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Gewalt in den Medien

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Academic year: 2022

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(1)

Burkert Nathalie

Gewalt in den Medien

Eine Analyse der Berichterstattung über

„Häusliche Gewalt“ und „Gewalt im öffentlichen Raum“

in verschiedenen Printmedien

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts

im Rahmen des Universitätslehrganges Medienlehrgang

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger

Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE

Graz, September 2015

(2)

Burkert Nathalie

Violence reports in the media

An analyses of reports about

„domestic violence“ and „brawl”

in different printed media

Master thesis

for the academic degree of a Master of Arts at the university program

Media studies

Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger

Karl-Franzens-Universität Graz and UNI for LIFE

Graz, September 2015

(3)

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbe- hörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

07. September 2015

(4)

Danksagung

Mit Hochachtung und Respekt danke ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger für die freundli- che und hilfreiche Betreuung dieser Masterarbeit ohne dessen Unterstützung die Arbeit nicht entstanden wäre.

Des Weiteren möchte ich mich bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Stefan Karner für seinen Einsatz um den Medienlehrgang bedanken, ohne den der Abschluss dieses Masterstudiums nicht möglich gewesen wäre.

Ich danke allen Lehrenden des Medienlehrganges, die meine Medienkenntnisse durch Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen bereichert haben.

Weiteres möchte ich mich bei all meinen FreundInnen bedanken, die mich in meinem Leben bisher begleitet und unterstützt haben.

Ganz besonders möchte ich mich in Liebe und von ganzem Herzen bei meinen Eltern für de- ren Liebe und Unterstützung in meinem Leben bedanken.

Ich danke meinen Schwestern, Nicole, Renée und Désirée dafür, dass ihr so seid, wie ihr seid und mich so sein lasst, wie ich bin. Ihr seid ganz Besonders.

Ich danke meinem über alles geliebten Hund Fluffy, für seine endlose treue Liebe. In Liebe bedanke ich mich bei meinem Mann Albert für seine unendliche Liebe und Unterstützung, dafür, dass er mich liebt, wie ich bin. In ewiger Liebe danke ich auch meinen Sohn Frederick, dafür, dass er mich wachsen lässt und mir zeigt, wie wertvoll jeder Tag ist. Ich liebe Euch unendlich.

(5)

In Liebe meinem Mann Albert gewidmet

(6)

Zusammenfassung

Gewalt ist ein weitreichendes gesellschaftliches Problem. In den Medien wird meist nur über konkrete, unmittelbare Gewaltdelikte mit oftmals tödlichem Ausgang berichtet. Ursachen werden selten behandelt und Lösungsmöglichkeiten und Gewaltfolgen nur reduziert darge- stellt. Daher war das Ziel der vorliegenden Masterarbeit über einen Zeitraum von sechs Wo- chen eine quantitative Inhaltsanalyse aller Berichte über zwischenmenschliche Gewalt in drei Tageszeitungen (Kronen Zeitung, Kleine Zeitung, Standard) durchzuführen.

Die Daten wurden im Hinblick auf Unterschiede zwischen den Printmedien sowie zwischen häuslicher und öffentlicher Gewalt ausgewertet. Zusätzlich wurde die Berichterstattung über die Amokfahrt durch Graz analysiert.

Insgesamt sind 602 Berichte über 232 verschiedene Gewaltdelikte erschienen. Die Kronen Zeitung und die Kleine Zeitung veröffentlichten mehr Gewaltberichte als der Standard. In der Kleinen Zeitung erschienen mehr Berichte über lokale Gewaltverbrechen und es wurde die Tatwaffe häufiger genannt.

Die Anzahl der Artikel über die Amokfahrt war in der Kleinen Zeitung höher als in der Kro- nen Zeitung und dem Standard. Die Kronen Zeitung und die Kleine Zeitung hatten häufiger eine Schlagzeile über die Amokfahrt auf der Titelseite, berichteten allerdings seltener über die Hintergründe der Tat und weniger oft über mögliche Reformen bei Wegweisungen als der Standard.

Im Fall von häuslicher Gewalt war der Täter öfter ein Mann und das Opfer eher eine Frau als bei öffentlichen Gewalttaten. Bei häuslicher Gewalt wurde ein Streit häufiger als Tatmotiv genannt als bei öffentlicher Gewalt. Bei öffentlicher Gewalt dagegen war die Ursache öfter ein sonstiges Tatmotiv.

Die Ergebnisse zeigten, dass meist nur über physische und schwere Gewaltdelikte berichtet wird. In Zukunft wären auch Artikel über psychische Gewalt und über gelungene Konfliktlö- sungen wünschenswert.

(7)

Violence is a dominant public health issue. Most of the time the media only covers specific, instant violent acts which often have a fatal outcome. They hardly ever address the causes, solutions or consequences of violence. Therefore, the aim of this master thesis was to conduct quantitative content analyses over a time period of six weeks of interpersonal violence articles in three different newspapers (Kronen Zeitung, Kleine Zeitung, Standard).

Data was analyzed concerning differences between the three newspapers as well as between domestic violence and brawl. Additionally, the violence reports about the mad drive through Graz were analyzed.

Overall, 602 articles about 232 different violent acts were published. More articles about vio- lence were printed in the Kronen Zeitung and Kleine Zeitung compared to the Standard. Addi- tionally, more articles about local violence were written in the Kleine Zeitung and the weapon was publicized more often there.

The Kleine Zeitung wrote more articles about the mad drive through Graz than the Kronen Zeitung and Standard. The Kronen Zeitung and Kleine Zeitung published a headline on the first page more often compared to the Standard, but wrote about background of the act and about potential reformations concerning expelling less often.

In case of domestic violence the offender was more often male and the victim more often fe- male compared to brawl. Disagreements were more often the reasons for domestic violence compared to brawl. In contrast, in case of brawl the cause of the violence was often miscella- neous.

The results showed that newspapers often report only physical and fatal violent crimes. In the future, they should also consider reporting about psychological violence as well as articles about conflict resolving.

(8)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ...1

2 Theoretischer Hintergrund ...6

2.1 Gewalt allgemein ...6

2.1.1 Definition von Gewalt ...7

2.2 Häusliche Gewalt ... 10

2.3 Gewalt im öffentlichen Raum... 13

2.4 Mediale Berichterstattung über Gewalt ... 15

2.4.1 Internationale Studienergebnisse über die mediale Berichterstattung über Gewaltdelikte ... 16

2.4.2 Studienergebnisse in Bezug auf die mediale Berichterstattung über Gewaltdelikte in Österreich ... 19

2.4.3 Amokfahrt durch Graz am 20. Juni 2015 ... 21

2.4.4 Wirkung medialer Gewaltdarstellungen ... 23

2.5 Ziele und Forschungsfragen ... 24

3 Methode ... 26

3.1 Erhebungsmethode, Ein- und Ausschlusskriterien ... 26

3.2 Untersuchungsablauf und Datenerfassung ... 27

3.2.1 Datenverarbeitung ... 29

3.3 Auswertungen und statistische Analysen ... 30

4 Ergebnisse... 37

4.1 Analyse der medialen Berichterstattung über Gewaltdelikte ... 37

4.1.1 Analyse bezüglich Unterschieden in der Berichterstattung über Gewaltdelikte zwischen den drei Printmedien ... 41

4.1.1.1 Anzahl der Berichte über Gewalt ... 41

4.1.1.2 Anzahl der Berichte, die über die verschiedenen Gewaltarten berichteten ... 42

4.1.1.3 Berichterstattung über lokale vs. globale Gewaltdelikte ... 44

4.1.1.4 TäterInnen-/Opferbeschreibung ... 46

4.1.1.5 Angabe von Verletzungsmustern ... 48

(9)

4.1.1.6 Veröffentlichung des Tatmotivs... 49

4.1.1.7 Nennung der Tatwaffe ... 50

4.1.1.8 Anführung der Gewaltfolgen ... 51

4.1.2 Analyse bezüglich Unterschieden in der Berichterstattung über die Amokfahrt durch Graz zwischen den drei Printmedien ... 52

4.1.2.1 Angaben über die Verletzungen der Opfer und die Route der Amokfahrt ... 54

4.1.2.2 Angaben über Hintergründe... 56

4.1.2.3 Angaben über das weitere Vorgehen... 57

4.1.2.4 Anzahl der Berichte, die Aussagen von Augenzeugen enthielten ... 58

4.1.2.5 Anzahl der Berichte, die Aussagen von PolitikerInnen enthielten ... 59

4.1.2.6 Anzahl der Berichte, die sich auf die Absage/Verschiebung von Veranstaltungen bezogen ... 60

4.1.2.7 Anzahl der Berichte, die sich mit Reaktionen von offizieller Seite auf die Amokfahrt beschäftigten... 61

4.1.2.8 Anzahl der Berichte, die auf Hilfsangebote hinwiesen ... 62

4.1.2.9 Anzahl der Berichte, die Informationen über das Kondolenzbuch enthielten ... 63

4.1.2.10 Anzahl der Berichte, die sich mit potentiellen Reformen der Gesetzeslage hinsichtlich Wegweisungen beschäftigten ... 64

4.1.2.11 Anzahl der Berichte, die Spendenaufrufe enthielten ... 65

4.1.2.12 Anzahl der Berichte, die sonstige Informationen über die Amokfahrt enthielten ... 66

4.2 Analyse der Gewaltdelikte ... 67

4.2.1 Häusliche Gewalt ... 68

4.2.1.1 Informationen über die TäterInnen und Opfer der Gewalttaten ... 68

4.2.1.2 Informationen über die Verletzungen der Opfer ... 70

4.2.1.3 Informationen über die Gewalttat ... 72

4.2.1.4 Informationen über die Tatwaffe ... 73

4.2.1.5 Informationen über das Tatmotiv ... 74

4.2.1.6 Informationen über die Gewaltfolgen ... 75

(10)

4.2.2 Öffentliche Gewalt... 76

4.2.2.1 Informationen über die TäterInnen und Opfer der Gewalttaten ... 76

4.2.2.2 Informationen über die Verletzungen der Opfer ... 78

4.2.2.3 Informationen über die Gewalttat ... 80

4.2.2.4 Informationen über die Tatwaffe ... 81

4.2.2.5 Informationen über das Tatmotiv ... 82

4.2.2.6 Informationen über die Gewaltfolgen ... 83

4.2.3 Analyse von Unterschieden zwischen häuslichen und öffentlichen Gewalttaten ... 84

4.2.3.1 Geschlecht und Alter von Opfer und TäterIn ... 85

4.2.3.2 Gewalttat, Tatwaffe, Tatmotiv und Gewaltfolgen ... 86

5 Diskussion ... 90

5.1 Mediale Berichterstattung über Gewaltdelikte ... 90

5.2 Mediale Berichterstattung über die Amokfahrt durch Graz ... 95

5.3 Analyse der Gewaltdelikte ... 98

5.3.1 Häusliche Gewalt ... 99

5.3.2 Öffentliche Gewalt... 101

5.3.3 Unterschiede zwischen häuslicher und öffentlicher Gewalt ... 103

5.4 Einschränkungen und Limitationen ... 106

5.5 Conclusio ... 108

Literaturverzeichnis... 110

Abkürzungsverzeichnis ... 113

Abbildungsverzeichnis ... 114

(11)

1 Einleitung

“Ganz Österreich steht unter Schock” 1

„Ein Stich ins Herz der Stadt“ 2

„Mutter tötete 5-jährigen Sohn“ 3

Diese drei Schlagzeilen sind nur einige wenige von jenen, die im Analysezeitraum der vor- liegenden Masterarbeit auf der Titelseite von Printmedien (Tageszeitungen) die Berichter- stattung über furchtbare Gewaltverbrechen ankündigten. Tagtäglich waren zahlreiche Arti- kel über häusliche und öffentliche Gewaltdelikte in den Zeitungen abgedruckt. Bereits im Jahr 1996 hat die Weltgesundheitsorganisation Gewalt als ein wesentliches und wachsen- des Public Health Thema deklariert. 4 Die Anwendung von Gewalt stellt auf Seiten der TäterInnen oftmals keinen Einzelfall dar, sondern Gewalthandlungen werden zumeist mehr als nur einmal ausgeübt und auch die Gewalthandlungen steigern sich dabei hinsichtlich ihrer Intensität mit der Zeit. 5 Während in den USA bereits fast ein Drittel der US-Bürger eine Schusswaffe besitzt (rund 300 Millionen Schusswaffen) und jährlich rund 33.600 Menschen erschossen sowie circa 84.000 mit einem Gewehr oder einer Pistole verletzt werden, besitzen in Österreich immerhin rund 240.700 Personen eine Schusswaffe.6

Insgesamt haben die Medien einen bedeutenden Einfluss auf die Wahrnehmung von Ge- waltverbrechen in unserer Gesellschaft. Je häufiger man in Zeitungen, im Radio oder Fern- sehen mit Gewalttaten konfrontiert ist, desto eher sind die Menschen der Überzeugung,

1 Vgl. Ganz Österreich unter Schock, S.1.

2 Vgl. Ein Stich ins Herz der Stadt, S. 1.

3 Vgl. Mutter tötet 5-jährigen Sohn, S. 1.

4 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. XIX.

5 Vgl. Opferhilfstelle Liechtenstein, Häusliche Gewalt, S. 1.

6 Vgl. Schon jeder dritte Amerikaner, S. 13.

(12)

Einleitung dass man in einer gefährlichen Umgebung lebt. 7 Die Häufigkeit der medialen Berichter- stattung über Gewaltverbrechen, beeinflusst außerdem auch die politischen Reaktionen bezüglich der Auflagen für GewalttäterInnen in der Hinsicht, dass Reformen in die Wege geleitet werden. Das hat sich beispielsweise als Reaktion auf die Amokfahrt in Graz ge- zeigt. Als Konsequenz fand man zahlreiche Berichte, die darüber diskutierten, wie man TäterInnen von häuslicher Gewalt in Zukunft bei Wegweisungen besser betreuen könnte. 8

9

Warum aber sind Menschen gewalttätig? „Amokläufe kommen nicht aus heiterem Him- mel. Sie sind immer Endpunkt einer Krise”, kommentierte der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann in der Zeitung die „Zeit“. 10 Bisherige Studien haben gezeigt, dass beispielswei- se traumatische Erlebnisse in der Kindheit, sexueller Missbrauch, aber auch tiefe Kränkun- gen und unerfüllte Sehnsüchte nach Liebe zu einer gestörten Selbstkontrolle, fehlender Empathie und der Unfähigkeit moralische Grundsätze zu akzeptieren, beitragen. Wenn eine zu hohe Spannung in einem Menschen vorliegt, dient die Gewalt dann dem Aggressi- onsabbau um weniger Druck zu empfinden. 11 „Nach dem gezielten Schlag der Explosion ist alles anders. Nun weicht der Zorn der Tobsucht, die alles niedermäht, was sich ihr zu- fällig in den Weg stellt und erst endet, wenn die Energie des Sturmlaufs erschöpft ist und der Mörder die Ohnmacht seiner Opfer ausgekostet hat“ beschreibt der Gewaltforscher Wolfgang Sofsky in der „Zeit“ das unmittelbare Empfinden der TäterInnen nach einer Ge- walttat. 12

Insgesamt haben die Ergebnisse von Untersuchungen gezeigt, dass jede vierte Frau in Ös- terreich schon einmal häusliche Gewalt erlebt hat 13 und auch Opfer öffentlicher Gewaltde- likte tagtäglich aufgrund ihrer Verletzungen in Notaufnahmen medizinisch versorgt wer- den. 14 Im Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen wurden Maß-

7 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 353.

8 Vgl. Berger, Täterarbeit ist Opferschutz, S. 9.

9 Vgl. Männernotruf als Anlaufstelle, S. 12.

10 Vgl. Höfler, Warum ist der Mensch böse? S. 2–3.

11 Vgl. Höfler, Warum ist der Mensch böse? S. 2–3.

12 Vgl. Höfler, Warum ist der Mensch böse? S. 2–3.

13 Vgl. Neue Kooperation: Täterarbeit, S. 10.

14 Vgl. Burkert u.a., Female and male victims of violence, S. 134.

(13)

nahmen festgesetzt um die Zahl der Betroffenen zukünftig zu verringern. So soll mit An- fang Juli 2015 eine Kooperation verschiedener Vereine in Kraft treten. Damit will man erreichen, dass in Zukunft die gewalttätigen Männer im Zuge einer Strafverfahrens nicht nur Bewährungshilfe sondern auch die Weisung zu einem Anti-Gewalt-Training erhalten.

15 Im Zuge dessen ist es jedoch notwendig, dass von Seiten der Justiz eine Zuweisung der Betroffenen erfolgt, damit eine verbesserte Betreuung Aller erreicht werden kann.

Die meisten Untersuchungen, die sich mit der Berichterstattung über Gewalt in den Me- dien auseinandergesetzt haben, haben sich mit Fernsehausstrahlungen beschäftigt. Eine Analyse der Fernsehnachrichten zeigte, dass der Anteil der Gewaltberichterstattung insge- samt im Lauf der Zeit angestiegen ist 16 und dass in den Medien ein „falsches Bild“ von der Häufigkeit von Gewaltdelikten vermittelt wird. Zumeist wird über schwere Gewalttaten wesentlich häufiger berichtet als über kleine Delikte wie beispielsweise Diebstähle. 17 Hin- sichtlich der Gewaltberichterstattung von Printmedien findet man nur eine überschaubare Anzahl an Untersuchungen. 18 Die Medienberichterstattung über Gewaltdelikte in Öster- reich zeichnete sich bislang dabei folgendermaßen aus: Zumeist wird über ein- und diesel- be Tat nur einmalig berichtet 19 und meistens werden nur Artikel über konkrete Fälle mit oftmals tödlichem Ausgang gedruckt. 20 Das Tatmotiv wird selten und auch nicht konkret behandelt und die Gewaltfolgen werden nur reduziert dargestellt. 21

Da die letzten Untersuchungen bezüglich der Medienberichterstattung über Gewaltdelikte bereits Jahre zurückliegen, wurde im Zuge der vorliegenden Masterarbeit eine Untersu- chung durchgeführt, die mittels quantitativer Inhaltsanalyse alle Berichte über Gewaltde- likte in drei Tageszeitungen (Kronen Zeitung, Kleine Zeitung und Standard) über einen Zeitraum von sechs Wochen analysiert hat. Dabei wurden im ersten Teil der Masterarbeit alle Gewaltberichte im Hinblick auf Unterschiede zwischen den drei Tageszeitungen in der

15 Vgl. Neue Kooperation: Täterarbeit, S. 10.

16 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 345–346.

17 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 347–348.

18 Vgl. Reuband, Kriminalität in den Medien, S. 131.

19 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 530.

20 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 538.

21 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 538.

(14)

Einleitung Anzahl der Berichte insgesamt, den TäterInnen- und Opferbeschreibungen, der Häufigkeit, mit der Verletzungen der Opfer, die Gewalttat, die Tatwaffe, das Tatmotiv und die Gewalt- folgen thematisiert wurden, ausgewertet. Da die Amokfahrt durch Graz am 20. Juni 2015 im Analysezeitraum lag und das Medienecho darauf enorm war, wurde die mediale Be- richterstattung über dieses Gewaltverbrechen gesondert hinsichtlich verschiedener inhaltli- cher Aspekte analysiert. Im zweiten Teil der Masterarbeit erfolgte eine Analyse der Ge- walttaten getrennt für häusliche und öffentliche Gewaltdelikte. Dabei wurden die soziode- mographischen Merkmale der TäterInnen und Opfer, die Verletzungen der Opfer, die Ge- walttaten, die Tatwaffe, das Tatmotiv und die Gewaltfolgen deskriptiv ausgewertet. Zu- sätzlich wurden Unterschiede zwischen den beiden Gewaltarten analysiert.

Im Analysezeitraum wurde in den drei Printmedien auch über Gedenkfeiern bezogen auf vergangene Gewalttaten informiert. Beispielsweise wurden Artikel über das Massaker von Srebenica vor 20 Jahren, bei dem 8331 bosniakische Männer getötet wurden 22 abgedruckt, den Terroranschlag in London vor zehn Jahren, bei dem 52 Menschen getötet wurden 23 oder auch ein Bericht über die elf Opfer, die beim französischen Magazins Charlie Hebdo beschäftigt waren und Anfang 2015 von Terroristen ermordet wurden 24. Aufgrund dessen, dass die Zahl der Gewaltberichte, die täglich in Printmedien gedruckt wird, enorm ist, wurden die Einschlusskriterien für die Artikel so definiert, dass sämtliche zwischen- menschliche Gewalttaten, die entweder häusliche Gewalthandlungen oder öffentliche Ge- waltdelikte umfassten, eingeschlossen wurden. Die Gewaltanwendung erfolgte von Seiten der TäterInnen absichtlich und führte (mit hoher Wahrscheinlichkeit) zu einer physischen Verletzung des/der Opfer. In die Analysen wurden jedoch keine Terroranschläge oder Be- richte über Kriege oder Kriegsverbrechen eingeschlossen und dadurch wurden auch die oben drei genannten Berichte 22 23 24 nicht mit analysiert.

22 Vgl. Wölfl, Erinnern an die mit dem „falschen Namen“, S. 3

23 Vgl. Stilles Gedenken an die Opfer, S. 7.

24 Vgl. Brändle, „Charlies“ neues Leben, S. 4–5.

(15)

Die Konfrontation mit Gewalt erschüttert und die Häufigkeit von Gewalthandlungen in unserer heutigen Zeit ist immens. Der Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl drückte bei der Gedenkveranstaltung am 28.06.2015 anlässlich der Amokfahrt durch Graz das Erleben von Gewalt sehr treffend aus:

„In den Augen des Täters habe ich, glaube ich, ein Stück der Hölle gesehen, in den Augen der Hunderten Helfer konnte ich erahnen, was wir mit Himmel meinen. Wenn das Ganze

irgendeinen Sinn gehabt haben soll, dann den, dass wir um unsere gesellschaftliche Ver- letzlichkeit wissen, aber auch um unsere gesellschaftliche Stärke des Zusammenhalts“. 25

Die vorliegende Masterarbeit soll einen Überblick über den Stellenwert von Gewalt in un- serer Gesellschaft anhand der Medienberichterstattung darüber liefern. Die daraus gewon- nenen Erkenntnisse sollen aufzeigen, wie Gewalttaten den RezipientInnen in Österreich in drei verschiedenen Tageszeitungen vermittelt werden.

25 Vgl. Richter & Schwaiger, Wir werden die Narben spüren, S. 8–9.

(16)

Theoretischer Hintergrund

2 Theoretischer Hintergrund

Im folgenden Kapitel wird der Stand der Forschung zum Thema Gewalt und speziell im Hinblick auf zwischenmenschliche Gewalt und die Medienberichterstattung über dieses Thema erfolgen. Auf Basis des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wurden die wissen- schaftlichen Forschungsfragen, die im Zuge der vorliegenden Masterarbeit untersucht wur- den, abgeleitet. Diese sind am Ende des Kapitels dargestellt.

2.1 Gewalt allgemein

Aufgrund von Gewalttaten sterben jedes Jahr mehr als eine Million Menschen und weit mehr Menschen erleiden Verletzungen, die durch zwischenmenschliche oder kollektive Gewalt entstehen. Weltweit haben Untersuchungen gezeigt, dass Gewalt in der Altersgrup- pe der 5- bis 44-jährigen überall auf der Welt zur Haupttodesursache zählt. 26

Gewalt ist dabei das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels mehrerer Faktoren, zu denen beispielsweise individuelle, soziale, kulturelle oder Umgebungsfaktoren zählen. 27 In Europa sterben jährlich rund 257.000 Menschen aufgrund von Gewalttaten. 73.000 Men- schen davon sterben durch zwischenmenschliche Gewalttaten wie häusliche oder öffentli- che Gewaltdelikte. 28 Dabei betrifft Gewalt alle Menschen unabhängig von deren sozialen Hintergrund. 293031 Gewalt stellt damit ein weit reichendes gesellschaftliches Problem dar, das mit zahlreichen gesundheitlichen, aber auch wirtschaftlichen Folgen verbunden ist. 32

26 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 3.

27 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 12.

28 Vgl. Brzank u.a., Gesundheitliche Folgen von Gewalt, S. 828.

29 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 135.

30 Vgl. Krug u.a, World report on violence, S. 89.

31 Vgl. Pinn & Chunko, Faces of violence, S. 65.

32 Vgl. Brzank & Blättner, Screening nach Gewalt, S. 221.

(17)

Um in Zukunft die Häufigkeit von Gewalttaten zu senken und Opfer zu schützen müssen Gewaltopfer bei der Erstversorgung rechtzeitig erkannt werden. 33

2.1.1 Definition von Gewalt

Bislang liegt keine allgemein, weltweit gültige Definition von Gewalt vor, da Vorstellun- gen über Gewalt von gängigen gesellschaftlichen Normen abhängig sind, die einem ständi- gen Wandel unterliegen und zudem kulturell geprägt sind. 34 In der Literatur findet man viele unterschiedliche Definitionen und Einteilungen für Gewalt. So kann man beispiels- weise personelle vs. strukturelle, physische vs. psychische, legitime vs. illegitime, indivi- duelle vs. kollektive, expressive vs. instrumentelle, intentionale vs. nicht-intentionale und manifeste vs. latente Gewalt unterscheiden. 35 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Gewalt definiert als:

„Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichen Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Ge- meinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“ 36

Laut dieser Definition umfasst Gewalt zwischenmenschliche Gewalt, suizidales Verhalten und bewaffnete Auseinandersetzungen, schließt aber auch Drohungen und Einschüchte- rungen mit ein. Bei den Gewaltfolgen werden laut der Definition der WHO nicht nur Ver- letzung und Tod, sondern auch weniger offensichtliche Folgen wie psychische Schäden, Deprivation und Fehlentwicklung, die das Wohlergehen der Menschen gefährden, berück- sichtigt. 37

33 Vgl. Brzank & Blättner, Screening nach Gewalt, S. 221.

34 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 6.

35 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 590.

36 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 6.

37 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 6.

(18)

Theoretischer Hintergrund Gewalt wird laut der WHO in drei grundlegende Kategorien gegliedert:

1. gegen sich selbst gerichtete Gewalt (zum Beispiel suizidales Verhalten und Selbst- misshandlung),

2. zwischenmenschliche Gewalt [zwischen zwei Personen innerhalb einer Familie (häusliche Gewalt) oder in der Gemeinschaft (zum Beispiel Gewalt im institutionel- len Umfeld, wie am Arbeitsplatz oder in Schulen)],

3. kollektive Gewalt [instrumentalisierte Gewaltanwendung gegen eine Gruppe oder mehrere Personen (zum Beispiel bewaffnete Auseinandersetzung, Völkermord, or- ganisiertes Gewaltverbrechen)]. 38

Jede dieser Kategorien kann dabei mit physischen, psychologischen, sexuellen Folgen, aber auch Deprivation und Vernachlässigung verbunden sein 39 (Abbildung 1) 40. Eine wei- tere Untergliederung von Gewalt ist jene in ein- vs. gegenseitige Gewaltanwendung. 41 Studien zufolge wird in bis zur Hälfte der Fälle Gewalt gegenseitig angewandt und führt dabei häufiger zu Verletzungen als bei einseitiger Gewalt. 42 In den Medien wird Gewalt zumeist mit der beabsichtigten, physischen und/oder psychischen Schädigung von Perso- nen oder Gruppen von Personen, aber auch anderen Lebewesen und Sachen assoziiert. 4344

38 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 7.

39 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 7.

40 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 8.

41 Vgl. Whitaker u.a., Frequency of violence and injury, S. 941.

42 Vgl. Whitaker u.a., Frequency of violence and injury, S. 944.

43 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 591.

44 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 23.

(19)

Abbildung 1: Unterteilung in verschiedene Gewaltarten (Quelle: Krug, World report on violence, S. 8)

In der Literatur werden drei unterschiedliche Ursachen, die zur Anwendung von Gewalt führen, genannt:

(1) ein in der Natur des Menschen innewohnender Trieb nach Gewaltanwendung, (2) Frustration durch situative oder emotionale Auslöser und

(3) Lernprozesse. 45

Im Zuge dieser Masterarbeit wird die mediale Berichterstattung über zwischenmenschliche Gewalt analysiert. Daher wird in den folgenden Kapiteln der Stand der Forschung für diese Gewaltarten im Detail beschrieben.

45 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 23–24.

(20)

Theoretischer Hintergrund 2.2 Häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt findet man weltweit, unabhängig von sozialen, wirtschaftlichen, kultu- rellen oder religiösen Hintergründen. 46 47 Meist handelt es sich nicht um ein einmaliges Geschehen sondern die Gewalt nimmt an Häufigkeit und Intensität im Lauf der Zeit zu.48 Die Ergebnisse einer amerikanischen Studie zeigten, dass 86 Prozent der Frauen, die häus- liche Gewalt erfahren, dies mehr als einmal erleiden. 49 In den meisten Fällen sind Frauen die Opfer und Männer die Täter von häuslicher Gewalt. 50 Männer dagegen sind zumeist Opfer von Gewaltdelikten wie Raufhandel und werden entweder durch eine/-n Fremde/-n oder Bekannte/-n angegriffen. 51

Häusliche Gewalt wird folgendermaßen definiert:

„Häusliche Gewalt liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder einer aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychi- schen Integrität verletzt oder gefährdet wird und zwar entweder durch Ausübung oder An- drohung von Gewalt oder durch mehrmaliges Belästigen, Auflauern oder Nachstellen“. 52 Charakteristika von häuslicher Gewalt sind:

 Zwischen Opfer und Täter/-in besteht eine emotionale Beziehung.

 Die Gewaltanwendung findet zumeist in den privaten Räumlichkeiten statt.

 Oftmals wird durch die Gewaltanwendung Macht ausgedrückt. 53

Zur häuslichen Gewalt zählen all jene Verhaltensweisen, die zur psychischen, physischen oder sexuellen Schädigung der Opfer führen. 54 Des Weiteren sind oftmals auch die An-

46 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 135.

47 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

48 Vgl. Opferhilfstelle Liechtenstein, Häusliche Gewalt, S. 1.

49 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 134.

50 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

51 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

52 Vgl. Schwander, Häusliche Gewalt, S. 13.

53 Vgl. Opferhilfstelle Liechtenstein, Häusliche Gewalt, S. 1.

(21)

wendung von sozialer Gewalt, das heißt die Einschränkung von Außenkontakten zu Fami- lienmitgliedern und FreundInnen, und ökonomischer Gewalt, wie Arbeitsverbote oder Zwang zur Arbeit, mit häuslicher Gewalt verbunden. 55 Charakteristisch für häusliche Ge- walttaten sind physische Verhaltensweisen wie schlagen, schubsen, treten oder beißen, psychische Misshandlungen wie bedrohen, erniedrigen oder demütigen, und sexuelle Misshandlungen und Vergewaltigungen. 56 Die TäterInnen kontrollieren häufig ihre Opfer und bewirken dadurch, dass diese von ihren Familien und FreundInnen isoliert werden. 57

Die Lebenszeitprävalenz für häusliche Gewalt liegt laut einer englischen Studie bei circa 22 Prozent. 58 Frauen sind dabei sehr häufig Opfer von häuslicher Gewalt, die durch einen aktuellen oder früheren Lebenspartner verübt wird. 59 Häufig sind sie emotional und finan- ziell abhängig vom Täter, der ihnen Gewalt antut, was einen zentralen Einfluss darauf hat, dass die betroffenen Frauen so lange in den gewalttätigen Beziehungen bleiben. 60 Laut einer aktuellen Untersuchung sind in 70 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt Frauen die Opfer und Männer zu rund 30 Prozent betroffen. 61 Oftmals ist die Anwendung von körperlicher Gewalt von psychischen Einschüchterungen begleitet und bei rund einem Drittel der Opfer kommt es auch zu sexuellen Übergriffen. 62 Sind Frauen die Opfer von häuslicher Gewalt, stellte man fest, dass dies bei einem Durchschnittsalter von rund 31 Jahren passiert, bei Männern mit etwa 33 Jahren. 63 Während bei Frauen in 93 Prozent der Fälle ein Mann der Täter ist (davon in 54 Prozent der Fälle ein aktueller oder ehemaliger Lebenspartner), werden Männer zu 85 Prozent durch andere Männer verletzt (46 Prozent davon durch Bekannte, 29 Prozent durch andere Angehörige) und 15 Prozent durch die Lebenspartnerin. 64 Weltweite Untersuchungen, die in Ländern wie den USA, Australien,

54 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

55 Vgl. Opferhilfstelle Liechtenstein, Häusliche Gewalt, S. 2.

56 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

57 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

58 Vgl. Boyle, Incidence and prevalence of domestic violence, S. 440

59 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

60 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

61 Vgl. Gologan u.a., Medizinische und soziodemographische Aspekte häuslicher Gewalt, S. 529.

62 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

63 Vgl. Gologan u.a., Medizinische und soziodemographische Aspekte häuslicher Gewalt, S. 529

64 Vgl. Gologan u.a., Medizinische und soziodemographische Aspekte häuslicher Gewalt, S. 529.

(22)

Theoretischer Hintergrund Kanada oder Israel durchgeführt wurden, zeigten, dass zwischen 40 Prozent und 70 Pro- zent aller Morde an Frauen durch eine aktuellen oder früheren Beziehungspartner verübt werden. 65

Risikofaktoren für spätere Gewaltanwendung sind unter anderem Gewalterfahrungen in der eigenen Kindheit. 66 Untersuchungen haben gezeigt, dass gewalttätiges Verhalten, aber auch selbstverletzendes Verhalten und Suizide häufig mit Gewalterleben in der eigenen Kindheit, häuslichen Gewalterfahrungen und sexuellen Übergriffen zusammenhängen. 67 Ein weiterer schwer wiegender Risikofaktor für die Ausübung von Gewalt stellt der Alko- holkonsum dar. Ergebnisse einer Studie aus den USA zeigten, dass in fast der Hälfte der Gewaltdelikte der/die Täter/-in an einem Alkohol- oder Drogenproblem litt. 68 Auch unge- fähr ein Drittel aller Opfer von häuslicher Gewalt waren in einer Untersuchung aus Öster- reich zum Zeitpunkt der Erstversorgung in einer Notaufnahme alkoholisiert. 69 Studien, die den Zusammenhang zwischen der sozialen Schicht und der Anwendung von Gewalt unter- sucht haben, stellten insgesamt uneindeutige Ergebnisse fest. 70 Insgesamt zeigten bisheri- ge Untersuchungen, dass Risikofaktoren für Gewalt Eigenschaften und Erfahrungen der Opfer wie frühere Gewaltanwendungen, Kontroll- und Machtbedürfnis oder der Alkohol- konsum umfassten. 71

In rund einem Drittel aller häuslichen Gewaltfälle wird die Gewalt mit einem Gegenstand (wie einer Keule, Messer oder Schusswaffe) ausgeübt. 72 Ungefähr 20 Prozent aller Frauen, die in einer Notaufnahme behandelt werden und circa 29 Prozent aller Suizide von Frauen sind wahrscheinlich durch häusliche Gewalt verursacht. 73 Fast ein Drittel der Opfer muss

65 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 94.

66 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 16.

67 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 16.

68 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 134.

69 Vgl. Burkert u.a., Female and male victims of violence, S. 136.

70 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 135.

71 Vgl. Kyriacou u.a., Risk factors for injury, S. 1895.

72 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 134.

73 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 133.

(23)

sogar stationär behandelt werden. 74 Die Dunkelziffer liegt jedoch vermutlich höher. Im Jahr 2014 wurden 7567 Wegweisungen in Österreich aufgrund häuslicher Gewalt ausge- sprochen. 75

Die Ergebnisse einer Untersuchung am Grazer Landeskrankenhaus zeigten, dass 50 Pro- zent der Opfer von häuslicher Gewalt Kopfverletzungen hatte und 35 Prozent Verletzun- gen an den Extremitäten aufwiesen. 76 Eine Studie aus den USA berichtete, dass 70 Prozent der Opfer Prellungen erlitt, 39 Prozent Platzwunden, 23 Prozent gewürgt wurden und elf Prozent sogar das Bewusstsein verloren. 77 Zu den physischen Verletzungen kommen meist noch soziale Probleme, wie Isolation und mangelnde Außenkontakte sowie psychische und psychosomatische Beschwerden dazu. 78

2.3 Gewalt im öffentlichen Raum

Zum Thema „Gewalt im öffentlichen Raum“ findet man wesentlich weniger wissenschaft- liche Untersuchungen als zu Gewaltverbrechen aufgrund häuslicher Gewaltanwendung.

Nach wie vor existiert auch keine allgemein gültige Definition für Gewalt im öffentlichen Raum. Die meisten Studien, die sich mit zwischenmenschlicher Gewalt auseinandersetzen umfassen sowohl häusliche Gewaltdelikte als auch öffentliche Gewalttaten. 798081

In den meisten Fällen von Gewalt im öffentlichen Raum sind Männer die Opfer. 82 83 Das Durchschnittsalter der Opfer öffentlicher Gewaltdelikte liegt je nach Untersuchung zwi-

74 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 135.

75 Vgl. 7576 Wegweisungen, S. 9.

76 Vgl. Burkert u.a., Female and male victims of violence, S. 136.

77 Vgl. Berrios & Grady, Domestic violence, S. 134.

78 Vgl. Opferhilfstelle Liechtenstein, Häusliche Gewalt, S. 3–4.

79 Vgl. Exadaktylos u.a., Violence in Bern, S. 527.

80 Vgl. Scheyerer u.a., Gewaltbedingte Verletzungen in einem städtischen Umfeld, S. 1409.

81 Vgl. Steen & Hunskaar, Violence in an urban community, S. CR76.

82 Vgl. Clément u.a., Temporal factors in violent related injuries, S. 831.

83 Vgl. Scheyerer u.a., Gewaltbedingte Verletzungen in einem städtischen Umfeld, S. 1409.

(24)

Theoretischer Hintergrund schen 26 und 31 Jahren 848586, wobei Frauen durchschnittlich im Alter von 29 Jahren ver- letzt werden, Männer mit circa 26 Jahren. 87 Männer werden insgesamt häufiger durch öf- fentliche Gewalt verletzt als Frauen 88 und dabei öfter von einem/einer Unbekannte/-n atta- ckiert. 89

Auch für Gewalt im öffentlichen Raum stellt der Alkoholeinfluss einen zentralen Risiko- faktor dar. 90 9192 Ungefähr die Hälfte aller Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum waren in der Notaufnahme bei der Wundversorgung in einer österreichischen Studie alkoholisiert.

93 Weitere Einflussfaktoren auf die Ausübung von Gewalt sind die Tageszeit und der Wo- chentag. Generell stellt man eine Zunahme der Gewalttaten an den Wochenenden spät- nachts beziehungsweise in den frühen Morgenstunden fest. 94959697

Die meisten Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum (zwischen 82 Prozent und 96 Pro- zent) werden durch stumpfe Gewaltanwendung (wie Faustschläge, Umstoßen oder Tritte) verletzt. 98 Bei bis zu 50 Prozent aller Gewalttaten werden zusätzlich Waffen eingesetzt. 99

100 101 Die meisten Opfer von Raufhandel erleiden als Folge der Gewaltdelikte

84 Vgl. Clément u.a., Temporal factors in violent related injuries, S. 831.

85 Vgl. Exadaktylos u.a., Violence in Bern, S. 527.

86 Vgl. Scheyerer u.a., Gewaltbedingte Verletzungen in einem städtischen Umfeld, S. 1409.

87 Vgl. Clément u.a., Temporal factors in violent related injuries, S. 831.

88 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 89.

89 Vgl. Steen & Hunskaar, Violence in an urban community, S. CR76.

90 Vgl. Boström, Injury panorama and medical consequences, S. 315.

91 Vgl. Steen & Hunskaar, Violence in an urban community, S. CR77.

92 Vgl. Wright & Kariya, Assault patients attending an emergency department, S. 323.

93 Vgl. Burkert u.a., Female and male victims of violence, S. 137.

94 Vgl. Clément u.a., Temporal factors in violent related injuries, S. 831–832.

95 Vgl. Wright & Kariya, Assault patients attending an emergency department, S. 323.

96 Vgl. Steen & Hunskaar, Violence in an urban community, S. CR77.

97 Vgl. Exadaktylos u.a., Violence in Bern, S. 527.

98 Vgl. Boström, Injury panorama and medical consequences, S. 316.

99 Vgl. Exadaktylos u.a., Violence in Bern, S. 527.

100 Vgl. Steen & Hunskaar, Violence in an urban community, S. CR77.

101 Vgl. Wright & Kariya, Assault patients attending an emergency department, S. 324.

(25)

Kopfverletzungen (69 Prozent). 102 19 Prozent der Opfer erleiden Verletzungen an den Extremitäten 103, die eventuell auch Abwehrverletzungen sein könnten.

2.4 Mediale Berichterstattung über Gewalt

Medien spielen bezüglich der Vermittlung von Informationen und Wissen über aktuelle Geschehnisse eine zentrale Rolle in unserem Leben. Gemäß dem Landesrundfunkgesetz ist eine der Hauptaufgaben der Nachrichtensendungen im Fernsehen dem Publikum objektive Informationen zu übermitteln, die eine unabhängige Meinungsbildung und die Teilnahme am politischen Leben ermöglichen. 104 Damit haben die Medien einen Einfluss auf die Themen, mit denen sich die Menschen täglich beschäftigten. Da die Auswahl der Nach- richten, die berichtet oder gesendet werden, hoch selektiv ist, wird uns tagtäglich nur ein kleiner Ausschnitt der Welt vermittelt. Vorwiegend wird das aktuelle Geschehen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Konflikten, kulturellen Ereignissen, Unfällen und Gewalt übermittelt. 105 Damit ist klar, dass wir in den Nachrichten nicht mit der Realität an sich, sondern nur mit einem kleinen Ausschnitt der Welt konfrontiert werden. Obwohl die Me- dien in der Nachrichtenselektion sehr synchron sind 106, findet man doch Unterschiede hin- sichtlich der Themen und Inhalte in Abhängigkeit vom jeweiligen Medium. So ist bei- spielsweise die Häufigkeit der Gewaltsendungen bei privaten Fernsehanstalten wesentlich höher als bei öffentlich-rechtlichen Anbietern. 107 Welches Medium vom/von der Zuschau- er/-in und Leser/-in gewählt wird hängt von mehreren Faktoren, wie dem sozialen Umfeld, dem Medium selbst und seine Inhalten 108, sowie von individuellen Bedürfnissen, Interes- sen, und Erfahrungen ab. 109

102 Vgl. Burkert u.a., Female and male victims of violence, S. 136–137.

103 Vgl. Burkert u.a., Female and male victims of violence, S. 136–137.

104 Vgl. Unz & Schwab, Nachrichten, S. 494.

105 Vgl. Unz & Schwab, Nachrichten, S. 502.

106 Vgl. Unz & Schwab, Nachrichten, S. 502.

107 Vgl. Unz & Schwab, Nachrichten, S. 503.

108 Vgl. Bonfadelli & Friemel, Medienwirkungsforschung, S. 31.

109 Vgl. Unz & Schwab, Nachrichten, S. 507.

(26)

Theoretischer Hintergrund

„The more negative the event in its consequences, the more probable that it will become a news item.“ 110

Diese Aussage stammt von Johan Galtung und Marie Holmboe Ruge aus dem Jahr 1965 und sie spiegelt auch heute noch den Nachrichtenwert von negativen Ereignissen, die wir gehäuft in den Medien finden, wieder. Was aber sind die Ursachen, dass wir Menschen ein derart großes Interesse an „schlechten Nachrichten“ haben? Dafür gibt es vier Begründun- gen:

(1) Negative Ereignisse benötigen weniger Zeit um sie aufzubauen.

(2) Sie sind eindeutig und

(3) entsprechen eher unserer Sicht der Welt.

(4) Außerdem passieren sie unerwartet und plötzlich. 111

2.4.1 Internationale Studienergebnisse über die mediale Berichterstattung über Gewaltdelikte

Bezüglich der Berichterstattung über Gewalt in den Medien findet man zumeist Untersu- chungen, die sich mit Fernsehausstrahlungen beschäftigten. Eine Analyse verschiedener Fernsehprogramme konnte zeigen, dass in den Nachrichten die meisten gewalthaltigen Szenen zu finden sind. 112 Mehrere Untersuchungen in den 90er Jahren haben dabei festge- stellt, dass die Gewaltthemen insgesamt an Intensität und Häufigkeit im Lauf der Zeit zu- genommen haben. 113 Die Darstellung von Gewalt im Fernsehen erfolgt zumeist derart, dass sie in realistischen Situationen gezeigt wird, selten die Verletzungen und Schäden des/der Opfer/-s sowie meist nicht die Bestrafung des/der zumeist attraktiv dargestellten

110 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 347.

111 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 347.

112 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 58.

113 Vgl. Unz & Schwab, Nachrichten, S. 502.

(27)

Täters/-in zeigt. 114 Weitere Charakteristika von Gewalt in Fernsehsendungen sind, dass Gewalt als Schicksal von Einzelpersonen mit männlichen Tätern und weiblichen Opfern vermittelt wird, die einander unbekannt sind, und die Gewalt oftmals als gute Lösungsstra- tegie für Konflikte gezeigt wird. 115 Da die mediale Darstellung von Gewalt bei den Rezi- pientInnen Spuren hinterlässt, hat dies natürlich auch Auswirkungen auf deren Aggressivi- tät. Untersuchungen zu diesem Thema haben festgestellt, dass berichtete Gewalt im Ver- gleich zu dargestellter Gewalt als weniger gewalthaltig identifiziert wird. Weiteres haben Studien gezeigt, dass physische, realistisch dargestellte Gewalt gegen Personen, die mit einem Schaden verbunden ist, von den RezipientInnen als besonders gewaltsam erlebt wird. 116

Eine Analyse der Fernsehnachrichten kam zu dem Schluss, dass der Anteil der Gewaltbe- richterstattung zwischen 1986 und 1994 insgesamt von 23 Prozent auf 32 Prozent ange- stiegen ist. Vor allem die privaten TV-Sender zeigten einen wesentlich höheren Anteil an Gewaltnachrichten verglichen mit öffentlich-rechtlichen Sendern. Eine Analyse der einzel- nen Fernsehsender berichtete, dass beispielsweise bei Pro 7 oder RTL der Anteil der Nach- richten über Gewaltdelikte Spitzenwerte bis zu 50 Prozent erreicht. 117 Für das Jahr 2002 wurde im Mittel ein Gewaltanteil von 21 Prozent bei privaten Fernsehsendern und 15 Pro- zent bei öffentlich-rechtlichen festgestellt. 118 Eine mögliche Erklärung für den Unter- schied zwischen den verschiedenen Anbietern ist die Ausrichtung der Medienkanäle. So scheinen sich die öffentlich-rechtlichen Sender eher an der politischen und gesellschaftli- chen Relevanz von Nachrichten zu orientieren, während die privaten Sender eher emotio- nale Themen, die Betroffenheit auslösen und unterhaltsam sind, ausstrahlen. 119

Ein Faktor, der die Wahrscheinlichkeit der Berichterstattung über ein Gewaltereignis er- höht, abseits davon, dass es sich um ein schlechtes Ereignis handelt, ist die Schwere einer Gewalttat. Dabei ist jedoch anzumerken, dass in Zeitungen vorwiegend über schwere De-

114 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 591.

115 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 45–46.

116 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 594.

117 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 345–346.

118 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 346.

119 Vgl. Krüger, InfoMonitor 2009, S. 55.

(28)

Theoretischer Hintergrund likte berichtet wird, die nicht in der Region, in der die Zeitung erscheint, passiert sind. Eine Analyse der Kriminalberichterstattung in Deutschland zeigte, dass Gewaltverbrechen über die eigene Stadt in Tageszeitungen nur neun Prozent ausmachten, aus anderen Regionen Deutschlands dagegen bis zu 35 Prozent. 120 Möglicherweise wollen die Medien damit das Sicherheitsgefühl der RezipientInnen erhöhen, da durch eine solche Berichterstattung der Eindruck der unmittelbaren Betroffenheit verringert wird. 121

Generell wird in den Medien ein „falsches Bild“ von der Häufigkeit von Gewaltdelikten vermittelt. So zeigte eine amerikanische Untersuchung, dass in 80 Prozent der Fälle über Morde und nur in zwei Prozent über sexuelle Übergriffe berichtet wird. 122 Des weiteren zeigten Untersuchungen, dass in Zeitungen eher über Fälle informieren, wo ein/-e Tatver- dächtige/-r feststeht. Nur in etwa einem Viertel der Berichte über Gewaltdelikte ist der/die Täter/-in ein/-e Unbekannte/-r. 123 Damit wird dem/der Leser/Leserin der Eindruck vermit- telt, dass die Aufklärungsquote von Verbrechen wesentlich höher ist, als es tatsächlich der Fall ist. Eine der Ursachen dafür ist vermutlich der Tatbestand, dass für die Medien die Hauptinformationsquelle bezüglich Gewalttaten Polizeiberichte darstellen. 124125

Bei der Medienberichterstattung in Zeitungen wurde im Lauf der Jahre ein Anstieg ver- zeichnet. Ein Vergleich der Anzahl der Berichte über Gewaltverbrechen wie Mord, Tot- schlag oder sexuelle Verbrechen in Zeitungen mit der tatsächlichen Kriminalitätsrate zeigt, dass sich die Zahl der Artikel über gewalthaltige Delikte an der realen Kriminalität zu ori- entieren scheint. Eine Studie, die die Gewaltberichterstattung in deutschen Zeitungen ana- lysiert hat, stellte fest, dass 17 Prozent aller Artikel über Gewaltverbrechen Morde themati- sierten. Die Anzahl der Berichte über Diebstähle oder Fälschungen war dagegen wesent- lich geringer als die tatsächliche Anzahl dieser Delikte. 126

Insgesamt findet man nur eine überschaubare Anzahl an Untersuchungen, die sich mit der Gewaltberichterstattung von Printmedien beschäftigt haben. Die Ergebnisse einer deut-

120 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 349.

121 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 353.

122 Vgl. Rodgers & Thorson, The reporting of crime and violence, S. 170.

123 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 350.

124 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 350–351.

125 Vgl. Lindsay-Brisbin u.a., Missed opportunities, S. 395.

126 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 347–348.

(29)

schen Untersuchung kamen zu dem Schluss, dass sich Boulevard- von Qualitätszeitungen nicht in der Anzahl der Berichte über Gewaltverbrechen unterscheiden, sondern in der Art der Berichterstattung. Sie fanden, dass Qualitätszeitungen kurz und sachlich informieren, während Boulevardblätter eher sensationsorientiert berichten. 127 Bei Medienberichten über häusliche Gewalt wird oftmals über diese Form der Gewaltanwendung nur dann berichtet, wenn das Opfer umgebracht wird, und zumeist werden die Gewalttaten als Einzelschicksa- le dargestellt. 128 Generell findet man wenige Berichte in den Medien über häusliche Ge- waltverbrechen oder Kindesmisshandlungen. 129 Die Ergebnisse diverser Untersuchungen im Bereich der Medienberichterstattung über Gewaltdelikte zeigten des Weiteren, dass die Presse eher Informationen über den/die Täter/-in veröffentlicht als über das/die Opfer. 130 Bezüglich der Anonymisierung der Opfer zeigt sich, dass in bis zu 63 Prozent der Berichte über Gewaltverbrechen das Opfer identifizierbar ist. 131

2.4.2 Studienergebnisse in Bezug auf die mediale Berichterstattung über Gewaltde- likte in Österreich

Die mediale Berichterstattung über physische Gewalt in Österreich nahm in den 1960er Jahren ihren Anfang und über sexuelle Gewalt wurde erstmals in den 1980er Jahren be- richtet. 132 Inwieweit publizierte Meldungen mit der realen Anzahl an Gewalttaten überein- stimmten und -stimmen, ist jedoch fraglich. So zeigte eine Analyse der Kriminalberichter- stattung in österreichischen Tageszeitungen in den 1980er Jahren beispielsweise, dass un- abhängig von der Anzahl der Kriminaldelikte die Zahl der Berichte darüber in Tageszei- tungen konstant blieb. Zusätzlich fehlte jegliche Information über Ursachen, Hintergründe und Folgen der Gewalttaten. 133 Zumeist wird über ein- und dieselbe Tat nur einmalig be-

127 Vgl. Reuband, Kriminalität in den Medien, S. 131.

128 Vgl. Lindsay-Brisbin u.a., Missed opportunities, S. 385.

129 Vgl. Rodgers & Thorson, The reporting of crime and violence, S. 172.

130 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 351.

131 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 355.

132 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 506.

133 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 513.

(30)

Theoretischer Hintergrund richtet. Folgeberichte wurden nur bei besonders schweren Delikten registriert.134 Insgesamt zeigt sich, dass zumeist nur über konkrete, unmittelbare Fälle mit oftmals tödlichem Aus- gang berichtet wird. 135

Berichte über sexuelle Gewalt und Kindesmisshandlung nahmen seit der Thematisierung der Problematik in den 1980er Jahren in Österreich rapide zu, wobei sich die Berichte auf schwere physische Gewaltdelikte konzentrierten, anfangs vorwiegend oberflächlich berich- tet wurde und kaum Hintergrundinformationen enthalten waren.136 Eine Studie, die die österreichische Berichterstattung über sexuelle Gewalt an Kindern in den 1990er Jahren untersuchte, stellte eine Zunahme der Berichte über die Thematik und eine Zunahme kon- kreterer Zahlen fest. Informationen über die Hintergründe blieben jedoch im Lauf der Jahre mit rund 30 Prozent konstant.137

Auch in österreichischen Printmedien dominieren Berichte über physische und sexuelle Gewaltdelikte und findet eine Fokussierung auf schwere Gewaltdelikte statt. Ursachen werden wenig und auch nicht konkret behandelt und Lösungsmöglichkeiten und Gewalt- folgen nur reduziert dargestellt.138 Die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der medialen Berichterstattung über Gewalt an Kindern zwischen 1989 und 1999 aus Öster- reich zeigten, dass kaum über Hilfseinrichtungen berichtet wird, zumeist nur strafrechtliche Konsequenzen für den/die Täter/-in und physische Verletzungen der Opfer geschildert werden. 139 Besonders häufig wurde über jene Gewaltdelikte berichtet, die mit dem Tod des Opfers endeten. 140 Der/die Täter/-in wurde zumeist als aggressiv, krank und oft als Person ausländischer Herkunft beschrieben. 141 In rund 18 Prozent der Fälle wurde die Anonymität des/der Täters/Täterin nicht gewahrt. 142 Insgesamt wurden mehr Informatio- nen über den/die Täter/Täterin in den Medienberichten erwähnt als von den Opfern. 143

134 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 530.

135 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 538.

136 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 513.

137 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 514.

138 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 538.

139 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 517.

140 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 529.

141 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 517.

142 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 525.

143 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 526–527.

(31)

Über psychische Gewalt wurde so gut wie nie berichtet 144 und das Tatmotiv wurde nur in 40 Prozent aller Artikel genannt.145

2.4.3 Amokfahrt durch Graz am 20. Juni 2015

Am 20. Juni 2015 erschütterte eine Gewalttat, bei der drei Menschen getötet und 36 zum Teil schwer verletzt wurden, die Stadt Graz und in weiterer Folge auch ganz Österreich.

Ein Amokfahrer – der 26-jährige gebürtige Bosnier Alen R. – fuhr mit einem Geländewa- gen durch die Grazer Innenstadt und steuerte dabei gezielt Menschen an, die er zum Teil schwer verletzte oder tötete.

Die Route des Täters startete am Grazer Griesplatz in der Zweiglgasse, wo er zwei Fuß- gängerInnen mit dem Auto rammte und einen Mann dabei tötete. Dann fuhr der Täter wei- ter Richtung Augartenbrücke und in die Grazbachgasse. Hier hielt der Täter an, stieg aus seinem Fahrzeug aus und attackierte zwei Personen mit einem Messer. Danach fuhr Alen R. mit dem Wagen weiter über die Schönaugasse Richtung Dietrichsteinplatz, in die Girar- digasse zum Eisernen Tor, wobei er zwei RadfahrerInnen anfuhr. Der Täter fuhr dann wei- ter mit über 100 km/h durch die Herrengasse, wobei er unzählige Menschen verletzte und eine Frau sowie einen vierjährigen Bub tötete. Beim Grazer Hauptplatz fuhr Alen R. durch den Schanigarten des Café Gino und verletzte hierbei weitere acht Personen. Dann wende- te der Täter seinen Wagen und fuhr durch die Schmiedgasse, wo er vor der Polizeistation stehen blieb und sich ohne Widerstand zu leisten festnehmen ließ (Abbildung 2).

Zum Zeitpunkt der Inhaltsanalyse für die vorliegende Masterarbeit stand das Motiv des Täters nicht fest. Die Identität der Frau, die in der Herrengasse getötet wurde, konnte erst nach Wochen festgestellt werden. Insgesamt hat Alen R. 36 Menschen zum Teil so schwer verletzt, dass diese ein Leben lang an den Folgen ihrer Verletzungen leiden werden (unter anderem sind zwei Personen querschnittsgelähmt und einer Person musste ein Bein ampu- tiert werden).

144 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 521.

145 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 528.

(32)

Theoretischer Hintergrund

Abbildung 2: Route der Amokfahrt durch Graz (Quelle: Schmidt, Nach Amokfahrt, derstandard.at)

Ganz Graz war von der Tat geschockt und es wurde eine Trauerwoche verkündet. In der Stadt wurden die meisten Veranstaltungen abgesagt oder verschoben und für den darauf- folgenden Sonntag (28.06.2015) wurde ein Trauermarsch entlang der Route der Amokfahrt sowie eine Gedenkveranstaltung am Grazer Hauptplatz, an der viele VertreterInnen aus der Politik teilnahmen, organisiert.

Über die Amokfahrt erschienen in allen Medien in den darauffolgenden Tagen und Wo- chen zahlreiche Beiträge, die sich mit der Tat, ihren Hintergründen und Folgen auseinan- dersetzen. All diese Medienberichte, die im Analysezeitraum erschienen sind, wurden im Zuge der vorliegenden Masterarbeit gesondert ausgewertet.

(33)

2.4.4 Wirkung medialer Gewaltdarstellungen

Zahlreiche Studien haben sich mit dem Einfluss der Medien auf aggressives Verhalten der Menschen beschäftigt. 146 Die Medienwirkungsforschung hat insgesamt – unabhängig da- von, welche Methoden angewendet wurden – in vielen verschiedenen, unabhängigen Un- tersuchungen die negative Wirkung medialer Gewaltdarstellungen hinsichtlich einer Stei- gerung der Aggression bestätigt. 147148 Sogar in Langzeituntersuchungen an Kindern konn- te ein aggressionssteigernder Effekt bezüglich der Rezeption von Gewaltsendungen nach- gewiesen werden. 149 Allerdings scheinen auch noch weitere Faktoren, wie der soziokultu- relle und familiäre Hintergrund sowie individuelle Faktoren eine Rolle zu spielen. 150 Ins- gesamt zeigt sich, dass vor allem der wiederholte Konsum gleicher Stimuli (wie Gewalt- sendungen) zu einer Aggressionssteigerung führt, da der Mensch dadurch offensichtlich lernt, wie man gewisse Situationen wahrnimmt und auf sie reagiert. 151 Zur Aggressions- steigerung tragen dabei Überzeugungen und Einstellungen, Wahrnehmungs- und Erwar- tungsschemata, Verhaltensskripts und Desensibilisierungseffekte bei. 152

146 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 344–354.

147 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 601–605.

148 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 13, 244.

149 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 603.

150 Vgl. Gleich, Medien und Gewalt, S. 604.

151 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 186.

152 Vgl. Kunczik & Zipfel, Gewalt und Medien, S. 186.

(34)

Theoretischer Hintergrund 2.5 Ziele und Forschungsfragen

Die meisten Analysen, die Berichte über Gewalttaten in österreichischen Printmedien ana- lysierten, liegen bereits einige Jahre zurück. 153 Daher soll angesichts des niedrigen For- schungsstandes im Zuge der vorliegenden Masterarbeit eine explorative Analyse der medi- alen Berichterstattung über zwischenmenschliche Gewalt (Gewalt im öffentlichen Raum und häusliche Gewalt) in österreichischen Printmedien erfolgen.

Ziel der Untersuchung war es innerhalb von sechs Wochen alle Berichte über zwischen- menschliche Gewalttaten in ausgewählten Printmedien systematisch zu analysieren. Zu- sätzlich wurden die Artikel über die Amokfahrt durch Graz gesondert ausgewertet. Da- durch sollen die Ergebnisse der vorliegenden Masterarbeit dazu beitragen ein Bild darüber zu erhalten, welche Inhalte den RezipientInnen tagtäglich in ausgewählten Tageszeitungen vermittelt werden.

Im Zuge der Masterarbeit wurden die folgenden Fragestellungen untersucht:

1. Berichterstattung über zwischenmenschliche Gewalt

 Wie häufig wird über Gewalt berichtet (im Vergleich zu anderen Berichten in der Sparte Chronik)?

 Lassen sich Unterschiede in der Häufigkeit der Berichterstattung in den verschie- denen Medien und für die unterschiedlichen Gewaltdelikte feststellen (Anzahl der Berichte über verschiedene Gewaltdelikte wie häusliche vs. öffentliche Gewalt und die Amokfahrt durch Graz)?

 Lassen sich Unterschiede in den verschiedenen Medien in der Häufigkeit der Be- richterstattung über lokale vs. globale Gewaltdelikte (in der Steiermark vs. außer- halb der Steiermark beziehungsweise in Österreich vs. im Ausland verübte Gewalt- taten) feststellen?

 Gibt es Unterschiede in den verschiedenen Medien in der Anzahl der Berichte, die auf den/die Täter/-in, das Opfer und deren Verletzungen Bezug nehmen?

153 Vgl. Funk & Schmitt, Teil VII, S. 513–514.

(35)

 Gibt es Unterschiede in den verschiedenen Medien in der Anzahl der Berichte, die die Gewalttat, die Tatwaffe, das Tatmotiv und die Gewaltfolgen beschreiben?

 Gibt es Unterschiede in den verschiedenen Medien in der Anzahl der Berichte, die auf verschiedene Aspekte (wie die Beschreibung der Verletzten, der Route, das Tatmotiv, Konsequenzen der Tat, Aussagen von Augenzeugen und PolitikerInnen, die Absage von geplanten Veranstaltungen, Reaktionen von offizieller Seite, Hilfs- angebote, dem Kondolenzbuch, potentiellen Reformen bezüglich Wegweisungen, Spendenaufrufen oder sonstigen Aspekten) bei der Berichterstattung über die Amokfahrt durch Graz Bezug nehmen?

2. Zwischenmenschliche Gewalttaten

 Wie werden der/die Täter/-in, das Opfer und dessen/deren Verletzungen in den Be- richten über häusliche und öffentliche Gewaltdelikte dargestellt?

 Wie oft werden die Art der Gewaltanwendung, die Tatwaffe, das Tatmotiv und die Gewaltfolgen für Berichte über häusliche und öffentliche Gewaltdelikte genannt?

Gibt es Unterschiede zwischen den häuslichen und öffentlichen Gewaltdelikten hinsichtlich Geschlecht/Alter des/der Täters/-in und des/der Opfer, der Schwere der Verletzungen des/der Opfer, der Gewaltanwendung, Tatwaffe, dem Tatmotiv und den Gewaltfolgen?

(36)

Methode

3 Methode

Im folgenden Kapitel wird das Datenmaterial, die Erhebungsmethode, Ein- und Aus- schlusskriterien der analysierten Gewaltberichte sowie die statistischen Auswertungen und Analysen beschrieben.

3.1 Erhebungsmethode, Ein- und Ausschlusskriterien

In die Datenanalyse wurden alle Berichte aus drei überregionalen Tageszeitungen (der Kronen Zeitung, der Kleinen Zeitung und dem Standard) eingeschlossen, die in einem sechswöchigen Zeitraum – zwischen dem 01. Juni 2015 und dem 12. Juli 2015 – erschie- nen sind. Alle Berichte über Gewaltereignisse wurden analysiert, die zwischenmenschliche Gewalt(-delikte) thematisierten (Berichte über aktuelle Vorfälle, aber auch Hintergrundbe- richte oder Berichte über Studienergebnisse, Hilfseinrichtungen oder Veranstaltungen).

Da bislang keine allgemein, weltweit gültige Definition von Gewalt vorliegt 154, wurden all jene Gewalttaten analysiert, in denen zwischenmenschliche Gewalt intentional ausgeübt wurde und es zur beabsichtigten physischen oder psychischen Schädigung von anderen Personen kam. Konkret wurden Berichte über folgende Gewalttaten eingeschlossen:

 Als häusliche Gewaltdelikte wurden in die Analyse alle Fälle von Kindesmisshand- lung, Misshandlung der/-s Lebenspartnerin/-s (oder einer/-s früheren Partnerin/-s) oder Misshandlung älterer Menschen eingeschlossen.

 Als Gewaltverbrechen im öffentlichen Raum wurden zwischenmenschliche Gewaltta- ten mit einbezogen, bei denen eine (oder mehrere) Person(en) (mit hoher Wahrschein- lichkeit) verletzt wurde(n) oder zu Schaden kam(en).

 Überfälle wurden dann in die Analysen mit einbezogen, wenn sie mit physischer Ge- walt und dadurch entstandener Verletzung einhergingen (reine Einbrüche dagegen wurden nicht mit analysiert).

154 Vgl. Krug u.a., World report on violence, S. 6.

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