• Keine Ergebnisse gefunden

Wissenschaftliche Dienste. Dokumentation. Schwimmunterricht für Kinder Deutscher Bundestag WD /21

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Wissenschaftliche Dienste. Dokumentation. Schwimmunterricht für Kinder Deutscher Bundestag WD /21"

Copied!
15
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

© 2021 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 092/21

Schwimmunterricht für Kinder Dokumentation

Wissenschaftliche Dienste

(2)

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines sei- ner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasse- rinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeit- punkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abge- ordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, ge- schützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fach- bereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 2

Schwimmunterricht für Kinder

Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 092/21 Abschluss der Arbeit: 30. November 2021

Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung, Umweltrecht

(3)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 3

Inhaltsverzeichnis

1. Empfehlungen der Kultusministerkonferenz 4

1.1. Niveaustufen des Schwimmen-Könnens 5

1.2. Umsetzung in der Primarstufe 6

1.3. Umsetzung der Ziele 7

2. Fachtagung „Sicher Schwimmen Lehren und Lernen in

der Grundschule“ 7

2.1. Sprachliche Vielfalt in Bildungsplänen 9

2.2. Statistische Erfassung der Schwimmer bzw. Nichtschwimmer 11 2.3. Sicher „Schwimmen-Können“ als Bestandteil schulischer

Grundbildung 12

3. Wissenschaftliche Literatur zur Schwimmausbildung im

frühen Kindesalter 14

(4)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 4

1. Empfehlungen der Kultusministerkonferenz

In den Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesre- publik Deutschland, der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft und des Bundesverbandes zur Förderung der Schwimmausbildung für den Schwimmunterricht in der Schule1 erklären die beteiligten Akteure, dass:

„Das Schwimmen als motorische Basiskompetenz für alle Schülerinnen und Schüler im Sinne elementarer motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verstehen und grundlegend für die aktive Teilhabe an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur ist. (…)

Schwimmen ist ein unverzichtbares Erfahrungsfeld im Entwicklungsprozess eines jeden Menschen und begründet sich:

- einerseits aus der Notwendigkeit des sicheren Verhaltens im Wasser gegenüber der Ge- fahr des Ertrinkens und

- andererseits aus dem hohen gesundheitsfördernden und freizeitrelevanten Wert dieses Bewegungsraumes.

Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass alle Kinder schwimmen lernen sollen.

Dieser Konsens beruht einerseits auf der Befürchtung, dass Nichtschwimmer höher gefährdet sind zu ertrinken und anderseits auf der Überzeugung, dass Kindern, die nicht schwimmen können, der Zugang zu wertvollen Lebensbereichen und Bewegungsräumen verschlossen bleibt.“2

Da die Kompetenz Schwimmen im frühen Kindesalter am leichtesten erworben werden kann, ob- liege den Erziehungsberechtigten eine sehr hohe Mitverantwortung für das Erlernen der Basis- qualifikation Schwimmen ihrer Kinder. Ihre aktive Mitwirkung sei erforderlich, damit Kinder be- reits vor Beginn der Schwimmausbildung in der Schule über Vorerfahrungen verfügen. Dazu soll- ten zusätzliche Angebote zur Bewegungserziehung im Vorschulalter genutzt werden, um den Er- folg der späteren Schwimmausbildung zu unterstützen.3

„Grundlegendes Ziel des Schwimmunterrichts ist das sichere Schwimmen. Neben dem Erler- nen der Schwimmtechniken erwerben die Schülerinnen und Schüler ausgewählte Kompe-

1 Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft und des Bundesverbandes zur Förderung der Schwimmausbil- dung für den Schwimmunterricht in der Schule. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.05.2017). (Be- schluss des Bundesverbandes zur Förderung der Schwimmausbildung vom 18.09.2017). (Beschluss der Deut- schen Vereinigung für Sportwissenschaft vom 04.09.2017), Seite 2. https://www.kmk.org/fileadmin/Da- teien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_05_04-Empf-Schwimmen-in-der-

Schule_KMK_DVS_BFS.pdf.

2 Ebenda.

3 Vergleiche: Ebenda Seite 3.

(5)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 5

tenzen in weiteren Schwimmsportbereichen wie Wasserspringen, Tauchen oder Rettungs- schwimmen. Sie können Situationen im, am und auf dem Wasser bezüglich Sicherheit ein- schätzen und sich adäquat verhalten.“4

1.1. Niveaustufen des Schwimmen-Könnens

Schwimmen lässt sich in unterschiedlichen Niveaustufen der Könnensentwicklung beschreiben.

„Folgende Niveaustufen des Schwimmen-Könnens werden beschrieben:

- Wassergewöhnung, - Grundfertigkeiten, - Basisstufe,

- Sicheres Schwimmen.

Die Wassergewöhnung umfasst die Körperwahrnehmung und Adaptation an die physikali- schen Eigenschaften und Wirkungen des Wassers. Sie bildet die Voraussetzung für die solide Aneignung der Grundfertigkeiten des Schwimmens. (…)

Mit der Ausprägung der grundlegenden Fertigkeiten des Schwimmens wird gleichzeitig die Schwimmfähigkeit im Sinne der Leistungsvoraussetzung für das Erlernen des Schwimmens erworben.

Die Beherrschung der Grundfertigkeiten des Schwimmens (Atmen, Tauchen, Gleiten, Sprin- gen, Fortbewegen) optimiert fundamental und komplex, lernpsychologisch, motorisch und zeitlich die Entwicklung zielgerichteter und vortriebswirksamer Bewegungen im Wasser we- sentlich. Dienlich wäre deshalb der Nachweis des Beherrschungsgrades der Grundfertigkei- ten durch eine oder mehrere Komplexübungen oder durch einen Einzelnachweis beherrsch- ter Grundfertigkeiten bzw. durch eine Kombination beider Varianten. Dies ist gleichzeitig Ausdruck einer Handlungskompetenz im Wasser. Die Beherrschung der Grundfertigkeiten wird als zweite Niveaustufe des Könnens im Schwimmunterricht in ihrer Bedeutung nach- haltig, wenn sie explizit ausgewiesen und dokumentiert wird.

Mit der Basisstufe wird eine Verbindung von Grundfertigkeiten und Schwimmen-Können vorgenommen. Im fachlich engeren Sinne und unter Beachtung langjähriger Praxiserfahrun- gen sowie empirischer Befunde wird empfohlen, mindestens folgende Anforderungen an das Niveau des Schwimmen-Könnens der Schülerinnen und Schüler zu stellen:

- Beliebiger Sprung ins tiefe Wasser

- Anschließend 100 Meter in einer beliebigen Schwimmart, keine Zeitbegrenzung, Wech- sel der Schwimmart ist erlaubt

- Das Wasser ohne Hilfsmittel selbstständig verlassen.5 (…)

4 Ebenda: Seite 5.

5 Diese Fähigkeiten sollten in den ersten beiden Klassenstufen erreicht werden.

(6)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 6

Das sichere Schwimmen im Tiefwasser wird durch ein hohes Niveau des Könnens und dar- über hinaus durch beliebige Sprünge ins und selbständiges Verlassen des Wassers ohne Hilfsmittel bestimmt. Weiterhin können beliebige Änderungen des Richtungssinnes, der Fortbewegung im tiefen Wasser sowie eine vielseitige Anwendung der erlernten

Schwimmart, einschließlich des Wechsels der Schwimmlage, erfolgen.

Es sind mindestens folgende Anforderungen an das Niveau des Schwimmen-Könnens der Schülerinnen und Schüler zu stellen:

- Sprung ins tiefe Wasser, anschließend 15 Minuten Schwimmen und mindestens 200 Me- ter in einer beliebigen Schwimmart zurücklegen oder

- Kopfsprung ins tiefe Wasser, anschließend 100 Meter Schwimmen in einer Schwimmart, mit Zeitbegrenzung (mindestens 3:30 Minuten).“ 6

1.2. Umsetzung in der Primarstufe

„Alle Schülerinnen und Schüler nehmen verpflichtend am Anfangsschwimmunterricht teil, sofern sie nicht durch ärztliches Attest ausdrücklich davon befreit sind. Es ist bis zum Alter von 10 bis 12 Jahren anzustreben, dass jede Schülerin und jeder Schüler das sichere

Schwimmen und die damit verbundenen Fähigkeiten beherrscht. Aufbauend auf der ersten Niveaustufe (Wassergewöhnung) lernen die Schülerinnen und Schüler schrittweise die für die Beherrschung des sicheren Schwimmens notwendigen Grundfertigkeiten Atmen, Tau- chen, Springen, Gleiten und Fortbewegen. (…)

Die Schülerinnen und Schüler lernen Situationen im, am und auf dem Wasser bezüglich Si- cherheit einzuschätzen und sich adäquat zu verhalten. Sie erlangen Kenntnisse zur Einlei- tung erster Maßnahmen der Selbst- und Fremdrettung. (…)

Die Verwendung vielfältigster didaktisch-methodischer Lehrvarianten soll zum Gelingen ei- nes motivierenden, freudbetonten und für die Zukunft nachhaltigen Schwimmunterrichts beitragen. (…)

Spiel- und Wettkampfformen im Wasser, die Umsetzung und Variierung von Spielregeln so- wie die Anwendung von Schwimm-techniken im Übungsprozess dienen der Vorbereitung des Kompetenzerwerbes der Schülerinnen und Schüler. Dadurch lernen sie ggf. vorhandene Hemmungen in der Auseinandersetzung mit dem Element Wasser zu überwinden. (…) Ziel der Leistungsermittlung ist die Feststellung des aktuellen Kompetenzniveaus gemessen an den Vorgaben der Niveaustufen. Die Leistungsbewertung umfasst die Leistungsermittlung, die Leistungsbeurteilung und die Mitteilung des Ergebnisses an die Schülerinnen und Schü- ler, an deren Eltern und an die weiterführende Schule (z. B. als Bemerkung auf dem Über- gangszeugnis). Die Leistungsbewertung im Schwimmunterricht berücksichtigt den jeweiligen

6 Ebenda: Seite 6 f. Diese Fähigkeiten sollten in der dritten oder vierten Klassenstufe erreicht werden.

(7)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 7

Entwicklungsstand in Bezug zu den Niveaustufen, den Leistungswillen und die sozialen Ver- haltensweisen sowie den individuellen Lernfortschritt in Abhängigkeit von der physischen und psychischen Entwicklung.“7

1.3. Umsetzung der Ziele

Bei der Umsetzung der Ziele seien nicht nur die unterschiedlichen Zuständigkeiten auf den Ebe- nen von Ländern, Kommunen und Schulen zu berücksichtigen, sondern auch die länderspezifi- schen Besonderheiten, da es ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Durchführung des Schwimmunterrichts gemäß den jeweiligen Lehrplänen/Bildungsplänen gebe.8

„Der Schwimmunterricht sollte in der Regel in einer Jahrgangsstufe ganzjährig mit einer Wo- chenstunde stattfinden und einen Umfang von mindestens 30 Stunden haben. Unter Beach- tung der zur Verfügung stehenden Ressourcen kann der Schwimmunterricht auch

- ganzjährig 14-tägig mit einer Doppelstunde oder - halbjährig wöchentlich mit einer Doppelstunde oder

- als Kompaktkurs (zwei Wochen täglich Schwimmunterricht) organisiert werden.“9

2. Fachtagung „Sicher Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule“

Am 4. und 5. Dezember 2019 fand in Dresden eine Fachtagung der Deutschen Gesetzlichen Un- fallversicherung e.V. (DGUV) "Sicher Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule – Be- wegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser" statt. Sie beruhte auf der Leitidee, allen Schülerinnen und Schülern in der Grundschule das sichere Schwimmen-Können als Teil der körperlichen Grundbildung zu vermitteln. Die Arbeitsergebnisse sind im Internet dokumentiert und bieten praxisorientierte Informationen rund um den Schwimmunterricht an Grundschulen.10 Die Kultusministerkonferenz (KMK) und DGUV, sowie die in der Arbeitsgruppe beteiligten Ver- bände (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft und Bundesverband zur Förderung der Schwimmausbildung), stimmten bei der Fachtagung in der Auffassung überein, „dass das Schwimmen als grundlegende motorische Kompetenz für alle Schülerinnen und Schüler zu ver- stehen ist. Es ist grundlegend für die aktive Teilhabe an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur.

7 Ebenda: Seite 9f.

8 Vergleiche: Ebenda 11f.

9 Ebenda: Seite 12.

10 Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule. https://www.dguv.de/medien/fb-bildungseinrichtun- gen/dokumente/schwimmen-lehren-und-lernen-von-den-empfehlungen-ueber-die-handreichung-zum-

schwimmunterricht-(streubel).pdf .Sicherheit im Schulschwimmen. https://www.dguv.de/medien/fb-bildungs- einrichtungen/dokumente/sicherheit-im-schulschwimmen-die-schulsportinitiative-als-beitrag-zu-einer-kultur- der-praevention-(orrie).pdf. Schwimmen Lehren und Lernen. https://www.dguv.de/medien/fb-bildungseinrich- tungen/dokumente/evoletics_gruner.pdf.

(8)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 8

Kinder sollen möglichst früh einen freudvollen und vertrauten Umgang mit dem Wasser einüben und das Schwimmen angstfrei erlernen.“11

In seinem Vortrag auf dieser Fachtagung wies der Sportpädagoge Prof. em. Dr. Albrecht Hum- mel12 darauf hin, dass sowohl in der Antike als auch im Mittelalter das Erlernen des Schwim- mens und des Lesens zu den wichtigsten Elementen der Erziehung gehörten.

„Die ansteigenden Zahlen der Badeunfälle sind erschreckend und der Schwimmunterricht in den Schulen gerät in einigen Regionen in die Gefahr, tatsächlich ‚außer Mode‘ zu geraten, wenn nicht massiv dagegen vorgegangen wird. Die Eindeutigkeit dieser Aussagen stimmen nachdenklich, zu hoch ist die vermutete Dunkelziffer von Nichtschwimmern unter den Schulabsolventen, auch unter denjenigen, die über die sogenannte Hochschulreife verfügen.

Der Anteil von ‚funktionalen‘ Nichtschwimmern unter der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ist gegenwärtig vermutlich ähnlich hoch wie der erschreckend hohe Anteil so- genannter funktionaler Analphabeten (hier geht man von mehreren Millionen aus) und dies trotz gesetzlicher Schulpflicht und formal absolvierter Pflichtschulzeit.

Umso erfreulicher sind die klaren Worte in den Empfehlungen von KMK und DOSB (Deut- scher Olympischer Sportbund; d. V.) zum Schwimmunterricht und nahezu gleichlautend die Forderungen in der aktuellen, fortgeschriebenen Fassung des Memorandums zum Schul- sport.“13

„Besonderes Augenmerk verdient die aufgrund schließender Bäder und z.T. fehlender Fach- kräfte besorgniserregende Situation des Schwimmunterrichts, vor allem in der Grundschule.

Auch der Schwimmunterricht ist fester Bestandteil des Schulsports und muss in der Verant- wortung ausgebildeter Sportlehrkräfte bleiben. Ergänzende Programme und Initiativen zum Schwimmenlernen sollten durch Länder und Kommunen unterstützt werden. Es gilt die For- derung, dass jedes Kind am Ende der Grundschulzeit sicher schwimmen können muss.“14 Hummel konstatiert, dass Schwimmen bei Jungen und Mädchen gleichermaßen beliebt sei. Dabei erlernten Mädchen das Schwimmen zumeist etwas früher als Jungen. Außerdem könnten Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem sozio-ökonomischen Status seltener schwimmen als Gleichalt- rige mit hohem sozio-ökonomischen Status.

11 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (2019). Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule - Be- wegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser.

https://www.dguv.de/fb-bildungseinrichtungen/schulen/bewegung/schulsport/schwimmen/index.jsp.

12 Hummel war von 1993 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2014 Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Technischen Universität Chemnitz. https://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_Hummel.

13 Hummel, Albrecht (2019). Vortrag „Sicher Schwimmen Können“: Ein Beispiel für (moderne) körperliche Grundbildung in der Schule. Dresden, 04.12.2019, Seite 2. https://www.dguv.de/medien/fb-bildungseinrichtun- gen/dokumente/vortrag-sicher-schwimmen-koennen_koerperliche-grundbildung-in-der-schule-(hummel).pdf.

14 KMK & DOSB (2017). Handlungsempfehlungen zur Entwicklung des Schulsports, Seite 17.

(9)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 9

2.1. Sprachliche Vielfalt in Bildungsplänen

Gleichzeitig kritisiert Hummel aber auch die die sprachliche Vielfalt und die mangelnde begriffli- che Präzision der verbalen Verankerungen in den Bildungsplänen. Es bestehe eine beeindru- ckende Vielfalt der Definitionen zur Schwimmfähigkeit. Dazu zählten Bezeichnungen wie Schwimmfertigkeit, Wassersicherheit, Basisqualifikation für den Bewegungsraum Wasser oder Schwimmen-Können. Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht diese Vielfalt.15

15 Stemper, T. & Kels, M. (2016). Schwimmfähigkeit im Kindesalter. Bedeutung-Definition-Prävalenz. Sportunter- richt, 65(2016)1, Seite 6.

(10)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 10

Ebenda: Seite 3.

(11)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 11

2.2. Statistische Erfassung der Schwimmer bzw. Nichtschwimmer

Ein weiteres Manko besteht in der statistischen Erfassung der Schwimmer bzw. Nichtschwim- mer. Hummel erklärt dazu:

„Die Wissenslücken im System sind groß, die Sprachregelungen sind verwirrend und die mangelhafte Evidenzbasierung der nur partiell begründeten Vermutungen ist bereits ein Teil der größeren Problemlage zum Schwimmunterricht in Deutschland. Die kommunizierte Da- tenlage zur sogenannten Schwimmstatistik bzw. Nichtschwimmerstatistik, basiert zumeist auf Umfragen und Selbstauskünften. Einen Überblick zu den vorliegenden vagen empiri- schen Befunden in den Erhebungen zur Schwimmfähigkeit in der deutschen Bevölkerung bieten ebenfalls Stemper und Kels (2016, S. 8 ff). Sowohl die Unbestimmtheit der Definitio- nen als auch die Limitierungen in den Erhebungsmethoden (Umfragen; Selbstauskünfte; Inte- ressen und soziale Erwünschtheit) erklären die inkonsistente Befundlage.“16

Ebenda.

Hummel führt aus, dass zu Beginn der 90er Jahre circa 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach Beendigung der Grundschule schwimmen konnten. Gegenwärtig gehe man davon aus, dass dies bei großen regionalen Unterschieden, nicht mehr gegeben ist.

„Stagnationen und signifikante Rückläufigkeit werden dafür plausibel belegt. Der Mangel an standardisierten, regelmäßigen Evaluationen zur Qualität des Schulsports (Strukturqualität,

16 Ebenda: Seite 4.

Eine Ausnahme davon ist im Bundesland Berlin festzustellen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie erhebt sehr exakte Statistiken über den Schwimmunterreicht an Grundschulen. Dies wird aus einer Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Mario Czaja (CDU) zum Thema „Schwimmunterricht in Berlin“ deutlich, die am 24. September 2021 beantwortet wurde. Die Antwort beinhaltet sowohl die Anzahl der Schwimm-Intensivkurse in den Sommerferien 2021 nach Bezirken, als auch die Anzahl der Schülerinnen und Schüler und vergebenen Schwimmabzeichen (Seepferchen, Bronze, Silber und Gold).

Vergleiche dazu: Abgeordnetenhaus Berlin (2021). Drucksache 18 / 28 529. Schriftliche Anfrage des Abgeordne- ten Mario Czaja (CDU) vom 06. September 2021 zum Thema: Schwimmunterricht in Berlin und Antwort vom 24. September 2021. https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-28529.pdf.

(12)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 12

Prozessqualität, Ergebnisqualität) zeigt sich geradezu exemplarisch im Bereich des Schul- schwimmens.

Die Gründe dafür sind vielfältig und die Lage in den einzelnen Ländern zeigt sich auch hier unterschiedlich. Gleichzeitig sind die gesetzlichen Bestimmungen und pädagogischen Anfor- derungen an den Schwimmunterricht aus gutem Grund in den letzten Jahrzehnten ebenfalls gestiegen. (…) Akuter Handlungsbedarf ist somit in mehrfacher Hinsicht angezeigt, die ge- stiegene Zahl der Badeunfälle, einschließlich solcher mit tödlichem Ausgang oder mit blei- benden gesundheitlichen Schädigungen sind dafür ein Beleg. Handlungsbedarf zeichnet sich aber auch unter einer materiell-technischen Perspektive (Mangel an geeigneten, kleinen Lehrschwimmbecken bei gleichbleibender oder rückläufig, verfügbarer Wasserfläche), unter programmatischer Perspektive (Konzeptionen zum Schwimmunterricht) und hinsichtlich der Verfügbarkeit über ausreichend qualifiziertes Personal ab.“17

2.3. Sicher „Schwimmen-Können“ als Bestandteil schulischer Grundbildung

„Die Akzeptanz der Position, dass das Sichere-Schwimmen-Können zur grundlegenden Bil- dung (oder Ausbildung) eines Menschen gehört, fällt nicht zwingend mit der Akzeptanz zu- sammen, dass der Schwimmunterricht zur verpflichtenden schulischen Grundbildung gehört und als ein unverzichtbarer Bestandteil regulären, lehrplanbasierten Sportunterrichts an den öffentlichen Schulen gesehen wird. (…)

Für ein Flächenland mit einigen Tausend Grundschulen und mehreren Hunderttausend Grundschülern ist das Eingehen dieser schulpolitischen Verpflichtung eine außerordentliche Herausforderung. Hier gilt es angemessene organisationale Lösungen zu finden. Es entstehen erhebliche Differenzen zwischen der programmatischen Verankerung in den Lehrplänen und der Lehrplanrealisierung. Es entstehen aber auch bedenkliche Umgehungs- und Vermei- dungsstrategien in einzelnen Schulen und bei den Schulträgern. Es werden insbesondere ma- teriell-technische Probleme (geeignete Schwimmbäder), logistische Schwierigkeiten (Trans- portfragen) und personelle Begründungen (qualifizierte Lehrkräfte) für die jeweiligen Aus- nahmeregelungen herangezogen. Schulen, insbesondere die Grundschulen mit ihren vier bzw. sechs Klassenstufen, werden in aller Regel mit der Realisierung von Grundbildungs- Funktionen assoziiert. Grundschulen sollen Grundlagen für weiterführende Bildungspro- zesse schaffen und deshalb muss Grundbildung steigerungsfähig angelegt sein.

17 Ebenda.

Im Jahr 2019 gab es rund 6.420 öffentliche Bäder in Deutschland, also Hallenbäder, Freibäder und Naturbäder.

Gegenüber dem Jahr 2000 ist das ein Rückgang um knapp 1.400 Bäder - durchschnittlich etwa 70 Bäder pro Jahr. Das „Bädersterben“ wird als ein Grund dafür verantwortlich gemacht, dass hierzulande immer weniger Kinder schwimmen können. Statista (2021). Vergleich des Bäderbestandes in Deutschland in den Jahren 2000 und 2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1134111/umfrage/baederbestand-in-deutschland/

Es kommt hinzu, dass die Durchführung von sogenannten naturnahen Schwimmlagern an Seen und Flüssen bei niedrigen Wassertemperaturen und bescheidenen hygienischen und sanitären Bedingungen der Vergangenheit angehören. Vergleiche: Hummel, Albrecht (2019), Seite 4.

(13)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 13

In den Schulgesetzen der 16 Bundesländer ist dieser Grundbildungsgedanke mit gewissen sprachlichen Variierungen (…) bei der Beschreibung des Bildungs- und Erziehungsauftrages, insbesondere mit Blick auf die Schulform Grundschule fest verankert. (…)

Das, was jedoch inhaltlich konkret zur jeweiligen schulischen Grundbildung gehören soll und was nicht, erfolgt in epochen- und landesspezifischen Aushandlungsprozessen und fin- det seinen jeweiligen Niederschlag in normativen programmatischen Setzungen in den diver- sen Lehrplänen (Bildungsplänen, Rahmenlehrpläne) der Länder. Das Beherrschen der soge- nannten basalen Kulturtechniken (z.B. Lesen, Schreiben, Rechnen) einschließlich Motori- scher Basiskompetenzen (z.B. Schwimmen) wird gemeinhin einer (steigerungsfähigen) Grundbildung zugerechnet.“18

Hummel räumt ein, dass zwar einerseits der bildungspolitische Konsens zur inhaltlichen Struk- tur der Grundbildung an Grundschulen in der Bundesrepublik als relativ hoch einzuschätzen sei.

Andererseits aber bestünden jedoch Differenzen zwischen der Lehrplanprogrammatik und der schulischen Unterrichtsrealität.

„Zwischen der Deklaration und der Realisation bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede.

Die Befunde der aktuellen PISA-Studie (2019) weisen auf den erheblichen Mangel an verfüg- baren Kulturtechniken bei den Kindern und Jugendlichen in den nicht-gymnasialen Schul- formen hin. Das Verständnis von Grundbildung soll vorerst sehr pragmatisch auf die Beant- wortung der Frage gerichtet sein, was sollten alle Menschen in modernen Gesellschaften wis- sen und können. Das hat mit der Ermöglichung von Teilhabe, Teilnahme und aktiver Partizi- pation am gesellschaftlichen Leben zu tun. Damit ist ein Bildungsminimum für alle ange- sprochen, dass durchaus positiv gedacht, mit Attributen wie grundlegend, notwendig, funkti- onal, unentbehrlich, instrumentell und qualifikatorisch belegt werden kann. Dieses im Detail schwer zu bestimmende, konsensuale Bildungsminimum für alle, gilt es in modernen Gesell- schaften zu garantieren. Eine besondere Verantwortung dafür übernimmt das staatliche Pflichtschulsystem, insbesondere die Grundschule. Letztlich wurde die Organisationsform Schule dafür einmal erfunden. Das ist der gesellschaftliche Auftrag dieser gesellschaftlichen Einrichtung.“19

18 Ebenda: Seite 5.

19 Ebenda: Seite 6.

(14)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 14

3. Wissenschaftliche Literatur zur Schwimmausbildung im frühen Kindesalter

Es existieren zwar verschiedene Wassergewöhnungskurse für Kinder bis zum vierten Lebensjahr, allerdings gilt es in Deutschland gemeinhin, dass eine Schwimmausbildung aufgrund der körper- lichen Entwicklung des Kindes nicht vor dem fünften Lebensjahr beginnen sollte. So empfiehlt beispielsweise die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG) mit der Schwimmausbil- dung ab fünf Jahren zu beginnen.20 Verschiedene sportwissenschaftliche Studien stützen dies. Im Jahr 2014 erschien in „Journal of Motor Learning and Development“ eine Studie, die insgesamt 272 Kinder im Alter zwischen drei und acht Jahren zu Beginn ihrer Schwimmausbildung (formal swimming lessons) begleitete. Zwar wurde festgestellt, dass je jünger die Kinder waren, desto frü- her wurden die verschiedenen Schwimmkompetenzstufen erreicht, allerdings waren auch mehr Schwimmstunden erforderlich. Die Autoren kommen zum Schluss, dass das optimale Alter für den Beginn des formellen Schwimmunterrichts zwischen fünf und sieben Jahren liegt.21

Im Jahr 2019 hingegen erschien ein Übersichtsartikel, in dem zahlreiche wissenschaftliche Arti- kel zum altersspezifischen Erwerben von Schwimmfähigkeiten miteinander verglichen wurden.

Dabei wird der Frage nachgegangen, ob es eine ausreichende wissenschaftliche Basis dafür gibt, ein Minimalalter für das Erlernen von Schwimmen bei Kindern festzulegen. Setzt man sich zum Ziel, dass das Erlernen der Vorbeugung vor Ertrinken dient, so kommt dieser Übersichtsartikel zum Schluss, dass Kinder, die älter als ein Jahr sind, bereits durch Schwimmunterricht von ei- nem geringeren Ertrinkungsrisiko profitieren. Frühere Empfehlungen, dass Kinder nicht vor dem vierten Lebensjahr entwicklungsreif genug seien, stützten sich nicht auf ausreichend breite wis- senschaftliche Erkenntnisse.22

Hauptliteraturverweise innerhalb des Übersichtsartikels:

(1) Viele grundlegende aquatische Fähigkeiten können zwischen 18 und 60 Monaten erworben werden (unter großen individuellen Unterschieden): Erbaugh, 1978; 1980; 1982; 1986; Lan- gendorfer & Willing, 1985; McGraw, 1939; 1945

(2) Aquatische Grundkenntnisse, die während der Vorschulzeit erworben wurden, dienen z. B.

als grundlegende Bereitschaftsfähigkeiten für spätere und fortgeschrittene Schwimmfertig- keiten: Erbaugh, 1978; 1980; 1982; 1986; Langendorfer & Bruya, 1995

20 Siehe: https://www.dlrg.de/informieren/ausbildung/schwimmen-lernen/.

21 https://journals.humankinetics.com/view/journals/jmld/2/4/article-p80.xml ; D. Anderson, A. Rodriguez; Is There an Optimal Age for Learning to Swim? December 2014; Journal of Motor Learning and Development 2(4):80-89 DOI:10.1123/jmld.2014-0049.

22 https://scholarworks.bgsu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1512&context=ijare ; S.J. Langendorfer (2019) "Re- vised Scientific Review: Minimum Age for Swim Lessons," International Journal of Aquatic Research and Edu- cation: Vol. 10 : No. 4 , Article 2. DOI: https://doi.org/10.25035/ijare .10.04.09 https://scholar-

works.bgsu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1512&context=ijare.

(15)

Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 092/21

Seite 15

(3) Fähigkeiten, die nach den ersten 12-36 Monaten erworben wurden, können Auswirkungen haben auf das spätere Erlernen von Schwimmen auf Erwachsenenniveau oder das Verhin- dern des Ertrinkens: Asher, et al., 1995; Brenner, et al., 2003; 2009; A. Rahman, et al., 2009;

F. Rahman, et al., 2012; Yang, et al., 2007

(4) Um das individuelle Alter zum Erlernen von Schwimmen festzulegen sind Fähigkeit wie Gleichgewicht, Sitzen, Stehen, Gehen, Springen, kognitive und soziale Anpassungsfähigkeit wichtig: Langendorfer & Bruya, 1995

(5) Eine ältere deutsche Längsschnittstudie (Diem, 1973; 1982) identifizierte einen kognitiven und akademischen Nutzen in Verbindung mit frühkindlichen Schwimmerfahrungen und Gymnastik.

***

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Pickel analysiert für die Bundes- tagswahl 2017, dass „die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann für die AfD stimmt, fast 40 % höher ist als eine Stimmabgabe einer Frau zugunsten

Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines sei- ner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder.. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung

Grundsätzlich lässt sich Just Transition auf der Ebene der konkreten EZ oft schwer vom eigent- lichen Engagement für die Bewältigung des Klimawandels trennen. Dies liegt in

Neben der Reform der monetären Leistungen für die Kinder und Familien braucht es ebenso einen weiteren Auf- und Ausbau der Infrastruktur für Bildung und Teilhabe

Das einmal erworbene (Mit-)Sorgerecht eines getrennt lebenden Elternteils wird durch ein be- stimmtes, namentlich kriminelles Verhalten oder eine entsprechende

Anlage 4 beigefügten Beitrag eine entsprechende einfachgesetzliche Erweiterung der Wiederaufnahme- gründe zuungunsten des freigesprochenen Angeklagten für nicht möglich, da mit

“Calls upon the United Nations and all its specialized agencies to recognize that the Chagos Archipelago forms an integral part of the territory of Mauritius, to support

4 Die StVO wird durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) 5 ergänzt, die „Ausführungsbestimmungen sowie verkehrsrechtliche