoreh nicht weseatlich geändert: paitishaiti von paitisb i. e, ish -f. paiti von der Tradition gewöhnlich mit „verlangen" über¬
setzt. Oie Aedeweiae ui-j& läast aich noch durch weilere Beiipiela, er¬
weisen.
3) Statt drigbaos wie ich mit den Codd. b, c. d. leae giebt Westerg.
daregbaos. Beide Lesarten sind gleich richtig, denn beide Pormen köooen
dem Avtsta nicht abgaaproekeo werben. Darrgbn findet sich aueh noch
Yt. 10, £4, Afrg. 1, 4t drigho aber ist das Gewöhnliche. Im ältern Dialekte atebt dsrega : cf. daregabyo im Abuna-vairya nnd daregudnya^bo Y(. XXXVIII, 13, (38, .6) neben drigu ef. Yf. XXXIV, 5 (34, 5). Dass daregba, drigbu aoviel ali'„am,.(färnig'' heiase, zeigen sowohl die Tradilion als die Texte nswlderleglieh. Die Huzv. Debera. übersetzt es gewSholieb mit Cli'll d. I:
oenper*. (JSrj^^j nad leb Flaabe, daaa drigfca nnd Wll identiacb aiad.
Zwar sagt Herr R. mit seiner gewSbnIlebea Znversiehlliehlreit : ,, Baktriscbes g
Spiegel, Bemerkungen über einige Stellen des Avesta.
V?. LVf, 7. 5. (57, 16.) y6 vi^pem ahdin a^tvantem erefhwa
fnaithUha oipAiti pa^ca hd fräshmd (läiHm. Welcber ( (Jraosha )
die game mit Körper begabte Welt mit erhabener Waffe be-
■chiitzt nacb
Yt. 4, 9. p«?ca hü fräshmd daitun vikbrdmefitem janaiti. Nach
... s'chlagt er (der Zaota) einen harten (.Schlag».
Yt. 5, 91. ana ya<;na frÄyazaesha haca hd (I. hd) vakhshät ä
hd fräshmd dätoit. iVlit diesem Opfer opfere vom Wachsen der
Soone his
Yt. 10, 95. yö zem frathäo niwyäiti pa^ca hd fräshmd däitim.
Welcher (Mithra) erdebreit herzuschreitet nach ....
Ich hahe ahsichllich die Stelle an welcher die Uebersetzung
der Worte hd fräshmd däiti eingeschaltet werden muss nur mit
Punkten bezeichnet. Uie angeführten Stellen sind ein handgreif¬
licher Beweis was es mit dem Uebersetzen aus dem Zusammen¬
hange auf sich hat. Man setze Sonnenaufgang und der Zusam¬
menhang ist nicht dagegen, ebensowenig wenn man Sonnenunter¬
gang, Vormittag, Nachmittag, Mittag oder Mitternacht setzt. Aus
den Texten wird nicht klar was hd fräshmd däiti heisst, aber
die Texte sind erst dann vollkommeo klar, wenn wir sagen
können was dieses Wort bedeutet. In der Stelle Yt. 5, 91 meint
zwar Hr. H. müsse bdvakhs einen Gegensatz gegen hd-fräshmd
däiti bilden. Allein dies ist eine rein subjective Ansicht, die
Stelle kann onders gefasst werden und ist anders gefasst worden.
Windischmann, der Hd fräshmu däiti wie ich mit Sonnenaufgang
übersetzt, beruft sicb dafür (vgl. .Mithra p. 44) gerade auf diese
Stelle. In seiner Abhundlung über die persische Anähitn p. 34
bespricht er sie ausführlicher und übersetzt die Worte haca hd
vakhshät ä bd frfisbmd dätoit: „vom Steigen der Sonne bis zum
Sonnenaufgang". Hier stände also wenigsteus Ansicht gegen
Ansicht. Es gehen uos aber die Texte allenlings einen Anhalts¬
punkt um zu einer sichern Ueutung zu gelangen, wenn auch
keinen sprachlichen so doch einen sachlichen. Von drei Wesen:
dem Zuotu, dem Mithru und dem ^mosha wird gesagt, dass sie
paQca. bd fräshmo däitim, nach Hdfräshmddäiti , thätig seien.
wird in den späteren .Sprachen kein j (y)", man darf aber nur daran denken, dass das alle Ragha das moderne Ray {^j) ist, so hat man ein Beispiel.
Im L'ebrigen vergl. man Benfey in dieser Zischr. VIII, 465. Der L'ebergang von gh in y ist ein ganz gewohnlicher, Dass daneben aucb driwis, driwika, ui..Ajjk> etc. bestehen können, zeigt gerade unser Text unwiderleglicb.
Einen Versuch übrigens, die Formen drigh und driw anch lautlich zu er¬
mitteln Bndel man bei Windischmann: Milhra p. 43. — Ganz davon abzu¬
scheiden ist dre^vat, was in den Gathäs denselben Sinn bal wie drval , pirsi dervaild böse, im gewöhnlichen Dialecte, cf. dregvarlein Y(. XLVII, 2 (48,2) dregväite Vj. XLII, 8 (43, 8) u. s. w. Nach meiner Ansicht ist dregvaj dasselbe wie drvat und verbält sicb daza äbniicb wie bvogva Y;. XLV, l(j (46, 16) L, 17. 18 (51, 17. 18; zu hvova, bvovi im gewübnlicheo Dialect.
56 Spiegel, Beuwrkungeu Uber einige Slellen des Avesla.
Der ZuuUt hegiunt Lekuuutlich aein Werk , die Recitation des
Vcndidäd, uui iVlitterouclit, uuf ilin würde also die oben ermittelte
traditiooelle Bedeutung puaseo. Mitbra iat to den Vedaa dua
Liebt des Tuges (cf. R. Rotb iu dieser Zeitscbr. VI, 70), in
Avesta wird er ebenfalls mit der Souue io Verbindung gesetzt
uud als das Alles belebende Liebt aufgefasst ( Wiodiscbmann,
Mitbra p. 52), im Neupersiscben beisst ^ geradeso die tiuune.
Uad dieaer Geaius sollte seine Uauptwirksamkeit nach Sonnen¬
untergang entwickeln? Hauptsäcblich ist es aber ^raosha den
mir Hr. U. entgegen halt. Dass dieser in der Nacbt seine Huupt-
wirksainkeit hat ist gewiss, ober in welchem Theile der Naciitf
Nucb Vd. XVIII, 48 flg. (18, 22 flg.) fordert das Feuer im drit¬
teo Drittel der Nacht den ^/raosha zum Schutze auf und dieser
weckt donn den Vogel Paro-dars, d. i., oach allgemeiner Ansicht,
den Hahn. Deutet dies auf Sonnenuntergang^ Um es kurz zu
sugen: Mithra und ^r""^''" haben mehrerlei Beiwörter, weil sie
mehrerlei Functionen haben. Hier interessiren sie uns hauptsäch¬
lich als Genien der Tageszeiten. Aus Stellen wie Yq. 1,7-^9;
20-22. (1, 3. 7.), dann Gäh 1, ö. 8 nnd 5, 1. 2 flg. geht nnn
unwiderleglieh hervor, dass ^ruosha über den Gäb Ushuhina ge¬
setzt ist, der von 12 Uhr Nachts bis zum Sonnenaufgang dauert,
Hitlira üher den Gäh Hävani der von Sonnenaufgang bis Mittag
währt. Die Wirksamkeit dieser Genien dauert also vun 12 Uhr
Nachts bis 12 Uhr Mittags, umfasst also die Zeit der Zunahme der
Soone. Man wird daher geneigt sein Hü-fräshmü-dditi als Mit¬
ternacbt oder Togesunbruch zu fassen. Nacb der von Hrn. H.
vertretenen Ansicht wäre Aiwicruthrema, die Zeit vom Aufgang
der Sterne bis Mitternacht, schon als pa^ea hü fräshmd däitim
su baseicbnen. Die Genien, welche diesem Theile der Nucht
vorsteheo, sind die Fravaschia (was auch ganz passend ist, da
diese als Sterne gedacht werden). Aber niemals wird von dieseu
gesagt, dass sie pa^cu hü fräshmd däitim kämen, aouderu.blos
in den Nächten (da^a pairi khsfaafoö Yt. 13, 49.).
So hätteo wir denn die Bedeutuog „Mitternacht" oder „Ta¬
gesanbruch" ermittelt. Betracbten wir nun aber die Etymologie
des Wortes, so seheo wir leicht, daas diese Uebersetzung keine
wörtliche sein kann. Der erste Theil, hü, ist klar, er bedeutet
Soone (wie in bü-vakbshat, hü paiti adhwunem), der letzte ist
däi,ti, Gebnng, Setzung. Eine Beziebung auf die Sonne muss
nun wohl jedenfalls darin gesucht werden und der Schwerpunkt
liegt in dem noch unbekannten fräshmo. Hr. H. sagt , dieses
Wort sei das neupersiscbe (Lüy Abend, doch wird er wohl selbst
kaum diese Aeusserung für eiae genügende Etymologie betrach¬
ten. Abgesehen näaiKcb davon dass das Wort obwohl es
von den persiscben Lexikographen als persisches Wort aufge/uhrt
wird, dadurcb etwas omioös ist, dass es sicb mit den arabischen
Spieyel , HcmerkHiiyen über einige Slellen des Avesta. 57
|.L.cuJt (was niclit blus Syrien sunderu auch Westen heisat) berührt,
so gehört docb beut zu Tqge zu einer vollgültigen Ktymologie,
dass man angebe was als Präfix und was als Suffix, endlich was als
Wurzel zu betrachten sei. leb muss cs Hrn. II. überlassen, die
Gründe für seine Behauptung selbst zu entwickeln und glaube,
duss man zu fräshmd anch fräsbmis stellen muss , einen Beinainen
des Haoma, der übrigens aucb dunkel bleibt, weil di« Ueber¬
setzer bis auf die neueste Zeit ihn blos umschreiben. Dass man
vun diesen Wörtern mö (man) und mis als Suffixe ablösen mnss
ist wohl klar. Ks bleibt uns dann fräsb und mn dieses zu er-
'klären stehen uns mehrere Wege oifen, die zufällig ulle zu dem¬
selben Resultate füliren. Man kann fräsh weiter zerlegen in usb
-|- fra. Die Wurzel usb cl. 5. kommt häufig vor und heisst gehen,
gelangen (z. B. Yt. 10,85 yÄgbS väkhs gerezänahg u^ ava raocäo
ushnaoiti , welches des Weinenden .Stimme hinaufdringt zu den
Lichtern). Mit fra verhunden heisst sie: hinzugelangen, häufig im
bösen Sinne, doch nicht ausscbliesslich cf. Vd. I, 4 (1, 1). Es
könnte aber fräsh zweitens uucb eine Erweiterung dier Wurzel
frä, frayuti sein, docb scheint mir dieses am unwahrschein¬
lichsten, weil meines Wissens keine anderen Ableitungen auf
eine solche Wurzel fräsh zurückfübren. Es lässt sich endlicb
uucb noch un frafis , frasha denken , woraus fräshman , fräshmis
mit Verlängerung des u entstanden sein könnte. Dieses frasha
findet sich in doppelter .Anwendung und ist bereits von Windisch¬
mann (Mithra p. 26) in Kürze richtig, von Hro. H. aber falsch
erklärt worden. Frusha (im Huzv. = 5i<DS, i. e. ßß) als Adver-
biuin, ist eine Weiterbildung aus fruus, den Gegensatz bildet
p.-iraiis Y(;. IX, 39 (9, II) und upuiis Yt. 10, 48 etc. nebst upashu
Yt. 14, 46. Es ist, wie VVindiscbmaun richtig bemerkt, griech.
n(jüaio , n(j6aa(t) und onlaaio zu vergleichen. Daneben findet sich
aber auch ein adj. frushu dus ich mit fördernd, Wiodiscbmann, wohl
uicht obue etymologische Nebengedanken, mit frisch übersetzt.
Fräshmis : der Förderer oder der Erfrischer ist ein ganz passen¬
des Beiwort für den Haoma, mit dessen HUIfe das Lebendige
unsterblich werden wird. Also Vorwärtsgehen, Erfrischung der
Sunne ist naeb allen diesen Etymologien die richtige Erklärung
des Wurtes hü - fräshmu-däiti. Was uber das Wort büvukhs uii-
belangt so ist dies keineswegs ein Gegensatz gegen hü-fräshmö-
däiti. Uüvakhs beginnt wo hü-fräshinu-däiti aufliört, nämlich beim
Gäh Hävani , subald die Sonne sichtbar gewordeu ist uud dauert
so laoge diese wächst oder zunimmt, d. h. bis Mittag.
Unser Resultat ist demnach folgendes : Man kann das Wurt
hü-fräshmö-däiti auf verschiedene Weise wiedergeben. Man kanu
CS freier übersetzen durcb Mitternacht oder Tagesanbruch,
wörtlicher ist V or wä rt s ge h e n oder Aufgehen der Sonne,
nur muss man diesen letzteren Ausdruck in etwas weiterem Sinne
58 Spiegel , Betnerkungen über einige Slellen des Avesla.
verliehen «Ig wir g-ewöhnlich thun und auch schon die allerersten
Wirkungen der Soooe daruoter hegreifeo. Die Bedeutung „Soo-
nenuotergaog" ist eotschiedeo zu verwerfen.
2. Qaetus, verezeoa, airyaman.
Wäre es mir blos darum zu thun, Hrn. U.'s Angriffe abzu¬
wehren, so wiirde ich nicbt viele Worte' zu verlieren brauchen.
Er greift vornehmlich meine Behauptung an, diese Worte be¬
zeichneten dogmatische (ich hätte wobl besser gesagt: ethische)
Begriffe ond hehauptet, dass die Parsen nichts davon wüssteo.
So uogern icb non auch von der Tradition abweiche, so kommeo
doch Fälle vor, wo dies gesebeben musste und geschehen ist,
eine Verpflichtung stets nur die Tradition wiederzugeben, habe
ich, wie gesagt, nirgends übernommen. Hiermit wäre Hru. H.'s
Einwurf vorläufig erledigt, ich ergreife aber mit Vergnügen die
Gelegeobeit, die mir geboten ist, aucb an einem den Gäthäs ent¬
nommenen Beispiele zu zeigen , wie meine Art zu erklären von
der des Hrn. H. sich unterscheidet.
Dass ich in diesem Theile des Avesta der Tradition nicbt
ganz denselben Werth zuschreibe wie sonst habe ich schon öfters
gesagt und es ist dies nicht etwa ein mir vou deo Gegnern ab-
gedrungeiies Zugeständniss, sondern ich habe dies von allem .An¬
fang an behauptet (vgl. Weber: indiscbe Sludien I, 305). leb
sehe jetzt aus J. Oppert's eben erschienener Abbandlung über
Honover, dass Burnouf dieseihe Aosicht hatte. Hierdurch, sollte
man meinen, müsste gerade in diesem Theile der altbaktrischen
Literatur mein Slandpunkt dem des Hrn. H. näher stehen als
sonst. Allein die Abweichungen sind noch immer gross geoug.
Ich weiche zwar hinsichtlich der Coostruction vielfach von der
Tradition ab, aber in der lexikalischen Bestimmung der Wörter
gehe ich auch hier meist von der Tradition aus und finde sie
sogar vortrefflich , wie ich dies in der Vorrede zum zweiten Baode
meiner Debersetzung p. VII scbon gesagt habe. Sodann gebt bier
wie sonst mein vorzüglichstes Bestreben dahin: die Continuität
der Parsenliteratur festzuhalteo. Ich sage mir vor Allem : der
Dialekt der Gäthäs ist ein altbaktriscber Dialekt, die Gäthäs
selbst sind ein Theil des Avesta, es wird also die erste Pflicht
des Erklärers sein, die Gäthäs sprachlich und, sachlich mit den
übrigen Stücken des Avesta zu vergleichen und zu sehen, was in
beiden Theilen gleich ist und was abweicht. Hr. H. hält da¬
gegeu vor Allem fest, dass Veda und Avesta identiscb seien und
dass die Gäthäs als der älteste Theil des Avesta noch vediscber
sein müssten als die übrigen. Soviel glaube ich zum Verständnisse
vorausschicken zu müssen. Jetzt zur Erklärung "der einzelneo
Werter und Stellen.
Was nun zuerst qadtus betrifft, so übersetzt die Hnsrärescfa-
Debersetzung dieses Wort an den meisten Stellen «it ibv^in,
Spiegel, Bemerkungen über einige Stellendes Avesla. 59
dafür erscheint bei Neriosengh stets svAdhinatä. So Y9. XXXIi,
1 (32, 1.) XXXIII, 3 (33,; 3) XXXIX, 13 (39, 5) XLVIII, 7
(49, 7). Nur an wenigen Stellen fiodet sich qai^tus mit iSN^O^in
(^jUij^i-) oder svädhinah übersetzt wie XXXIII, 4 (33, 4) XLV,
1 (46, 1) LII, 4 (53, 4). Nur an einer Stelle XL, 10 (40, 4)
steht der Sing. piCD: aher collectiv, weshalb auch hier Nerio¬
seogb svädhioäl) übersetzt. Das Wort iricin ist oun im PArsi
und Neupersiscben in letzterer Sprache bat das Wort
nach Vullers die Bedeutungen: consanguinitas , propinquitas , co-
goatio, affinitas. Mit diesen Bedeutungen reichen wir aber weder
für das'Parsi noch für das Huzvärescb aus, dort schliesst sich
vielmehr an die Bedeutung der Verwandtschaft noch die der An-
gebörigkeit, der Abhängigkeit. So beisst es im Minokbired das¬
jenige Land sei froh: ke ezh q^si . i . vataraun 6 qesi . i . vohann
ra^et d. i. welches aus der Angebörigkeit der Bösen in die An¬
gehörigkeit der Guten kommt. Das Wort wird dann in übertra¬
gener Bedeutung gebraucbt, wie aus folgeoder Stelle des Patet
Aderbäl hervorgeht: fj\iß cts-.* *j sX«!^-. ^ ^
^ ^r v>.«j ^ ß Oy^ ^^XÄb '^^y^
iAjI^U Ij qI^j „Das Vermögeo welches ich habe alles
zusammen besitze ich in der Angehörigkeit an die Yazatas. In
der Angebörigkeit ao die Yazatas besitzen ist dns: wenn eine
Sache kommt wo es sich geziemt den Leib der Seele wegen hin¬
tugehen, so gebe ich ihn')." In derselben übertragenen Bedeu¬
tung findet sich dns Wort u.ü}''in oft in der Huzv. üebers. z. B.
gleich Y^. XXVIII, 1 (28, 2). Im gewöhnlichen Dialekte finden
1) Einige Bemerkungen werden die spracblicben Abweichungen obiger
>
Stellen vom Neupers. klar machen. ^ , eigentlich Wurzel and Fracht, heisst in den Schriften der Parsen soviel als; alles zusammen (cf. meine Bem, zu Neriosengbs Yafna I, 17.) — |*J yam was ieh , cf. Pärsigrammatik
§. 55. — i^'-^Jl s'Kht bekanntlich im PÄrsi noch in seiner ursprünglichen pluralen Bedeutang cf. Pärsigr. p. 201. — ^yfßö oder fyß'-^ ist eine dunk¬
lere Aossprache fdr das gewöhnliche fßi. Ebenso aaeb spüter cf.
Pftrsigr. §. 74. — ^1 e , dieses , ein Pronomen von derselben Bedeatnng wie (^Ij welches im Pärsi einige Male, im Huzv. (^J«) öfter vorkommt. Cf.
Hazvärescbgr. §.80 und in meinem Hazvarescbglossare a, v. — babif,
ea ist, cf. Pärsigr. §.71, ku = oeap. als Partikel. Cf. Päraigr.
§. 108. — [J*^ , im Minokbired gewöhnlich thi( atebt sHnzv. U)ä, neop.
Pärsigr. §, 60.
60 Spiegel, Uemerkungen über einige Slellen des Avesta.
wir das Wurt qudtua ansser iu der schwierigen Stelle Y^-. \X, 1
(20, 1) in dem Worte qaStva-datha; die Heirath unter Verwand¬
ten. Fragt man nun wie sich uus der Bedeutung Verwandtschuft
gerade die der Abhängigkeit entwickelt habe , so verweise ich
uuf die eränischen Stammesverhältnisse. Man lese uur die Reisen
durch Persien und man wird finden wie gross bei den .Stämmen,
bei welchen sich diese Einrichtung noch erhalten hat die Anhäng¬
lichkeit an ihr Stammesoberhaupt ist und wie sie auf sein Ge¬
heiss freudig in den Tod gehen ').
.Somit müssen wir bezweifeln dass qactus selbständig, unab¬
hängig oder nuch Eigentbümer, Herr bedeute, was nach Hrn. H.
(zu Y?. 46, 1) „ausser allem Zweifel" ist. Auch über die Ety¬
mologie des Wortes kann ich nicht gnnz mit ibm übereinstimmen.
Ich frage .nämlich vor Allem, ob die Etymologie etwas dagegeu
hnt, dass qaetus = lacin , also ein Abstractum, sein könne.
Ich gehe von der Abstractbedeutung aus, nicbt blos weil sie sicb
um häufigsten findet, sondern aucb noch aus einem andern Grunde
auf den ich unten zurückkommen werde. Ich glaube es ist klar,
dnss man dus VVort in qaö-tus zerlegen muss, die erste .Silbe ist
Stamm, die zweite ist Endung, (tue, selbst, findet sicb aucb in
quvpnitbyn wieder und ist = skr. sve in svny-am , qni'tus würde
also im .Skr. svetus luuten wenn es vorhundeu wäre. Wuruni
Hr. H. quSius uus qnyatu zusammengezogen erklärt und einem
skr. svayntu entsprechen lässt weiss ich nicht zu erkläreu , er
müsste denn ein Thema svuya-m angenommen habeii, Uattus ist
nach meiner Annahme gebildet wie peretu uud zantu ; es ist wohl
keine Frage, dass dus Suffix tu ebenso wie in den verwandten
.Sprachen Abstructe bilden konnte, üer Kürze wegen darf ich
wohl uuf Bopp, vergl. Grnmni. § 860 flg. verweisen, uud dumit
die trnditionelle Angube einstweilen für gesichert erachten. Die
Itetraclituug der Textstcllen die strenge genommen der Fruge
nucb der Etymologie des Wortes noch vorun gegangen sein
sollte, verspare icii absichtlich bis aus Ende der guiizcu Unter¬
suchung.
Etwas schwieriger ist es mit dem Begrilfe von verez^'uu ins
Reine zu kommen. Dieses VVort nehmen die Parseu in verschie¬
dener Bedeutung. Die Huzv.-Uebersetzung hat dufür un einigen
Stellen |3\zän i. e. U^jj) Thun, = karinun bei Neriosengh Yi;.
XXXVI, I (36, i) oder samäcurunum Yt;., XLVIII, 7 (49, 7).
Etwus freier vi iedcrgegebeu ist verezeua iu der .Stelle Yc. .X.XXIV, 11 (34, 14):
1) LercU (Forschungen über die Karden I, p. X) sugt von den Kurden :
„Von ihren .Sliimmeshüupiliugen sprachen sie immer mit begei.slcrunf; , wuss¬
ten dereu Taplerlicil, Grus.tmulh und andere gule Kigettschaften /,a riihuieu oder erzählten mil Rührung deren tragische Schicksale, die bei der Wort- brüchigkeit und Gniusaiiikeil der türkischen l'a.scbu nicht seilen sind."
Spiegel , Bemerkungen über einige Slellen des Avesla. 6 1
tAt zi mnzdä vairim n(;.tvaite ustänäi dätä
vn^liSns skyaollianä mnnaglin yOi zi geus verezen^ azyän
khshmnknnm liuci^.tim ahurä klirateus ashä frädu vcrezenä
Diesen Wunsch, o Mazda, gewähret der mit Körper hegah-
ton Seele;
Werke des Vohu-mano, für die, welche arheiten mit der
gehenden Kuh,
Kure Weisheit, o Ahura, Wirksamkeit des Geistes, der die
Reinheit fördert')
Es erscheint aher vcrezenä nach der Tradition auch in der
Uedeutung TÖST^NI. Was dies hedeuten soll, würde schwer zu
engen sein, wenn nicht die Glossen zu der Uebersetzung selbst
das Wort mit iBD'NOa!!, i. e. ^^il^^» ^ Nachbarschaft, über¬
setzten. Neriosengh gieht das Wort mit svnpankti , zur eigenen
Klasse oder Gesellschuft gehörend. So steht es Y5. XXXII, 1
(32, 1). XXXV, 22 (SÄ, 8). An zwei Stellen XXXIII 4, (33,
4) und XLV, I (46, 1) ist cs concret: Die Nachbarn ]3N3tin"> =
svapankfayah , sva^retiayah , im Plural gebrancht. Wir finden dns
Wort verezena im gewöhnlichen Dialekte des Avestu wieder als
vcrezäna und die Tradition nimmt auch dort, so weit sie vorhan¬
den ist, die beiden oben angegebenen Bedeutungen in Schntz.
So wird verczäna Y5. LXIV, 25 (65, 6) mit Tijtini, Nachbar,
ühersetzt, dagegen ^niri verezänÄ Vd. XV, 54 (15, 20) mit
7311311 n"':t«3DTB. Die Abstractbedeutung ist auch festzuhalten io
Yt, 10, 80, dagegen die concrete in Yt. 10, 116 u. 13, 30.
Was nun die Etymologie des Wortes anbelangt, so ist sie
klar genug, das Wort ist eine Participialbildung der Wurzel
verez, i. e. , wirken, die Uebersetzung mit pttön ist
demnach etymologisch vollkommen gerechtfertigt. Anch die Unter-
1) Meine l'chersclzung entfernt sich etw.is von der Tradition, aber noch mehr von Herrn Hang. Icb ziehe vairim zu tat entweder als neulr. oder als adverbialen A(;cusaliv : dieser Wnnsch oder dieses als Wunsch. Ich fasse vairya als Wunsch , wie e.s die Tradition hier nnd an andern Orlen beslimmt angiebl. Cf. Yj. XXXVIII, 3 (38, 1) L, 1 (51, 1) XLII, 13 (43, 13). Die Ableitung vnn var wählen, einer im Mtbakirischcn ganz gewöhnlichen Wurzel, macht keine Scbwierigkeit nnd auf die ganz subjective Versicherung, cs passe diese liedeutung nicht in den Zusammenhang, lasse icb mich nicht ein.
A^lvat ustünem isl die mit Kürper bekleidete Lebenskraft ^^L>'). Dätä nehme ich hier wie XLII, 13 (43, 13) als 2.^fa. plur. aar. in wünschender Redeutnog wie oft. Obwohl Ahura-Mazda allein angerufen wird, so zeigt doch das unten folgende khshmäkanm dass hier, wie öfter, die Amcsha- 9pentas mit zn verstehen sind. Dass gäus azi eine gehende, ziehende Kuh heisst isl schon gezeigt worden. Vpl. Münchner gelehrte Anzeigen 1858.
Nov, p. 450. Verczenfi ist nach meiner Auffassung nec. plur. neulr. und Apposition zu khshmakaiim liucii^lim , dagegen ashä-fr.idö gen. sg. von ashä- fr.iil und gehiirt zu khrnleiis. Ich übersetzte es mit „Keines fördernd'', viel¬
leichl wäre heiser ,, durch Reinheil fördernd" cf. Vf. XLIII, 10 (44, 10) yä me gaelhän ashä fräduit.
62 Spiegel, Bemerkungen über einige Slellen des Avesla.
Scheidung' einer concreten und einer abstracten Bedeutung ist
leicht zu erklären: fiir die erstere müsste das Masculinum, für die
letztere das Neutrum gewählt werden, und da diese beiden Ge¬
schlechter in den meisten Casus zusammenfallen, so kann es vor¬
kommen, duss mau zweifelhaft sein künnte, welche von beiden
Bedeutungen man zu wählen habe. Schwierig aber nun ist es,
aus der Grundbedeutung ,, thuend, wirkend" die abgeleitete „Nacb-
barscbaft" herzuleiten. Wir müssen vor allen Dingen wissen,
was denn eigeutlich unter Nuchburn zu verstehen sei, oh es
Nachbarn in unserm Sinne seien oder ob man durunter etwas der
Verwandtschaft Analoges verstehe. Für diese letztere Ansicbt
kann der Sprachgebrauch der Afghanen sprecben , diese verste¬
ben nämlich unter uL«^^, Nachbar, einen Schutzverwandten, der
sich freiwillig in das Gefolge eioes afghanischen Stammes be¬
giebt. Diese Schutzverwandten sind nicht blos Fremde, auch
Afghanen, die aus irgend einer Rücksicht aus ibrem Stammver¬
bande getreten sind. ( Cf. Wilken üher Verfassung etc. der
Afghanen in den Abhandlungen der berliner Akademie der Wis¬
seoscbafteo f. 1818—19 p. 250 flg.) leb glaube, dass der
Hauptschwerpuokt des Wortes in dem freiwilligen Wirken liegt ')
und habe daher es als Abstractum mit Thun, Wirken, That, als
Concretum ebensowohl mit Nachhur als wirkend übersetzt. Auch
WindischmaoD hat (Mitbra p. 42) die Scbwierigkeit anerkannt,
deo Begriff geoau zu übersetzen, er hat den allgemeinen ,, Ver¬
kehr" uod „die Verkehreoden" gewählt, wodurch eine Gegen¬
seitigkeit des Handelns ausgedrückt wird.
Wir sind also — d. h. Windischmann und icb, — auch hin¬
sichtlich des Wortes verezena, verezäna zu eioem andern Ergeb¬
nisse gekommeo, als Hr. H. , dem verezeoa das Gesiode, die
Sklaven sind, „eigentlich das Arbeitende, gerade wie 133! im
Hebr." Es ist kein Zweifel, dass verezena diese Bedeutung ha¬
ben köonte, allein es ist eben nicht die Aufgube des Pbilolo¬
gen, die Bedeutung der Wörter selbst zu muchen , er but blos
zu erforschen, welche sie gehabt haben. Sobald man aber auf
die Geschichte des Wurtes Rücksicbt nimmt, ist gerade die
Haug'sche Ansicht unhaltbar.
Das dritte Wort, airyaman, wird von der Tradition meist
mit eioem Abstractum übersetzt: wofür Neriosengh
XXXy, 1 (32,1), äde^atä, XXXIII, 3 (.33,3), äde^ikata, XLVIII,
7 (49, 7) u. LIII, 1 (d4, 1) äde^a giebt. Dies heisst nach
Neriosengh's Sprachgebrauch Gehorsam, und damit stimmt auch
die neuere Tradition, welche das Wort gewöhnlich mit farmän-ui
kbäbec, i.e. Wunscb des Befehls, oder tflbe-däri-ni {\. e. ^jj\i ^[h") 1) Hierin beslürlit mich noch pärsi vfiruni = kima , das ich für ver¬
wandt halte.
Spiegel , Bemerkungen über einige Slellen aes Avesla. 63
khähe^, Wunsch der Folgsamkeit, wiedergieht. An zwei Stellen
aber Y5. XXXIII, 4 (33, 4) und XLV, 1 (46, 1) setzt die H.-
llebers." den Plural des Concretums "iSNrNQ-i'M , wofiir sich im
Pärsi ^rmänyunn findet, was die neuern Uebersetzungen mit
„Diener" (^^I^L^) wiedergeben. Neriosengh übersetzt pNJNai'N
seinerseits mit äde^ika und äde^amanali, beide Male im Plural. —
Das Wort, von dem wir sprechen, gehört blos deo Gäthäs an,
im übrigen Avestu finden wir nur airyama ishyu oder airyama
alleiu als Bezeichnung des Gebeis Y^. LIII (54), ganz wie Abuna-
vairya , Aschemvuhu etc. Auch in Vd. cap. 22 ist das Wort nach
meiner schon früher (Kubn: Beiträge zur vergl. Sprachf. I,
132) ausgesprochenen Ansicht so zu versteheo, ond hlos eine
Bypostasiruog dieses heiligen Gebetes, obwohl Främji Aspen-
jjärji den Ized A^män darunter verstehen will.
Ehe wir nun unsere Ansicht über die Herkunft des Wortes
airyamao angeben, mUssen wir sagen, dass Ur. U. nach seiner
gewöhnlichen Weise airyaman nicht blos lautlich, sondern auch
der Bedeutuug nach mit skr. aryaman identificirt. Wenn man
einmul von dem Satze ausgeht, airyaman ist der vedische arya¬
man, so ist natürlich jede weitere Erörterung überflüssig. Das
Sanskritlexikon ist dann das Lexikou für das Avestu und sagt
nns, was airyaman beisst, das altbaktrisdie airyama vergilt die¬
sen Freundschaftsdienst dadurcb, dass es seinerseits wieder die
Ermittelungen aus den Vedas bestätigt, und glänzend den Satz
erweist, duss ehen Altbaktrisch und das vedische Sanskrit iden¬
tisch sind. Dass nnn altb. airyaman und vedisch aryaman laut¬
lich identiscb sind, wird wohl Niemand hezweifeln, darun bleibt
es aber doch höchst willkührlich aozunehmen, es müsse auch
die Bedeutung gerade die vedische sein. Ich nehme mir mit
dem Worte airyaman gaoz dieselbe Freiheit, die sich ein Sans¬
kritist bei dem Worte aryaman erlauht: ich zerlege es in seine
Theile airya und man. Duss man ursprünglich eine Adjectiven-
dbng sei, durüber ist keine Verschiedenheit, mag man nuu man
auf ein ursprüngliches mäna zurückfuhren, wie Bopp thut (Vergl.
Gramm. §. 79.1) oder diese Endung mit Benfey (Kuhn, Ztschr. II,
p. 216) für eine Verstümmelung von mant halten. So aogese¬
heo, steht die Sache ganz anders. Wir haben in der Drsprache
ein Adjectivum anzunehmen, daraus kunn dann iu der einen Sprache
eio Abstractum, in der andern ein Concretum entstehen. Duss
airyaman, Gehorsam, ein Masc. ist, macht kein Bedenken, auch
im Sanskrit siod Wörter wie ushmun, päpman etc. Masculina, im
Altbaktrischen a^man , Himmel, Stein (vergl. hierzu noch Benfey
I. c. 217). Es scheint mir also kein Zweifel, dnss airyaman ein
Abstractum sein kann. Um uns nun die Bedeutung Gehorsam
zu erklären, müssen wir nun auch noch das altb. airya betracb¬
ten. Dieses Wort heisst ursprünglich arisch, ^räoisch, wird aber
5 *
64 Spiegel , BemerluMgeit über einige Stellen des Avesla.
dann aucb in etliischer Beziebung fiir das für einen Arier passende
genommen (cf. niryannnm airyd Yt. 8, 6). Nocb deutlicber sieht
man dies bei anairya, nnarisch, was wir Vd. I, 71 (1, 18) mit
arathwya unpassend in Parallele gesetzt fiaden. Diese Bedeu-
tung ist auch dem VVorte io den neuern Sprachen geblieben, 6r
wird im Minokbired voo Neriosengh mit vinaya übersetzt cf. £r-tun
= vinayatanuh , er-tani = vinayntanutä , er-manesn = vinayatnnuab.
Dagegen aoer — anäde^in, aneri=:unäde(acaritä und selbst im Neu¬
persischen heisst noch ^ii indoles prava. bemnaeb bedentet airya
ancb willig, gehorsam. Mit Recht hat Hr. H. auch das neup.
qL.«^! hierher gezogen , nur muss man eben nicbt blos eine be¬
liebige Bedeutung hervorheben , die zu einer hestimmten Voraus¬
setzung passt, sondern das ganze Wort. Vullers giebt demselben
die nachfolgenden Bedeutungen: 1) hospes, conviva splec. non
invitatus, 2) is qui propria auetoritate in alienam domum intrnt,
3) res commoduta ut domus vel palatium conductum , 4) suspi-
ratio, 5) poenitentia, 6) nomen urbis cujusdam ' i. Man sieht
also auch hier, doss dem VVorte sowohl eine concrete als eine
abstracte Bedeutung zukommt, und man wird somit die Möglich¬
keit nicht abstreiten können, dass Neriosengb's äde^ikatti rich¬
tig sein könne.
Ziehen wir nun das Resultat der vorhergehenden Unter¬
suchung, so erhellt: 1) Alle drei Wörter: qactus, verezena und
airyaman werden von der Tradition in den meisten Stellen als
Abstracta aufgefasst. 2) Die Ktymologie verbietet diese Auf¬
fassuag nicht, es bleibt also nur noch zu ermitteln, ob der Sinn
der einzelnen .Stellen erlaubt sie anzunehmen. 3) Alle drei Wörter
erscheinen auch als Concreta, aber stets im Plural. Dieser
Umstand ist es hauptsächlich, der mich bewogen hat, die Ab¬
straktbedeutung für die Grundbedeutung zu nehmen. Ich kann
mir leicht denken, dass Wörter wie „Nachbarschaft, Dienerschaft"
collectiv als Concreta erscheinen, aber icb wüsste nicht, .wie um¬
gekehrt aus dem Concretum das Abstractum werden sullte, wenn
man aicht eine Aenderung des Geschlechtes annimmt, die hier
1) Die Stadt ^L«jäl »der ^yL*Jl wird im Scliäh - namo. iiftor erwiihnt nnd bildet mit ihrem Rczirkc ein Grünzland zwi.sclien Krän und Turan , ilas hald dem einen bald dem andern Künig unlertlinn ist. Cf. Schähn. p. IS.1.
ed. Mac. :
a»ß u'jA^*^ j' ^/ ?^ üVj oW
An dieser Siclle tiest Mohl .statt . _ ibid. p. 194. heisst es von
dem einfallenden Heere Afräsiabs':
iXjA~ ^LxmJjIj cVJiXi ^.jL«,! y4-i; y >^
Schäh. p. 756 sagt der Kümmerer zum Könige :
a'-^';>'J L-j'^*' ')/* i" o'^S' '^^■''■v^ /
Spiegel, Benterkungen übev einige Stellen des Avesla. 65
bei qactus und airyaman nicbt nacbzuweisen ist. — Bs bleibt
uus nur nocb iibrig, die Stellen zu betrachten, in denen die
ubgen Wörter vorkommen. Die erste ist Yg. XXXil, 1. a.
(32, i. a.) : aqyäcä qactus yägat aliyä verez6uem mat airyamnä
„ Nach ibm verlange der Verwandte , seine Thaten mit Ge¬
horsam". So lautet meine Uebersetzung. Aqyä beziehe ich,
wie die Tradilion angiebl, auf das nachfolgende mazda, wie auch
Hr. H. thut. Meine hauptsächlichsten Abweichungen von Hrn. H.
bestehen darin, dass ich yägat erstlich als Aorist in wünschender
Weise auifasse, wie dies so oft im Altb. geschieht, Hr. H. aber
als vergangene Zeit, zweitens, dass ich.der Wurzel yäg die Be¬
deutung wünschen, verlangen gebe, wie dies die Tradition und
aucb Burnouf Ibut, Hr. H. dagegen veneratus est übersetzt. Vere-
zenem fasse ich als Objectsaccusativ zu yä;at (cf. L, 21 (51, 21)
tim vanuhim yäga ashim), Hr. H. als nom. Meine Uebersetzung
kommt im Allgemeinen so ziemlich auf die Glosse Neriosengh's
binaus; „ich wünsche dir anzugehören , dein Gefährte, dein Diener
zu sein".
Bine Hauptstelle ist XXXIII, 3 (33, 3).
y6 ashäunft vahistö qaStü vä at \& verez^nyd
airyamnä vä ahurä vidoi'ig vä thwakhsha^hä gavdi
at hvd ashabyä a^hat va^li^Uscä vä^trS mana^bö.
Wer für den Reinen der beste ist, sei es durch Ver¬
wandtschaft oder Thaten (wörtlich: oder sei es ein
Thueoder)
Oder durch Gehorsam , o Ahura, vorsorgend für das Vieh
mit Thätigkeit:
Der befindet sich im Dienste des Asha und des Vohu-mand.
Meine Abweichungen von der Auffassung des Hrn. U. sind
klar. Ich betrachte erstlich die Worte qadtü und airyamnä als
im Instrumentalis sg. stehend, was formell keine Schwierigkeit
hat, Hr. H. fasst sie als Duale, aber diese Auffassung hat grosse
formelle Bedenken. Man kann zwar qa^td ohne Schwierigkeit
als Dualis fassen, nicht aber airyamnä, deun die Wörter auf man
stossen in den stnrken Casus a nicht aus , man erwartet dem¬
nacb airyamanä und so steht wirklich Visp. XXVII, 2 (23, 2).
Noch misslicher ist es, verez6nyd als Zusummenziehung der Porm
für den gen.-loc. verez^nayd zu balten , es wäre dies das einzige
Beispiel. Nicht genug mit diesen Unregelmässigkeiten: wir sollen
nun auch nocb aonehmen, dass die Form für nom. acc. voc. dual,
in qaStä und airyamnä hier unregelmässiger Weise statt des gen.-
löc. stehe. Ausser dieseo io deo Formen liegeodeo Bedenken
scheint es mir voo meinem Standpunkte aus auch syntaktisch
unmöglich, dä icb überzeugt bin, dass der Dual im Altiräni¬
schen gar nicbt in der Weise gebraucht wurde, wie bier nach
dem Vorgange des Sanskrit von vornhereiD angenommen wird,
Bd. XVII. s
66 Spiegel, Bemerkungen über einige Slellen des Avesta.
dass man uämlich je zwei beliebige Wesen durch den Dual ver¬
binden kann. Allen diesen Schwierigkeiten entgeht man, wenn
man qaStü und airyamnä als Instrum. auflusst , at vä verezenyö
(sc. a^bat) ist dann ein eingeschubeuer Satz : oder (sei er) frei¬
willig wirkend uud verezenyd eiu vou verezena abgeleitetes Ad¬
jeetiv. Ahurä fasse ich mit der Tradition als Voeativ: o Ahura
oder oHerr'), wie Burnouf auch thut, Hr. B. nacb dem Sanskril¬
lexikon mit ,, lebendig". Hr. H. verbindet abura als Adj. mit
vidaiig (viva sciens), wäbrend ich alle mit vä verbundenen Begrilfe
als coordinirt ansehe, also: qaStü vä, verez^nyd vä , airyamnä v:V,
vidaiig vä, dies scheiut mir durchaus geboten und man kunn nicbl
durch die Bemerkung darüber hioweg kommen : „der Begriif hat
so wenig Verwaudtes mit den drei andern, dass es überflüssig
wäre, einen hieher abzielenden Erklärungsversuch zu macben."
lu der Uebersetzung von vidäiig bin ich etwas, jedoch nicht er¬
beblich, von der Tradition abgewichen. Neriosengh hat dafür
vettä, die Huzv.-Uebers. aber iB3i53n"<in N3a. Dass die eine Ueber¬
setzung ein Concretum selzt, wo die andere ein Abstractum bat,
ist häufig, man siebt aber, dass die Huzv.-Uebers. dus Causule
setzt, währetid Neriosengh — wobl mit Recbt — dies nicht Ihut.
Nimmt man diese Erkläruog an, so muss man vi-duug trennen und
dang auf dä, wissen, zurückführen. Vidä, wissen, Versleben, findet
sich nucb der Trudition noch öfter in den Gäthäs, wie Y^.
XLVIII, 1. d. (49, 1) abyä vohü aoshö vidä munu^hn, möchte
ich ibren Tod keunen durcb Vohu-mano, wo vidä = vidänii stehen
müsste. Es lässt sich iodess uuch un vidä vertheilen, denken. Thwu-
khshu^bä ist ofi'enbar ins{r. von lliwakhshö, Rührigkeit, cf. Ye.
XLV, 12(46,12) also: vertheilend, ordnend für das Vieb mit Rührig¬
keit. Mit at hvö beginne ich deu Nachsatz. VärtrS habe ich übersetzt:
im Dienste, wörtlicher noch wäre: im Wirken. Nach der Tra¬
dition hat värtru in den Gäthäs nicbt blos die Bedeutung Weide,
sondern auch Thun , Wirken (iND i. e. ^li'). An unserer Stelle
steht für vä^lrt^ iri etwas freierer Uebersetzung das nom. ag.
nNn'<5ll, viracayitä. Dass die .Annahme obiger Bedeutung niebt
ganz grundlos ist, beweist mir namentlich Vd. IX, 35 (9, 13)
äat hä drukhs avägtryditS kaumcit vä vaca^banm „daun wird
diese Drukhs kraftloser bei jedem der Worte". Für uvägtrySi-
t& steht in der Huzv.-Uebers n">3:im Wegen des Ueber¬
gangs der Bedeutungen mag man skr. gocara vergleichen.
Wir fügen gleich die folgende Strophe bei XXXIII, 4 (33,4):
yi thwat mazdä agrustim akemcä mand yazäi apä
qaetiuscä tarimaitim verezinahyä nazdistai'im drujim 1) Es dürn« gut sein, wegen der Worte ahuro mazdäo wieder einmal an Burnouf's l'ntersuchung Uber dieselben Comm. sur le Yafna I, 70 flg. zu verweisen. Man Icann daraus nicht blos lernen, was diese Worte . beissen, sondern aucb wie man solcbe Intersuchungen zu führen bat.
Spiegel , Bemerkungen über eimge Slellen des Avesla. 67
airyamanagca nadento giuscä vägträt aeistem mantüm
Ich verwünsche, o Mazda, den Ungehorsam gegen dich und
die schlechte Gesinnung.
Die Verachtung der Verwandtschaft und die nächste Drukhs
des Uandelns.
Die Verschmäher des Gehorsams und vom Futter des Viehs
das schlechte Maass.
Ich habe apa-yazäi übersetzt: ich verfluche, etwas stärker als
die H.-U. D3Djn ]D\Di-' {«3, d. i. icb enthalte mich des Opfers,
thwat habe icb zu arrustim gezogen, das Nichtbören auf das was
yon dir herkommt. Ur. H. „Von dir will icb den Ungehorsam
uiiil den schlechten Sinn durch Gehet abwenden." — Taremaitim (■go lese ich mit Westergaard und den Hdschr.) ist = pi2}3"'ain =
duslitamänasatä. Vgl. hierzu ^yU^j^jj im Pärsi und tarem-man
V^. XLIV, II (45, 11) = binaih manyante bei Ner. und ati-man
im Sanskrit. Die Neuern Ubersetzen den Ausdruck durch i\j
ich habe geglaubt, ihn durch Verachtung wiedergeben zu köunen,
Hr. U. Widerspenstigkeit. Uier haben wir nuo eine der Stellen,
wu die Traditiun die Abstracta qactus etc. in-Concretu umwan¬
delt. Sie tbut dies aber aucb schnn mit arrustim :^a(;rotärah , und
ich gestehe, keinen Grund zu sehen, warum wir auf einmal die
Abstracta vor str. 3 in str. 4 in Concreta umwandeln sollen.
Nadento muss acc. plur. sein (n wird im Altb. häuiig nicht aus-
geworfenl, und als Part, praes. v. nud stammen. Die Ueberss. ge¬
ben es mit nindäm dätürah , Verächter, Beschimpfer, ebenso wie
näidyäo^bem Y^. XXXIV, 8 (34,8). Es ist wobl skr. nad, scbreien,
mit etwas veränderter Bedeutung. Mantu, Maass, nach den Ueber/
Setzungen H.-U. ')«ant5, was, wie im Pärsi paemann (^jU^i), noch
diese Bedeutung hat, die im Neup. nur dem abgeleiteten «jUa^.
zukommt. Diese Bedeutung bält die Traditiun in allen Stellen
fest, wo das Wort vorkommt Y(;. XLV, 17 (46, 17), und auch
für mantä Y?. X.XXI, 7. 1» (31, 7. 19) und XXXIII, 6 (33, 6).
Ich halte diese Ueberlieferung keineswegs gering, obwohl ich an
vielen Stellen abgewichen bin und glaube, dass man und mä sicb
in ihren Bedeutungen berührten.
Y5. XLV, 1 (46, 1):
kaum nemöi zai'im kuthrä nemö aySni
pairi qa^tius airyamanagcä dadäiti
nöit mä khshnäus yä verezinä hicä
naidä daqyius ydi ^ärtärd dregvatd
kathä thwä mazdä kfashnaoshäi ahurä
Welcbes Land soll ich preisen, wohin soll ich betend gehen,
nacbdem icb die Selbstheit und den Gehorsam mitgetheilt habef
Nicht stellen micb zufrieden, die nach eigner Willkübr haudeln.
Noch aucb die schlechten Bedrücker der Gegeud.
Wie soll ich dich, Mazda-Ahura, zufriedeustelleu?
5»
68 Spiegel, Bemerkungen über einige Slellen des Avesla,
Deber den allgemeinen Inlialtdes Liedes, dessen erste Strophe
wir hier zn erklären baben, hin ich in soweit mit Hrn. H. ein¬
verstanden, dass auch ich dasselhe fiir eine Klage des Zarathustra
vor seinem Abzüge nach Baktrien halte, nur bleibe ich ganz auf
dem Boden der Zarathustralegende, wie sie die Parsen erzählen
and füge aus meiner Phantasie Nichts hinzu, Nemdi =;DQN3in,
namaskaromi in der Uebers, Die Wurzel nem findet sich nicht
selten in der Bedeutung sich beugen, für die abgeleitete an¬
beten spricht das Subst, nemö und neup. j^*^ , dagegen hat
nem nichts mit neup, ^-^^^^-tj zu schaffen, wie Hr. H. meint, dieses
gehört wie ^>>j«.Ai etc. zu mä, wie Pott (Btymol. For-
schuDgeo I, 194 1, Aosg.) längst dargethan hat. Nemd ay^ni
(wohin) soll ich betend gehen. Nemd aydni = D33nKD ]3u:"N': ]:c
oder oamaskrityä pracarämi bei Neriosengh. Dass man so Über¬
setzen kano, ist klar, vom sprachvergleicbeodeo Standpunkte aus
kano man fragen, ob man nicht besser nemd ay^ni passiv wenden
müsse: wo soll ich angebetet werden? da in den indogermani¬
schen Sprachen die Verba des Gebens sonst dem Nomen, mit dem
sie verbunden werden, den passiven Begriff heifligen. Bs hat mich
besonders die Stelle Yij. XXXIV, 6 (34, 6), wo Qtavag ay^ni activ
gefasst werden muss, bestimmt, der Tradition treu zu bleiben. —
Meine Uebersetzung des zweiten Verses sieht viel kühner aus,
als sie wohl ist. Es ist klar, dass man diesen Vers nn den vor¬
hergehenden vermittelst eines zu ergänzenden Reintivums nn-
Bchliessen muss, wie dies Hr. H. auch thut. Mit Rücksicht auf
^as folgende dadäiti Scheint am nächsten zu liegen dieses Rela-
fivum an das vorhergehende zanm anzuschliessen, dann erwartet
man aber statt des Präs, den Cooj. aor. oder den Optativ, denn
ea ist das Land, welches geben möcbte (quae cireumdet, wie
Hr, H. übersetzt). Da nun die Trudition D:7a:S njjan'' i. e.
pradatto 'smi übersetzt, so habe ich gewagt, dadäiti auf Zara¬
tbustra zu bezieheu, im Relativsatze steht daon die 3. ps. sg.
statt der ersten , so dass also der Redeode in dem Rel. yd sich selbst
objectivirt hätte, also etwa wie man in schlechtem Deutscb sngt:
ich bin es, der hier iat. Auf eine solche Analogie hin diese
Uebersetzung zu wagen, wäre natürlich mehr als misslich, aher
diese Coostructioo fiodet sich eben wirklich auch im Altbaktri¬
schen. Cf. Y{. X, 4 (10, i) frataremcit ti havanem vaca upa
gtaomi hukhratvd yö aägus bangiurväySiti. Aucb hier setzen für
haBgiurvayöiti beide Uebersetzungen diel.ps, sg, — Pairi steht öfter
für pari, para und wird daher von der H.-ü. mit (^^Ji^j)^
von Neriosengh mit pürvam übersetet. Cf. Yi;. XXIX, 4 (29, 4)
und XLIX, 16 (50, 10), durcb dieses pairi erhält das Präs.
dadditt die Bedeutung des Perfectnms. Qadtins und airyamanascä
habe ich als gea. part, aufgefasst. Zarathustra hat in seinem
Lande die Angebörigkeit und den Gehorsam gegen Ahura Matda
Spiegel , Bemerkungen über einigt SleUen des Avesta. 69
verbreitet, freilicb nur in einem engern Kreise. — Kbshnäus stammt
wobl jedenfalls von der Wurzel kbsbnush, einer Erweiterung von
kbshnu cf. unten kbsbnaosbäi, kbsbnaoshen Yg. XXX, «*> (30, 5),
klisbnaosbemnd XLV, 18 (46, 18) und scheint mir statt khshoaos-
at oder kbshnaos(t) als Imperfectum zu steben. Gs ist bekannt, dass
äu nicbt etwa eine Vfiddbisteigerung ist, sondern neben ao vor¬
kommt, wie vayaos nnd vayäus, neben asba'oni, nsbaonaiim auch
ashäund, asbäunaum. Oer Singularis des Verbums, auf das neu¬
trale yä bezogen, kann im Altb. so wenig wie im Griechischen
uuffullen. Schwierig ist hicä, welches die H.-D. mit j, und Ne¬
riosengh mit api, aucb, ausdrückt. Ich kann darin nur eine Ne¬
benform des gewöhnlichen haca, mit, sehen und lasse davon ve-
rnzenä uls Instrumentalis abhängen: diejenigen, weicbe (eigent¬
lich das was) mit freier Wirksamkeit begabt ist. Die H.-O. hat
= verezinä, was sie mit Nachbar erklärt, Nerios. svacrenayo
(nicht svnrronayo) in derselben Bedeutung. Der übrige Theil
der Stropbe ist leicbl uod bedarf wohl keiner Briäuterung. Ebenso
brauche icb auch nur der Vollständigkeit wegen die leichte Strophe XLVIII, 7 (49, 7) herzusetzen:
tatcä vöhü mazdä graotü mananhä
craotü asbä güsbahvä tü ahurä
ke airyamä ki qadtus dätäis a^hat
yi verezinäi vanuhim dät fragagtim.
Es böre dies Mazda sammt Vohu-mano
es höre es Ascha, höre du es , Ahura.
Wer ist der Folgsame, wer der Verwandte unter den Ge¬
schöpfen,
welcher in Wirksamkeit setzte den guten Segeu.
Nacb allen diesen Uutersucbungen bin ich nicht so zuver¬
sichtlich darin, wie Hr. U., zu behaupten, dass ich gewiss das
Ricblige getroffen bube. Die Ausdrücke sind schwierig und
werden es bleiben. Dass aber meine Behandlung des Gegen¬
standes eine von der des Hrn. H. ganz verschiedene ist, wird
boffeutlich den Lesern klar geworden sein.
3. Ätars nagupäkd
Vd. Vlll, 229—253 (8, 73—81).
Gegen meine Cebersetzung des obeo geounolen Ausdruckes
als eines Feuers, welches Leichname brennt oder gebrannt hat,
sowie überhaupt gegen meine Uebersetzuog der ganzen benannten
Stelle hat Hr. H. Einsprache erboben. Wie er uns mich .4ngabe
eines Degtürs belehrt, wäre an dieser Stelle die Erzeugung des
Bebrämsfeuers beschriehen und die dort vorgeschriebeoeo Vor¬
scbrifteo kämeo ooch jetzt io Aoweodung. „Unter Andern, sagt
er, müsse man unter gewissen Ceremonien das Feuer (oder besser:
die Eleetricitüt) aus eioem frischen Leichoame herausbekommen,
70 Spiegel, Bemerkungen über einige Slellen des Avesla.
welches Feuer naruspäka (sic) heisse." Ich hoffe und wUnsche,
dass alle meine Leser ehenso wenig von diesem Allen in meiner
Debersetzung gefunden haben werden, als Ur. B. selbst. Eine
Vertheidigung braucht meine Uebersetzung kaum, am wenigsten
das Wort nagupAka, denn es ist für Jeden von selbst einleuchtend,
dass dieses Wort zu^saihmengesetzt ist aus naru, vtxvg, Leichnam
und pika von skr. pac, neup. ^ä^o, kochen. Ätars nagupäku
ist also das Leichen kochende, Leichen brennende Feuer. Hieran
hat bis zur Stunde Niemand gezweifelt, auch die Tradition nieht,
im Huzv. heisst es "^NSDIO: "aNn« , bei neuern Parsen aber
»Jj/o ij-'ji : Leichen brennende Feuer. — Was nun aber
die Fassung der ganzen oben citirten Stelle betrifft, so ist die¬
selbe in meiner Ausgabe und Uebersetzung nach der kürzesten
mit der H.-U. stimmenden Form gegeben und der .Ausdruck sehr
knapp bemessen, darum benutze ich diese Gelegenbeit zu einigen
Erläuterungen. Die Stelle besagt, dass man ein Feuer, welcbes
Leichen gebrannt hat, verlöschen lassen soll , aber erst nacbdem
man daran ein neues angezUndet bat. Dieses legt man eine
Vitarti weit vom frUhern nieder und lässt es gleichfalls auslö¬
schen, nachdem man daran ein zweites Feuer angezündet bat.
Ganz in derselben Weise hehamdelt man ein drittes, viertes, ' Tünftes,
sechstes , siebentes und achtes Feuer. Das neunte Feuer legt
man zwar auf die Erde, lässt es aber nicht ausgehen, sondern
bringt zu ibm Holz und trägt es später an seinen gehörigen
Ort. Die in §. 245 meiner Debersetzung in Debereinstimmung
mit der H.-U. eingeklammerten Sätze sind zu streicben und üher
sie sogleich zu §. 246 fortzugeheo. Dass das in §. 251 ge¬
nannte Leicbenfeuer, welches an seinen Ort gebracht werden soll,
das oeunte Feuer ist, versteht sicb ganz von selbst, da ja alle
frübero ausgelöscht wordeo siod.
So wie icb hier den Sinn dieser Stelle mitgetheilt habe ver¬
stehen sie so ziemlich alle frühern Erklärer die ich kenne. So
vor Allen die H.-U., dann eine versificirte neupersische Ueber¬
setzung derselhen in den Riväiets, welche ich in meinem Com¬
mentare zum Avesta mittheilen werde. So im Wesentlichen auch
Anquetil und Främji Aspendiärji , so auch J. Wilson in seinem
kurzen Auszuge (the Parsi religion unfolded p. 320) welchen ich
der Vergleichuog wegen hersetze: The fire must be put into a
hole ^) at a certaio distance from the place where it was found,
and there fed with wood , and removed, successively to a second,
third, fourth, fifth, sixth, seventh, eighth, and ninth, hole, where
1) Das Wort „hole" entspricht dem< hafiüereza des Textes, anch Präniji Aspendiärji iibersetzt so , ich weiss nicbt aus welcbem Missverständnisse.
Die H.-U. hat inb3 bn I^M i. e. «ümo diese Uebersetzung (Bündel)
bestätigt auch die Etymologie des Wortes.
Spiegel , Bemerliungen über einige Slellen dea Avesta. 71
it is tobe fed witb odoriferous wood, and other substaoces, hy
wliicli 1000 devils, 200 magicians and a bost of Paris will be
destroyed and by which, as the fire of Hormazd, it will be duly
purified. The person who will then take tbis fire to the dädgäb,
(or fire-temple,) will bave as much merit after deatb as if he
carried ten thousand other fires. Der Sinn dieser Ceremonie ist
«uch für Jeden der etwas von Parsismus verstebt sehr leicht
verständlich. Das Feuer, welehes einen Leichnam verbrannt hot
ist allzusehr mit Unreinigkeit behaftet als dass es am Leben
bleiben könnte — es muss sterben. Allein 5s stirbt nicbt ganz,
sondern lebt fort in dem von ibm angezündeten F^euer, welches
zu ihm im Sohuesverbältnisse stebt. Die acbt ersten Feuer zu¬
sammen, mit dem ätars narupäka bilden die neun Nabänazdistas
oder die nahe Verwandtschaft. Keines derselhen kann mit andern
F'euern iu Berührung kommen, denn alle Nobänazdistas werden
durcb schwere Vergehen eines einzelnen ibrer Mitglieder verun¬
reinigt, cf. Vd. IV, 25 (4, 5: flg. Xlll, 7 (13, 3). Das neunte
Feuer — in der ganzen Reihe das zehnte — tritt aus dieser
Gemeinschaft heraus und ist wieder ganz rein. Was übrigens
der Degtür Hrn. H. mitgetbeilt hat ist im Wesentlichen wohl
richtig, nur muss man annehmen, dass Hr. H. ihn gründlich miss¬
verstanden hat. Ich werde mit einigen Worten zeigen wie die
Sache zusammenhängt.
Dass die Idee des Bebrämsfeuers aus unserer .Stelle hervor¬
gegangen sei habe auch ich gesagt (vergl. meine Uebers. des
Avesta, Bd. 2, LXXI, not. 1). .4llein dies ist nicht so zu ver¬
stehen als folge das Behrämsfeuer aus unserer Stelle durch
philologische Interpretation, sondern nur als theolo¬
gische Consequenz. Auf die Frage: wie erhält man ein
ganz reines Feuer? konnte ein Parsenpriester folgende Antwort
geben: Eine bestimmte Vorschrift hierUber existirt im Avesta
nicljt, allein Vd. Vlll, 229 flg. ist ein Verfahren angegeben, wie
man ein im höchsten Grade verunreinigtes Peuer soweit reinigen
kann, dass dasselbe ein Tausendtödter (baza^raghna), d. i. sieg¬
reich wird. Dicss ist nach meiner Ueberzeugung die Art und
Weise wie mun das Behrämsfeuer mit unserer Stelle in Verbin¬
dung zu bringen bat. Bestimmtere Vorschriften über die Gewin¬
nung des Bebrämsfeuers kennen wir übrigens auch, Anquetil bat
sie kurz angegeben (ZAv. II, 531 not. 2): On peut voir duns les
Ravue^ la maniere de preparer le feu Behram. Cette cerimonie
dure trente jours: pendant les quinze' premiers , on purifie toutes les especes de feux dont il doit Hre tiri, en pratiqunnt n l'egard
de chacune, ce que le Vendidad prescrit pour le feu dans lequel
un corps mort a iti brüli. lu derselben Note spricbt er noch¬
mals von Behrämsfeuer: qui est le risultat de 1001 feux, pris de
quinze especes de feux difi'erens. Ich besitze keine der Stellen
in den Riväiets auf weicbe Anquetil vejrweist, allein der boni-