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ZWEI MALEREIEN IN HÖHLE 1 VON AJANTA
Von Dieter Schlingloff, München
Mit 2 Abbildungen
In einem Brief vom 30. April 1919 entwarf A. Foucher einen Plan zur Pub¬
lizierung der Höhlenmalereien von Ajanta: Sämtliche, auch die nur fragmenta¬
risch erhaltenen Gemälde sollten in großangelegten Tafelbänden in etwa 300
meist farbigen Abbildungen reproduziert werden (l). Im Winter des darauf
folgenden Jahres hielt sich dann Foucher zum Studium der Malereien zwei Mo¬
nate lang in den Höhlen von Ajanta auf. Nun erst wurde ihm deutlich, wie weit¬
gehend zerstört viele der Gemälde waren. Angesichts dieses Erhaltungszu-
stcindes nahm Foucher von seinem ursprünglichen Plan der Publikation von
Farbtafeln Abstand und machte einen neuen Vorschlag: Man sollte von allen
Bildern Zeichnungen anfertigen lassen und diese Zeichnungen in einer preis¬
werten Ausgabe der Öffentlichkeit zugänglich machen. Foucher ging davon aus,
daß die Ajanta-Maler selbst ja auch keine reinen Koloristen, sondern in erster
Linie Zeichner mit einem ausgeprägten Sinn für die Linienführung gewesen wa¬
ren. Sie hatten zuerst auf der weißgeputzten Wand eine Skizze in roten Linien
Eingefertigt und diese dann mit Farben ausgemalt. Die herzustellenden Zeich¬
nungen, meinte Foucher, sollten so exakt wie möglich die noch sichtbaren Um¬
rißlinien dieser Skizzen wiedergeben. Damit hätten die Ikonographen eine zu¬
verlässige Arbeitsgrundlage, die sie instand setzen könnte, die Szenen zu iden¬
tifizieren und ihre Komposition zu studieren. Foucher sprach dann die Hoffnung
aus, daß die Verwaltung in Haiderabad die Mittel zur Verfügung stellen würde,
um mit geringen Kosten der Öffentlichkeit diese Nachzeichnungen der Ajanta-
malereien zu bescheren (2).
Foucher' s Pläne wurden jedoch nicht verwirklicht; statt der von ihm ange¬
regten Nachzeichnungen erschienen in den Jahren 1930 - 1955 die vier Ajanta-
Bände von Yazdani mit insgesamt 232 Schwarzweis- und 88 Farbtafeln (3).
Wenn auch einzelne der photographischen Wiedergaben dieser Tafeln von aus¬
gezeichneter Qualität sind, bestätigt doch das Werk als ganzes Foucher's Be¬
fürchtung, daß es bei dem heutigen Erhaltungszustand der meisten Gemälde
so gut wie unmöglich sein dürfte, befriedigende Photographien herzustellen.
Yazdani versucht dadurch einen Eindruck von der künstlerischen Qualität der
Malereien zu vermitteln, daß er einzelne, besser erhaltene Bilder mehrfach
wiedergibt, in größeren oder kleineren Ausschnitten, sowohl farbig als auch
schwarzweiß, während er andere, schlechter erhaltene Reste entweder nur
in ungenügenden Schwarzweißbildern reproduziert oder ganz ausläßt (4). Ein
solches Auswahlprinzip ist wohl geeignet, Maltechnik und Farbgebung deutlich
zu machen; es bildet jedoch keine befriedigende Grundlage für eine wissen¬
schaftliche Beschäftigung mit den in den Gemälden dargestellten Themen. Daß
auch die von Yazdani ihres schlechten Erhaltungszustandes wegen nicht publi¬
zierten Gemäldereste ikonographisch und kulturgeschichtlich wichtige Infor¬
mationen bieten können, sei nun an zwei Beispielen aus Höhle 1 gezeigt.
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Am rechten Ende der rechten Seitenwand von Höhle 1 findet sich ein teil¬
weise zerstörtes Gemälde, in dem wir eine Anzahl verschiedenfarbig gemal¬
ter Rinder erkennen (Abb. l). Die Tiere tragen, wie die an der linken Seiten¬
wand derselben Höhle dargestellten Zebus (5), Glocken um den Hals. Nach
Ausweis des Arthasästra (6) sollten solche Glocken wilde Tiere vertreiben
und gleichzeitig die Hirten auf die Bewegung der Rinder aufmerksam machen
Neben den Glocken zeigen die Rinder in unserem Bild noch ein weiteres, sehr
eigentümliches Merkmal: Ihre Ohren sind in zwei Hälften gespalten. Es kann
sich bei diesen Spalten nur um Einschnitte von Menschenhand handeln, die den
Sinn hatten, die einzelnen Tiere einer Herde hinsichtlich ihrer Eigentümer zu
unterscheiden. Daß die Rinder mit Eigentumsmarken (7) versehen waren, wird
in der indischen Literatur von der ältesten Zeit an (8) berichtet. Die Zeichen
wurden an den Schenkeln oder an den Ohren der Tiere angebracht (9); die Mar¬
ken am Schenkel wurden als anka, die Markierung an den Ohren als lakgapa
(lakgman, lakga ) bezeichnet (lO). Bei der Marke am Schenkel kann es sich
natürlich nur um eine Brandmarke handeln (ll). Da man auch die Markierung
an den Ohren für Brandmarken hielt, hat man die zahlreichen, in der Litera¬
tur belegten Namen für die verschiedenen Formen dieser Markierungen (l2)
als Namen für Brandzeichen verstanden und entsprechend übersetzt (l3). Un¬
sere Darstellung macht deutlich, daß es sich bei diesen Ohrmarken altindischer
Haustiere, wie bei denjenigen anderer Völker auch (14), nicht um Brandzei¬
chen, sondern um verschiedenartig geformte Einschnitte (15) handelte.
Yazdani, der unsere Malerei in dem Tafelband nicht veröffentlicht hat, be¬
schreibt in dem beigegebenen Textband das Bild als eine Szene mit zwölf Rin¬
dern in verschiedenen Farben und mit zwei Rinderhirten (l6). Die Bezeich¬
nung der beiden auf dem Bild sichtbaren Personen als Hirten ist ein bedauer¬
licher Rückschritt, denn schon Burgess (l7) und Griffiths (l8) hatten richtig
erkannt, daß es sich bei diesen Personen um Dämonen handelt. Griffiths
spricht von drei Dämonen, und in seiner Kopie (19) sind tatsächlich auch noch
die Uberreste einer dritten Gestalt zu erkennen. Jedoch auch diese Kopie gibt
noch keine Sicherheit hinsichtlich der Identifizierung der Szene, denn aus
Griffiths' Bild gewinnt man den Eindruck, daß die drei Dämonen in der äußer¬
sten rechten Ecke am oberen Rand des Gemäldes sitzen. Erst die Nachzeich¬
nung macht deutlich, daß die Ecke der Höhle sehr viel höher liegt, daJJ also
in dem nicht mehr erhaltenen oberen Teil des Gemäldes noch weitere Perso¬
nen dargestellt gewesen sein können. Daß es sich bei diesen weiteren Perso¬
nen um einen vierten und fünften Dämon sowie um den Rinderhirten handelt,
zeigt ein Vergleich mit einem Bild aus Höhle 16, welches eindeutig als eine
Darstellung der Maitribala -Legende identifiziert werden konnte. In unserem
Bild in Höhle 1 liegt also die dritte Darstellung dieser Geschichte vor, neben
denjenigen in Höhle 16 und in Höhle 2 (20). Hier wie dort beruht die Darstel¬
lung eindeutig auf der Fassung der Jätakamälä , denn nur diese Fassung be¬
richtet, daß die fünf Dämonen im Reiche des Königs Maitribala zuerst auf
einen Rinderhirten treffen, der ihnen von den Tugenden seines Königs erzählt.
In unserem Bild wie in demjenigen von Höhle 16 weicht der Maler in der Wei¬
se von der literarischen Vorlage ab, daß er die Dämonen bei dem Hirten in
ihrer wahren Gestalt zeigt und nicht in einer Verkleidung als wandernde Brah¬
manen, wie sie der Dichter schildert.
Das zweite der hier zu besprechenden Gemälde findet sich an der äußersten
linken Seite derselben Wand in Höhle 1 (Abb. 2). Erhalten sind von dieser
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bisher noch nirgends publizierten Malerei zwei Szenen: Die erste Szene,
rechts, hat als beherrschenden Mittelpunkt die zwar zerstörte, aber in ihren
Umrissen eindeutig erkennbare Gestalt eines sitzenden Buddha. Rechts neben
diesem Buddha stehen zwei Mönche. Uber dem Haupt desjenigen Mönches, der
dem Buddha am nächsten steht, können wir deutlich eine Schlangenhaube er¬
kennen. Dieses seltsame Merkmal charakterisiert diesen Mönch als den Nägas
zugehörig. Der Glaube an die reale Existenz der Nägas war im damaligen
Volksbewußtsein so lebendig, daß eigens eine Vinaya -Vor schrift eingeführt
wurde, die den Nägas den Eintritt in den Mönchsorden verbietet (2l). Die zu
dieser Vorschrift gehörende Geschichte erzählt von einem Näga, der in mensch¬
licher Gestalt als Mönch in den buddhistischen Orden aufgenommen worden sei
und der dann in der Nacht einen anderen Mönch, mit dem er zusammen in ei¬
ner Zelle schlief, durch seine Verwandlung in die Schlangengestalt aufs höchste
erschreckt habe. Man könnte geneigt sein, unser Bild auf diese Geschichte zu
beziehen. Jedoch paßt die Szene rechts daneben hierzu in gar keiner Weise.
Auf diesem Bild sehen wir rechts wieder einen der beiden Mönche; links ist
die große Gestalt eines Nägakönigs zu erkennen, der dem Mönch offenbar et¬
was in die hingehaltene Hand schüttet. Den zweiten Mönch entdeckt man erst
bei genauer Betrachtung der Szene: Er steht nämlich direkt vor dem Näga-
könig. Seine Füße unterhalb der Mönchsrobe sind nicht mehr erhalten, deut¬
lich ist jedoch vor dem Unterkörper des Näga die Mönchsrobe zu sehen und
außerdem der leicht angewinkelte linke Unterarm des Mönchs. Von der Zeich¬
nung seines Kopfes ist noch ein schmaler Reststreifen vor der Brust des Näga¬
königs erhalten. Trotz der Zerstörung kann kein Zweifel darüber bestehen, daß
dieser Mönch direkt vor dem Nägakönig stand, mit Blickrichtung auf den ande¬
ren Mönch. Es wird sich also um den Mönch mit der Nägahaube handeln, und
der Maler wollte durch seine Stellung am Körper des Nägakönigs den engen
Kontakt augenfällig machen, der zwischen dem Nägakönig und diesem Mönch
besteht.
Die zugehörige Geschichte, die die Erklärung gibt, warum dieser Mönch
dem Nägakönig so nahe steht, findet sich im Vinaya der Mülasarvästivädin (22).
von wo aus sie in das Divyävadäna (23) aufgenommen wurde: Zur Zeit des
Buddha Käsyapa wurde ein Näga-Prinz von einem Garuda geraubt. Vor seinem
Tode sah er Mönche, die an den Hängen des Sumeru meditierten. Dabei ent¬
stand ihm der Wunsch, in seiner nächsten Existenz ein Mönch zu werden. Als
Mensch wiedergeboren, trat er in den Orden des Buddha Käsyapa ein, wurde
zum Heiligen und erkannte in der Meditation, daß er in der vorigen Existenz
ein Näga-Prinz war und daJ3 seine Eltern noch immer um ihn trauerten. Mit
Hilfe seiner übernatürlichen Fähigkeiten flog er zu ihnen und klärte sie über
seine Identität auf. Seine ehemaligen Eltern gaben ihm himmlische Speisen
und baten ihn, täglich zu ihnen zum Essen zu kommen. Eines Tages nun folgte
diesem Mönch auf seinem Flug zu der Nägabehausung ein Srämanera, indem
er sich an seinen Gewandzipfel hängte. Die Nägas gaben ihrem ehemaligen
Sohn wie gewöhnlich die himmlische Speise, dem Novizen jedoch reichten sie
nur gewöhnliche Nahrung. Der Novize merkte dies und, - erzürnt über eine
solche ungleiche Behandlung, - sprach er den Wunsch aus, auf Grund seines
Verdienstes in der jetzigen Existenz dereinst als Nägakönig wiedergeboren zu
werden, um diesen Nägakönig in seiner Stellung abzulösen.
Das vorliegende Gemälde, das diese Geschichte darstellt, gehört gewiß
nicht zu den hervorragendsten Erzeugnissen der Ajantamalerei. Aber auch
Abb. 1: Maitribala
Abb. 2: Nagakumara
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ein solches Gemälde kann, wenn es richtig gedeutet und angemessen reprodu¬
ziert ist, einen Beitrag zum Verständnis der Malerei im alten Indien liefern.
Die Inder selbst hatten die Malkunst zu ihren vornehmsten Künsten gezählt.
Malereien schmückten einstmals die Wände nicht nur der Klöster, sondern
auch der Paläste und Bürgerhäuser. Von dieser einst in ganz Indien blühenden
Kunst ist nichts mehr erhalten als die Malereien von Ajanta und einige wenige
andere Reste. Neue Funde sind kaum noch zu erwarten; umsomehr erwächst
uns die Verpflichtung, das wenige Erhaltene mit besonderer Aufmerksamkeit
zu studieren. Die in München in Angriff genommene Arbeit der zeichnerischen
Reproduktion aller Ajantamalereien soll der vor über einem halben Jahrhundert
aufgestellten Forderung Fouchers entsprechend die Grundlage für die weitere
Arbeit an den Malereien bilden.
Anmerkungen
1. Copy of a letter dated 30th April 1919, from Monsieur A. Foucher to Mr.
G. Yazdani. In: Annual Report of the Archaeological Department of H.E.
H. the Nizam's Dominions, 1918-19, Appendix B, p. 18-23.
2. A. Foucher: Lettre d'Ajantä. In: Journal Asiatique 1921, p. 243 ff. : "Sur
le premier point je dois vous avouer que mes idees ont beaucoup evolue.
J ' etais arrive 1' an dernier dans les grottes d' Ajantä 1' esprit dejä tout
plein du magnifique projet, alors a I'etude, de la reproduction directe
en couleurs de toute leur decoration peinte. Je crains bien aujourd' hui,
apres mür examen, que cette entreprise ne demeure pour longtemps
impracticable. 11 est malheureusement Impossible d'obtenir des photo¬
graphies satisfaisantes de la plupart des murailles, du moins dans leur
etat actuel; et la chose serait-elle faisable que le precede dit "des trois
couleurs" demanderait probablement a etre perfectionne et simplifie
avant de devenir applicable au fond de cette gorge escartee. Devons-nous
done renoncer ä posseder des d present, et en attendant mieux, des re¬
productions artistiquement interessantes et scientifiquement utilisables
des tableaux conseves ? Plus je les ai examinees et mieux je me suis
convaincu du contraire. Ces peintres n' etaient pas en effet de purs co-
loristes; c'etaient avant tout des dissenateurs, et ils avaient, ä tort ou
ä raison, le culte de la ligne. Leur premier som etait de jeter sur le
platre blanc une esquiesse en rouge qu' ils mettaient ensuite en couleurs;
ce qu' il nous faudrait pur par er au plus presse, ce serait, ä mon avis,
des caiques retrayant aussi fidelement que possible les contours encore
visibles de ces esquisses. Selon l'expression de Lady Herringham, cette
premiere ebauche, ä la fois tres fouillees, "gives all the essentials".
Elle donnerait au moins toute satisfaction aux iconographes et leur four-
nirait tout ce dont ils ont besoin pour identifier les scenes et en etudier
la composition. "
3. G. Yazdani: Ajanta, The Colour and Monochrome Reproductions of the
Ajanta Frescoes based on Photography. Part 1-IV, Oxford 1930-55. Ne¬
ben den photographischen Reproduktionen enthalten die Bände 12 Tafeln
mit Nachzeichnungen von Syed Ahmad.
4. Foucher hatte in seinem Brief an Yazdani geraten, die Fragmente mög¬
lichst vollständig zu reproduzieren, s. p. 19: "First, it must be, as far
as possible, complete, as we never know what may tomorrow turn out
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to be of interest or not, even if this or that fragment seems to be of no
importance to-day".
5. S. Yazdani, Part I, Pl. XI.
6. Kautiliya Arthasästra, ed. R.P. Kangle, Bombay 1960, 2,29,22:
sarpavyälaträsanärtharp gocaränupätajhänärtham ca trasnunäip ghantä-
turyarp ca badhniyuh; Kangle: "And in order to frighten serpents and
wild animals and to know the movements in the pastures, they should
tie a bell round the necks of timid animals."
7. Käsikä zu 6,2,115: pasunäip svämivisegasarpbandhajnäpanärtharp
lakganarp; Käsika zu 6,2, 112: pasünäip vibhägajhäpanärtham lak-
§anarp .
8. Rgveda 10,62,7: astakarnyah; vgl. Atharvaveda 12,4,6: yo 'syäh karnäv
äskunoty .
9. Mahäbhägya 1,3,62: goh sakthani karpe vä krtarp lihgarp.
10. Atharvaveda 6, 141,2: mithunarp karnayoh laksma; 12,4,6: karnäv
laksma; MaiträyanT-Samhita 4,2,9 (p. 31,5): gaväm laksma kuryäd;
Khadira Grhyasütra 3,1,46: vatsamithunayol) karne lakganarp kuryät ;
= Drähyäyana Grhyasütra 3, 1, 46; Gobhila Grhyasütra 3, 6, 5: laksanam
karoti; Käsikä zu 6,3,115: pasünäm däträkärädi lakganarp;
Käsikä zu 6,2,112: dätrasahkupratirüpakarp karnädisu cihnarp yat kri-
yate tad iha laksanam grhyate; Asoka, 5. Säulenedikt: tissäye punäva-
sune cäturpmäsiye cäturpmäsipakkhäye asvassä gonassa lakkhane no
kattaviye; Kautiliya Arthasästra 2,29,9: mäsadvimäsajätän ahkayet;
2,29,17: räjähkena; 2,29,25: ahkacarma karnalakganam; Mahä¬
bhärata, Crit. Ed. 3,229,4: ahkair laksais ca tä sarvä laikgayäm äsa
pärthivah; MilindapaKha, ed. V. Trenckner, London 1880, p. 79, 23:
yo balivaddänarp ankena jänäti lakkhanena jänäti.
11. Auch die Brandmarken, mit denen Verbrecher gezeichnet wurden, wer¬
den anka genannt; Stellenbelege aus der Dharmasästra-Li teratur s. PW
anka, ahkakarana, ahkana, ankabandha und ahkay.
12. Atharvaveda 6,141,2: mithunam karnayoh; Maiträyapi Samhitä 4, 2,9
(p. 31, 15ff. ): sthünäkarnyo karkarikarnyo chidrakarnyo
pracchindyäkarnyah däträkarpyah vig^yakarnyah; Pänini 6,3,115:
karne lakganasyävistästapancamanibhinnacchidrasruvasvastikasya; hierzu
Käsikä: ity etän varjayitvä däträkarnah dvigunäkarnah trigupäkarnah
dvyahguläkarnah ahguläkarnah; Käsikä zu 6.2.112: däträkarpah
sahkükarpalj; Pktantra, Sämaveda Prätisäkhya, Sütra 217 (5,1,3): karpe
plihähkusakupcjaloparigtädhyakgatabänänäm.
13. So vergleicht z.B. V.S. Agrawala: India As Known to Pänini, Lucknow
1953, p. 226ff. : "Branding of Cows (lakshapa)" die Namen der Ohr¬
marken mit Zeichen auf gepunzten Münzen.
14. CG. Homeyer: Die Haus- und Hof marken, Berlin 1870, S. 161, 253;
K. Heckscher: Die Volkskunde des germanischen Kulturkreises, Ham¬
burg 1925, S. 529; F. Paudler: Däträkarna, Uber den Ursprung und die
kulturgeschichtliche Wichtigkeit der Ohrmarken an Haustieren. In: Fest¬
schrift M. Winternitz, Leipzig 1933.
15. Zum Schneiden wurde ein kupfernes Messer verwendet; vgl. Artharvaveda
6,141,2: lohitena svadhitinä; Gobhila Grhyasütra 3,6, 5: audumbarenäsina
vatsamithunayor lakganam karoti (Com. : audumbarepa tämramayena na
dävarena). In Mäiträyani Samhitä 4,2,9 (p. 32, lOff. ) wird das Schnei-
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den der Ohren mit einem Pfeilrohr abgelehnt, denn dies wäre so, als
würde man das Vieh mit einem Vajra treffen; ebenso wird ein eisernes
Messer verworfen, weil dies grausam und roh sei; als zuträglich und
mild wird dagegen ein Zuckerrohrstengel bezeichnet, den man vorher in
Wasser gelegt hat, oder auch ein kupfernes Messer: na tejanenäksnuyäd
vajro vai tej anam yat tejanenäksnuyäd vajrepa pasün arpayen na syämenä-
yasä krürani tad asäntam iksukändam apsu väsayitvä tenäksitavyäs tad
dhi sivam tah säntam atho ähur lohitenayaseti tad dhi sivam tan säntam.
Vgl. B. Delbrück: Aksnoti akgnute das Vieh zeichnen. In: Gurupüjakau-
mudi,Festgabe für Albrecht Weber, Leipzig, 1896, S. 48f.
16. Yazdani, Part I, p. 45.
17. J. Burgess: Notes on the Bauddha Rock-Temples of Ajanta. Archaeolog¬
ical Survey of Western India, No. 9, Bombay 1879, p. 21: "Beyond this,
to the right, is a pastoral scene with a herd of cows of different colours-
two cows and a calf, green- some lying, others standing. Behind them
stand two green demons, and a third figure, as if about to carry them
off."
18. J. Griffiths: The Paintings in the Buddhist Cave-Temples of Ajanta, Vol. I,
London 1896, p. 28: "Behind the cattle, three ghulish-Iooking figures,
with curved teeth, are probably intended for Rakshasas or demons. The
centre one is flesh colour, and the other green."
19. Griffiths, Plate 19.
20. Besprechung der Maitribala-Darstellung in Höhle 16 und Höhle 2 in D.
Schlingloff: Jätakamälä-Darstellungen in Ajanta. In: Wiener Zeitschrift
für die Kunde Südasiens, Bd. XVI, 1972, S. 55ff.
21. Mahävagga 1, 63. In: Vinaya Pitakam, ed. H. Oldenberg, Vol. 1, p.
86ff.
22. Taisho Nr. 1444, ch. 4, Vol. XXIII, 1037-38 (Die Interpretation dieses
Textes verdanke ich Frau Dr. Valentina Stache-Rosen, Bangalore).
23. Divyävadäna, ed. Cowell-Neil, Cambridge 1886, p. 344-46. Eine eng¬
lische Ubersetzung dieses Textes findet sich in J.Ph. Vogel: Indian
Serpentlore, or The Nägas in Hindu Legend and Art. London 1926, p.
187-89. Der der Divyävadäna-Fassung zugrunde liegende Sanskrittext
aus dem Vinaya der Mülasarvästivädin wurde kürzlich herausgegeben
von V. Näther: Das Gilgit-Fragment OR. 11878A im Britischen Museum
zu London, herausgegeben, mit dem Tibetischen verglichen und über¬
setzt. Diss. Marburg 1975, S. 41-44, 83-87.
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ZUR BUDDHISTISCHEN LEHRE VON DER DREIFACHEN
LEIDHAFTIGKEIT (l)
Von Lambert Schmithausen, Hamburg
I.
Der Begriff des Le i de s ( duhkha , Pali dukkha) spielt, wie allgemein be¬
kannt, im Buddhismus eine zentrale Rolle. Betrachtet man die Verwendungen
dieses Wortes in den frühbuddhistischen Lehrreden, so verdient vor allem
ein Unterschied Hervorhebung:
Zum einen wird das Wort ' duhkha ' in der nicht spezifisch buddhistischen,
schon in spätvedischen Texten (2) gut belegten Bedeutung "Schmerz" ,
bzw. - adjektivisch - "schmerzhaft", verwendet. Dieser Schmerz kann
körperlicher oder seelischer Natur sein (3), doch kom.mt es auch vor, daJ3
der seelische Schmerz - oft als daurmanasya , "Mißstimmung", bezeichnet -
dem dann speziell den körperlichen Schmerz intendierenden duhkha gegen¬
übergestellt wird (4). Duhkha in diesem Sinne ist vor allem eine der drei
Arten von Empfindungen oder Gefühlen ( vedanä ) : die schmerzhafte
Empfindung im Gegensatz zur angenehmen (sukha) und zur neutralen,
weder angenehmen noch schmerzhaften ( adutikhäsukha ) (5). Als duljkha im
Sinne des körperlichen und seelischen Schmerzes können des weiteren alle
Gegebenheiten bezeichnet werden, die mit schmerzhafter Empfindung ver¬
bunden sind oder diese hervorrufen, so etwa, wenn es in der alten kanoni¬
schen Formel der 'Edlen Wahrheit vom Leiden' (6) heißt: "Geburt ist leid¬
voll; Alter, Krankheit, Tod, Verbindung mit Unliebem usw. sind leidvoll"
- d.h.: all dies ist Anlaß für körperlichen oder seelischen Schmerz.
Deutlich abgehoben von diesem physiologisch-psychologischen Leidbegriff
ist die typisch buddhistische Verwendung des Wortes ' duljkha ' im Rahmen
einer generellen Analyse des gesamten Daseins. Sie liegt überall dort vor,
wo die Leidhaftigkeit aus der Vergänglichkeit abgeleitet wird. Leid¬
haft, unbefriedigend im Sinne dieses tieferen Leid-Begriffes - den ich den
'metaphysischen' nennen möchte - sind alle verursachten Daseins¬
faktoren, insbesondere alle empirisch faßbaren Konstituenten der mensch¬
lichen Person (7), also auch die Empfindungen, und zwar alle Empfindungen,
nicht bloß die schmerzhaften, sondern auch die angenehmen und neutralen (8).
II.
Eine erste explizite Thematisierung dieser Aquivokation des buddhistischen
Leidbegriffes findet sich im Rahogatasutta des Sarnyuttanikäya (9). Dort
trägt ein Mönch dem Erhabenen das Problem mit folgenden Worten vor: "Der
Erhabene hat drei Arten von Empfindungen ( vedanä ) gelehrt: die angenehme,
die leidvolle (d.h. schmerzhafte) und die weder angenehme noch schmerz¬
hafte. Der Erhabene hat aber auch gelehrt, daß jegliche Empfindung als in
den Bereich des Leidvollen fallend anzusehen sei. Was hat denn nun der Er-