A 720 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 13|
1. April 2011W
as auch immer noch an furchtbaren Nachrichten aus Japan auf uns zukommt, eines ist heute schon sicher: Die Kern - energie ist bei weitem nicht so beherrschbar wie willfährige oder wohlfeile Adressen uns glauben machen wollen, genauer wollten.Das vielzitierte Restrisiko ist eben doch gewaltig größer, als es das verharmlosende Wörtchen „Rest“
signalisiert, und wenn es heute dar - auf ankommt, in welche Richtung der Wind gen oder gegen Tokio weht, um Verderben zu bringen
oder eben nicht, dann zeigt sich auch hier die Hybris der Verant- wortlichen. Diese Herren ließen auch noch in ihrer beispiellosen Arroganz zu, dass in Fukushima und möglicherweise auch andern- orts schlampig mit nötigen Kon- trollen umgegangen wurde.
Japan zeigt uns eben dramatisch auf, dass nichts unmöglich ist, dass die Natur nicht beherrschbar ist, aber eben menschliches Versagen genauso wenig ausgeschlossen wer- den kann. Und wenn hierzulande als Restrisiko angesehen wird, dass ein Flugzeug mit einer Wahrschein- lichkeit von Nullkommairgendwas auf ein Atomkraftwerk fallen wird und dieses deswegen nicht genü- gend gegen einen Absturz gefeit ist, dann handeln die Verantwortlichen in ihrer grenzenlosen Technikgläu- bigkeit und Nichteintrittsfantasie einfach nur schamlos. Die Toyota- werbung „nichts ist unmöglich“ hat sich in erschreckender Weise be- wahrheitet.
Die frivole Haltung, es werde schon alles gutgehen, hat uns an einer anderen Stelle, nämlich in der Finanzwelt, drastisch vor Augen
geführt, dass Undenkbares eben überall eintreten kann. Auch dort hat in einer Art Finanz-GAU seit 2007 eine Kettenreaktion statt - gefunden, die uns alle nah an den Abgrund gebracht hat. Am Anfang stand das Suprime-Desaster, die hemmungslose Verbriefung und Weiterverpackung von (nichtwert- haltigen) Krediten, und am Ende die Beinahekernschmelze des Ban- kensystems mit dem Bankrott von Lehman Brothers.
Die Parallelen sind verblüffend.
Die Gier nach Rendite, der Glaube an die Macht von Computerpro- grammen, das Fehlen von Kontrollen und am Ende die garstige Quittung für Hunderttausende Opfer. Wirk- lich bizarr ist in dem Zusammen- hang, dass in der Europäischen Union derzeit sowohl Atomkraft- werke als auch Banken „Stress- tests“ unterzogen werden. Prägnanter lässt sich der innere Zusammen- hang nicht beschreiben.
Die Staatsschuldenkrise, der Euro-Rettungsschirm, die überbor- dende Inflation – was kommt noch alles auf uns zu? Die Hybris beglei- tet uns, wo immer wir sind. ■ Börsebius-Telefonberatung „rund ums Geld“
Wie an jedem 1. Samstag des Monats, können Sie auch am 2. April 2011 in der Zeit von 9 bis 13 Uhr Börsebius (Diplom-Ökonom Reinhold Rombach) anrufen (0221 985480-20). Die kostenlose Telefonberatung ist ein spezieller Service des Deutschen Ärzteblattes für seine Leser.
BÖRSEBIUS