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RA: Milde NPDR ohne Makulopathie LA: mäßige NPDR mit Makulopathie

Stoll 2011

Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 111. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), Berlin, 12. September 2013

B

Neue Entwicklungen in der Behandlung der diabetischen Netzhauterkrankung Professorin Dr. med. Gabriele E. Lang, Leiterin der Sektion konservative Retinologie und Laserchirurgie der Universitäts-Augenklinik Ulm

Etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Diabetes mellitus. Eine

gefürchtete Spätfolge ist die Schädigung der Netzhautgefäße (diabetische Retinopathie), da sie zur Erblindung führen kann durch eine Schwellung der Netzhautmitte an der Stelle des schärfsten Sehens (diabetisches Makulaödem) und Gefäßneubildungen (proliferative diabetische Retinopathie) mit Blutung in das Augeninnere (Glaskörperblutung) und

Netzhautablösung (Amotio retinae). In Industrieländern ist die diabetische Retinopathie die häufigste Erblindungsursache im Erwachsenenalter mit einem bis zu 25-fach erhöhten Risiko. Jährlich erblinden in Deutschland etwa 1700 Menschen an diabetischer Retinopathie.

Wichtig ist daher eine regelmäßige Untersuchung beim Augenarzt. Wichtig in der

Behandlung der Diabetespatienten ist auch immer die primäre Prävention der diabetischen Retinopathie durch optimale Einstellung des Blutzuckers und Behandlung der Begleit-erkrankungen wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette durch den Hausarzt oder Diabetologen.

Die derzeitigen Behandlungsmethoden zielen darauf ab, Sehverschlechterung und Erblindung zu verhindern. Beim diabetischen Makulaödem ist eine neuere Behandlungs-methode der Wahl die wiederholte Eingabe von Hemmern des Wachstumsfaktors Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) in das Augeninnere. Weiterhin steht die Lasertherapie zur Verfügung. In diesem Jahr wurde ein Cortisonimplantat zur Behandlung des chronischen Makulaödems zugelassen. Bei proliferativer diabetischer Retinopathie werden die Laser-behandlung und die operative Glaskörperentfernung (Vitrektomie) eingesetzt.

Neuere Forschungsergebnisse belegen, dass es sehr früh, nämlich bereits nach fünf Jahren Laufzeit, zu einer Schädigung des Nervengewebes (Neurodegeneration) der Netzhaut kommen kann. Diese geht dem Gefäßschaden voraus und kann die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie begünstigen. Die wesentlichen Ereignisse, die zur

Neuro-degeneration führen, sind Zelltod (Apoptose) und Aktivierung der Gliazellen in der Netzhaut.

Daher ist ein ganz neuer, innovatier Behandlungsansatz die Therapie mit sogenannten neuroprotektiven Medikamenten. Diese können in Form von Augentropfen verabreicht werden. Die Effektivität wird derzeit in der EUROCONDOR-Studie, einer von der EU geförderten Consortiums-Studie untersucht. Ziel der Studie ist eine frühe Verhinderung der Schäden des Diabetes mellitus am Auge, bevor es zu einer Sehverschlechterung kommt.

Die Studie könnte auch wichtige Informationen liefern zu neuen Therapieansätzen bei anderen Erkrankungen wie grüner Star (Glaukom), altersbezogene Makuladegeneration (AMD) oder Alzheimer-Erkrankung, bei denen ebenfalls eine Neurodegeneration der Netzhaut auftritt.

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013

Wenn Kinder nicht zum Augenarzt gehen – Folgen nicht entdeckter Schwachsichtigkeit

Professor Dr. med. Wolf A. Lagrèze, Leitender Arzt der Sektion Neuroophthalmologie, Kinderophthalmologie und Schielbehandlung an der Universitäts-Augenklinik Freiburg

Die frühkindliche Sehentwicklung

Wie viele andere Fähigkeiten muss auch das Sehen durch Gebrauch des entsprechenden Organs „gelernt“ werden. Das Erlernen einer normalen Sehschärfe findet hauptsächlich in den ersten beiden Lebensjahren statt. Gegen Ende des dritten Lebensjahres kann man die Sehschärfe quantitativ zuverlässig messen. Das Erlernen von Stereosehen findet in den ersten sechs Lebensmonaten statt (Abbildung 1).

Um welche Krankheiten geht es?

Wenn die Sehentwicklung der ersten Lebensjahre gestört wird, resultiert eine sogenannte Schwachsichtigkeit, auch Amblyopie genannt. Sie betrifft circa zwei Prozent aller Menschen, meist an einem Auge, seltener an beiden. Die häufigsten Risikofaktoren sind eine höhere Weitsichtigkeit (Hyperopie, sechs Prozent aller Kinder), eine ungleiche Brechkraft beider Augen (Anisometropie, vier Prozent aller Kinder) und Schielen (Strabismus, drei Prozent aller Kinder). Wesentlich seltener, aber in den Konsequenzen gravierender sind organische Augenerkrankungen wie zum Beispiel der angeborene graue Star (Katarakt, Linsentrübung) oder der angeborene grüne Star. Viele dieser Erkrankungen fallen gar nicht oder nicht rechtzeitig auf, weil sie äußerlich nicht sichtbar sind. Eine Übersicht der Häufigkeiten gibt Abbildung 2.

Konsequenzen

Die Einschränkung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ist im Kindesalter bei einseitiger Amblyopie eher gering, bei beidseitiger Amblyopie ist sie beträchtlich. Ein

sichtbares Schielen führt ab dem Vorschulalter zu signifikanten Störungen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Organische Augenerkrankungen wie zum Beispiel der graue Star führen durch die Krankheit und ihre langjährige Therapie zu einer Minderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, welche mit der von Rheuma oder

Tumor-erkrankungen im Kindesalter vergleichbar ist. Im höheren Lebensalter tragen Menschen mit einseitiger Amblyopie ein deutlich höheres Risiko einer Sehbehinderung, da sie nur über ein gutes Auge verfügen (Abbildung 3).

Aktuelle Situation

Der Gesetzgeber hat ein orientierendes Sehscreening im Rahmen der U-Untersuchungen durch Kinder- und Jugendärzte vorgesehen. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine Vorsorgeuntersuchung von Kindern durch einen Augenarzt bei begründetem Verdacht

auf eine Sehstörung möglich. Die augenärztliche Untersuchung kann nur dann abgerechnet werden, wenn auch eine Störung gefunden wird. Von den zehn U-Untersuchungen soll bei neun das Sehsystem kontrolliert werden. Die Sensitivität der U-Untersuchungen wurde vor geraumer Zeit im Rahmen einer von der Bertelsmann-Stiftung geförderten Studie ermittelt:

665 Kindergartenkinder im Alter von dreieinhalb bis viereinhalb Jahren wurden augenärztlich und orthoptisch untersucht. 28 Prozent der Kinder zeigten Auffälligkeiten. 70 Prozent davon waren bei den U-Untersuchungen nicht als „krank“ aufgefallen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und der Berufsverband der Augenärzte haben mehrfach auf Mängel des Systems hingewiesen.

Nutzen und Effizienz eines Sehscreenings

Da ein Screening der Bevölkerung aus mathematischen Gründen nur bei häufigen Erkrankungen sinnvoll ist, sollte es primär auf die Früherkennung von Amblyopie zielen, auch weil dabei eine frühe Therapie einer späteren überlegen ist. Der Hauptnutzen besteht darin, dass das betroffene Kind noch über ein gutes Partnerauge verfügt, sollte später ein Auge erkranken (zum Beispiel Makuladegeneration im hohen Lebensalter). Das Risiko einer beidseitigen Sehminderung ist bei Amblyopie erhöht, weil nur ein Auge eine normale

Sehschärfe hat. Aus einer 5 520 Personen umfassenden Subkohorte der Rotterdam Eye Study wurde berechnet, dass das Lebenszeitrisiko einer beidseitigen Sehbehinderung (Visus

< 0,5) für nicht an Amblyopie Erkrankte zehn Prozent und für Amblyope 18 Prozent beträgt (Abbildung 3). Aus der Differenz von acht Prozent ergibt sich reziprok und ganzzahlig aufgerundet eine „Number needed to treat“ von 13. Das heißt, 13 Amblyopien müssen erkannt und erfolgreich behandelt werden, um im höheren Lebensalter bei einer Person eine beidseitige Sehbehinderung zu vermeiden. Wenn man diese Zahl mit den Kosten der

Amblyopievermeidung multipliziert und den jährlichen Kosten einer Sehbehinderung gegenüberstellt, dann wäre in einer vereinfachten Rechnung ein Sehscreening in der Kindheit kostendeckend, wenn dieselbe Person im Fall einer beidseitigen Sehbehinderung eine Restlebenserwartung von mindestens fünf Jahren hätte. Davon ist auszugehen.

Fazit

Die Amblyopieprävalenz rechtfertigt ein universelles Sehscreening. Ergebnisse klinischer Studien legen nahe, dass Screening und eine anschließende Therapie die Amblyopie-prävalenz senken. Aufgrund bisheriger Berechnungen ist davon auszugehen, dass ein augenärztliches Sehscreening kosteneffektiv ist. Es ist fraglich, ob in Deutschland das derzeitige System der U-Untersuchungen trotz seiner hohen Akzeptanz den Erwartungen in Bezug auf Vermeidung von Amblyopie und anderer kindlicher Augenerkrankungen gerecht

werden kann. 2009 wurde in Deutschland ein universelles Hörscreening eingeführt. Ein universelles Sehscreening existiert bisher nicht.

Abbildung 1:

Abbildung 2:

Abbildung 3:

(Es gilt das gesprochene Wort!) Berlin, September 2013