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BFH befragt EuGH zu Vorsteuerabzug bei Briefkastenadresse

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Stand: 19.07.2016 | Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt | Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden | © KÜFFNER MAUNZ LANGER ZUGMAIER

2. Fragen des BFH

Die Fragen des BFH an den EuGH lauten:

 Heißt „vollständige Anschrift“, dass dort eine wirt- schaftliche Aktivität entfaltet werden muss?

 Darf der Vorsteuerabzug versagt werden, nur weil nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt sind?

 Ist es europarechtlich zulässig, gutgläubige Unte rneh- mer auf das Billigkeitsverfahren zu verweisen?

3. Sachverhalt

In beiden Verfahren betrieben die jeweiligen Kläger einen Kfz-Handel. Sie kauften die Fahrzeuge bei anderen Kfz- Händlern ein. Strittig ist, ob die Lieferantenadresse auf den Rechnungen ausreicht. Im Fall des 5. Senats war unklar, welche Tätigkeiten der Lieferant dort ausführt. Im Fall des 11. Senats war der Lieferant an der Adresse nur postalisch erreichbar. Der eigentliche Geschäftsbetrieb befand sich an einer anderen Adresse.

BFH befragt EuGH zu Vorsteuer- abzug bei Briefkastenadresse

1. Hintergrund

Beide Umsatzsteuersenate des BFH (5. Senat und 11. Senat) haben am 06.04.2016 nahezu identische Vor- abentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt (Az. V R 25/15 und Az. XI R 20/14). Sie betreffen den Vor- steuerabzug aus Rechnungen, die lediglich eine Briefkas- tenadresse des Lieferanten nennen. Nach Auffassung des BFH muss der Lieferant an der Rechnungsadresse eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Diese Rechtsauffassung hat der BFH kürzlich bestätigt und verschärft. Damit stan- den Unternehmen, deren Rechnungen Postfachadressen angeben, vor Schwierigkeiten (siehe Newsletter 23/2015).

Eine jüngere Entscheidung des EuGH in der Rs. PPUH Stehcemp hat den BFH jedoch an seiner Rechtsauffassung zweifeln lassen (Urteil v. 22.10.2015 – Rs. C-277/14). Es besteht Grund zur Hoffnung, dass der EuGH der strengen Rechtsauffassung des BFH wide r- spricht.

BFH hat Zweifel an eigener Rechtsprechung

Was heißt eigentlich „vollständige Anschrift“? Laut BFH muss an der betreffenden Adresse eine „wirtschaftliche Aktivität“ stattfinden. Nennt also eine Rechnung nur eine Briefkastenadresse, kann hieraus kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Nach einer jüngeren Entschei- dung des EuGH zu einem polnischen Verfahren scheint der EuGH keine vergleichbar strengen Anforderungen zu stellen. Deshalb lassen der 5. Senat und der 11. Senat des BFH jetzt ihre Rechtsauffassung vom EuGH prüfen.

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19 | 2016

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Stand: 19.07.2016 | Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt | Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden | © KÜFFNER MAUNZ LANGER ZUGMAIER

5. Auswirkungen für die Praxis

Dem 5. Senat geht es anscheinend darum, sich seine (strenge) Rechtsauffassung vom EuGH bestätigen zu las- sen. Die Vorlagefrage des 11. Senats ist dagegen offener formuliert. Wie der EuGH entscheiden wird, lässt sich nicht endgültig abschätzen. Insbesondere bei verfahrensrecht- lichen Fragen hält sich der EuGH sehr zurück.

Viele Unternehmen (und Behörden) in Deutschland nutzen Postfachadressen. Das o. g. Urteil des BFH hat diese Un- ternehmen vor große Schwierigkeiten gestellt. Es wäre daher hilfreich, wenn der EuGH zumindest der strengen Auslegung des Kriteriums „vollständige Anschrift“ eine Ab- sage erteilen würde. Tatsächlich ist diese Hoffnung nicht unberechtigt. Der EuGH stellt üblicherweise keine hohen Anforderungen an formelle Voraussetzungen. Dies gilt aller- dings nur, soweit kein Betrug vorliegt. Ist der Umsatz jedoch in einen Betrug einbezogen, wendet der EuGH formelle Anforderungen äußerst streng an. In den vorliegenden Fäl- len bestand allerdings kein Verdacht auf Umsatzsteuerbe- trug. Daher besteht die Erwartung, dass der EuGH im Sinne der Kläger entscheiden wird.

Versagt das Finanzamt den Vorsteuerabzug, weil Rechnun- gen eine Briefkastenanschrift oder eine Postfachadresse angeben, empfiehlt es sich, hiergegen Rechtsbehelf einzu- legen (Einspruch oder Klage). Weiterhin sollte Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH beantragt wer- den.

4. Argumente des BFH

Der BFH beschäftigt sich mit drei Fragestellungen: Die formellen Anforderungen an die Rechnungsadresse, die Gutgläubigkeit des Rechnungsempfängers und der Vo rsteu- erabzug des gutgläubigen Rechnungsempfängers im Billi g- keitsverfahren.

Der BFH hält daran fest, dass in der Rechnung diejenige Anschrift angegeben werden muss, an der der Unternehmer seine wirtschaftliche Aktivität entfaltet. Nur so soll die F i- nanzverwaltung in der Lage sein, die Rechnungsvorausse t- zungen einfach und leicht zu prüfen. Andererseits gesteht der BFH zu, dass der EuGH in der Rs. PPUH Stehcemp den statuarischen Sitz als ausreichend betrachtete.

Der BFH hat Bedenken, Vorsteuerabzug auch dann zu ge- währen, wenn nicht alle formellen Rechnungsvoraussetzun- gen erfüllt sind. Aus seiner Sicht besteht die Gefah r, dass die gesetzlichen Voraussetzungen „jede Bedeutung verlie- ren“. Zumindest soll der Unternehmer verpflichtet sein, alle Maßnahmen zu ergreifen, die vernünftigerweise von ihm erwartet werden können, um sich von der Richti gkeit der Rechnungsangaben zu überzeugen. Unklar bleibt, ob der BFH dies auch fordert, wenn gar kein Betrug im Raum steht.

Zurzeit können gutgläubige Unternehmer die Erstattung von Vorsteuern aus fehlerhaften Rechnungen nur im Billigkeit s- verfahren geltend machen. Aus Sicht des BFH ist dies mit dem Europarecht vereinbar, denn die Mitgliedstaaten kö n- nen Verfahrensmodalitäten grundsätzlich autonom regeln.

Andererseits könnte es dem Effektivitätsgrundsatz wider- sprechen, den Unternehmer auf ein zweistufiges Verfah ren zu verweisen.

Ansprechpartner: Matthias Luther, LL.M. Tax Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht Tel.: 0211 / 540953 - 95 matthias.luther@kmlz.de

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