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Archiv "Hodentumoren" (08.01.1976)

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Hermann Pennekamp und Jürgen Sökeland

Aus der Urologischen Klinik der Städtischen Kliniken Dortmund (Direktor Professor Dr. Jürgen Sökeland)

Die Problematik der Behandlung der verschiedenen Hodentumoren wird aus klinischer Sicht dargestellt. Die einzelnen Formen der Hodentumoren haben einen charakteristischen Metastasierungs- weg, der Behandlung liegt die Einteilung der Hodentumoren nach dem TNM-System zugrunde. Seminome, Teratokarzinome, Embryo- nalkarzinome und Chorionepitheliome unterliegen einem unter- schiedlichen chirurgischen, strahlentherapeutischen und chemo- therapeutischen Behandlungsplan. Die Prognose kann bei Früher- kennung der Hodentumoren mit gezielter Aufklärung der Bevölke- rung verbessert werden.

ÜBERSICHTSAUFSÄTZE:

Hodentumoren Das Bild der leichten frühkindlichen Hirnschäden

in der täglichen Praxis Das Auge bei

metabolischen Störungen

DIAGNOSTIK IN KÜRZE:

Pseudosarkomatöse Fasziitis

Fibro-Myo-Adenome

FÜR SIE GELESEN:

Angiographie

und Pankreatographie in der Diagnose

von Pankreaskarzinomen Akrosklerose

bei Sarkoidose

Hodentumoren

Der Hodentumor gehört zu den bös- artigsten und prognostisch ungün- stigsten Tumoren des Mannes. Die Ursachen für diese ungünstige Prognose sind:

O völlig schmerzloser Beginn, O die hochgradige Bösartigkeit des embryonalen Gewebes,

• die sehr frühe Metastasierung und der ungünstige Metastasie- rungsweg über Samenstrang, pa- raaortale Lymphdrüsen bis hinauf zum Nierenhilus.

Aus den genannten Gründen ist das Krankheitsgeschehen für die Betroffenen oft von schicksalhaf- tem Verlauf. Es sind vorwiegend die Altersgruppen 20 bis 40, also Männer in der Zeit der stärksten biologischen Aktivität, befallen.

Von 100 000 Männern erkranken etwa zwei bis vier an Hodenge- schwülsten. In der Bundesrepublik Deutschland werden etwa 2000 bis 3000 Männer im Jahr von diesem Leiden befallen. Fast alle testikulä- ren Tumoren sind bösartig.

Bei einer Querschnittanalyse des Jahres 1973 an 31 urologischen Kli- niken zeigten bei insgesamt 324 Fällen bereits 60 Prozent eine Me- tastasierung vor Beginn der klini- schen Behandlung. Die Anamnese- dauer lag im Durchschnitt bei sechs Monaten.

Alle therapeutischen Möglichkeiten wie Semikastration, Lymphadenek- tomie — Ausräumung aller parailia- kalen und paraaortalen Lymph- drüsen — und beim Seminom die Bestrahlung, hängen von der Früh- diagnose ab.

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 8. Januar 1976 49

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[

Abbildung 1:

Metastasierungs- weg der Hodentumoren

O Seminome, rein O Embryonale Karzinome

Teratome, rein*)

a) mit unreifem, fötalem Ge- webe

b) mit nur reifem Gewebe O Teratome, kombiniert*) a) mit embryonalem Karzi- nom

b) mit Chorionkarzinom c) mit embryonalem Karzi- nom und Chorionkarzinom

• Chorionkarzinom*) a) rein

b) kombiniert mit embryona- lem Karzinom

*) Sämtliche Tumoren der Gruppen

9-0 können einen Seminom- anteil enthalten.

Die Gründe für die späte Erfassung der Hodentumoren sind:

• das Fehlen jeglicher Schmerz- symptomati k,

O die nur langsam fortschreitende Größenzunahme,

O erziehungsbedingte Tabus der Gesellschaft gegenüber der Geni- talsphäre,

O mögliche Fehldiagnostik infolge differentialdiagnostischer Schwie- rigkeiten.

1970 wurden die Vorsorgeuntersu- chungen auf Prostatakarzinom auf dem Deutschen Ärztetag in Stutt- gart programmiert und 1972 ge- setzlich verankert. Aus den hierbei gewonnenen Ergebnissen sowie aus den langjährigen Erfahrungen

in der ärztlichen Fortbildung sind für die Frühdiagnose der Hodentu- moren folgende Maßnahmen rat- sam und zweckmäßig:

• Gezielte Aufklärung der betref- fenden Bevölkerungskreise durch

Massenmedien.

• Breitgestreute Fortbildung der erstbehandelnden Ärzte.

Das Ziel dieser Aufklärungskam- pagne ist erreicht, wenn jeder Mann bei einer Hodenschwellung oder Verhärtung sofort den Haus- arzt aufsucht und dieser so lange die Bösartigkeit des Befundes an- nimmt, bis das Gegenteil durch Freilegung und histologische Un- tersuchung bewiesen ist.

Das fast ausschließliche Auftreten in der aktivsten Lebensphase mit

erhöhter hormoneller Aktivität und die Neigung zur Tumorbildung im noch nicht vollständig deszendier- ten Hoden deuten gewisse ätiolo- gische Zusammenhänge an. Dabei ist es wahrscheinlich nicht die ab- normale Lage des Testis, die die Tumorentstehung begünstigt, son- dern vielmehr die Fehlanlage des Keimdrüsengewebes. Die Beob- achtung, daß Hoden auch nach der Orchidopexie zu Geschwulstbildun- gen neigen, spricht für diese An- nahme. Die Tumorhäufigkeit dysto- per Hoden beträgt etwa ein Pro- zent, beim Bauchhoden ist sie so- gar mehr als doppelt so groß.

In einem gewissen Prozentsatz wird aus einem Kausalitätsbedürfnis heraus ein Trauma der Hoden in der Anamnese angegeben. Dieses Ereignis ist aber lediglich als Anlaß zu werten, der den Patienten oder

Tabelle 1: Einteilung der Hodentumoren nach Dixon und Moore

50 Heft 2 vom 8. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Ti:

Hoden normal groß. Tumor weniger als V, des Organs

T2:

Organ normal groß. Tumor größer als '/2 des Hodens

T3:

Organ vergrößert, Tumor noch auf Hoden beschränkt

Ta:

Tumor wächst über Grenzen hinaus

Tabelle 2: Einteilung der Hodentumoren nach dem TNM-Systeml To = Kein Primärtumor nachweisbar

= Hoden normal groß, Tumor weniger als 1 /2 des Organs T2 = Organ normal groß, Tumor größer als 1 /2 des Hodens T3 = Organ vergrößert, Tumor noch auf Hoden beschränkt

T4 = Tumor wächst über Grenzen hinaus

Der Vorschlag der UICC sieht für einen Lymphknotenbefall folgen- de Einteilung vor:

No = keine Lymphknoten Ni = paraaortale Lymphknoten N2 = inguinale Lymphknoten

N3 = sonstiger Befall, nicht lokalisiert Die Metastasen wurden unterteilt in:

Mo = keine Metastasen Mi = Fernmetastasen

*) Siehe auch Abbildung 2.

Abbildung 2: TNM-System bei Hodentumoren (siehe auch Tabelle 2)

den Arzt erstmalig auf das Beste- hen einer Vergrößerung des Ho- dens aufmerksam macht. Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen Trauma und Hodentumor gibt es nicht.

Fast alle Hodentumoren entwickeln sich aus der Keimzelle. Der häufig- ste Tumor ist mit 35 bis 40 Prozent das Seminom. Er weist rnakrosko- pisch eine einheitliche Struktur, Kapselbildung und fibrinöse Sep- tierung auf.

30 Prozent aller Hodengeschwülste werden vom Embryonalzellkarzi- nom gebildet. Das Teratokarzinom stellt 25 Prozent aller Hodenge- schwülste dar und enthält Anteile aller drei Keimblätter verschiede- ner Reifungsgrade. Eindeutige gut-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 8.,Januar 1976 51

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artige Teratome sind sehr selten.

Sie haben nur einen Anteil von we- nigen Prozent an der Gesamtzahl der Hodentumoren. Mit dem Vorlie- gen eines Karzinoms ist immer zu rechnen, da sich Zellgruppen mit malignem Wachstum leicht dem Nachweis entziehen. Das Chorion- karzinom läßt sich in reiner Form nur in ein bis zwei Prozent aller Hodengeschwülste nachweisen. Es produziert Choriongonadotropin und läßt sich durch die sogenann- ten Schwangerschaftsteste im Se- rum oder Urin nachweisen. In Kombination mit anderen Ge- schwulsttypen, in sogenannten Mischformen, tritt es in etwa 20 Prozent aller Tumoren auf. In rei- ner Form tritt in der Regel nur das Seminom auf. Der Häufigkeitsgipfel der Erkankungen liegt beim Semi- nom im vierten, bei den anderen Tumoren im dritten Lebensjahr- zehnt. Unter den malignen Hoden- tumoren hat das Seminom die geringste Bösartigkeit. Es folgen das Embryonalzellkarzinom, das Teratokarzinom und das äußerst maligne Chorionkarzinom. Verlauf und Prognose hängen stets vom bösartigsten Bestandteil ab (Tabel- le 1).

Metastasierung

Die Metastasierung der bösartigen Hodentumoren erfolgt lymphogen.

Eine Ausnahme bildet das Chorion- karzinom, das hämatogen metasta- siert. Bei mehr als der Hälfte der malignen Hodentumoren ist die Ab- siedlung bereits eingetreten, wenn die Diagnose erfolgt. Die Tumor- zellen gelangen über die Lymph- bahnen entlang den Vasa spermati- ca zur ersten Lymphknotenstation des Retroperitonealraumes, die rechts im Bereich der Einmündung der Vena spermatica in die Vena cava, links im Gebiet der Vena re- nalis liegt.

Von dort aus werden sekundär die aortalen und iliakalen Lymphkno- ten befallen. Nach kranial können sich die Metastasen durch das Me- diastinum bis zur Einmündung des Ductus thoracicus in die linke

Vena subclavia ausbreiten. Durch Querverbindung zwischen den Lymphknoten kann auch die kon- tralaterale Lymphknotenkette be- fallen sein.

Ein Befall der inguinalen Lymph- knoten tritt nur im Spätstadium auf, wenn der Hodentumor auf Neben- hoden oder Skrotum übergegan- gen ist oder vorangegangene Ein- griffe an Hoden oder Leiste zu ei- nem Anschluß der Lymphbahnen des Hodens an das inguinale Sy- stem geführt haben (Abbildung 1).

Um Therapie und Prognose inter- national vergleichen zu können, wurde von der UICC (Union Inter- nationale Contre le Cancer) zur Klassifikation der Tumoren das TNM-System vorgeschlagen, dem auch die Einteilung der Hodentu- moren nach Tumorgröße (T), Lymphknotenbefall (N= Nodule) und Fernmetastasen (M) unterliegt (Tabelle 2 und Abbildung 2).

Symptomatik

Die Symptomatik der Hodentumo- ren wird durch eine derbe, meist schmerzlose Schwellung und ein Gefühl der Schwere des Organs gekennzeichnet. Der karzinomatö- se Hoden ist hart. Mit der retroperi- tonealen Metastasierung kommt es zu Kreuzschmerzen. Das Auftreten vergrößerter Lymphknoten in der linken Supraklavikulargrube führt den Kranken zuweilen erstmals zum Arzt. Zwischen Beginn der Symptomatik und Einsetzen der Therapie verstreichen im Durch- schnitt je nach Tumorart sechs bis neun Monate. Die Ergebnisse der Therapie zeigen, daß die Prognose der bösartigen Hodengeschwülste zur Zeit nur durch die Frühdiagno- se entscheidend verbessert werden kann.

Diagnose und Differentialdiagnose Die Diagnose der malignen Ho- dentumoren hat besonders in der Erkennung der Metastasen ent- scheidende Neuerungen erfahren.

Wichtigste diagnostische Maßnah- me allerdings ist auch heute noch die Inspektion und vergleichende Palpation der Hoden (Abbildung 3).

Die einseitige, glatte und derbe Vergrößerung kann bei einiger Übung von entzündlichen Erkran- kungen des Nebenhodens abge- grenzt werden. Läßt sich palpato- risch eine Nebenhodenentzündung nicht eindeutig von einer Schwel- lung des Hodens abgrenzen, so kann die Reaktion des Patienten auf die Palpation Hinweise geben.

Wird die Betastung als unange- nehm, sogar als schmerzhaft ange- geben, so deutet das mehr auf eine entzündliche Affektion des Neben- hodens hin. Eine Hodentorsion tritt im allgemeinen nur in der Pubertät auf.

Eine Hydrozele läßt sich meist leicht von einem Hodentumor un- terscheiden, zum Beispiel mit der Diaphainoskopie. Es muß jedoch daran gedacht werden, daß nicht selten relativ große Zysten in ei- nem Hodentumor auftreten können oder der Tumor eine Begleithydro- zele ausgelöst hat. Es kann aber auch eine Begleithydrozele vorlie- gen, die diaphainoskopisch nicht durchscheint, weil ihr Inhalt hä- morrhagisch ist. Eine Varikozele

läßt sich durch die Palpation des teigig-weichen Konvoluts bleistift- dicker Venen des Plexus pampini- formis abgrenzen. Die Venen ent- leeren sich im Liegen. Spermatoze- len lassen sich als zystische flüs- sigkeitsgefüllte Gebilde durch Be- tasten deutlich vom Hoden unter- scheiden. Ihre Punktion bringt den Nachweis von Samenzellen.

Allein die Verdachtsdiagnose eines Hodentumors muß Anlaß zur Klinik- einweisung sein. Nur in der Klinik sind die Möglichkeiten gegeben, durch verschiedene diagnostische Methoden den Verdacht zu bestäti- gen und die Frage einer Metasta- sierung zu klären sowie deren Aus- maß zu erkennen. Auf keinen Fall sollte der Hausarzt in Zweifelsfäl- len eine akute oder chronische Epididymitis annehmen und durch

52 Heft 2 vom 8. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 3:

Differential- diagnostik bei Hodentumoren

Hodentumor Epididymitis Hodentorsion

Hydrozele Varikozele Spermatozele

den Versuch einer antibiotischen Therapie wertvolle Zeit verlieren.

Folgende Untersuchungsmethoden ermöglichen eine erschöpfende Diagnostik (Tabelle 3).

• Das Urogramm gibt Auskunft über die Ausscheidungsfunktion der Nieren und über die Abflußver- hältnisse der Harnwege. Behinde- rungen des Harnflusses weisen auf eine prognostisch ungünstige

Kompression des Harnleiters durch retroperitoneale Lymphknotenme- tastasen hin, wenn eine andere Verlegung der Harnwege mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

54 Heft 2 vom 8. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Eine Lungenaufnahme wird zum Ausschluß von Metastasen ange- fertigt.

~ Die Lymphographie vermittelt einen Eindruck von den Lymphab- flußbahnen und den Lymphknoten im Retroperitonealraum (Tabelle 4).

~ Verschlüsse der unteren Hohl- vene lassen sich durch eine Kavo- graphie aufzeigen.

~ Tumoren mit Choriongewebsan- teilen führen durch die Produktion von Choriongonadotropinan zu ei- ner positiven Schwangerschaftsre- aktion. Diese Eig.enschaft haben auch ihre Metastasen. Ein positiver Schwangerschaftstest gibt daher postoperativ Hinweise darauf, ob die Geschwulst radikal beseitigt wurde, ein Rezidiv zeigt sich durch positive Reaktion nach vorheriger Normalisierung.

~ Kann auf Grund der Inspektion, der Palpation und der weiteren Un- tersuchungen die Diagnose eines Hodentumors nicht endgültig gesi- chert oder der Verdacht nicht ent- kräftet werden, sollte die Probefrei- legung mit histologischer Sehneli- schnittuntersuchung des entnom- menen Gewebes erfolgen.

Therapie

Die Therapie der Seminome ist heute einheitlich. Es erfolgt nach der Semicastratio die inguinale, re- troperitoneale und links supraklavi- kuläre Hochvoltbestrahlung. Eine Ausräumung der retroperitonealen Lymphknoten ist beim Seminom nicht erforderlich, da die Absied- lungen strahlensensibel sind. Auch isolierte Lungenmetastasen sind der Radiotherapie gut zugänglich.

Erst bei diffuser Metastasierung in parenchymatöse Organe kommt die Chemotherapie zum Einsatz.

Beim embryonalen Karzinom und Teratom sowie Mischtumoren ohne Chorionkarzinomanteile folgt auf die Semikastration die transperito- neale Lymphadenektomie der pa- raaortalen und parailiakalen

aufnahme

f) Lymphangiographie 8 Kavographie

8

Hormondiagnostik

0

Probefreilegung und Schnellschnitt

Tabelle 5:

0

Lymphknotenmetastasen vorhanden sind,

f) die Metastasierung auf das erste Lymphknotengebiet beschränkt ist,

8

eine retroperitoneale Me- tastasierung in die iliakalen oder inguinalen Lymphkno- ten erfolgt ist und

8

Lymphknotenmetastasen auf der Gegenseite vorliegen.

~ Symptomatik: Harte Hodengeschwülste, nicht schmerzhaft. Bei Metastasenbildung eventuell Kreuzschmerzen und vergrößerter supraklavikulärer Lymphknoten links.

~ Diagnostik: Palpation, Diaphainoskopie, Urogramm, Thoraxauf- nahme, Lymphogramm, eventuell Kavographie, Freilegung mit eventueller Schnellschnittuntersuchung.

~ Therapie: Semikastration mit nachfolgender histologischer Un- tersuchung.

Folg_etherapie

I

Seminome

I

Teratokarzinom und

Embryonalkarzinome Chorionkarzinome

---

ZytoLI;ka

Bestrahlung Lymphadlnektomie Bei Lymphknotenbefall

I

Bestrahlung und Zytostatika

Lymphknoten nach vorausgegan- gener Lymphangiographie. Kann bei der histologischen Untersu- chung der Lymphknoten ein meta- statischer Befall ausgeschlossen werden, wird der Patient regelmä- ßig kontrolliert und erst bei Anzei- chen von Metastasen die Zytostati- katherapie begonnen. Eine retrope- ritoneale Bestrahlung zusätzlich zur Lymphadenektomie ergibt in diesen Fällen keine besseren Er- gebnisse als die alleinige Lymph- adenektomie.

Bei Nachweis von retroperitonea- len Metastasen kann eine zytostati- sche Therapie eingeleitet werden.

Zusätzlich ist eine kleinfeldrige Be- strahlung der histologisch positi- ven Lymphknotenregion indiziert.

Eine ausgedehnte retroperitoneale Bestrahlung sollte vermieden wer- den, da sich etwa 40 Prozent des Knochenmarks im Strahlenfeld be- findet und die radiogene Suppres- sion eine Dosisreduktion der not- wendigen Zytostatikatherapie er- forderlich machen kann.

Eine Ausräumung der retroperito- nealen Lymphknoten erübrigt sich beim Chorionzellkarzinom wegen seiner hämatogenen Metastasie- rung.

Bei Chorionkarzinomen und Mischtumoren mit eherealen Antei- len, die wegen der frühzeitigen hä- matogenen Metastasierung eine schlechte Prognose haben, sollte nach der Semikastration primär die Chemotherapie einsetzen. I>

DEUTSCHES ARZTEBLA'IT Heft 2 vom 8.Januar 1976 55

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Chemotherapie

In der Chemotherapie der Hoden- tumoren wird heute eine Kombi- nation von chemotherapeutisch wirksamen Substanzen verwendet, die auf Grund ihrer unterschiedli- chen Struktur einen differenten An- griffspunkt im Zellstoffwechsel ha- ben und somit die verschiedenen Phasen des Zellzyklus unterschied- lich beeinflussen, wodurch der the- rapeutische Index durch Steige- rung der Absterberate von Tumor- zellen erhöht und die Resistenzent- wicklung verzögert werden. Durch die unterschiedliche Toxizität der einzelnen Verbindungen kann ihre volle Dosis teilweise addiert wer- den. Zur Behandlung von Terato- men werden heute in der Reihen- folge ihrer Wirksamkeit zytostati- sche Antibiotika, Vinca-Alkaloide und Antimetaboliten verwandt.

Alkylierende Zytostatika sind ge- gen Teratome weniger wirksam, nehmen aber in der Behandlung der Seminome eine führende Stel- lung ein.

Folgende Kombinationen haben sich bewährt:

• Bei Teratomen: Actinomycin D, Vinblastin (oder Vincristin), Arne- thopterin, weniger Cyclophospha- mid.

• In der Behandlung metastasie- render Seminome wird wegen der geringen Wirksamkeit auf Actino- mycin D verzichtet.

Die Chemotherapie setzt nach heu- tigen Erkenntnissen nach voraus- gegangener Semikastration und re- troperitonealer Lymphknotenaus- räumung erst bei Vorliegen von Metastasen ein. Die Wirksamkeit beschränkt sich, abgesehen von primär resistenten Fällen (27 Pro- zent), zumeist auf temporäre Tu- morremissionen oder eine Verzöge- rung der Metastasenbildung. Die lebensverlängernde Wirkung dieser Substanzen steht daher im Vorder- grund. Die Entwicklung einer se- kundären Chemotherapieresistenz verhindert in den meisten Fällen

eine endgültige Heilung, die bei disseminierten metastasierenden Hodentumoren der Teratomklasse nach zusammenfassenden Statisti- ken höchstens fünf bis zehn Pro- zent beträgt. Für die Erreichung ei- nes Therapieerfolges ist die Durch- führung der Lymphadenektomie

und ein möglichst frühes Stadium zum Zeitpunkt der Operation eben- so wichtig wie ein möglichst früh- zeitiger Beginn der Chemothera- pie, da jenseits einer sogenann- ten kritischen Tumormasse eine er- folgreiche Behandlung nicht mehr durchführbar ist.

Die Heilungserfolge (Rezidivfreiheit über zwei Jahre) sind nach zusam- menfassenden Statistiken für meta- stasierende Seminome mit 45 Pro- zent wesentlich günstiger.

Prognose

Bei Anwendung aller therapeuti- schen Möglichkeiten ergibt sich für das Seminom die günstigste Pro- gnose. Die Fünfjahresheilung von 90 Prozent ist vor allem ein Erfolg der Strahlentherapie.

Beim Embryonalzellkarzinom wird eine Fünfjahresheilung in 40 Pro- zent erreicht, beim Teratokarzinom ist die Prognose ähnlich.

Die radikale Lymphknotenausräu- mung verbessert die Prognose auch bei Nachweis von Absiedlun- gen um 10 bis 20 Prozent. Männer mit ausgedehnter Metastasierung überleben zwei Jahre häufig nicht.

Patienten mit Chorionzellkarzino- men mit positivem Choriongonado- tropinnachweis erreichen nur aus- nahmsweise die Zweijahresgrenze.

Die meisten sterben innerhalb von Jahresfrist.

Literatur beim Verfasser Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Jürgen Sökeland Städtische Krankenanstalten 46 Dortmund 1

Westfalendamm 403-407

Diagnostik

Pseudosarkomatöse Fasziitis kann ein angiographisches Gefäßmuster aufweisen, das von dem eines Ma- lignoms kaum zu unterscheiden ist.

Auch bestimmte gutartige Tumo- ren, besonders solche des Ske- letts wie Riesenzelltumoren, aneu- rysmatische Knochenzysten, Osteo- plastome, Osteoidosteome und Morbus Paget können eine abnor- me Vaskularisation aufweisen, die einer Gefäßneubildung bei malignen Tumoren täuschend ähnelt. Als ma- lignitätsspezifisch einzig entschei- dendes arteriographisches Krite- rium gelten tumoreigene, neuge- bildete Gefäße, die letzten Endes auch für die Tumoranfärbung so- wie für arteriovenöse Kurzschlüsse verantwortlich sind. Es sind Gefäße mit mehr oder weniger winkligem, jedenfalls unregelmäßigem, unbe- rechenbarem Verlauf und starken Kaliberschwankungen oder ver- knäuelte und gewundene, manch- mal korkenzieherartig geformte Gefäße in völlig regelloser Anord- nung und Morphologie. he (Schmoller, Hj.: Münch. med.

Wschr. 117 [1975] 985-990)

Fibro-Myo-Adenome der paraure- thralen Drüsen entwickeln 80 Pro- zent aller Männer zwischen 60 und 70 Jahren. Die Gewebsneubildun- gen mit überwiegend adenomatö- sem Anteil verdrängen das eigentli- che Prostatagewebe, bis es kapsel- förmig das Adenom umgibt. Bei 30 bis 40 Prozent der Patienten führt das Adenom zu Miktionsbeschwer- den. Die Größe des Adenoms ist dabei nicht immer ausschlagge- bend; ohne besonderen Befund kann totale Harnverhaltung eintre- ten. Konservative Therapie ändert nichts an der pathologischen Gewebsneubildung; Frühoperation befreit hingegen den Patienten noch vor einer möglichen Nieren- schädigung von seinem Leiden.

Bei kleinem bis mittelgroßem Pro- stataadenom zeigt sich die trans- urethrale Elektroresektion anderen Operationsverfahren überlegen. he (Hertel, E.: Münch. med. Wschr.

117 [1975] 813-816)

56 Heft 2 vom 8. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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