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Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)

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Pressekontakt für Rückfragen: Vor Ort auf dem Kongress Kerstin Ullrich/Corinna Spirgat vom 19. bis 21. September 2013:

Pressestelle 111. DOG-Kongress Raum Straßburg (EG, Estrel)

Postfach 30 11 20 Tel.: 030 6831-20010

70451 Stuttgart Fax: 030 6831-20011

Telefon: 0711 8931-641 bzw. -293 Telefax: 0711 8931-167

ullrich@medizinkommunikation.org www.dog-kongress.de

Vorab-Pressekonferenz

anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)

Termin: Donnerstag, 12. September 2013, 11.00 bis 12.00 Uhr

Ort: Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Raum 0107 (Der Zugang erfolgt über den Pförtner)

Anschrift: Schiffbauerdamm 40/Ecke Reinhardtstraße 55, 10117 Berlin-Mitte

Themen und Referenten:

Schwere Kontaktlinsenkomplikationen werden häufig verkannt – Warum wir ein Akanthamöben-Register brauchen

Professor Dr. med. Berthold Seitz

Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG),

Direktor der Klinik für Augenheilkunde und Hochschulambulanz Universitätsklinikum des Saarlandes UKS, Homburg/Saar

Die Rolle des oxidativen Stresses bei Augenerkrankungen – Können Antioxidantien unsere Sehleistung verbessern?

Professor Dr. med. Carl Erb

Mitglied der Sektion Glaukom der DOG, Augenklinik am Wittenbergplatz Berlin Neue Untersuchungsmethode bei diabetischer Neuropathie:

Die Hornhaut verrät frühzeitig Nervenschädigungen Professor Dr. med. Rudolf Guthoff

Direktor der Universitäts-Augenklinik Rostock

Neue Entwicklungen in der Behandlung der diabetischen Netzhauterkrankung Professorin Dr. med. Gabriele E. Lang

Leiterin der Sektion konservative Retinologie und Laserchirurgie der Universitäts-Augenklinik Ulm

Wenn Kleinkinder nicht zum Augenarzt gehen – Folgen nicht entdeckter Schwachsichtigkeit Professor Dr. med. Wolf A. Lagrèze

Leitender Arzt der Sektion Neuroophthalmologie, Kinderophthalmologie und Schielbehandlung an der Universitäts-Augenklinik Freiburg

Moderation: Anne-Katrin Döbler, Pressestelle DOG, Stuttgart

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Pressekontakt für Rückfragen: Vor Ort auf dem Kongress Kerstin Ullrich/Corinna Spirgat vom 19. bis 21. September 2013:

Pressestelle 111. DOG-Kongress Raum Straßburg (EG, Estrel)

Postfach 30 11 20 Tel.: 030 6831-20010

70451 Stuttgart Fax: 030 6831-20011

Telefon: 0711 8931-641 bzw. -293 Telefax: 0711 8931-167

ullrich@medizinkommunikation.org www.dog-kongress.de

Vorab-Pressekonferenz

anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)

Termin: Donnerstag, 12. September 2013, 11.00 bis 12.00 Uhr

Ort: Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Raum 0107 (Der Zugang erfolgt über den Pförtner)

Anschrift: Schiffbauerdamm 40/Ecke Reinhardtstraße 55, 10117 Berlin-Mitte

Inhalt:

Pressemitteilungen: Schwere Kontaktlinsen-Komplikationen: Zwei Drittel aller Akanthamöben-Infektionen falsch diagnostiziert

Neue Untersuchung für diabetische Neuropathie:

Hornhaut des Auges verrät frühzeitig Nervenschäden

Redemanuskripte: Professor Dr. med. Berthold Seitz Professor Dr. med. Carl Erb Professor Dr. med. Rudolf Guthoff Professorin Dr. med. Gabriele E. Lang Professor Dr. med. Wolf A. Lagrèze

Lebensläufe der Referenten

Bestellformular Fotos

Falls Sie das Material in digitaler Form wünschen, stellen wir Ihnen dieses gerne zur Verfügung. Bitte kontaktieren Sie uns per E-Mail unter:

spirgat@medizinkommunikation.org.

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111. DOG-Kongress

19. bis 22. September 2013, Estrel Berlin

Schwere Kontaktlinsen-Komplikationen: Zwei Drittel aller Akanthamöben-Infektionen falsch diagnostiziert

Berlin, 12. September 2013 – Schätzungsweise 200

Kontaktlinsenträger erleiden in Deutschland jedes Jahr eine gefährliche Hornhautentzündung, Keratitis genannt, die durch Akanthamöben verursacht wird. Besonders gefährdet sind

Kontaktlinsenträger, die ihre Sehhilfen nicht ausreichend reinigen oder dafür Leitungswasser benutzen. In zwei Drittel der Fälle verkennen Augenärzte die Ursache für die Akanthamöben-

Infektion, die schwer zu diagnostizieren ist und bis zur Erblindung führen kann. Bei einer unklaren Keratitis sollten sich behandelnde Ärzte daher rechtzeitig an eine kompetente universitäre

Einrichtung wenden, rät die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG). Wie man Akanthamöben sicher erkennt, diskutieren Experten auf dem DOG-Kongress vom 19. bis 22.

September 2013 in Berlin.

In Deutschland tragen 3,4 Millionen Menschen Kontaktlinsen. Sie sind besonders anfällig für Hornhautentzündungen, die meist von Bakterien, Viren oder Pilzen verursacht werden. Schätzungsweise 4000

Kontaktlinsenträger erleiden jedes Jahr eine solche Keratitis. In etwa fünf Prozent der Fälle handelt es sich um eine Akanthamöben-Infektion.

Die Einzeller kommen in der Erde, im Leitungswasser und in Klima- anlagen vor und können in die Hornhaut des Auges eindringen, sich dort einnisten und gefährliche Entzündungen hervorrufen. „Neunzig Prozent der Infizierten sind Kontaktlinsenträger“, erklärt Professor Dr.

med. Berthold Seitz, Präsident der DOG. Experten gehen daher von bis zu 200 Akanthamöbenkeratitiden pro Jahr bei Kontaktlinsenträgern in Deutschland aus.

Das Krankheitsbild bereitet Ärzten oft Schwierigkeiten. „Selbst für Experten ist die Akanthamöbenkeratitis schwer zu diagnostizieren“, erklärt Berthold Seitz. Der Direktor der Universitätsaugenklinik

Homburg/Saar hat als Sprecher der Sektion DOG-Kornea im Jahr 2011 das Deutsche Akanthamöbenkeratitis-Register initiiert, das bundesweit Fälle sammelt. Bisher sind 130 Patienten gemeldet worden. „Bei zwei

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Dritteln wurde zunächst eine falsche Diagnose gestellt“, berichtet Seitz.

„Meist liegt eine Verwechslung mit einer Herpesvirus-Infektion vor.“ Für den sicheren Nachweis einer Akanthamöbenkeratitis muss eine

Gewebeprobe ins Speziallabor geschickt werden.

Bis zur korrekten Diagnosestellung vergehen häufig Wochen oder Monate. Das Problem: Je länger die Krankheit unbehandelt fortschreitet, desto gefährlicher ist sie für den Patienten – bereits nach drei Wochen drohen bleibende Sehbeeinträchtigungen, später sogar die Erblindung.

„Wir raten Augenärzten daher, sich bei unklaren Hornhautentzündungen an eine kompetente universitäre Einrichtung zu wenden“, so Seitz. Dies könne der Fall sein etwa bei einer sich sehr langsam entwickelnden Hornhautentzündung, die nicht auf eine antibakterielle oder antivirale Therapie anspricht. Typisch sind Schmerzen, die aber oft erst nach vier bis fünf Wochen einsetzen, wenn die Nerven mitbetroffen sind.

Ist die Ursache erkannt, hilft häufig eine Kombinations-Therapie mit drei Medikamenten. Allerdings kann die Behandlung selbst bei frühzeitiger Diagnose bis zu einem Jahr dauern. „Als wirkungsvoll hat sich eine Art Schocktherapie erwiesen, bei der sich die Patienten zunächst Tag und Nacht viertelstündlich Medikamente ins Auge tropfen“, erklärt Seitz.

Schlägt die medikamentöse Therapie nicht an, bleibt die Möglichkeit einer Kältetherapie oder einer Hornhauttransplantation.

Häufigste Ursache für eine Akanthamöbenkeratitis sind weiche Kontaktlinsen, die zu lange benutzt werden. Auch das Tragen von Kontaktlinsen beim Baden, mangelhafte Hygiene und das Reinigen mit Leitungswasser erhöhen das Infektionsrisiko. „Kontaktlinsen rechtzeitig austauschen und nur mit empfohlenen Reinigungsmitteln streng nach Gebrauchsanleitung säubern“, rät DOG-Experte Seitz.

Terminhinweise:

Pressekonferenz im Rahmen des 111. DOG-Kongresses:

Termin: Donnerstag, 19.9.2013, 12.45 bis 13.45 Uhr Ort: Estrel Berlin, Raum Paris (Erdgeschoss)

Anschrift: Sonnenallee 225, 12057 Berlin

Symposium „Acanthamoeba Keratitis – Epidemiology, Diagnostics and Therapeutics“

Termin: Donnerstag, 19.9.2013, 16.00 bis 17.30 Uhr Ort: Estrel Berlin, Saal C

Anschrift: Sonnenallee 225, 12057 Berlin

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111. DOG-Kongress

19. bis 22. September 2013, Estrel Berlin

Neue Untersuchung für diabetische Neuropathie Hornhaut des Auges verrät frühzeitig Nervenschäden

Berlin, 12. September 2013 – Die Hornhaut des Auges gibt Auskunft über Schäden am gesamten Nervensystem. Auf Basis dieser Erkenntnis haben Augenärzte aus Rostock eine neue Untersuchungsmethode für diabetesbedingte Nervenschäden entwickelt. Das „Rostock Laser Scanning Mikroskop“ bietet damit erstmals ein schonendes Diagnoseverfahren für die diabetische Neuropathie, unter der jeder vierte Diabetiker leidet. Die neue Diagnostik könnte auch die Entwicklung eines Neuropathie- Medikamentes entscheidend voranbringen, erklären die Wissenschaftler heute auf der Vorab-Pressekonferenz des

111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Die Jahrestagung findet vom 19. bis 22. September 2013 in Berlin statt.

Neuropathie ist eine gefürchtete Spätfolge des Diabetes, unter der in Deutschland rund 1,5 Millionen Betroffene leiden. Die dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerte schädigen das Nervensystem, häufig die unter der Haut liegenden Empfindungs- und Bewegungsnerven.

Schmerzen und Taubheitsgefühle sind die Folge. Weil die Betroffenen kleinere Fußverletzungen nicht mehr spüren, kommt es zu chronischen Entzündungen, die schließlich in einigen Fällen sogar eine Amputation einzelner Zehen oder des gesamten Fußes erfordern.

Bislang gab es jedoch keine Möglichkeit, eine Neuropathie früh und zuverlässig zu diagnostizieren. „Gewebeproben aus betroffenen Gebieten des Beines waren bisher als invasive, aber trotzdem nicht immer zuverlässige Methode notwendig“, erläutert Professor Dr. med.

Rudolf Guthoff, Direktor der Universitätsaugenklinik Rostock. Sein Wissenschaftler-Team suchte daher nach einem neuen und

schonenderen Verfahren, das an der Hornhaut des Auges ansetzt.

„Wir wissen, dass das Auge Nervenschädigungen am gesamten Körper widerspiegelt“, so Guthoff.

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In Zusammenarbeit mit der Firma Heidelberg Engineering entwickelten die Universitätsmediziner das „Rostock Laser Scanning Mikroskop“

(RLSM). Mit einem speziellen Aufsatzmodul vermessen die

Ophthalmologen das Nervenfasergeflecht der Hornhaut und ziehen dadurch Rückschlüsse auf das Nervensystem des Körpers. „Parameter wie Nervenfaserlänge, Nervenfaserdichte und Anzahl der

Verzweigungen sind ein direkter Gradmesser für das Ausmaß der Neuropathie“, erklärt DOG-Experte Guthoff. Für die Untersuchung erhält der Patient lediglich Augentropfen. Dann berührt das Mikroskop kurz die Augenoberfläche, und es baut sich ein Bild der Nervenfaserstruktur auf.

„Mit dem Mikroskop können wir die diabetische Neuropathie frühzeitig diagnostizieren, bevor es zu schweren Schäden kommt“, so Guthoff.

Eine wirksame Behandlung der diabetesbedingten Neuropathie gibt es bislang nicht. „Aber man kann vorbeugen, indem der Patient auf einen gut eingestellten Blutzucker achtet, Bagatellverletzungen am Fuß meidet und regelmäßig zur Fußpflege geht“, erläutert Guthoff.

Die neue Diagnostik dürfte auch die Entwicklung neuer Medikamente voranbringen, hofft der DOG-Experte. Die US-amerikanische „Food and Drug Administration“ (FDA) denkt bereits darüber nach, das Rostocker Mikroskop als einen diagnostischen Marker für künftige Studien einzu- führen. So könnten Pharmafirmen die Wirksamkeit eines Neuropathie- Präparats erstmals eindeutig und frühzeitig nachweisen.

Bisher bieten erst wenige spezialisierte Universitätsaugenkliniken die neue Nervenfaseranalyse an. „Hoffentlich bald wird jedoch eine komfortable Analysesoftware zur Verfügung stehen, die eine breite klinische Anwendung ermöglicht“, erklärt Rudolf Guthoff.

Terminhinweise:

Pressekonferenz im Rahmen des 111. DOG-Kongresses:

Termin: Donnerstag, 19.9.2013, 12.45 bis 13.45 Uhr Ort: Estrel Berlin, Raum Paris (Erdgeschoss)

Anschrift: Sonnenallee 225, 12057 Berlin

Symposium „Die Hornhaut als Indikator der Diabetischen Neuropathie – Oberflächenstörungen und Innovationsmuster”

Termin: Samstag, 21.9.2013, 8.00 bis 9.30 Uhr Ort: Estrel Berlin, Saal C

Anschrift: Sonnenallee 225, 12057 Berlin

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Schwere Kontaktlinsenkomplikationen werden häufig verkannt – Warum wir ein Akanthamöben-Register brauchen

Professor Dr. med. Berthold Seitz, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Direktor der Klinik für Augenheilkunde und Hochschulambulanz Universitätsklinikum des Saarlandes UKS, Homburg/Saar

Komplikationen beim Tragen von Kontaktlinsen

Kontaktlinsen (KL) sind nicht nur unsichtbare Brillen ohne Bügel. Sie können viel mehr.

Diese kleinen unscheinbaren „Dinger“ können sogar oft noch helfen, wenn eine Brille uns nicht mehr weiterbringt.

Für wen kommen KL infrage?

Mit Kontaktlinsen kann man außer Schielstellungen praktisch jede Fehlsichtigkeit korrigieren.

Ihre wahren Stärken können Kontaktlinsen bei den Extremfällen ausspielen: Zum Beispiel bei starken Kurz- und Weitsichtigkeiten aber auch in Fällen von großen Stärken-

unterschieden zwischen den beiden Augen. Bei stark verkrümmten Hornhäuten, wie es zum Beispiel nach Augenverletzungen und bei gewissen Augenerkrankungen (Musterbeispiel:

Keratokonus) der Fall ist, sind Kontaktlinsen das Mittel der ersten Wahl. Aus unserem Homburger Keratokonuscenter sind formstabile Keratokonusspeziallinsen nicht

wegzudenken!

Welche Kontaktlinsen gibt es?

Die Auswahlmöglichkeiten sind sehr vielfältig, der Markt fast unüberschaubar. Prinzipiell unterscheidet man zwischen formstabilen und weichen Kontaktlinsen. Außer in der Material- Konsistenz unterscheiden sich beide Typen deutlich in Größe, Spontan- und Langzeit- verträglichkeit, Handhabung und Haltbarkeit. Während formstabile KL durchschnittlich auf zwei Jahre ausgelegt sind, gibt es weiche KL für einen Tag, zwei, vier, zwölf Wochen bis hin zu einem Jahr Nutzungsdauer.

Untergeordnet stehen wiederum vor allem bei formstabilen KLs verschiedene Geometrien der Rück- und Vorderfläche, Krümmungs kurven (zum Teil in 5/100 mm Abstufungen), Abflachungen und Durchmesser, Materialzusammensetzungen und -eigenschaften, Linsen mit sphärischer oder torischer Wirkung, Mehrstärkenlinsen etc. zur Auswahl.

Aus der Vielfalt des Angebots wird deutlich, wie wichtig eine fachgerechte Anpassung ist.

Leider verursachen viele der falsch oder gar nicht angepassten Linsen nicht sofort

Beschwerden, sondern oft genug erst nach Wochen und Monaten. Und selbst dann werden die Symptome oft nicht direkt mit den Kontaktlinsen in Verbindung gebracht.

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Was sind verdächtige Anzeichen?

Bei geröteten Augen, Jucken, Brennen, Trockenheitsgefühl, getrübter Sicht, usw. wird wohl jeder vernünftige Kontaktlinsenträger seinen Kontaktlinsen-Anpasser (CAVE: Unterschied KL-Anpasser und KL-Verkäufer!) aufsuchen.

Keine subjektiven Beschwerden am Auge heißt aber nicht automatisch, dass alles in Ordnung ist. Zum Beispiel ist eine zu unbeweglich sitzende Kontaktlinse für den Träger durchaus angenehm. Er bemerkt also nicht, dass so kaum Tränenfilmaustausch unter der KL stattfindet. Dies ist aber wichtig, um zum Beispiel der Hornhaut neuen Sauerstoff zuzuführen und Stoffwechselendprodukte abzutransportieren. Die Gasdurchlässigkeit der KL selbst, vor allem bei Weichlinsen, sinkt übrigens während der täglichen Tragezeit durch Ablagerungen in den Poren erheblich. Bei Sauerstoffunterversorgung läuft die Hornhaut Gefahr, ihre Transparenz zu verlieren. Der Körper hilft sich selbst, indem er kleine Adern in die normalerweise blutgefäßfreie Hornhaut einsprießen lässt, um über das Blut Sauerstoff heranzuführen. Solche Einsprossungen sind quasi als „Hilfeschrei“ des Auges zu verstehen.

Dies kann der KL-Träger selbst allerdings kaum feststellen. Unter anderem deshalb sind regelmäßige Routinekontrollen beim Augenarzt enorm wichtig, auch ohne direkte subjektive Beschwerden.

Welche Hygiene-Schritte sind zu beachten?

Ein großes und äußerst wichtiges Thema ist die richtige Pflege der KL. Weiche und harte Kontaktlinsen benötigen unterschiedliche Pflege. Zunächst ist es selbstverständlich und unerlässlich, die Hände vor jedem Hantieren der Kontaktlinsen gründlich zu waschen.

Bei formstabilen KL sollte die Pflege mindestens aus einem Oberflächen-Reiniger zur manuellen Reinigung nach dem Tragen, einer desinfizierenden Aufbewahrungslösung und Kochsalzlösung zum Abspülen bestehen.

Leitungswasser hat in der KL-Pflege nichts zu suchen, denn trotz Trinkwasserqualität enthält es immer noch Mikroorganismen, welche zwar den Linsen nicht schaden, wohl aber in ungünstigen Fällen dem Auge (zum Beispiel Akanthamöben).

Weiche Kontaktlinsen sind aufgrund ihres schwammartigen Aufbaus mit relativ großen Poren besonders gefährdet, Keime (zum Beispiel Viren, Bakterien und Pilze) aufzunehmen. Daher ist eine effektive Bekämpfung der Krankheitserreger unerlässlich. Leider wird diese

Notwendigkeit oft unterschätzt. Dies macht sich in der bedeutend höheren Infektionsrate bei Weichlinsenträgern bemerkbar.

Sinnvolle Weichlinsenpflege desinfiziert die KL mit Wasserstoffperoxid (H2O2). Diese

„scharfe“ Lösung wird entweder mit einer zweiten Lösung oder einer entsprechenden beigefügten Tablette oder einem speziellen Metallring neutralisiert, damit es am

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Auge nicht brennt (in höherer Konzentration wird Wasserstoffperoxid zum „Blondieren“

der Haare benutzt!).

Abzuraten ist im Allgemeinen von sogenannten „All-in-One“-Pflegemitteln. Die Desinfektions- wirkung ist nicht ganz so effektiv, außerdem lagern sich die Konservierungsstoffe der Lösung in der KL-Matrix ein und werden beim Tragen allmählich in den Tränenfilm abgegeben. Diese können zum einen allergische Reaktionen auslösen und zum anderen das empfindliche Gleichgewicht der Tränenfilmbestandteile stören und somit das Auge „trocken“ machen (dysfunktionales Tränensyndrom).

Komplikationen beim KL-Tragen?

Bei guter Anpassung, regelmäßigen Kontrollen beim Augenarzt und der richtigen Hygiene sind kaum Komplikationen zu erwarten.

Die weitaus häufigsten Probleme treten durch Handhabungs- und Pflegefehler auf.

Zum Beispiel macht es keinen Sinn, Pflegemittel in andere, kleinere Fläschchen umzufüllen.

Die dazu notwendigen Sterilitätsanforderungen können im Haushalt nicht erfüllt werden.

Natürlich macht es auch keinen Sinn, die Desinfektionslösung aus Sparsamkeit zu verdünnen oder mehrfach zu verwenden.

Häufig vergessen wird die regelmäßige Proteinentfernung. Im Tränenfilm enthaltene Eiweißbestandteile lagern sich gerne so fest an die KL-Oberfläche an, dass die meisten normalen Reiniger sie nicht komplett entfernen können. Es bildet sich also eine ständig wachsende, zunächst nicht einmal mit dem Mikroskop erkennbare Schicht aus organischem Material auf der KL. Diese verändern sich im Laufe der Zeit strukturell, die Linse wird rauh, benetzt schlechter und gleitet weniger. Als Folge wird das Auge rot und gereizt auf die KL reagieren.

Typische KL-Komplikationen

Bei Kontaktlinsenträgern häufiger zu beobachten ist die sogenannte „Keratopathia superficialis punctata“ (KSP). Darunter versteht man punktförmige Defekte der obersten Hornhautschicht, dem sogenannten Epithel. Sie ist bei geringfügigem Auftreten noch recht harmlos, aber eventuell als Signal wichtig. Dagegen führt sie bei stärkerer Ausprägung zu Schmerzen, Rötungen und verstärktem Tränenfluss.

KSP tritt auf bei mechanischer Reizung (KL, Fremdkörper), Austrocknung (unvollständiger Lidschluss, trockenes Auge) oder auch bei Infektionen. In solchen Fällen müssen dringend KL und Anpassung überprüft werden.

Der Begriff der Neovaskularisation bezeichnet am Auge die ebenfalls häufiger zu beobachtende unkontrollierte Neubildung von Blutgefäßen. Diese wachsen oftmals bei

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langjährigem, exzessivem Weichlinsentragen durch die permanente Sauerstoff- unterversorgung (Hypoxie) in die ansonsten vollkommen blutgefäßfreie Hornhaut ein.

Der KL-Träger hat dabei keinerlei Missempfinden und bemerkt erst in Extremfällen eine Sichteinschränkung. Diese Gefäße können sich nicht mehr zurückbilden. Bestenfalls werden sie nach KL-Karenz oder Umstieg auf formstabile KL blutleer und bleiben als sogenannte Geistergefäße („ghost vessels“) zurück.

Sogenannte Infiltrate der Hornhaut findet man als kleine helle Flecken in der Hornhaut. Sie sind entzündliche Reaktionen der Hornhaut (infiltrative Keratitis) auf vielerlei Ursachen:

Zum Beispiel Hypoxie, lange Zeit geschlossene Lider, festsitzende Linsen, Bakterientoxine, denaturierte Ablagerungen auf der KL-Oberfläche, Toxizität von Pflegemitteln, Erkrankungen des Lidrandes, Allergien, adenovirale Infektionen, zum Teil auch nach mechanischem

Trauma. Typische Anzeichen sind: KL-Unverträglichkeit, Fremdkörper-Gefühl, Lichtscheu und stärkerer Tränenfluss sowie Augenrötung. Beseitigt man die Ursache, verschwinden die Infiltrate im Allgemeinen nach 2-3 Wochen. Je nach Ursache und Tiefe können Narben zurück bleiben.

Eine schwerwiegende Erkrankung des vorderen Augenabschnitts ist die Mikrobielle Keratitis. Sie kann bis zur Erblindung führen. Verursacher sind Bakterien (zum Beispiel Pseudomonas), Viren, Pilze oder auch Akanthamöben. Bei den typischen Anzeichen wie plötzlich auftretende starke Schmerzen, Lichtscheu, starke Rötung, verstärkter Tränenfluss, zum Teil auch beeinträchtigte Sicht, Sekretausfluss und geschwollene Lider sollte sofort ein Augenarzt aufgesucht werden. Je nach Ursache, Ausprägung und Lokalisation bleiben nach Abklingen der Beschwerden Vernarbungen, Gefäßeinwachsungen („Neovaskularisationen“) und Sehleistungseinbußen zurück.

Besondere Kontaktlinsen

Kontaktlinsen können auch besondere medizinische Zwecke erfüllen. Bei Hornhaut- Verletzungen oder als Schutz nach OPs werden zum Beispiel weiche, sogenannte Verbandlinsen, benutzt, welche mehrere Tage am Auge bleiben. Manche Kontaktlinsen werden mit tränenfilmlöslichen Medikamenten angereichert: während des Tragens werden diese Stoffe langsam an das Auge abgegeben.

Irislinsen sind Kontaktlinsen mit einem lichtundurchlässigen Ring, der beispielsweise nach Verletzungen als zusätzliche Blende den Lichteinfall ins Auge reduziert. Damit lässt sich auch eine getrübte Hornhaut kosmetisch gut kaschieren.

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Wenn sich störende Doppelbilder ansonsten nicht beheben lassen, kann eine sogenannte Vollokklusionslinse, welche auf dem Auge keine Sehwahrnehmung mehr zulässt, das Doppelbild unauffällig beseitigen.

Auch in der modernen Ophthalmologie mit all ihren chirurgischen Möglichkeiten ist die Kontaktlinse noch immer unentbehrlich. Für ein möglichst komplikationsloses

Kontaktlinsentragen sind regelmäßige Kontrollen (in circa halbjährlichem Abstand) durch den Augenarzt absolut unabdingbar.

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013

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Die Rolle des oxidativen Stresses bei Augenerkrankungen–Können Antioxidantien unsere Sehleistung verbessern?

Professor Dr. med. Carl Erb, Mitglied der Sektion Glaukom der DOG, Augenklinik am Wittenbergplatz Berlin

Normale Zellen im Organismus haben die Fähigkeit, giftige Stoffwechselprodukte zu neutralisieren. Ein Ungleichgewicht zwischen den oxidierenden und reduzierenden Substanzen, das die normale Reparatur- und Entgiftungsfunktion einer Zelle überfordert, wird als oxidativer Stress bezeichnet. In der Regel liegt eine Störung zwischen der Bildung von freien Radikalen/reaktiven Sauerstoffspezies und/oder eine Verminderung der die freien Radikale abpuffernden Schutzsysteme vor. Dadurch werden die Zellen mit freien Radikalen überflutet und es entstehen direkte und indirekte zelluläre Schäden, die zu einem Organ- umbau mit entsprechendem Funktionsverlust führen können. Im Rahmen der strukturellen Veränderungen an den Zelloberflächen kann es auch zu immunologischen Reaktionen kommen, wie zum Beispiel zu Autoimmunreaktionen.

Das menschliche Auge ist tagsüber einem starken photooxidativen Stress ausgesetzt und braucht deshalb ein gut funktionierendes Puffersystem, um die ständig entstehenden freien Radikale und reaktiven Sauerstoffspezies abfangen zu können. Beispielsweise liegt im Kammerwasser deshalb das Vitamin C, die Ascorbinsäure, als Hauptradikalfänger 20 bis 30 Mal höher konzentriert vor, als im Blutplasma, und die Makula, die Stelle des schärfsten Sehens in der Netzhaut, ist durch spezielle Pigmente geschützt.

Oxidativer Stress spielt bei vielen Augenerkrankungen eine wichtige Rolle, wie etwa bei den Volkskrankheiten Grauer Star, Glaukom, altersbedingte Makuladegeneration und Trockenes Auge. Zudem ist der oxidative Stress als Stoffwechselstörung direkt und/oder indirekt bei nahe jeder Augenerkrankung beteiligt, vor allem bei entzündlichen Prozessen sowie bei Störungen der Mitochondrien, wie zum Beispiel der Leberschen Optikusneuropathie.

Als Therapie wurden immer wieder Antioxidantien diskutiert, die diesem oxidativen Stress entgegenwirken und somit dem Erhalt der visuellen Funktionen des Auges dienen sollen.

Sowohl bei der trockenen Form der altersbedingten Makuladegeneration als auch beim Glaukom und beim Trockenen Auge haben antioxidative Therapien eine positive Wirkung gezeigt – sie können entzündungshemmend wirken, beim Glaukom auch den Augendruck absenken. Die Therapie erfolgt über Tabletten, da die erforderlichen Obst- und Gemüse- mengen den normalen Essensplan sprengen würden. Allerdings ersetzen Antioxidantien nicht die kausalen Therapien, sondern sind eher als sinnvolle Ergänzung anzusehen.

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013

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Neue Untersuchungsmethode bei diabetischer Neuropathie:

Die Hornhaut verrät frühzeitig Nervenschädigungen

Professor Dr. med. Rudolf F. Guthoff, Direktor der Universitäts-Augenklinik Rostock

Die Diabetische Neuropathie ist eine klinisch manifeste oder subklinische Erkrankung des peripheren Nervensystems, die infolge Diabetes mellitus ohne andere Ursachen auftritt. Hier sind verschiedene, teils subjektive Diagnosekriterien etabliert, wie beispielsweise der

Neuropathische Symptom-Score oder der Neuropathische Defizit-Score. In besonderen Fällen erfolgt eine invasive Hautbiopsie.

Die Arbeitsgruppe „Konfokale in vivo Mikroskopie“ der Universitäts-Augenklinik Rostock arbeitet derzeit an der Etablierung einer nichtinvasiven diagnostischen Methode zur objektiven Beurteilung der Diabetischen Neuropathie. Diese Methode basiert darauf, dass sich Veränderungen des peripheren Nervensystems auch im konfokalmikroskopisch nichtinvasiv darzustellenden Nervenplexus der Hornhaut des Auges manifestieren.

Gegenwärtig werden die neuropathiebedingten Veränderungen des subbasalen Nervenplexus der Hornhaut mittels konfokaler In-vivo-Mikroskopie unter Nutzung von automatisierten Algorithmen der digitalen Bildverarbeitung qualitativ und quantitativ

analysiert und den oben genannten gängigen Parametern zur Beurteilung der Diabetischen Neuropathie gegenübergestellt.

Bisherige Ergebnisse zu Korrelationen zwischen den morphologischen Parametern des subbasalen Nervenplexus der Hornhaut und der Diabetischen Neuropathie sowie

Retinopathie haben gezeigt, dass die Diabetische Neuropathie anhand der Veränderungen des subbasalen Nervenplexus (Nervenfasernlänge beziehungsweise Dichte, Anzahl von Verzweigungen, Grad der Tortuositas, etc.) ergänzend diagnostiziert werden kann und damit als ein möglicher klinischer Parameter zur Beurteilung der Gesamtsituation genutzt werden könnte.

Inzwischen wurde Interesse der FDA (U.S. Food and Drug Administration) signalisiert, die Nervenfaserdichte als Surrogatparameter für zukünftige Studien bei der Überprüfung der Wirksamkeit von Medikamenten gegen die diabetische Neuropathie einzusetzen.

Interessant erschien uns, dass offenbar die diabetische Neuropathie und die diabetische Mikroangiopathie (die zu Veränderungen am Augenhintergrund führt und eine Erblindung nach sich ziehen kann) verschiedene Pathomechanismen der Zuckerkrankheit darstellen.

Seit circa fünf Jahren besteht eine Kooperation mit dem Deutschen Diabeteszentrum Düsseldorf (Professor Dan Ziegler, Professor Michael Roden). Ergebnisse dieser Untersuchungen machen es wahrscheinlich, dass die nichtinvasive Erfassung der

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Hornhautnervenfaserdichte empfindlicher ist als die invasive Analyse von Hautbiopsien bei den entsprechenden Patienten.

Damit bietet diese nichtinvasive In-vivo-Methode eine schnelle und reproduzierbare Möglichkeit einer quantitativen Analyse der Diabetischen Neuropathie.

Abbildung 1: On-line-Mapping der normalen menschlichen Hornhaut

A: Schrägschnitt durch das anteriore Stroma, Bowman-Membran und Epithel

B: Hyperreflektive Strukturen des Subbasalen Nervenplexus (SNP)

C, D: On-line-Mapping des SNP mit (C) und ohne (D) Falten (Anterior Cornea Mosaic) . Ein verzweigtes Netzwerk von dünneren Fasern verläuft exakt parallel zur Bowman-Membran

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Abbildung 2: Automatische Auswertung des SNP (Einzelbild 400 x 400 µm)

A, D: repräsentative konfokalmikroskopische Aufnahmen des SNP bei Normalprobanden (A) und Patienten mit diabetischer Neuropathie (D)

B, E: automatische Segmentierung C, F: quantitative Auswertung des SNP

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Abbildung 3: Automatische Auswertung des SNP (Mapping 1600 x 1600 µm)

A On-line-Mapping des SNP beim Normalprobanden

B Segmentierung und quantitative Auswertung

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013

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Neuropathie: Die Hornhaut verrät frühzeitig Nervenschädigungen

Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) Berlin, 12. September 2013

Prof. Dr. Rudolf F. Guthoff

Direktor der Universitäts-Augenklinik Rostock

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Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Berlin, 12. September 2013

for Students of medicine and Biology.

Berlin, Heidelberg, New York: Springer Verlag 1991

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Marfurt et al., 2010

Humane

Cornea

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Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Berlin, 12. September 2013

D.m. seit 14 Jahren

RA: Milde NPDR ohne Makulopathie LA: mäßige NPDR mit Makulopathie

Stoll 2011

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Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Berlin, 12. September 2013

B

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Neue Entwicklungen in der Behandlung der diabetischen Netzhauterkrankung Professorin Dr. med. Gabriele E. Lang, Leiterin der Sektion konservative Retinologie und Laserchirurgie der Universitäts-Augenklinik Ulm

Etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Diabetes mellitus. Eine

gefürchtete Spätfolge ist die Schädigung der Netzhautgefäße (diabetische Retinopathie), da sie zur Erblindung führen kann durch eine Schwellung der Netzhautmitte an der Stelle des schärfsten Sehens (diabetisches Makulaödem) und Gefäßneubildungen (proliferative diabetische Retinopathie) mit Blutung in das Augeninnere (Glaskörperblutung) und

Netzhautablösung (Amotio retinae). In Industrieländern ist die diabetische Retinopathie die häufigste Erblindungsursache im Erwachsenenalter mit einem bis zu 25-fach erhöhten Risiko. Jährlich erblinden in Deutschland etwa 1700 Menschen an diabetischer Retinopathie.

Wichtig ist daher eine regelmäßige Untersuchung beim Augenarzt. Wichtig in der

Behandlung der Diabetespatienten ist auch immer die primäre Prävention der diabetischen Retinopathie durch optimale Einstellung des Blutzuckers und Behandlung der Begleit- erkrankungen wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette durch den Hausarzt oder Diabetologen.

Die derzeitigen Behandlungsmethoden zielen darauf ab, Sehverschlechterung und Erblindung zu verhindern. Beim diabetischen Makulaödem ist eine neuere Behandlungs- methode der Wahl die wiederholte Eingabe von Hemmern des Wachstumsfaktors Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) in das Augeninnere. Weiterhin steht die Lasertherapie zur Verfügung. In diesem Jahr wurde ein Cortisonimplantat zur Behandlung des chronischen Makulaödems zugelassen. Bei proliferativer diabetischer Retinopathie werden die Laser- behandlung und die operative Glaskörperentfernung (Vitrektomie) eingesetzt.

Neuere Forschungsergebnisse belegen, dass es sehr früh, nämlich bereits nach fünf Jahren Laufzeit, zu einer Schädigung des Nervengewebes (Neurodegeneration) der Netzhaut kommen kann. Diese geht dem Gefäßschaden voraus und kann die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie begünstigen. Die wesentlichen Ereignisse, die zur Neuro-

degeneration führen, sind Zelltod (Apoptose) und Aktivierung der Gliazellen in der Netzhaut.

Daher ist ein ganz neuer, innovatier Behandlungsansatz die Therapie mit sogenannten neuroprotektiven Medikamenten. Diese können in Form von Augentropfen verabreicht werden. Die Effektivität wird derzeit in der EUROCONDOR-Studie, einer von der EU geförderten Consortiums-Studie untersucht. Ziel der Studie ist eine frühe Verhinderung der Schäden des Diabetes mellitus am Auge, bevor es zu einer Sehverschlechterung kommt.

(25)

Die Studie könnte auch wichtige Informationen liefern zu neuen Therapieansätzen bei anderen Erkrankungen wie grüner Star (Glaukom), altersbezogene Makuladegeneration (AMD) oder Alzheimer-Erkrankung, bei denen ebenfalls eine Neurodegeneration der Netzhaut auftritt.

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013

(26)

Wenn Kinder nicht zum Augenarzt gehen – Folgen nicht entdeckter Schwachsichtigkeit

Professor Dr. med. Wolf A. Lagrèze, Leitender Arzt der Sektion Neuroophthalmologie, Kinderophthalmologie und Schielbehandlung an der Universitäts-Augenklinik Freiburg

Die frühkindliche Sehentwicklung

Wie viele andere Fähigkeiten muss auch das Sehen durch Gebrauch des entsprechenden Organs „gelernt“ werden. Das Erlernen einer normalen Sehschärfe findet hauptsächlich in den ersten beiden Lebensjahren statt. Gegen Ende des dritten Lebensjahres kann man die Sehschärfe quantitativ zuverlässig messen. Das Erlernen von Stereosehen findet in den ersten sechs Lebensmonaten statt (Abbildung 1).

Um welche Krankheiten geht es?

Wenn die Sehentwicklung der ersten Lebensjahre gestört wird, resultiert eine sogenannte Schwachsichtigkeit, auch Amblyopie genannt. Sie betrifft circa zwei Prozent aller Menschen, meist an einem Auge, seltener an beiden. Die häufigsten Risikofaktoren sind eine höhere Weitsichtigkeit (Hyperopie, sechs Prozent aller Kinder), eine ungleiche Brechkraft beider Augen (Anisometropie, vier Prozent aller Kinder) und Schielen (Strabismus, drei Prozent aller Kinder). Wesentlich seltener, aber in den Konsequenzen gravierender sind organische Augenerkrankungen wie zum Beispiel der angeborene graue Star (Katarakt, Linsentrübung) oder der angeborene grüne Star. Viele dieser Erkrankungen fallen gar nicht oder nicht rechtzeitig auf, weil sie äußerlich nicht sichtbar sind. Eine Übersicht der Häufigkeiten gibt Abbildung 2.

Konsequenzen

Die Einschränkung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist im Kindesalter bei einseitiger Amblyopie eher gering, bei beidseitiger Amblyopie ist sie beträchtlich. Ein

sichtbares Schielen führt ab dem Vorschulalter zu signifikanten Störungen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Organische Augenerkrankungen wie zum Beispiel der graue Star führen durch die Krankheit und ihre langjährige Therapie zu einer Minderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, welche mit der von Rheuma oder Tumor-

erkrankungen im Kindesalter vergleichbar ist. Im höheren Lebensalter tragen Menschen mit einseitiger Amblyopie ein deutlich höheres Risiko einer Sehbehinderung, da sie nur über ein gutes Auge verfügen (Abbildung 3).

Aktuelle Situation

Der Gesetzgeber hat ein orientierendes Sehscreening im Rahmen der U-Untersuchungen durch Kinder- und Jugendärzte vorgesehen. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine Vorsorgeuntersuchung von Kindern durch einen Augenarzt bei begründetem Verdacht

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auf eine Sehstörung möglich. Die augenärztliche Untersuchung kann nur dann abgerechnet werden, wenn auch eine Störung gefunden wird. Von den zehn U-Untersuchungen soll bei neun das Sehsystem kontrolliert werden. Die Sensitivität der U-Untersuchungen wurde vor geraumer Zeit im Rahmen einer von der Bertelsmann-Stiftung geförderten Studie ermittelt:

665 Kindergartenkinder im Alter von dreieinhalb bis viereinhalb Jahren wurden augenärztlich und orthoptisch untersucht. 28 Prozent der Kinder zeigten Auffälligkeiten. 70 Prozent davon waren bei den U-Untersuchungen nicht als „krank“ aufgefallen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und der Berufsverband der Augenärzte haben mehrfach auf Mängel des Systems hingewiesen.

Nutzen und Effizienz eines Sehscreenings

Da ein Screening der Bevölkerung aus mathematischen Gründen nur bei häufigen Erkrankungen sinnvoll ist, sollte es primär auf die Früherkennung von Amblyopie zielen, auch weil dabei eine frühe Therapie einer späteren überlegen ist. Der Hauptnutzen besteht darin, dass das betroffene Kind noch über ein gutes Partnerauge verfügt, sollte später ein Auge erkranken (zum Beispiel Makuladegeneration im hohen Lebensalter). Das Risiko einer beidseitigen Sehminderung ist bei Amblyopie erhöht, weil nur ein Auge eine normale

Sehschärfe hat. Aus einer 5 520 Personen umfassenden Subkohorte der Rotterdam Eye Study wurde berechnet, dass das Lebenszeitrisiko einer beidseitigen Sehbehinderung (Visus

< 0,5) für nicht an Amblyopie Erkrankte zehn Prozent und für Amblyope 18 Prozent beträgt (Abbildung 3). Aus der Differenz von acht Prozent ergibt sich reziprok und ganzzahlig aufgerundet eine „Number needed to treat“ von 13. Das heißt, 13 Amblyopien müssen erkannt und erfolgreich behandelt werden, um im höheren Lebensalter bei einer Person eine beidseitige Sehbehinderung zu vermeiden. Wenn man diese Zahl mit den Kosten der

Amblyopievermeidung multipliziert und den jährlichen Kosten einer Sehbehinderung gegenüberstellt, dann wäre in einer vereinfachten Rechnung ein Sehscreening in der Kindheit kostendeckend, wenn dieselbe Person im Fall einer beidseitigen Sehbehinderung eine Restlebenserwartung von mindestens fünf Jahren hätte. Davon ist auszugehen.

Fazit

Die Amblyopieprävalenz rechtfertigt ein universelles Sehscreening. Ergebnisse klinischer Studien legen nahe, dass Screening und eine anschließende Therapie die Amblyopie- prävalenz senken. Aufgrund bisheriger Berechnungen ist davon auszugehen, dass ein augenärztliches Sehscreening kosteneffektiv ist. Es ist fraglich, ob in Deutschland das derzeitige System der U-Untersuchungen trotz seiner hohen Akzeptanz den Erwartungen in Bezug auf Vermeidung von Amblyopie und anderer kindlicher Augenerkrankungen gerecht

(28)

werden kann. 2009 wurde in Deutschland ein universelles Hörscreening eingeführt. Ein universelles Sehscreening existiert bisher nicht.

Abbildung 1:

Abbildung 2:

(29)

Abbildung 3:

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013

(30)

Sehscreening bei Kindern im Vorschulalter

Rechtfertigt die bisherige Datenlage ein universelles Vorgehen?

Wolf A. Lagrèze

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Im Jahr 2008 haben zwei maßgebliche natio- nale Institutionen aus Deutschland und England je eine sehr umfassende systematische Übersichtsarbeit zum Nutzeffekt von Früherkennungsuntersuchungen auf Seh- störungen im Kindesalter vorgelegt und dem Thema er- neut Aktualität verliehen.

Methoden: Aus der Datenbank PubMed und den genannten Berichten wurden durch selektive Recherche Publikatio- nen extrahiert, auf deren Basis zu Sensitivität, Spezifität, Effektivität sowie Kosten und Nutzwert von Sehscreening im Vorschulalter Stellung genommen wird.

Ergebnisse: Bisherige Studien zur Effektivität von Vorsor- geuntersuchungen zur Früherkennung von Sehstörungen bei Kindern haben methodische Defizite. Allerdings weisen sie auf positive Wirkungen hin, auch wenn diese nicht be- legt werden können. Modellrechnungen ergaben, dass der positive Vorhersagewert isolierter Screeningtests unzurei- chend ist. Die beiden Berichte kommen bei unterschiedli- chen methodischen Ansätzen zu ähnlichen, jedoch nicht identischen Ergebnissen. Die Kosteneffektivität von Sehscreening im Vorschulalter ist möglicherweise gege- ben. Sie sollte sich am langfristigen Nutzwert, den die Ver- meidung einer beidseitigen Sehbehinderung im höheren Lebensalter mit sich bringt, messen lassen. Die geschätzte Zahl der Fälle von Amblyopie, die in der Kindheit erfolg- reich identifiziert und behandelt werden müssen, um ei- nen Fall beidseitiger Sehbehinderung zu verhindern, liegt bei 13 („number needed to treat“).

Schlussfolgerungen: Die derzeitige Studienlage erlaubt nur wenig wissenschaftlich fundierte Aussagen zur Wirksam- keit sowie zu Kosten und Nutzwert von Sehscreening im Vorschulalter. Bisher gibt es keine einwandfreien Beweise für die Effektivität oder Ineffektivität eines solchen Vorge- hens. Neue klinische Studien sind notwendig.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(■■): ■■–■■

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0■■

Z

ur Beantwortung der Frage, ob ein universelles Sehscreening von Kindern im Vorschulalter sinn- voll ist, muss geklärt werden, ob dadurch die Prävalenz von Sehstörungen gesenkt wird und welcher Aufwand mit der Testung verbunden ist. Diese Aspekte haben er- neut an Aktualität gewonnen, nachdem der Gemeinsa- me Bundesausschuss das Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Erstellung eines entsprechenden Berichts beauftragt hat, der 2008 veröffentlicht wurde (1). Wenige Monate später erschien vom englischen National Institute of Health Research ein ähnlich umfassendes Werk, in Form eines Health Technology Assessment (HTA) (2).

Der vorliegende Beitrag soll zu den offenen Fragen Stellung nehmen und den gegenwärtigen Stand der For- schung zusammenfassen. Dazu wurden beide Berichte und die Ergebnisse einer selektiven Literaturrecherche in der Datenbank PubMed ausgewertet.

Spektrum der Augenerkrankungen bei Kindern Die Tabelle zeigt, wie häufig welche Augenkrankheiten bei Kindern auftreten, bezogen auf einen Geburtsjahr- gang. Zu den visusbedrohenden Erkrankungen der ers- ten Lebensmonate zählen:

die kongenitale Katarakt

das kongenitale Glaukom

das Retinoblastom

die Frühgeborenenretinopathie.

Diese Krankheiten sind zwar selten, treten oft aber beidseitig auf und führen zu einer schweren Sehbehin- derung, wenn sie nicht kurzfristig behandelt werden.

Die Frühgeborenenretinopathie ist die einzige Augener- krankung, für die es in Deutschland ein selektives, au- genärztliches Screening gibt, wenn durch Frühgeburt ein erhöhtes Erkrankungsrisiko besteht (3).

In den ersten Lebensjahren zählt die Amblyopie zu den häufigsten Erkrankungen, meist ausgelöst durch Ametropien (zum Beispiel Hyperopie und Astigmatis- mus) oder Strabismus. Pathogenetisch liegt der Erkran- kung eine Hemmung der Sehentwicklung während der

„sensitiven Phase“ innerhalb der ersten Lebensjahre zu- grunde, verursacht durch:

Strabismus

Ametropien

optische Deprivation.

In dieser Phase lässt sich die Amblyopie erfolgreich behandeln, indem man das bessere Auge zeitweilig ab- klebt (Okklusionstherapie), eine Brille verordnet oder gegebenenfalls chirurgisch eingreift (4).

Universitäts-Augenklinik Freiburg: Prof. Dr. med. Lagrèze

(31)

kommt und eine erfolgreiche Behandlung gewährleistet ist (5). Daher zielt ein Vorschulsehscreening primär da- rauf, eine Amblyopie durch Früherkennung ihrer Hauptursachen zu vermeiden. Gleichzeitig könnte man aber in Abhängigkeit der eingesetzten Methoden auch andere, seltenere, jedoch möglicherweise gravierendere Augenerkrankungen aufdecken. In der Literatur schwanken die Angaben zur Prävalenz der Amblyopie zwischen 1 % (6) und 5,3 % (7). Die Diskrepanz ist durch Unterschiede der untersuchten Kohorten und das Fehlen einer verbindlichen Definition von Amblyopie bedingt.

Derzeitige Situation

Der Gesetzgeber hat ein orientierendes Sehscreening im Rahmen der U-Untersuchungen vorgesehen. Im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist eine Vorsorgeuntersuchung für Kinder bei begründe- tem Verdacht auf eine Sehstörung möglich. Die augen- ärztliche Untersuchung kann mit der GKV nur dann ab- gerechnet werden, wenn eine Störung gefunden wurde.

Die Vergütung liegt pro Quartal derzeit unter 20 €. Der Kinder- und Jugendarzt beziehungsweise Hausarzt kann für die gesamte U-Untersuchung circa 35 € ab- rechnen, muss dafür aber einen kompletten somati- schen, neurologischen und entwicklungspsychologi- schen Status erheben. Von den zehn U-Untersuchungen soll bei neun das Sehsystem kontrolliert werden, zum Beispiel sollen bei der U 5 im sechsten Lebensmonat folgende Parameter geprüft werden:

Fixationsverhalten

Okulomotorik

Augenstellung

Pupillenreaktion

Funktion der Tränenwege

Hornhautdurchmesser

sonstige Bulbusanomalien.

Da die Untersucher dafür bisher nicht speziell ge- schult sind und diese Maßnahmen mit ihrem Zeitbedarf nicht kostendeckend vergütet werden, ist davon auszu- gehen, dass das Programm nicht das leisten kann, was der Gesetzgeber vorgesehen hat.

Die Sensitivität der U-Untersuchungen wurde im Rahmen einer von der Bertelsmann-Stiftung geförder- ten Studie ermittelt. 665 Kindergartenkinder im Alter von 3,5 bis 4,5 Jahren wurden augenärztlich und or- thoptisch untersucht. 28 % der Kinder zeigten Auffäl- ligkeiten. 70 % davon waren bei den U-Untersuchun- gen nicht als „krank“ aufgefallen (8). Der Berufsver- band der Kinder- und Jugendärzte und der Berufsver- band der Augenärzte haben mehrfach auf Mängel des Systems hingewiesen.

Sinn und Zweck von Screeningprogrammen Ein Screening bietet sich an, wenn eine Erkrankung für den Laien nicht erkennbar, jedoch durch sensitive und spezifische Tests zu entdecken ist. Diese Tests sollten kosteneffektiv sein und den Patienten nicht belasten

gerung ein Nutzwert ableiten lassen. Volkswirtschaft- lich sollten die Kosten den zu erwartenden Nutzwert nicht übersteigen (5, 9). Nicht zuletzt sollte die Erkran- kung häufig vorkommen, wie folgende Modellrech- nung belegt.

Unter Sensitivität versteht man die Wahrscheinlich- keit, dass ein Test „erkrankt“ anzeigt, wenn eine Krankheit besteht. Die Spezifität ist die Wahrschein- lichkeit, dass ein Test „gesund“ anzeigt, wenn die zu untersuchende Person gesund ist. Für ein Screening ist jedoch der positive Vorhersagewert bedeutsam, das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Krankheit be- steht, wenn der Test „erkrankt“ anzeigt (Anzahl „rich- tigpositiv“ erkannter Personen geteilt durch die Sum- me von „richtigpositiv“ und „falschpositiv“ erkannten Personen). Bei einer geschätzten Amblyopieprävalenz von 3 %, einer Jahrgangsgröße von 700 000 Menschen, einer Testsensitivität von 60 % und einer Testspezifität von 90 % liegt der positive Vorhersagewert bei 16 %.

Somit würden 16 von 100 Kindern zu Recht zu einem Augenarzt zur Weiterbehandlung überwiesen werden, 84 hingegen unnötig. Der Wert ist deshalb niedrig, weil die Amblyopie-Prävalenz und die Testsensitivität nied- rig sind, allerdings realistisch angesetzt wurden: Die

„Vision In Preschoolers-Studie“ hat im Jahr 2004 an 2 588 Vier- bis Fünfjährigen gezeigt, dass die Sensiti- vitäten einzelner Tests (Random-Dot-Stereotests, Lea- Visustest, Autorefraktor, nichtzykloplegische Skiasko- pie) bei einer angenommenen Spezifität von 90 % zwi- schen 42 % und 64 % liegen (10). Der positive Vorher- sagewert läge dann zwischen 11 % und 17 %. Daher kann ein Screening mit nur einem Test nicht unbedingt empfohlen werden. Testkombinationen oder mehrstufi- ge Vorgehen können vorteilhafter sein.

Studienlage zu

Früherkennungsuntersuchungen

Die selektive Literaturrecherche ergab 158 themenrele- vante Treffer. In Übereinstimmung mit dem IQWiG- Bericht und HTA wurden vier Studien identifiziert, die den Kriterien einer zweiarmigen, klinischen Studie entsprachen und damit mit dem IQWiG-Bericht und dem HTA übereinstimmen. Die vergleichsweise aussa- gekräftigste Studie ist die Avon Longitudinal Study of Parents And Children, in der 6 081 Siebenjährige un- tersucht wurden. Kinder, die im Vorschulalter ge- screent und behandelt wurden, hatten eine Amblyopie- prävalenz von 1,1 %, nichtgescreente von 2 % (11).

Der statistisch knapp signifikante Unterschied ver- schwindet, wenn man in die Analyse die Kinder mit- einbezieht, die zwar zum Screening aufgefordert wur- den, jedoch daran nicht teilnahmen (Intention to treat [ITT]-Analyse). Die Studie zeigte ferner, dass die Am- blyopieprävalenz mit der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Schichten korreliert. In derselben Kohorte wurden 3 490 Kinder in zwei Gruppen randomisiert:

Ein Teil durchlief ein einmaliges, ein anderer Teil ein sechsmaliges Screening. Bei Letzteren wurde eine Am-

(32)

In Israel wurden 1 580 achtjährige Kinder auf Am- blyopie untersucht. Bei den Kindern, die zuvor ge- screent und behandelt worden waren, lag die Amblyo- pieprävalenz bei 1 %, bei den anderen bei 2,6 % (13).

Hier handelt es sich um eine retrospektive und unver- blindete Studie ohne Anwendung des ITT-Prinzips. Be- trachtet man die Prävalenz tiefer Amblyopie mit Vi- sus 0,32, lag die Prävalenz bei 0,1 % versus 1,7 %.

In einer weiteren Studie aus Israel aus dem Jahr 2007 wurden 292 255 Sechzehnjährige auf Amblyopie untersucht. 89 % der Jugendlichen waren in Israel auf- gewachsen und im Kindesalter gescreent und behan- delt worden. 11 % der Probanden waren nach dem zehnten Lebensjahr aus der Sowjetunion übergesiedelt und nicht gescreent worden. Die Amblyopieprävalenz betrug bei den eingewanderten Jugendlichen 1,5 %, sie war bei den in Israel geborenen mit 1 % signifiant niedriger (14). Auch diese Untersuchung hat ein retro- spektives Design und beinhaltet Störfaktoren, zum Beispiel eine ungleich verteilte Refraktionslage beider Kohorten.

Zusammenfassend weisen alle bisher publizierten Studien methodische Mängel auf, sodass es nur be- dingt zu beurteilen ist, wie effektiv ein Screening dazu beiträgt, Amblyopie zu vermeiden. Trotz dieser Ein- schränkungen zeichnet sich konsistent ein positiver Ef- fekt von Screenings ab. Ein fehlender Beweis ist kein Beweis für einen fehlenden Effekt. Eine 2009 erschie- nene Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration schließt (4) (Übersetzung des Autors): „Trotz der Viel- zahl von Arbeiten zum Sehscreening fanden sich keine Studien, die so entworfen sind, dass sie die Amblyopie- prävalenz einer gescreenten mit einer nichtgescreenten Population vergleichen könnten.“

Vergleich von IQWiG-Bericht und Health Technology Assessment

Der Bericht des IQWiG befasst sich mit der Effektivi- tät der Früherkennungsuntersuchung von Sehstörun- gen bei Kindern bis zur Vollendung des sechsten Le- bensjahres. Das englische HTA beschäftigt sich mit der Kosteneffektivität von Screeningprogrammen für Am- blyopie und Strabismus bei Kindern bis zum Alter von vier bis fünf Jahren. Der deutsche Report umfasst 238 Seiten und basiert auf einem vom IQWiG überarbeite- ten Berichtsentwurf externer Sachverständiger. Es wurden 28 882 wissenschaftliche Arbeiten identifiziert und nach klar definierten Ein- und Ausschlusskriterien 36 Studien abschließend beurteilt. Im Gegensatz zum Report des britischen Instituts wurde während der Be- richterstellung keine klinische Expertenmeinung ein- geholt. Es fand eine Anhörung von Experten erst nach Publikation eines Vorberichtes statt. Der englische Be- richt umfasst 214 Seiten. Insgesamt wurden 23 039 Ar- beiten recherchiert, von denen 90 Publikationen in die Analyse eingingen. Ein- und Ausschlusskriterien sind in diesem Report nicht klar definiert. Die beiden Be- richte unterscheiden sich in der Methodik voneinander.

In dem IQWiG Report wurden in einem dreistufigen Vorgehen die Themen Screening, Behandlung und Di- agnostik bearbeitet. Hierzu wurde jeweils eine verglei- chende Nutzenbewertung zu folgenden Aspekten er- stellt:

universelles Sehscreening versus Vorgehen ohne Screening

unterschiedlich intensive Screeningstrategien

unterschiedliche Behandlungszeitpunkte.

Das HTA fokussierte auf Kosteneffektivität und wendete dafür ein mathematisches Entscheidungsmo- dell an.

In beiden Berichten befinden die Autoren, dass die Datenlage dünn und unzureichend sei. Sie erkennen teilweise positive Screeningeffekte, die britischen Ver- fasser betonen dieses stärker als die deutschen. In bei- den Studien wird klar herausgestellt, dass eine genaue Bewertung schwierig sei, da in der Literatur bisher we- der eine einheitliche Amblyopiedefinition vorliege, noch die genaue Prävalenz der Erkrankung bekannt sei. Ein Hinweis darauf, dass derzeitige Tests und Prüf- normen uneinheitlich seien und bisherige Studien be- trächtliche methodische Schwächen aufwiesen, findet sich sowohl im britischen als auch im deutschen Re- port.

Kritisch ist die Frage, bis zu welchem Alter Am- blyopie erfolgreich behandelbar ist. Die Autoren des IQWiG kommen zu dem von vielen Seiten kritisierten Schluss, dass auf Basis der derzeitigen Datenlage kein optimales Alter ableitbar sei, und es nicht ausgeschlos- sen sei, dass eine Behandlung im Jugendalter mögli- cherweise so effektiv wie eine Behandlung im Kindes- alter sei. Demgegenüber sind die britischen Autoren überzeugt, dass eine frühe Behandlung einer späteren überlegen sei und vor dem siebten Lebensjahr erfolgen sollte. Im IQWiG-Bericht werden potenzielle Schäden durch Screening betont. Auch wenn direkte unwahr- scheinlich seien, seien indirekte Schäden prinzipiell unvermeidbar. Dieser Punkt wird auch im englischen

Prävalenzen und Inzidenzen von Augenerkran- kungen bei Kindern

Erkrankung

Ametropie Strabismus Amblyopie

Frühgeborenenretinopathie Glaukom

Netzhautdystrophien Katarakt

Retinoblastom

Prävalenz (%)

10 5 3 0,3 0,06 0,04 0,03 0,007

Inzidenz (Fälle/pro Jahr) 70 000 35 000 21 000 2 100 420 310 210 49

(33)

der Amblyopiebehandlung durch Okklusion und Brille beigemessen („bullying“, neudeutsch Mobbing).

Das Fazit beider Berichte ist ähnlich, jedoch nicht identisch. Im deutschen Report schließen die Autoren, dass eine Erweiterung des bereits bestehenden Scree- nings wegen mangelnder Beweise für einen Nutzen bei potenziell schädlichen Folgen nicht zu empfehlen sei.

Die Briten hingegen folgern in ihrem Bericht, dass ein universelles Sehscreening die Amblyopieprävalenz möglicherweise senke. Die Kosteneffektivität hänge aber vom Langzeitnutzwert ab und dieser sei gegebe- nenfalls gering.

Diese divergierenden Schlussfolgerungen beider Berichte, die sich bei ähnlicher Fragestellung dersel- ben wissenschaftlichen Datenbasis bedienen konnten, legen die Frage nahe, inwieweit auch derart umfassen- de systematische Übersichtsarbeiten die Möglichkeit einer falschnegativen oder falschpositiven Beurteilung in sich tragen. Dies gilt umso mehr bei einer so schwa- chen Datenlage wie zum Thema des Beitrags. Bis zur Publikation hochwertigerer Studien kann das bestehen- de „Evidenzskotom“ nur durch praktische klinische Er- fahrung, die eine Therapie vor der Einschulung effekti- ver erscheinen lässt, gestützt werden.

Kosten und Nutzwert

Für ein Screening von Kindergartenkindern durch Or- thoptistinnen wurden 13 € (15) bis 51 € (8) pro Fall kalkuliert. Multipliziert mit der derzeitigen Jahrgangs- größe ergeben sich in Deutschland direkte Kosten von 9 bis 35 Millionen € pro Jahr. Bezüglich der Kosten von Amblyopievermeidung muss zwischen Erkennung und Therapie der Erkrankung differenziert werden. Die Erkennung eines Falles von Amblyopie wird mit circa 1 000 € veranschlagt (15, 16). Die Therapiekosten wer- den auf rund 2 300 € geschätzt (16, 17). Somit ergeben sich für einen Fall von Amblyopievermeidung (Erken- nung plus Therapie) etwa 3 300 €. Das englische HTA schätzt umgerechnet 5 000 €.

Bei dem Nutzen, der diesen Kosten gegenübersteht, muss man zwischen kurzfristigem und langfristigem Benefit unterscheiden. Der kurzfristige Nutzen orien- tiert sich an einer verbesserten Lebensqualität durch unmittelbaren Gewinn an Sehschärfe.

In der Dunedin Longitudinal Study wurden 1 037 Personen anhand standardisierter Fragebögen inter- viewt. In dieser Studie fühlten sich Amblyope in ihrer auf das Sehen bezogenen Lebensqualität nicht mehr eingeschränkt als Personen, die keine Amblyopie hat- ten(persönliche Mitteilung G. Wilson, Rotterdam Am- blyopia Meeting 2009). Ein etwas anderes Ergebnis er- gab die Waterland-Studie aus Holland. Bei 135 Patien- ten mit Amblyopie mit einem mittleren Alter von 41 Jahren ergab die Anwendung der „Time trade off“-Me- thode, dass 70 % der Befragten zur hypothetischen Wegnahme ihrer Amblyopie im Mittel 11 Monate Le- benszeit hergeben würden. Aus diesen Angaben wurde ein Nutzwert („utility value“ [UV]) von 0,96 berechnet

König und Barry gefunden (18). Aus dem UV können

„Quality adjusted life years“ (QALY) berechnet wer- den. Membreno et al. kalkulierten 2002 für die Am- blyopietherapie 2 300 $/QALY. Dieser Wert entsprach zu dem Zeitpunkt 2 300 € und muss als kosteneffektiv angesehen werden (19). Für die Amblyopievermeidung insgesamt liegen die Mittelwerte der geschätzten Kos- ten relativ konsistent bei circa 7 500 €/QALY (18, 16).

Allerdings reicht in dieser Kalkulation das 90-%-Kon- fidenzintervall von 3 452 bis 72 637 € (18), was die Unsicherheiten der Datenlage widerspiegelt. Im HTA wurden die Kosten auf 18 800 €/QALY geschätzt (2).

Das englische National Institute for Clinical Excellen- ce hat die Kosteneffektivitäts-Schwelle einer Maßnah- me mit 22 000 €/QALY angegeben.

Der langfristige Nutzwert orientiert sich an der Wahrscheinlichkeit einer beidseitigen Sehbehinderung im höheren Lebensalter. Dieses Risiko ist bei Amblyo- pie erhöht, weil nur ein Auge eine normale Sehschärfe hat. Aus einer 5 520 Personen umfassenden Subkohor- te der Rotterdam Eye Study wurde berechnet, dass das Lebenszeitrisiko einer beidseitigen Sehbehinderung (Visus < 0,5) für nicht an Amblyopie Erkrankte 10 % und für Betroffene 18 % beträgt (20). Aus der Diffe- renz von 8 % ergibt sich reziprok und ganzzahlig auf- gerundet eine „number needed to treat“ von 13. Das heißt, 13 Amblyopien müssen erkannt und erfolgreich behandelt werden, um im höheren Lebensalter bei ei- ner Person eine beidseitige Sehbehinderung zu vermei- den. Wenn man diese Zahl mit den Kosten der Amblyo- pievermeidung multipliziert und den jährlichen Kosten einer Sehbehinderung gegenüberstellt, dann wäre in ei- ner vereinfachten Rechnung ein Sehscreening in der Kindheit kostendeckend, wenn dieselbe Person im Fall einer beidseitigen Sehbehinderung eine Restlebenser- wartung von mindestens fünf Jahren hätte. Davon ist auszugehen.

Fazit

Die Amblyopieprävalenz rechtfertigt ein Screening.

Ergebnisse klinischer Studien legen nahe, dass Scree- ning und Therapie die Prävalenz senken. Allerdings sind bisherige Studien mit methodischen Mängeln be- haftet und ließen die Kinder unberücksichtigt, die nicht zum Screening erschienen sind – ein nicht un- wahrscheinliches Szenario, gerade in unteren sozialen Schichten. Es ist fraglich, ob in Deutschland das der- zeitige System der U-Untersuchungen trotz seiner ho- hen Akzeptanz den Erwartungen gerecht werden kann.

Klinische Erfahrung und schwache wissenschaftliche Evidenz legen nahe, dass eine frühe Amblyopiebe- handlung einer späteren überlegen ist. Der unmittelba- re Nutzwert ist möglicherweise gering und muss den Belastungen durch die Amblyopiebehandlung für Kind und Familie gegenübergestellt werden. Ein zu- sätzlicher langfristiger Nutzen könnte gegeben sein, da durch eine Amblyopiebehandlung im Kindesalter die Wahrscheinlichkeit einer späteren beidseitigen

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