Das Dahische Gesetz.
Von Carl Meinhof.
Im Jahre 1897 reiste der Missionar Edmund Dahl von der
Brüdergemeine in Herrnhut nach Urambo im Lande der Wanj'amwezi
in Deutsch-Ostafrika, um die dort bestehende Missionsstation von
den Engländern zu übernehmen. Die ihn aussendende Missions¬
gesellschaft hatte ihn auf vier Wochen zu mir gesandt, damit er
wenigstens etwas von Lautlehre und von ostafrikanischen Sprachen
lernen sollte, ehe er hinausging. Ich habe dieses Verfahren sehr
zweckmässig gefunden. Bei dem heutigen Stande der Sprachwissen¬
schaft ist es wirklich eine Vergeudung von Zeit und Kraft, wenn
man alles das mühsam als Autodidakt in Afrika unter sehr er¬
schwerenden Verhältnissen lernen soll, was man leichter, schneller
und richtiger in der Heimat lemen kann. Es versteht sich von
selbst, dass Dahl in vier Wochen nicht in alle Geheimnisse der
Phonetik und dazu in ostafrikanische Sprachen eingeführt werden
konnte. Immerhin hat er vermöge seines grossen Fleisses so viel
gelernt, dass er nach einem Aufenthalt von sechs Monaten in Afrika
in der Sprache der Suaheli Gottesdienst gehalten hat.
Dass er auch in der Phonetik einiges gelernt hat, hat er durch
die selbständige Auffindung eines Lautgesetzes bewiesen, das nicht
nur für das Nyamwezi , sondern für eine Reihe anderer Spracben
in Ostafrika, ja darüber hinaus, seine Bedeutung hat. Ich schlage
vor , dass wir das Gesetz dem Entdecker zu Ehi-en das Dahische
Gesetz nennen.
Es lautet kurz — die Formulierung ist von mir —:
„Wenn in einem Wortstamm zwei aufeinanderfolgende Silben
mit einer stimmlosen Explosiva beginnen , so wird die erstere
stimmhaft."
Unsere Kenntnis der Sprache der Wanyamwezi beschränkt sich
ausser den handschriftlichen Mitteilungen , die ich von Missionar
Dahl und seinem Amtsgenossen Stern erhalten habe, abgesehen von
kleineren Wörterverzeichnissen auf folgende Veröffentlichungen :
300 Meinhof, Das Dahische Gesetz.
1. Collections for a handbook of the Nyamwezi language as
spoken at Unyanyembe by Edward Steere, L. L. D. London. Society
for promoting christian knowledge.
2. Kissuküma, die Spraehe der Wassuküma , speciell der Dia¬
lekt der am Speke-Golf und Smith-Sund gelegenen nordwestlichen
Stämme von C. Herrmann , Hauptmann und Compagniechef in der
Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. Mitth. des Sem.
für oriental. Sprachen. Jahrg. L 1898. Abtlg. HI p. 146 ff.
Beides sind empirisch angelegte Sammlungen , die sich gut
werden verwenden lassen , wenn wir erst über die Phonetik des
Nyamwezi bezw. Sukuma (eines Dialekts derselben Sprache) im
Klaren sein werden. Über das vorliegende Gesetz sagen sie nichts.
Die Lautentsprechung für die stimmlosen Explosiven des Ur-
bantu ist im Nyam. (so kürze ich ab; B. = Urbantn) folgende:
Urspr. k — k, t = p — h und p.
Ob k, t, p echte Tenues oder Aspiraten sind, kann für unsern
gegenwärtigen Zweck gleichgültig sein, ebenso trägt es dafür nichts
aus, ob t dental, alveolar oder cerebral ist. Perner kommt die
Frage hier nicht in Betracht, ob der Wechsel von p und /* gesetz¬
mässig geschieht oder nicht; denn die Lautverschiebung von p zu
h verursacht keine Veränderung in Bezug auf das Dahische Gesetz.
Das Gesetz muss also zu einer Zeit schon gegolten haben, als diese
Lautverschiebung noch nicht eingetreten war.
Beispiele, ka Praef Kl. 13 = ICU, die Verbalendungen B.
-aka, -eka, -ika, -oka, -uka treten hier als -aka, -eka,
-ika, -oka, -uka auf. kama „melken" = B. kama, lu-kani 11
„Widersetzlichkeit" von B. kana, yw-uki 14 „Honig" = B. -yuki
Inf. Praef hi = B. kU; mw-aka 3 „Jahr" B. -yaka; ikala
„sich setzen, bleiben, wohnen", B. yikala; mu-kila 3 „Schwanz",
B. -kUa; kula „wachsen, stark werden", B. kula; iicumi „zehn".
B. -kumi; luka „flechten", B. luka; -kali „scharf, wild", B.
-kali; kalaiiga „braten, rösten", B. kalaüga.
tamba = B. tamha „ausstrecken" ; leta „bringen", B. lettt;
Iota „träumen", B. lota; nota „Durst", B. nyota; i-tali 5 „Fels",
B. -tali; mu-taiigu 3 „Melone", B. -taitga; mu-ti 3 „Baum".
B. -ti; i-tima 5 „Leber", B. -tima; twala „auf dem Kopf tragen",
B. twala; tuma „senden", B. tunui.
pa und ha = B. pa „geben" ; Lokativ Kl. 16 ha = B.
pa; Verbalendung 6 -pa, -ha = B. pa. z. B. ogoha „fürchten"
- Suah. ogopa; yi-pa und ri-ha „schlecht sein" aus B. -vi „böse":
pala „kratzen, schaben" = B. JKlla.; pinda, hinda „wälzen,
rollen, umdrehen", B. pitldct; 2}i*''niila, humula „ausruhen", B.
pumula.
Unter Anwendung des Dahlschen Gesetzes ist aber
urspr. k = Nyam.'g', urspr. t — Nyam. d, urspr. p = Nyam. b.
Je gokota „schleifen, ziehen, fahren", B. Jeoka.
lu-gohe 11 „Augenwimper", B. -kope; Ju-gutu 11 „Zaun" vgl.
Suah. u-kuta 11 „Mauer".
■gati „mitten", B. -kati.
bei Steere: mu-gate 3 „Kuchen" = Suah. mkate 3.
t -datu „drei", B. -tatU; daha „schöpfen", B. -tapa; ma-
dako 6 „Hinterbacken", B. ma-takO; ki-diku 7 „Regen¬
zeit", dika „Regenzeit sein" zu B. tika; tju-duki li „Keif¬
lust", B. tuku.
Bei Steere: duk-ila , abuse", B. tuka; -duhu „bloss" —
Suah. -tupu.
p bita „vorbeigehen" B. pita.
bota „zusammendrehen", B. pota.
Dem mp des B. entspricht sonst mh, vgl. aber mbeho 9
„Kälte", B. impepo.
Aucb wird der Konsonant der Tonsilbe nach dem Dahlschen
Gesetz verändert, wenn in dem Suffix eine stimmlose Explosiva steht
z. B. : idiica „antworten" — Suah. itika; ferner tw-aja „auf dem
Kopf tragen", aber dw-iica „beladen"; bei Steere idika „be spilt' von ita , spill" p. 92.
Während im Suah. urspr. k, t, p vor schwerem (geschlossenem)
u zu. f werden, bleibt k im Nyam. erhalten und ist dann dem
Dahlschen Gesetz unterworfen.
z. B. ma-guta 6 „Fett' — B. ma-kflta, Suah. ma-futa; ma-guha 6
„Knochen' = B. -küpa, Suah. fupa; guhi 6 „kurz" =
B. -küpi, Suah. -fupi.
Vgl. dakuna „kauen", B. taküna, Suah. tafuna.
Bei Herrmann finde ich boku für „blind", während die anden,
hofu haben. Ich habe als Grundform popü angenommen. Wenn
diese Annahme richtig ist, dürfte boku Analogiebildung sein unter
gleichzeitiger Anwendung des Dahlschen Gesetzes.
Vgl. dagegen ki-kuya „Brust", B. -küva, Suah. fua. Die
zweite Silbe hat stimmhaften Laut t', darum bleibt k in der ersten
Silbe erhalten und wird nicht zu g.
Dass das Gesetz im Nyamwezi thatsächlich vorliegt, dürfte
nach obigen Beispielen nicht zweifelhaft sein. Die genaue Fest¬
stellung seines Geltungsgebietes kann ich erst vornehmen, wenn ich
genügendes Material zu einer Lautlehre des Nyam. habe. Dass
übrigens die betreffenden Formen von Dahl richtig gehört sind,
geht auch daraus hervor , dass Stern , Steere , Herrmann , die das
betreffende Gesetz nicht kennen, ebenso gehört haben wie er. Ich
möcbte jedoch an einigen Beispielen zeigen, wie nützlich die Ent¬
deckung dieses Gesetzes auch für die Lautlehre anderer Bantu¬
sprachen ist.
302 Meinhof, Das Dahische Gesetz.
I. äambala, Sprache der Wa-Sambala in ü-sambara, Ostafrika.
Quellen. A. Seidel , Handbuch der Shambala - Sprache in
Usambara. Dresden-Leipzig 189.5.
Mündliche Mitteilungen der Missionare Gleiss und Röhl von
der evangel. Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika (Berlin III.)
aus Usambara.
Die Lautentsprechungen der Explosiven sind fast ebenso wie
im Nyamwezi. h — urspr. lc, t = urspr. t, h = urspr. p.
Beispiele, ka , Praef Kl. 13; -ika, -uka sind intransitive
Endungen.
kama „melken", kula „wachsen".
-tatu „drei", tuma „senden".
hoza „heilen", Suah. poza; liha „bezahlen", Suah. Upa.
Gelegentlich aber weicht die Sprache aus entsprechend dem
Dahlschen Gesetz.
z. B. gati „mitten" = Suah. kati; gohe 5 „Augenlid", B. -kope.
tandatu „sechs" zu tatu, es scheint für *tantatii, und dies
für tatu na taiu zu^ stehen,
urspr. nk bleibt im Sambala sonst erhalten , z. B. lu-kuni
„Feuerholz", pl. rdcuni; idcaiiga 9 „Perlhuhn", B. inkaiiga.
Aber nach Dahlschem Gesetz wird k zu g und also iik zu ng
in iignku 9 „Huhn", B. inh'UkU; nguha 9 „Buschlaus", B. iuh'upa.
Besonders merkwürdig ist, dass im Sambala k vor schwerem
i( zwar zur frikativen Labialis wird, aber bei folgender stimmloser
Explosiva stimmhaft, was ich ebenfalls auf den Einfluss des Dahlschen Gesetzes zurückführe.
z. B. ki-fua 7 „Brust", B. -Jiüra aber vuha 5 „Knochen", B. -h'üpa
ma-vufa 6 „Fett", B. -küta.
Ich zweifle nicht, dass sich bei näherer Bekanntschaft mit der
Sprache noch weitere Belege für das vorliegende Gesetz werden
finden lassen , das hier allerdings in seiner .\nwendung viel be¬
schränkter ist als im Nyamwezi.
II. Zalamo, Sprache der Wa-zalamo in Deutsch-Ostafrika.
Quellen. A. Worms, Grundzüge der Grammatik des Ki-
Zaramo. Zeitschrift für afrikanische und oceanische Sprachen von
A. Seidel. IIL Jahrgang. Berlin 1897. p. 289 rt'.
Mündliche Mitteilungen des Amtsgenossen von Worms, Missionar
Holst.
Die Lautentsprechungen der Grimdkonsonanten sind wie oben,
z. B. mio-aka 3 „.Tabr", B. -yaka, tanga „Gurke", B. -tanga.
handa „pflanzen" = Suah. panda; liha „bezahlen", B. Ii2>a.
u. s. f.
Dagegen treten nach dera Dahlschen Gesetz statt k, t, h (=
p) ein g, d, b.
z. B. -gati „innerhalb", B. -kati, -datu „drei", B. -tatu.
bita „übertreffen", B. pita,
mi-biki 4 „Bäume", vgl. Konde imi-piki 4.
beho „Wind", B. -pejiO.
Sambala hehi „nahe" führt auf B. l)ei)i , dem entspricht
Zalamo Jia-behi na „nahe bei".
bata „bekommen", Suah. pata.
Vgl. hierzu noch guhi „kurz" von B. -küpi mit erhaltenem
velarem Laut vor schwerem m, Suah. fupi.
Ferner vika „ankommen", B. pika, Suah. fika.
Hier ist zwar die Fricativa vor schwerem i eingetreten, allein
nach dem Dahlschen Gesetz ist sie stimmhaft. Vgl. oben Sambala
vuha, ma-vuta. Bei dem überaus dürftigen Material, das mir vor¬
liegt , ist vorstehende Ausbeute ein Beweis , welchen Umfang das
Gesetz in der Sprache einnehmen muss.
III. Bena, Sprache der Wa-Hena in Deutsch-Ostafrika.
Quellen: Schriftliche Mitteilungen des Missionssuperinten¬
denten Schumann in Lu-pembe.
Die stimmlosen Grundkonsonanten sind im Bena erhalten,
z. 15. ili-kala 5 „Kohle", B. -kala; -kali „wild", B. -kali;
kalaiiga „braten", B. kalauxja; kama „melken", B. kamu;
kana „leugnen", B. kaua; ili-kaiiga 5 „Perlhuhn", B.
-kaüga; umu-kila 3 „Schwanz", B. kila; Icumbuka
„sich erinnern", B. kumhuka u. s. f.
ili-tanga 5 „Melone", B. tanga; tuma „senden", B. tuma;
tema „fällen", B. tema; nmu-tima 3 „Leber", B. -tima
u. s. f.
pela „geben" von U.pa; ili-paka 5 „Wildkatze", B. -paka;
pala „kratzen, schaben", h. pala; pola „kühl werden",
B. pola; pumula „atmen", B. pumula u. s. f
Unter Anwendung des Dahlschen Gesetzes wird aber k, t, p
zu g, d, b.
z. B. ulu-gope 11 „Augenwimper", B. -kope;
dapa „schöpfen", B. tapa; -datu „drei", B. -tatU; duka
„schimpfen", B. tuka.
ibata „fassen, fest halten", B. ipata, pyata, pata, Suah.
pata.
bota zusammendrehen", B. pota;
vgl. auch umu-bofu 1 „der Blinde", B. -popü.
Schumann macht mich darauf aufmerksam, dass in vielen Fällen
das Gesetz nicht beobachtet ist, vgl. oben ili-paka „Wildkatze".
304 Meinhof, Das Dahische Gesetz.
Das ist ganz unbestreitbar. Es bleibt also nocb festzustellen, in
welchen Fällen es im Bena befolgt wird, und wann nicht; aber sein
Auftreten kann nach obigem nicht wohl geleugnet werden.
IV. Vereinzelt finde ich z. B. im Suaheli und Kafir eine Er¬
scheinung, die dem Gesetz analog ist.
urspr. t ist im Suah. t, im Kafir th.
urspr. nt ist im Suah. th, im Kafir nt.
In beiden Sprachen kann nach den gewöhnlichen Lautgesetzen
aus urspr. t nicht d oder nd werden.
Und doch finde ich im Suah. für „sechs" mteadatu, im Kafir
■thandathu. Wie ich oben beim Öambala ausgeführt habe, ist dies
nacb meiner Meinung sicher zurückzuführen auf -tatu na-tatu „drei
und drei", das dann zusammengezogen wurde in *ta.ntatu, und hier
trat dann die Dissimilation ein. Ob sich im Suah. und Kafir auch
weitere Beispiele finden werden, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls
ist aber für die Erforschung einer Reihe von ostafrikanischen Sprachen
Bekanntschaft mit dem Dahlschen Gesetz unerlässlich.
Über den Bodhisattva als Elefant mit sechs Hauzähneii.
Von J. S. Speyer').
Tieresgestalt des Bodhisattva findet sich bekanntlich manch¬
mal in den Geschichtchen vor, vyelche Erlebnisse aus den früheren
Existenzen des Erhabenen zum Gegenstande der Erzählung haben.
Als Hirsch oder Hase, Stier, Büfi'el oder Löwe, als Affe, Pisch,
Schwan, Geier, Pfau, Specht soll der zukünftige Erlöser der Ge¬
schöpfe in lange verflossenen Jahrtausenden die herrlichen Vor¬
züglichkeiten seines Wesens zum Nutzen seiner Umgebung entfaltet
haben. Denn wenngleich im Tieresleib gezeugt und äusserlich von
den andren Tieren derselben Gattung nicht zu unterscheiden, besitzt
der Bodhisattva selbst auf dieser niedrigen Stufe des Daseins ausser¬
ordentliche moralische Eigenschaften ^). Manchmal treten noch be¬
sondere körperliche Vorzüge hinzu. Die menschliche Sprache wird
ihm regelmässig beigelegt. Seine Körperkraft übersteigt öfters das
gewöhnliche Maass. Auch die Schönheit seines Äusseren. Er ist
ein Schwan, dessen Hautfarbe wie lauteres Gold glänzt, oder ein
ebenfalls goldfarbiger Hirsch mit wie von Edelsteinen buntschillern¬
den Flecken, Hufen, Hörnern, wie der Hirsch war, den Eäma zu
seinem Unglück jagte, oder er ist ein schönes, tapferes Pferd, das
seinem Reiter gewissen Sieg verleiht. Sehr beliebt ist aucb seine
Darstellung als Elefant. Besonders in dieser Existenz zeigt sich
seine Weisheit und Frömmigkeit, seine Milde und Gesittung, seine
Herzensgüte und Opferfertigkeit für das Wohl andrer Geschöpfe
aufs schlagendste.
Nun giebt es zweierlei Typen des Bodhisattva in Elefanten -
gestalt. Der eine Typus ist der eines weissen Elefanten, der sich
1) Dieser Aufsatz, in der Sitzung der Selction II A des XIII. Internatio nalen Orientalistenliongresses vorgetragen , wird liier &iit kleinen Änderungen und Erweiterungen voröfl'entlicht.
2) Vgl. Jätakamälä XXXIII ,2 yat sa hheje tiryaggatim tatra
ca dharmasawjnäm.
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