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Archiv "Kryochirurgie in der Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde" (24.10.1974)

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Kryochirurgie ist eine weitgehend schmerzfreie, unblutige Methode zur umschriebenen Entfernung kranken Gewebes, die kaum Narben hinterläßt. Für sie ist eine leistungsfähige, mit flüssigem Stickstoff betriebene Apparatur erforderlich, weiter verlangt sie viel persönli- che Erfahrung. Besonders geeignet ist das Verfahren für Eingriffe am lymphatischen Rachenring und an gutartigen Läsionen von Haut und Schleimhäuten. Bei Präkanzerosen muß der Kryochirurgie eine Probeexzision vorausgehen; außerdem ist eine sorgfältige postope- rative Beobachtung erforderlich. Als Palliativmaßnahme kann die Kryochirurgie auch bei malignen Tumoren indiziert sein. Die in letz- ter Zeit viel diskutierte Kryotonsillektomie ist als Routineeingriff noch nicht zu empfehlen.

tewirkung über die Kryosonde ei- nerseits und Wärmezufuhr über den Blutkreislauf andererseits. Die- se Grenze ist erkennbar an der Ausdehnung des gefrorenen Gewe- bes (Eisball) um den Sondenkopf.

Durch die unterschiedliche Käl- teempfindlichkeit der einzelnen Gewebe. Lymphatisches Gewebe, auch Gewebe maligner Tumoren ist — wohl wegen des großen Zell- beziehungsweise Mitosereichtums

— kältesensibler als das umgeben- de Bindegewebe und die Muskula- tur. Dadurch wird die Gefahr einer Mitschädigung der Umgebung bei entsprechenden kältechirurgischen Eingriffen geringer. i>

KOMPENDIUM:

Kryochirurgie in der Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde

Der ärztliche Kunstfehler und seine forensisch- medizinische Problematik Wichtiger pulmonaler Funktionstest: Spirographie Gewinnung und Einsendung von Material für viro- logische Untersuchungen Schutzimpfung

gegen Kinderlähmung

THERAPIE IN KÜRZE:

Hitzewallungen Grippeschutzimpfung nach Nierentransplantation

DIAGNOSTIK IN KÜRZE:

Primäre Dünndarmtumoren Erhöhter Prolaktinspiegel

Kryochirurgie in der

Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde

Horst Ganz

Aus der Hals-Nasen-Ohren-Klinik

(Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. med. Oskar Kleinsasser) der Universität Marburg

Unter Kryochirurgie wird die ge- zielte und umschriebene Zerstö- rung lebenden Gewebes durch sehr tiefe Temperaturen verstan- den. Rasches Einfrieren und lang- sames Auftauen ergibt den maxi- malen zerstörenden Effekt durch intrazelluläre Eiskristallbildung und Elektrolytverschiebungen. Das Ge- webe muß dabei auf mehr als mi- nus 20 Grad Celsius abgekühlt werden.

Die erstrebte umschriebene Ge- webszerstörung kann erreicht wer- den:

0 Durch die scharfe Grenze zwi- schen dem Einflußbereich von Käl-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 24. Oktober 1974 3071

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Durch Veränderung von Form beziehungsweise Fläche der Kälte- sonde kann die Ausdehnung der zu erzeugenden Nekrose beeinflußt werden.

Vorteile der Kryochirurgie

Die kältechirurgische Zerstörung von Gewebe hat zahlreiche Vortei- le:

~ Sie ist technisch einfach.

~ Sie ist praktisch schmerzlos;

deshalb entfällt beim Erwachsenen die Infiltrationsanästhesie.

~ Bei kleinen Läsionen an Oberflä- chen genügt eine einzige Behand- lung.

~ Multiple Oberflächenläsionen (Haut und Mundschleimhaut) kön- nen in einer Sitzung behandelt werden.

~ Bei Operationen an Nase und Ohrmuschel besteht praktisch kei- ne Perichondritisgefahr.

~ Postoperative nervale Störun- gen fehlen oder sind gering. Selbst direktes Einfrieren größerer Ner- venstämme führt nicht zwangsläu- fig zu bleibenden Lähmungen.

~ Die Narbenbildung ist mal, die Wundheilung gut.

mini-

~ Bei Tumoren und sonstigen Ul- zera imponiert die analgasierende Wirkung.

~ Das Verfahren ist unblutig, da das gefrorene Gewebe zunächst in situ bleibt und erst im Verlaufe ei- niger Tage zerfällt.

Unblutig ist dabei nicht gleichbe- deutend mit blutstillend. Die An- nahme, die Kryochirurgie habe eine blutstillende Wirkung, insbe- sondere infolge einer Mikrothrom- benbildung in den kleinen Gefäßen, ließ sich durch eigene histologi- sche Untersuchungen bei Anwen- dung der Kälte im Rahmen "bluti- ger" chirurgischer Eingriffe nicht bestätigen.

~ Kleinere kryochirurgische Ein- griffe können ambulant ausgeführt werden.

Nachteile der Kryochirurgie

Die Kryochirurgie hat nur wenige Nachteile:

~ Gelegentliche, kurze, Schmerzreaktionen in der phase bei Behandlungen Mundhöhle,

heftige Auftau-

in der

~ Fötor ex ore nach Mund- und Racheneingriffen,

~ mäßiges postoperatives Ödem, besonders bei der Behandlung von Schleimhäuten,

~ Notwendigkeit mehrerer Sitzun- gen bei der Entfernung größerer Gewebsbezirke.

Natürliche Grenzen der Behandlung

0

Veränderungen an gut zugäng- lichen Oberflächen lassen sich leicht kryochirurgisch behandeln und nachkontrollieren. Problema- tisch wird es, wenn der zu zerstö- rende Bezirk so versteckt liegt, daß er erst chirurgisch freigelegt wer- den muß .

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Abbildung 1 (links): Kryochirurgisches Operieren mit der Oberflächen- beziehungsweise Kontaktmethode. Nach Ab- stoßung der ersten Nekroseschicht kann der Eingriff an den tieferen Partien wiederholt werden (nach Cahan 1971) -

Abbildung 2 (rechts): Die sogenannte Penetrationsmethode der Kryochirurgie. Vollständige Zerstörung eines tiefer-

reichenden Tumors durch fächerförmiges Einstechen der Kältesonde (nach Cahan 1971)

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Abbildung 3: Die kryochirurgische Saugsonde Linde, entwickelt für die Tonsillekto- mie, etwa 1/2 natürliche Größe. Die Mandel wird in den Napf hineingesaugt und darin komplett durchgefroren

• Die Tiefenwirkung der Kryochir- urgie beträgt bei Verwendung ge- schlossener Kältesonden nur weni- ge Millimeter, bei offenen Sprays mit flüssigem Stickstoff bis zu 1,5 Zentimeter. Um eine größere Tie- fenwirkung zu erreichen, kann man drei Kunstgriffe anwenden:

> Bei Operation mit dem Kontakt- verfahren, bei dem eine Platten- sonde auf das Gewebe aufgesetzt wird, wartet man die Abstoßung ab und behandelt dann die darunter- liegende Schicht. Dies kann mehr- fach wiederholt werden.

> Beim Penetrationsverfahren sticht man eine spitze Sonde fä- cherförmig ins Gewebe ein.

> Beim Ansaugverfahren wird das zu zerstörende Gewebe zuerst in einen Napf angesaugt und darin von drei Seiten zugleich eingefro-

ren (Abbildungen 1 bis 3).

> Eine weitere natürliche Grenze der Kryochirurgie sind nahliegende große Blutgefäße. Der Wärmetrans- port vom Körperkern ist hier zu groß. Selbst bei intensiver lokaler Kälteanwendung an der Adventitia der Arteria carotis und der Vena jugularis interna sinkt die intrava- sale Temperatur kaum meßbar ab.

Von einem Durchfrieren der Blut- säule ist keine Rede. Deshalb be- steht auch bei kryochirurgischen Racheneingriffen keine Gefahr ei- ner Karotisblutung, wenn das auch immer wieder behauptet wird.

Apparatur

Mit Kohlensäureschnee und in flüs- sige Luft getauchten Wattestäb- chen können nur umschriebene Hautläsionen erfolgversprechend behandelt werden.

Für die Effektivität einer kryochir- urgischen Behandlung mitentschei- dend ist das Kältemittel. Die mit flüssigem CO2, N20 sowie Freon er- reichbaren Minustemperaturen be- tragen weniger als 100 Grad Cel- sius. Flüssiger Stickstoff dagegen hat einen Siedepunkt von minus 196 Grad Celsius. Für die Zerstö-

rung größerer Gewebsbezirke auch zur Tiefe hin sind deshalb nur sol- che kältechirurgischen Geräte ge- eignet, die mit Stickstoff betrieben werden.

Das Kältemittel wird entweder über geschlossene Sonden oder offene Sprays zugeführt. Letzteres ergibt einen weitaus intensiveren Effekt, da das Kältemittel in direkten Kon- takt mit dem Gewebe kommt. Der Spray ist aber wegen seiner größe- ren Tiefenwirkung und schlechte- ren Dosierbarkeit nicht ungefähr- lich. Die umgebenden Partien müs- sen sorgfältig trocken abgedeckt werden, um eine unerwünschte Mitschädigung zu vermeiden. An Schleimhäuten verwenden wir vor- sichtshalber keinen Spray.

Die geschlossenen Sonden sind in der Regel bis auf die Spitze vakuumisoliert, damit sie nicht etwa bei Eingriffen in der Mund- höhle an unerwünschter Stelle Ne- krosen setzen. Die eingebaute Auf- heizvorrichtung gestattet (zum Bei- spiel wenn beim Ansetzen der Son- de nicht die richtige Stelle getrof- fen worden ist, bei Abwehr, Erbre- chen oder Kollaps des Patienten) ein rasches Abtauen und damit Ab- nehmen der Sonde. Die aus Silber oder Kupfer gefertigten Sonden- köpfe, welche die Verdunstungs-

kälte des flüssigen Kältemittels ans Gewebe weitergeben sollen, kön- nen je nach Bedarf mit platten-, halbkugel-, stift- oder napfförmigen Ansätzen versehen werden. Wir verwenden abschraubbare Sonden- köpfe eigener Konstruktion (Abbil- dung 4).

Das kryochirurgische Steuergerät selbst besteht aus einem Vorrats- behälter für das Kältemittel, einem Thermoelement-Meßgerät für tiefe Temperaturen, einer Unterbrecher- schaltung für den Kühlmittelzufluß, mit der sich die Sondenkopftempe- ratur regeln läßt, gegebenenfalls einer Zeitautomatik, die den Ein- friervorgang nach einer vorherbe- stimmten Zeit beendet.

Für Napfsonden zur Tonsillektomie ist eine zusätzliche Saugvorrich- tung erforderlich*).

Vorbereitung und Nachsorge sowie postoperativer

Verlauf nach Kryochirurgie

Kleine Läsionen von Haut (Warzen) und Mundschleimhaut können am- bulant operiert werden. I>

*) Leistungsfähige kryochirurgische Gerä- te werden in der Bundesrepublik von den Firmen Linde AG, Höllriegels- kreuth, sowie Leybold-Heraeus, Köln, hergestellt.

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Abbildung 4: Die von uns verwendete kryochirurgische Apparatur CTR Linde; ge- schlossene Kältesonde mit abschraubbaren Köpfen

Bei allen etwas größeren Eingriffen in Mund, Nase und Rachen neh- men wir den Patienten wenigstens für eine Nacht stationär auf. Bei al- len kryochirurgischen Interventio- nen an Schleimhäuten halten wir die Gabe von Atropin für unerläß- lich. Neben der vegetativen Dämp- fung erreicht man damit eine Ver- minderung der Salivation. Erwach- sene können ohne Infiltrationsan- ästhesie behandelt werden. Bei Ra-

cheneingriffen ist, schon um den Würgreiz abzuschwächen (Tonsill- ektomie!), eine Oberflächenanäs- thesie zu empfehlen. Bei kleinen Kindern ist in solchen Fällen die Intubationsnarkose meist nicht zu umgehen.

Nach Abnahme der Kryosonde be- ziehungsweise Absetzen des Sprays taut der — die Ausdehnung der späteren Nekrose ziemlich

exakt anzeigende — Eisball im Ge- webe langsam wieder auf, die Durchblutung setzt wieder ein. In diesem Stadium kann es durch re- aktive Hyperämie zu Spontanblu- tungen kommen, die aber bei allei- niger kryochirurgischer Behand- lung, also ohne vorangegangenen

„blutigen" Eingriff, geringfügig bleiben. Es folgt ein Ödemstadium, das lediglich bei Eingriffen am Kehlkopf gefährlich werden kann.

Im Verlaufe einiger Tage demar- kiert sich die zerstörte Gewebszo- ne, das nekrotische Gewebe stößt sich ab, im Rachen meist in klei- nen Stücken und vom Patienten kaum bemerkt, wenn man vom üblen Mundgeruch absieht (Mund- spülungen). Die Nahrungsaufnah- me ist während dieses ganzen postoperativen Stadiums kaum be- hindert. Bis zum Ende der zweiten Woche ist die Reinigung und Ver- narbung des Defektes weitgehend abgeschlossen; eine etwa nötige weitere Sitzung ist möglich.

Anwendungsmöglichkeiten

in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde

Ohr

Neben der Operation gutartiger Gewächse und Präkanzerosen an Ohrmuschel und äußerem Gehör- gang ist in Einzelfällen die Kryo- chirurgie zur Behandlung ausge- dehnter Tumoren des Glomus ju- gulare tympanicum eingesetzt wor- den. Weiterhin hat man versucht, die Meniöresche Krankheit mit ei- nem kryochirurgischen Eingriff, der sogenannten otic-perotic-shunt- operation, zu behandeln.

Nase

Die Kältechirurgie ist zur Behand- lung des Nasenblutens eingesetzt worden, und zwar einmal um- schrieben, mittels Kältesonden, zum anderen als diffuse Unterküh- lung über einen alkoholgefüllten Tamponadeballon, analog dem Vorgehen bei Magenblutungen. Bei der Sondenmethode darf man, um tiefgehende Nekrosen zu vermei- den, nur ganz kurz einfrieren und

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Sondentemperaturen von minus 100 Grad Celsius nicht unterschrei- ten. Weiter ist beim Nasenbluten zu berücksichtigen, daß die Nekro- sebildung im Gegensatz zum So- forteffekt bei Ätzung oder Kauteri- sation erst nach mehreren Stunden beginnt, daß also zunächst trotz Kryochirurgie tamponiert werden muß. In besonderen Fällen (Bluter, alte Patienten) hat man auch Na- senmuscheln kryochirurgisch ver- kleinert und Polypen entfernt. Daß ein Nasen-Rachen-Fibrom auf diese Weise entfernt werden kann, wurde schon erwähnt; genannt sei noch die transsphenoidale Kryo-Hypo- physektomie.

Kehlkopf

Die Kältebehandlung ist bei Stimm- bandpolypen, Papillomen und be- ginnendem Stimmlippenkarzinom versucht worden. Man bedient sich dazu der Mikrolaryngoskopie. Mil- ler brauchte bei der kindlichen La- rynxpapillomatose nur ein bis fünf Sitzungen, um die Krankheit zu be- herrschen. Sollten sich seine Er- gebnisse auch anderen Therapeu- ten bestätigen, wäre ein großer Fortschritt erreicht. Miller mußte allerdings alle diese Kinder pro- phylaktisch tracheotomieren. 1>

Abbildung 5 a (oben): Ausgedehntes, teilweise zerfallendes Plattenepithelkar- zinom der Mundhöhle rechts mit Befall des Unterkiefers und des weichen Gau- mens bei 79jährigem Mann. Wegen des schlechten Allgemeinzustandes wird nur eine palliative kryochirurgische Be- handlung durchgeführt

Abbildung 5 b (Mitte): Situation wäh- rend einer kältechirurgischen Sitzung in Oberflächenanästhesie. Der Tumor ist subtotal gefroren.

Abbildung 5 c (unten): Zustand nach viermaliger kryochirurgischer Behand- lung. Noch Resttumor in der Wangen- schleimhaut, übriges Tumorbett reiz- los, unauffällig, epithelisiert. Nach der Entfernung dieses Tumorrestes in einer fünften Sitzung hatte sich der Allge- meinzustand so weit gebessert, daß wir uns zur Strahlenbehandlung entschlie- ßen konnten.

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Lymphatischer Rachenring

Wer im Hals-Nasen-Ohren-Fachge- biet Kältechirurgie betreibt, kommt in Versuchung, routinemäßig Kryo- tonsillektomien und -adenotomien auszuführen. Solche kritiklos vor- genommenen Eingriffe tragen je- doch den Keim des Mißerfolgs in sich und können die ganze Metho- de in Mißkredit bringen. Ursachen für Mißerfolge sind:

O Es werden insuffiziente Kälte- mittel und Apparaturen verwendet.

Für Kryotonsillektomien ist die vol- le Leistung einer Stickstoffeinheit erforderlich.

O Der Therapeut besitzt im kälte- chirurgischen Operieren noch kei- ne ausreichenden Erfahrungen. Sie sind gerade auf einem apparativ noch in der Entwicklung stehenden Gebiet nicht durch das Studium ei- ner Gebrauchsanweisung zu erset- zen. Es gibt noch keine festen Nor- men; auch sind die Apparate in ih- rer Leistungsabgabe noch unzuver- lässig.

• Die Kontaktmethode wird ein- gesetzt, bei der selbst im günstig- sten Fall zwei Sitzungen zur voll- ständigen Entfernung der Mandel erforderlich sind. Einen Fortschritt kann die erwähnte Saugsonde bringen.

Vorläufige Indikationen zur Kältetonsillektomie

Das Verfahren ist indiziert bei O Patienten mit schwerer hämor- rhagischer Diathese, die durch den chirurgischen Eingriff ernsthaft ge- fährdet wären;

O schweren Stoffwechselerkran- kungen, wie jugendlicher Diabetes mellitus.

Weitere Indikationen sind nach von Leden:

O Risikopatienten (hohes Alter, sonstige internistische Erkrankun- gen);

O Allergie, besonders gegen Lo- kalanästhetika;

O die Operation von Sängern und Berufsrednern (geringe Narbenbil- dung), sowie

O Persönlichkeiten mit großer be- ruflicher Verantwortung, die ihrem Arbeitsplatz nicht länger fernblei- ben können.

Nach Kryotonsillektomie können die Patienten schon am folgenden Tag entlassen werden und nach drei bis vier Tagen die Arbeit wiederaufneh- men. Nach chirurgischer Tonsillek- tomie erfolgen Entlassung nach ei- ner Woche, Arbeitsaufnahme nach zwei Wochen.

Wichtiger als für die Entfernung der Gaumenmandeln erscheint uns die Kältemethode zur Behandlung hyperplastischer Seitenstränge so- wie für die Entfernung der Zungen- mandeln. Die chronische Tonsillitis lingualis ist eine der Ursachen glo- busartiger Halsbeschwerden, auch können hier Abszesse mit Gefahr des Larynxödems entstehen. Da die chirurgische Entfernung der Tonsilla lingualis technisch schwierig und vollständig kaum möglich ist, bedeutet die Kryochir- urgie hier einen echten Fortschritt.

— Eingriffe am lymphatischen Ra- chenring machten in unserem Krankengut bisher weniger als ein Drittel der Fälle aus (53 von 185).

Kryochirurgie bei Tumoren

Eine kurative Tumorbehandlung durch Kälte kann vorerst nur für gutartige Geschwülste von Haut und Schleimhäuten empfohlen wer- den. An der Haut ist die Entfernung von Warzen ein dankbares Gebiet.

Damit die Kältesonde haftet, ist das Anfeuchten der Läsion mit Kochsalzlösung empfehlenswert.

Eine Mitschädigung der Umgebung wird vermieden, wenn die Frierzei- ten 30 bis 60 Sekunden betragen und die Sondenkopftemperatur nicht tiefer als minus 100 Grad Cel- sius ist. Gut entfernen lassen sich auch die häufigen pendelnden Fi- brome beziehungsweise Papillome im Bereich des Isthmus faucium.

Von den Hämangiomen der Haut sind diejenigen der kryochirurgi- schen Therapie zugänglich, die keine große Tiefenausdehnung ha- ben. Wegen der geringen Narben- bildung kann bei Angiomen an kos- metisch auffälligen Stellen die Kryo- chirurgie der operativen Behand- lung überlegen sein.

Präkanzerosen können ebenfalls kryochirurgisch angegangen wer- den, doch sollte in jedem Falle vor- her eine Probeexzision zum Zwek- ke der histologischen Untersu- chung vorgenommen werden. Be- sonders sehr großflächige Leuko- plakien der Mundhöhle, deren Ent- fernung chirurgisch nur mit plasti- scher Deckung möglich wäre, sind für die Kältebehandlung geeignet;

die sorgfältige postoperative Beob- achtung ist allerdings unerläßlich.

Bei malignen Tumoren können wir uns dem Optimismus einiger ame- rikanischer Autoren vorerst nicht anschließen. Es soll nicht abge- stritten werden, daß oberflächliche Karzinome durch Kryotherapie al- lein geheilt werden können — wir sahen das kürzlich selbst bei ei- nem Zungenkarzinom —, doch glau- ben wir es noch nicht verantworten zu können, die Kryochirurgie an die Stelle von Operation und Be- strahlung zu setzen. Bei uns wird die Methode an malignen Tumoren als alleinige Behandlung bisher nur rein palliativ bei inkurablen Rezidi- ven beziehungsweise Resttumoren angewandt. Die Behandlung bringt zumindest Schmerzlinderung und Zeitgewinn. Eine „Gewöhnung"

des Tumors an die Vereisung mit später vermindertem Effekt haben wir noch nicht beobachtet, aller- dings auch noch keine Heilung ver- buchen können.

Dagegen kann die Kryochirurgie dort noch hilfreich sein, wo Tumor- reste auszurotten sind und die Fortsetzung des chirurgischen Ein- griffs zu riskant wird (etwa bei Me- tastasen mit Einwachsen in die Wand der Karotiden). Auch bei Mundbodentumoren, die den Un- terkiefer befallen haben, ist die Kryochirurgie eingesetzt worden;

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Wie in den USA, kann man auch in der Bundesrepublik Deutschland eine steigende Tendenz von Kla- gen wegen sogenannter ärztlicher Kunstfehler feststellen. Diese Ent- wicklung liegt im schwindenden Vertrauen zwischen Patient und Arzt begründet. Der moderne Mensch ist weniger geneigt, Krank- heit, Unglück und Schaden als schicksalsbedingte Ereignisse zu tragen. Außerdem ist die Einstel- lung des Patienten sicherlich durch die häufig sensationell aufgemach- te Berichterstattung unserer Mas- senmedien verändert worden. Seine Aufmerksamkeit wird immer wieder auf angebliche ärztliche Fehllei- stungen gelenkt, obwohl Verfahren, die wegen der Grundsätzlichkeit der arztrechtlichen Fragestellung bis zur höchstrichterlichen Ent- scheidung gelangen, seltener sind, als es den Anschein hat. Innerhalb von elf Jahren (1951 bis Ende 1961) konnten nur 192 Entscheidungen der zuständigen Zivilsenate des Bundesgerichtshofes auf dem Ge- biet der Arzthaftung zusammenge-

tragen werden. Auch Strafanzeigen wegen des Verdachtes eines soge- nannten ärztlichen Kunstfehlers, das heißt wegen einer Körperver- letzung oder gar einer fahrlässigen Tötung durch ärztliches Handeln oder Unterlassen sind im Vergleich zu der Zahl der täglich vorgenom- menen diagnostischen oder opera- tiven Eingriffe recht selten.

Der Begriff „Kunstfehler" ist in den einschlägigen Gesetzestexten nicht zu finden. Die Skala der Definitio- nen des Begriffs Kunstfehler reicht von einer abstrakten Benennung für ein medizinisch-fehlerhaftes Vorgehen bis zu der Ansicht, daß zum Kunstfehler auch ein Ver- schulden gehöre.

Wohl der erste Versuch einer exak- ten Begriffsbestimmung des ärztli- chen Kunstfehlers stammt von Ru- dolf Virchow: „Ein Verstoß gegen

*) Herrn Professor Dr. med. Wilhelm Doerr anläßlich seines 60. Geburtstages ge- widmet.

auf diese Weise konnte die Unter- kieferresektion vermieden werden (Gage).

Komplikationen

Entsprechend dem besonderen pa- thobiologischen Verhalten des Ge- webes nach kryochirurgischer Be- handlung sind nennenswerte Kom- plikationen selten; beschrieben worden sind:

• Schmerzen während der Auftau- phase.

• Bei Mundbodenmalignomen ge- legentlich Blutungen während der ersten postoperativen Tage, die in der Regel aus der A. lingualis stammen. Auch wir haben eine sol- che Blutung beobachtet. Derartige Blutungen sind für die Kryotherapie nicht spezifisch; sie können sich bei tiefen Tumorkratern auch während einer Strahlentherapie oder zytosta- tischen Behandlung ergeben.

■ Nach ausgedehnten Vereisun- gen postoperativer Temperaturan- stieg, der unter Umständen 40 Grad Celsius erreichen kann.

■ Kieferklemme nach Einfrieren retromolarer Tumoren.

Hinzu kommt bei endoskopischen Eingriffen am Kehlkopf noch das bereits erwähnte Larynxödem, das bei Kindern zur Tracheotomie zwingen kann.

Literatur

Berendes, J.: Zur Tonsillitis lingualis.

Mschr. Ohrenheilk. 104 (1970) 71 — Gage, A.A.:Cryosurgery as Primary Treatment for Oral Cancer. Proc. Int. Congr. Cryosurg.

Vienna 1972, Verlag Wien, Med. Akad. 1972

— Ganz, H.: Grundlagen und Anwendung der kryochirurgischen Technik, mit beson- derer Berücksichtigung des HNO-Faches.

HNO (Berl.) 20 (1972) 191 — von Leden, H.:

Kryochirurgie bei Kopf- und Halstumoren.

Arch. klin. exper. Ohr.-, Nas.- u. Kehlk.- Heilk. 205 (1973) 84 — Miller, D.: Does Cryosurgery Have a Place in the Treatment of Papillomata or Carcinomata of the La- rynx? Ann. Otol. (St. Louis) 82 (1973) 656

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Horst Ganz 355 Marburg an der Lahn Universitätsstraße 34

Der ärztliche Kunstfehler und seine forensisch-medizinische Problematik

Otto Pribilla

Aus dem Institut für Rechtsmedizin

(Direktor: Professor Dr. med. Dipl.-Chem. Otto Pribilla) der Medizinischen Hochschule Lübeck*)

Der Begriff „Kunstfehler" ist in den einschlägigen Gesetzestexten nicht zu finden. Mit ihm wird zunächst nur ein Sachverhalt bezeich- net. Heute wird im allgemeinen unter einem ärztlichen Kunstfehler ein Verstoß gegen anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft verstanden. Ein derartiger Verstoß braucht noch keine Verletzung der Sorgfaltspflicht zu sein. Nach einer Entscheidung des Reichs- gerichts ist „nicht jeder Kunstfehler ein Verschulden und nicht je- des Verschulden ein Kunstfehler."

3078 Heft 43 vom 24. Oktober 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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