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Sectio caesarea auf Wunsch

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Ethik in der Medizin

422 Ärzteblatt Sachsen 9/2004

Wie sich der Leser unseres Sächsischen Ärzte- blattes erinnern wird, hat sich ein Gesprächs- kreis Ethik in der Medizin an der Sächsischen Landesärztekammer gebildet, der – unabhän- gig von der Ethikkommission – die spezifische gesetzgeberisch vorgegebene Aufgaben zu erfüllen hat – sich mit ethischen Fragen des ärztlichen Berufes befasst. Dabei ist die Ziel- stellung insbesondere Fragen zu beraten, die aus dem Kreis der ärztlichen Kollegen an das Gremium gerichtet werden.

In den letzten beiden Sitzungen des Gesprächs- kreises am 26. Februar 2004 und 27. Mai 2004 wurde der Problematik nachgegangen, die an uns herangetragen wurde: Erarbeitung einer Stellungnahme zu Indikationen einer Sectio caesarea oder der sogenannten Sectio auf Wunsch.

An der Diskussion beteiligten sich neben den Mitgliedern des Gesprächskreises als Exper- ten die Herren ChA Dr. Gerd Göbel (Frauen- heilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Dresden- Neustadt), Prof. Dr. Renaldo Faber (Gynäko- loge, Universitätsfrauenklinik Leipzig), Prof.

Dr. Christoph Vogtmann (Pädiater, Universitäts- kinderklinik Leipzig, Mitglied der Arbeits- gruppe Perinatologie/Neonatologie der Säch- sischen Landesärztekammer).

Die Zahl der Schnittentbindungen steigt welt- weit immer mehr an, wobei epidemiologisch unklar ist, in welchem Umfang die Sectiones durch absolute und relative medizinische Indi- kationen begründet sind und Wunschsectiones eine Rolle spielen. Die den Ethikgesprächs- kreis allein interessierende Frage befasste sich mit der ärztlichen Verantwortung bei vorliegen einer reinen Wunschsectio aus persönlichen Gründen, die seitens der Schwangeren oder beider Elternteile angegeben werden und die ihre Begründungen rational in Ängsten vor dem sicher stresshaften Geburtsvorgang, in Befürchtungen vor Geburtsfolgen bezüglich Beckenbodeninsuffizienzen, Einschränkungen der sexuellen Erlebnisfähigkeit oder ästhe- tischen Beeinträchtigungen haben. Daneben auch der Wunsch, dem Kind den „schweren“

Geburtsvorgang zu ersparen. Hinzu kommen – aus Sicht der Diskutanten der Gesprächs- runde – völlig irrationale Motive, wie die Ge- burt zu einem bestimmten Datum oder spezi- ellen astrologischen Tierkreiszeichen und an- deres mehr.

Hintergrund der gesamten Diskussion um die Frage ist sicher ein unterschiedliches Rollen- verständnis der Ärzte und der Schwangeren.

Letztere haben zumindest in den hochent- wickelten Staaten etwa Mitteleuropas ein hö- heres Maß an Selbstbestimmung und Selbst- verfügbarkeit, auch auf der Basis von mehr Selbstwissen, erreicht, so dass sie emanzi- pierter in der Arzt-Patienten-Beziehung auf- treten. Der Arzt hat dementsprechend den Allmächtigkeitsanspruch als Rollenmerkmal früherer Generationen schon lange aufgege- ben und steht den Patientenwünschen liberal – sofern eigene fachliche und ethische Grund- sätze nicht in Frage gestellt werden – gegen- über. Unter dem Aspekt, dass die Zahl von Kindern, die durch Wunschsectiones geboren werden möglicherweise zunimmt – genaue Zahlen sind nicht bekannt, sie können in der sächsischen Perinatalerhebung auch nicht dezidiert erfasst werden (der Anteil an allen Sectiones 2003 betrug in Sachsen 13,2 Pro- zent) – ist für unseren mitteldeutschen Er- fahrungsbereich von einem sehr geringen Pro- zentsatz auszugehen. Relevant ist das Thema aber trotzdem. Einmal weil durch die Mas- senmedien mit Bezug auf Prominente oder pseudoprominente Mitmenschen und deren teils voyeuristischer Offenbarungswut, ihre Lebensintimität in die Öffentlichkeit zu brin- gen, ein falscher Eindruck über die Proble- matik entstehen kann. Zum anderen gibt es leider auch medizinische Einrichtungen, die eine Wunschsectio gleichsam als speziellen Service des Krankenhauses anbieten und da- mit um Patientinnen für die eigene Klinik werben!

In der Diskussion mit den Experten wurden bei einhelliger Grundtendenz, die abschlie- ßend in thesenhaften Sätzen formuliert wer- den sollen, unterschiedliche Einschätzungen vorgetragen, die je nach Zugangsebene zum Problem in sich schlüssig waren. So wurde formuliert, dass natürlich die Loyalität des Arztes dem Ansinnen einer Mutter, die den entsprechenden Wunsch äußert, gegeben sein sollte, nachdem eine umfangreiche Aufklä- rung und Beratung der Schwangeren erfolgt ist. Dem Arzt müsse dabei allerdings auch das Recht zugesprochen werden, sich zu ver- weigern, wenn der Wunsch der Patientin und seine Wertorientierung kollidieren und kein- erlei medizinische Indikation zur Sectio be- steht.

Aus gynäkologischer Sicht wurde ausge- führt, dass sich rein klinisch die Risiken einer Wunschsectio und einer vaginalen Entbindung nicht unterscheiden. Dies ändert sich aber sofort, wenn späterhin eine zweite Entbindung bevorsteht, dann nämlich nehmen die Risiken für Schwangerschaft und Geburt nach vor- ausgegangenem Kaiserschnitt erheblich zu.

Seitens des Pädiaters wurde in der Gesprächs- runde vertreten, dass die vaginale Entbindung selbst zwar einen erheblichen Stress für das Neugeborene darstellt, dass aber dieser Stress nachweislich auch positive Wirkungen auf das primäre Anpassungsverhalten (seltener respi- ratorische Anpassungsstörungen – Feuchte- Lunge-Syndrom) und die Funktionsentwick- lung der Organsysteme habe. Die Säuglings- forschung habe zudem ergeben, dass es offen- bar Beziehungen zwischen dem Entbindungs- vorgang und dem späteren Bindungsverhal- ten zwischen Mutter und Kind und der Ent- wicklung kognitiver Funktionen des Kindes gäbe.

Als Ergebnis der umfangreichen und sehr differenzierten Gespräche im Gesprächskreis waren nachfolgende Feststellungen konsens- fähig:

■ Die Ärzteschaft sollte – wenn keine me- dizinisch begründeten Indikationen gegeben sind, unbedingt dem natürlichen Geburtsvor- gang den Vorzug geben und dies der Schwan- geren gegenüber auch wohl begründen.

■ Tritt eine werdende Mutter mit dem Wunsch auf, aus persönlichen Gründen unbe- dingt ihr Kind durch Kaiserschnitt zur Welt zu bringen, sollte der Arzt eine sorgfältige Beratung und Risikoaufklärung vornehmen.

Im Einzelfall hat er vor sich selbst zu ent- scheiden, ob er dem Wunsche folgen will und kann.

■ Kaiserschnittentbindungen als „Service- leistungen“ des Krankenhauses gleichsam an- zubieten, ist aus Sicht des Ethik-Gesprächs- kreises abzulehnen.

■ Aus ärztlicher Sicht sollten bei einer Wunschsectio in geburtshilflichen Abteilun- gen der Krankenhäuser mit der Möglichkeit einer sofortigen neonatologischen Kinderver- sorgung ein erfahrener Operateur, ein Anäs- thesist und ein Neonatologe anwesend sein.

Prof. Dr. med. habil. Otto Bach für den Gesprächskreis Ethik in der Medizin Sächsische Landesärztekammer

Sectio caesarea auf Wunsch

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