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EuGH verneint die Steuerbefreiung für Schwimmunterricht

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Dr. Markus Müller, LL.M.

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)

+49 (0) 211 54 095-387 markus.mueller@kmlz.de

Stand: 26.10.2021 I Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.

Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden I © KMLZ 1 Steuerbefreiung für Bildungsleistungen

Wie seit geraumer Zeit bekannt ist, sind die nationalen Steuerbefreiungen für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG nicht mit dem Unionsrecht vereinbar (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 16 | 2019). Bildungseinrichtungen und selbständig Unterrichtende können sich jedoch, im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung, unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL berufen. Bis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. A & G Fahrschul-Akademie (C-449/17) interpretierten sowohl der EuGH als auch dem folgend der BFH die unionsrechtlichen Steuerbefreiungen recht weit. Im Ergebnis wurde praktisch jegliche Unterrichtung erfasst, sofern sie nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung aufwies.

In seiner Fahrschulentscheidung formulierte der EuGH allerdings eine neue, deutlich strengere Definition von „Schul- und Hochschulunterricht“. Diese neue Unterrichtsdefinition ist gespickt mit unbestimmten Rechtsbegriffen, was im gesamten Bildungssektor zu Verunsicherungen über den Fortbestand der Umsatzsteuerbefreiung führte. Auch der BFH sah es nicht mehr als gesichert an, dass Schwimmunterricht vom Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ umfasst ist.

2 Sachverhalt und Vorlagefragen

Eine GbR betrieb eine Schwimmschule mit typischen Unterrichtsangeboten wie Abnahme des „Seepferdchens“. Derartige Leistungen fallen nicht unter § 4 Nr. 21 UStG. Die GbR berief sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

Der BFH hatte in der Vergangenheit die unionsrechtliche Befreiung für Schwimmunterricht bejaht, hegte nun jedoch Zweifel, ob dies auch nach den Maßstäben der neuen Unterrichtsdefinition noch gelte. Mit dem Vorlageersuchen wollte der BFH klären, ob Schwimmunterricht „Schul- und Hochschulunterricht“ ist, ob sich die Anerkennung als Einrichtung

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Schwimmunterricht

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Stand: 26.10.2021 I Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.

Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden I © KMLZ

i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL bereits aus dem Gemeinwohlinteresse am Erlernen des Schwimmens ergibt und ob ausschließlich Einzelunternehmer Privatlehrer i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sein können.

3 Entscheidung des EuGH

Der EuGH verneint in der Rs. Dubrovin & Tröger GbR – Aquatics (C-373/19) die Steuerbefreiung von Schwimmunterricht.

Er nimmt dabei maßgeblich Bezug auf seine Fahrschul-Entscheidung sowie auf den Beschluss zu Surf- und Segelunterricht in der Rs. Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst (C-47/19). In diesen Entscheidungen hatte der EuGH die Steuerbefreiung bereits unter Verweis auf die aktualisierte Definition von „Schul- und Hochschulunterricht“ verneint.

Der Unionsgesetzgeber hat nach Ansicht des EuGH mit dem Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ auf einen bestimmten Typus abstellen wollen, der allen Mitgliedstaaten, ungeachtet der jeweiligen Besonderheiten der nationalen Systeme, gemein ist. Der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ verweise allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten, je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen Stufen dieses Systems.

Der BFH hatte in seinem Vorlagebeschluss zur Steuerbefreiung tendiert und dabei herausgestellt, dass am Erlernen des Schwimmens – im Gegensatz zum Erwerb des PKW-Führerscheins – ein ausgeprägtes Gemeininteresse besteht. Der EuGH greift diese Argumentation auf und bestätigt die Wichtigkeit des Schwimmunterrichts, gelangt jedoch ungeac htet dessen zu dem Ergebnis, dass Schwimmschulen keinen „Schul- und Hochschulunterricht“ erbringen. Beim Schwimmunterricht handle es sich um einen spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht, der für sich allein nicht der Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen, wie sie für den „Schul- und Hochschulunterricht“ charakteristisch ist, gleichkomme.

4 Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil ist eine Enttäuschung für den Bildungssektor und schränkt den Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen für Bildungsleistungen erheblich ein. Der EuGH versteht „Schul- und Hochschulunterricht“ als autonom unionsrechtlichen Begriff, den nur er selbst auslegen kann. Dabei bleibt allerdings unklar, was genau der EuGH unter einem „punktuell“

erteilten Unterricht, der „für sich allein“ nicht den Anforderungen an begünstigten Unterricht genügt, versteht. In diesem Kontext erscheint es nunmehr fraglich, ob Sprachschulen, Tanz- und Musikschulen etc. noch von der Umsatzsteuer befreit werden können. Und werden nicht auch beim Nachhilfeunterricht in Mathematik „für sich allein“ betrachtet Spezialkenntnisse vermittelt? Ein Teil der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird in naher Zukunft wohl überholt sein.

Die Entscheidung betrifft ferner die in § 4 Nr. 22 UStG genannten Bildungsanbieter (juristische Personen des öffentlichen Rechts, Volkshochschulen, Einrichtungen ohne Gewinnstreben etc.) unmittelbar. Die begünstigten „Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art“ sind richtlinienkonform auszulegen als „Schul- und Hochschulunterricht“. Ein enges Verständnis schränkt damit auch die nationale Befreiungsnorm ein. In manchen Fällen ist wegen Abschn. 4.22.1 Abs. 4 UStAE Vertrauensschutz zu gewähren. Landet der Fall allerdings vor Gericht, dürfte die Steuerbefreiung nach den Maßstäben der Unterrichtsdefinition des EuGH nicht haltbar sein.

Alle Bildungsanbieter sollten die umsatzsteuerliche Würdigung ihrer Kurse und Veranstaltungen hinterfragen und prüfen, ob ihre Leistungen mit einer anderen rechtlichen Begründung vielleicht doch auch weiterhin befreit werden können.

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