• Keine Ergebnisse gefunden

Perioperative Arzneibehandlung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Perioperative Arzneibehandlung"

Copied!
73
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Diplomarbeit

Perioperative Arzneibehandlung

eingereicht von

Daniel Freidorfer

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt am

Lehrstuhl für Pharmakologie unter der Anleitung von

Univ.-Prof.i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler Univ.-Prof. Dr.med.univ. Josef Donnerer

Graz, 02.03.2021

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am 02.03.2021 Daniel Freidorfer, eh

(3)

Vorwort

In der Medizin wird häufig von Kreisläufen und Zyklen gesprochen. Im Biochemie-Modul wurde der Zitrat-Zyklus besprochen, im Physiologie-Modul war der Blutkreislauf Thema und nicht zuletzt gibt es den mittlerweile womöglich etwas abgedroschenen Ausdruck vom

„Kreislauf des Lebens“.

Mit dieser Diplomarbeit soll sich der Kreislauf des Studiums schließen, da die Liebe zur Medizin während des Zivildiensts bei der Rettung aufkam. Die Versorgung von

Patientinnen und Patienten außerhalb eines Krankenhauses war ebenso faszinierend wie das Tätigkeitsfeld der Notärztinnen und Notärzte und die Möglichkeit, kritisch Kranken durch verschiedenste Medikamente sehr rasch helfen zu können. Die Tätigkeit beim Medizinercorps Graz führte zur Gelegenheit, einige dieser Arzneien eigenverantwortlich verabreichen zu dürfen, und zur Beschäftigung mit den Wirkstoffen, ihrer

Pharmakodynamik und -kinetik.

Nun soll diese Faszination, die unter anderem auf der Anwendung dieser potenten Pharmaka an kritisch kranken Patientinnen und Patienten fußt, ihren Abschluss in dieser wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas finden. Es schließt sich also nun der Kreislauf der wissenschaftlichen Bemühungen um die Medizin.

(4)

Danksagungen

Ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die mich in den letzten sechs Jahren in allen möglichen Belangen tatkräftig unterstützt und gefördert haben.

Ganz besonders gilt dieser Dank meinem Diplomarbeitsbetreuer, Herrn Univ.-Prof.i.R.

Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler, der mir während der Entstehung dieser Arbeit stets mit Rat und Tat zur Seite stand, sowie meinem Zweitbetreuer, Univ.-Prof. Dr.med.univ. Josef Donnerer, der sich dankenswerterweise für diese Funktion zur Verfügung gestellt hat.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen meine gesamte Familie, meine Eltern Natalie und Alfred sowie meine Geschwister Lena, Annika und Martin, welche mir in den Jahren meines Studiums immer zur Seite gestanden sind und damit das Entstehen dieser Arbeit erst möglich gemacht haben, und meine Freundin Carina, die mich in der letzten Phase unterstützt und mit Planai-Touren und Kaprun-Ausflügen motiviert hat.

Ein großes Dankeschön gebührt all meinen Freundinnen und Freunden für die gemeinsame Zeit und die gegenseitigen Ratschläge und Hilfestellungen.

(5)

Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung ... ii

Vorwort ... iii

Danksagungen ... iv

Inhaltsverzeichnis ... v

Abkürzungen ... vi

Abbildungsverzeichnis ... vii

Tabellenverzeichnis ... viii

Zusammenfassung ... 9

Abstract ... 10

1 Einleitung ... 11

1.1 Allgemeiner Teil ... 13

1.1.1 Pharmakologische Bestandteile einer Allgemeinnarkose... 13

1.2 Spezieller Teil ... 54

1.2.1 Vergleich der Nebenwirkungsprofile ... 54

2 Material und Methoden ... 63

3 Ergebnisse ... 64

4 Diskussion ... 65

5 Literaturverzeichnis ... 68

(6)

Abkürzungen

ACh ... Acetylcholin cAMP ... zyklisches Adenosinmonophosphat CBF ... zerebraler Blutfluss CMRO2 ... zerebrale Sauerstoffextraktionsrate CPP ... zerebraler Perfusionsdruck CVR ... zerebrale vaskuläre Resistance CYP ... Cytochrom-P450 DUR ... clinical duration of action ED ... effective dose EEG ... Elektroenzephalogramm GABA ... γ-Aminobuttersäure i.m. ... intramuskulär i.v. ... intravenös HF ... Herzfrequenz HI ... Herzindex HMV ... Herzminutenvolumen HWZ ... Halbwertszeit HZV ... Herzzeitvolumen MAP ... mittlerer arterieller Blutdruck NMDA ... N-Methyl-D-Aspartat NNR ... Nebennierenrinde PNS ... peripheres Nervensystem PVR ... pulmonalvaskuläre Resistance RR ... Blutdruck SVR ... systemische vaskuläre Resistance ZNS ... Zentralnervensystem

(7)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Strukturformel Morphin (50) ... 18

Abbildung 2: Strukturformel Fentanyl (51) ... 19

Abbildung 3: Strukturformel Alfentanil (52) ... 20

Abbildung 4: Strukturformel Sufentanil (53) ... 21

Abbildung 5: Strukturformel Remifentanil (54) ... 22

Abbildung 6: Strukturformel Thiopental (55) ... 25

Abbildung 7: Strukturformel Methohexital (56) ... 26

Abbildung 8: Strukturformel Midazolam (57) ... 28

Abbildung 9: Strukturformel Diazepam (58) ... 28

Abbildung 10: Strukturformel Propofol (59) ... 31

Abbildung 11: Strukturformel Etomidat (60) ... 33

Abbildung 12: Strukturformel Ketamin (61) ... 34

Abbildung 13: Strukturformel Pancuronium (62) ... 40

Abbildung 14: Strukturformel Vecuronium (63) ... 41

Abbildung 15: Strukturformel Rocuronium (64) ... 42

Abbildung 16: Strukturformel Atracurium (65) ... 43

Abbildung 17: Strukturformel Cisatracurium (66) ... 44

Abbildung 18: Strukturformel Mivacurium (67) ... 45

Abbildung 19: Strukturformel Succinylcholin (68) ... 47

(8)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Adrenerge Rezeptor-Typen, modifiziert nach (43) ... 50 Tabelle 2: Direkte Sympathikomimetika, ihre Rezeptoren und Wirkungen, modifiziert nach (43) ... 51 Tabelle 3: Nebenwirkungen verschiedener Narkotika, modifiziert nach (18) ... 60

(9)

Zusammenfassung

Einleitung:

In der täglichen anästhesiologischen Praxis haben sich in den letzten Jahrzehnten einige Medikamente zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinnarkose etabliert. Die unterschiedlichen Medikamentengruppen der Analgetika, Narkotika, Muskelrelaxantien und kreislaufunterstützenden Pharmaka mit den am häufigsten verwendeten Wirkstoffen werden verglichen und ihr Nebenwirkungsprofil dargestellt, um zu diskutieren, ob sich darunter Pharmaka befinden, die, aufgrund ihres breiten Einsatzspektrums und der sicheren Anwendung die Bezeichnung „pharmakologischer Standard“ verdient haben.

Material und Methoden:

Für diese Literaturrecherche mit Zusammenfassung und Konklusion wurde

anästhesiologische und pharmakologische Fachliteratur einer Recherche nach aktuell verwendeten Wirkstoffen unterzogen und Metadatenbanken und Datenbanken wie PubMed und MEDLINE benutzt, um für die Fragestellung relevante Artikel und Reviews ausfindig zu machen.

Ergebnisse:

Das ideale Medikament, das alle Voraussetzungen erfüllt, um somit als pharmakologischer Standard bezeichnet werden zu können, gibt es nicht. Es kommt auch weiterhin auf die Fachexpertise des eingesetzten Personals an. Einige früher regelmäßig eingesetzte Wirkstoffe finden heutzutage kaum noch Verwendung, da besser steuerbare und nebenwirkungsärmere Nachfolgesubstanzen entwickelt wurden.

Diskussion:

Mit S-Ketamin und Rocuronium stehen zwei Substanzen zur Verfügung, die in

Kombination sowohl eine Analgesie und Narkose, als auch eine schnell erreichbare, aber dafür lang andauernde Muskelrelaxation ermöglichen. Ob diese beiden Medikamente in Kombination in Zukunft einen Standard für die Narkoseeinleitung in unterschiedlichsten Szenarien darstellen könnten, muss jedoch noch genauer untersucht werden.

(10)

Abstract

Introduction:

In common anaesthesiological practice different agents for induction and maintenance of anesthesia have been established during the last years. Different groups of analgetics, narcotics, muscle relaxants und medication for circulatory support and the most frequently applied active pharmaceutical ingredients will be compared to give an overview of their side effects and to discuss, if some of them could be declared a pharmacological standard because of their safe and broad range of use.

Material and methods:

To realise this literature research followed by summary and conclusion anaesthesiological and pharmacological literature was screened for currently used agents and metadatabases and databases like PubMed and MEDLINE were used to find relevant articles and reviews.

Results:

The ideal agent, which has all the attributes to be called a pharmacological standard does not exist. In the future expertise of those involved with patients will therefore still be important. Some earlier on regularly used agents are not put into use in these days due to the development of more controllable and safer substances.

Discussion:

In combination, S-Ketamine and Rocuronium are two agents which cause analgesia, anesthesia and fast arising, but long-lasting muscle relaxation. If these substances could be a standard for induction and maintenance of anesthesia in different scenarios in the future needs further investigation.

(11)

1 Einleitung

Zur Durchführung verschiedenster Operationen bedarf es sowohl erfahrener Chirurginnen und Chirurgen als auch Anästhesistinnen und Anästhesisten mit ausreichender

pharmakologischer Expertise, um eine möglichst schmerzfreie und gleichzeitig nebenwirkungsarme Abwicklung der geplanten Maßnahmen zu ermöglichen. Hierbei bedienen sich die Narkoseärztinnen und Narkoseärzte unterschiedlicher

Arzneimittelgruppen, darunter verschiedenste Analgetika, Narkotika und

Muskelrelaxantien, um letztendlich eine Allgemeinnarkose einleiten und aufrechterhalten zu können, sowie kreislaufunterstützender Medikamente, um möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen entgegenwirken zu können.

Um das Ziel der vorliegenden Arbeit erreichen zu können, nämlich eine Zusammenschau der wichtigsten in der anästhesiologischen Praxis verwendeten Arzneimittelgruppen zu geben und diese im Hinblick auf ihre sichere Anwendbarkeit in der täglichen Praxis zu vergleichen, soll an allerster Stelle auf die notwendigen pharmakologischen Bestandteile einer Allgemeinnarkose und die Definition einer solchen eingegangen werden.

Nach Erarbeitung dieser für den weiteren Vergleich unerlässlichen Basis werden die einzelnen Wirkstoffe vor allem in Hinblick auf ihr Nebenwirkungsprofil dargestellt werden, um so zu erarbeiten, ob es bestimmte Wirkstoffkombinationen zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinnarkose gibt, welche sich unabhängig von der Art der durchzuführenden Operation sicher anwenden lassen und somit potentiell die Bezeichnung

„pharmakologischer Standard“ in Bezug auf Analgesie, Narkose, Muskelrelaxation sowie Kreislaufunterstützung verdienen.

Die Reduktion der großen Bandbreite an möglichen zur Anwendung kommenden Wirkstoffen auf einige wenige mit gut erprobter Wirkung und gut bekanntem

Nebenwirkungsprofil könnte zu einer Erhöhung der Patientensicherheit während der Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung führen, ganz besonders in Situationen wie etwa im Notarztrettungsdienst in Österreich, in denen diese Maßnahmen von Personal

durchgeführt werden müssen, das sich dieser Aufgabe nicht im täglichen klinischen Alltag stellen muss.

(12)

Da die Verwendung von Inhalationsanästhestika eigens entwickelter Gerätschaften zur Verabreichung bedarf und diese in einigen Bereichen wie etwa dem präklinischen nicht zur Verfügung stehen, wird diese zweifelsohne sehr wichtige Gruppe in der vorliegenden Betrachtung außen vorgelassen, und der Fokus richtet sich auf die Durchführung einer totalen intravenösen Anästhesie.

(13)

1.1 Allgemeiner Teil

1.1.1 Pharmakologische Bestandteile einer Allgemeinnarkose

Der Begriff „Allgemeinnarkose“ beschreibt das Herbeiführen eines Zustands, der

verschiedenste Eingriffe und Operationen ermöglicht. Dies beinhaltet eine Schaffung von optimalen Voraussetzungen sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für

Chirurginnen und Chirurgen. Das aus dem Altgriechischen stammende Wort „Narkose“

bedeutet dabei so viel wie „In-Schlaf-Versetzen“ und beschreibt somit einen der Teilaspekte jeder Allgemeinnarkose, die Bewusstlosigkeit, welche auch als Hypnose bezeichnet wird. Als Synonym wird in der anästhesiologischen Literatur das Wort Vollnarkose beziehungsweise Allgemeinanästhesie verwendet, wobei der ebenfalls im Altgriechischen seinen Ursprung findende Begriff „Anästhesie“ die Empfindungslosigkeit während einer Narkose beschreibt und somit Bezug auf weitere Teilaspekte, nämlich die Schmerzfreiheit (Analgesie) und die Dämpfung vegetativer Reflexe, nimmt.

Schlussendlich ist noch die Muskelerschlaffung als Ziel der Allgemeinanästhesie zu nennen, welche den Zugang zum Operationsgebiet für die Operateurinnen und Operateure erleichtert. (1)

Daraus lässt sich nun ableiten, dass ein ideales Pharmakon möglichst alle dieser

Teilaspekte abdecken sollte, um den Anforderungen einer Allgemeinnarkose (Analgesie, Dämpfung vegetativer Reflexe, Hypnose und Muskelrelaxation) zu genügen.

Zusätzlich erwünschte Eigenschaften lassen sich durch Berücksichtigung von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik erklären (2):

• Gute Steuerbarkeit

• Analgesie und Reflexdämpfung

• Große therapeutische Breite

• Keine Herz-Kreislauf-Belastung

• Keine Atemdepression

• Keine Histaminfreisetzung

• Keine Metabolisierung in der Leber

• Gute Venenverträglichkeit

• Gute Wasserlöslichkeit (2).

(14)

Ergänzen lässt sich diese Auflistung noch um den Anspruch möglichst großer Reversibilität. (3)

Diese Zusammenstellung lässt schon erahnen, dass es kaum möglich sein wird, bei der Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie auf eine einzelne Substanz allein zurückzugreifen. Vielmehr ist eine sinnvolle Kombination verschiedener Wirkstoffe aus den Bereichen der Analgetika, Hypnotika, Muskelrelaxantien sowie

kreislaufunterstützender Medikamente notwendig, deren Betrachtung auf den nächsten Seiten erfolgen soll.

(15)

1.1.1.1 Analgetika

Bei der Betrachtung der Analgetika haben sich verschiedene Möglichkeiten der Einteilung der einzelnen Wirkstoffe etabliert. So wurden initial zentral wirkende Analgetika von solchen mit peripherem Wirkort unterschieden, während man diese Systematik nun zugunsten der Trennung von Opioid- und Nichtopioidanalgetika zunehmend verlassen hat. (4,5)

Die im klinischen Alltag häufig synonym verwendeten Begriffe „Opioid“ und „Opiat“

lassen sich insofern voneinander abgrenzen, als dass man Arzneistoffe, welche im Opium enthalten sind, als Opiate bezeichnet. (1)

Hierzu zählen Pharmaka wie Morphin, welches den größten Anteil an natürlich

vorkommenden Alkaloiden im Opium ausmacht, ebenso wie Codein und Thebain. Auch die aus diesen natürlichen Vertretern der Opiate hergestellten halbsynthetischen Subtanzen werden je nach Quelle zu den Opiaten im engeren Sinne gezählt, während alle dem

Morphin ähnlichen Verbindungen ohne peptidische Struktur als Opiate im weiteren Sinne zusammengefasst werden. Zunehmend abgelöst werden diese Begrifflichkeiten der Opiate im engeren und weiteren Sinne durch den Überbegriff „Opioide“, der alle Substanzen, die an Opioidrezeptoren wirken, subsumiert. (4,5)

Dies beinhaltet die endogenen morphinartigen Substanzen ebenso wie die Opioidantagonisten. (6)

Als Nichtopioidanalgetika werden all jene Pharmaka bezeichnet, welche keine Wirkung auf die verschiedenen Opioidrezeptoren haben. Zusätzlich kann eine weitere Unterteilung abhängig vom fiebersenkenden und entzündungshemmenden Effekt sowie dem

Säurecharakter der einzelnen Wirkstoffe erfolgen, was schlussendlich zu den drei Gruppen einerseits der sauren antipyretisch-antiphlogistischen Analgetika, der nichtsauren

antipyretischen Analgetika und schlussendlich der Analgetika ohne antipyretisch- antiphlogistische Wirkung führt. (4)

Da diese letztgenannte Gruppe weder zur Einleitung einer Allgemeinnarkose noch zu deren Aufrechterhaltung eingesetzt werden kann und damit auch nicht zur Gruppe der intravenösen Anästhetika gezählt wird (6), werden sie in dieser Arbeit nicht diskutiert.

(16)

1.1.1.1.1 Opioidanalgetika

Um das Nebenwirkungsprofil und damit den Aspekt der sicheren Anwendbarkeit sowohl in der täglichen anästhesiologischen Arbeit als auch in besonderen Situationen wie etwa der präklinischen Narkoseeinleitung sinnvoll aufzuarbeiten, ist zuallererst ein

Grundverständnis der Wirkung der Opioidanalgetika von Nöten.

Besprochen werden sollen all jene Wirkstoffe, welche perioperativ sowohl im Rahmen der Einleitung einer Allgemeinanästhesie als auch zur Aufrechterhaltung einer solchen

eingesetzt werden können.

Bei Betrachtung aktueller anästhesiologischer Fachliteratur lassen sich folgende Opioide als relevant zur Durchführung der oben genannten Maßnahmen während der

Narkoseführung einstufen: Morphin, Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil.

Insbesondere dem Morphin als einzigem Vertreter der Opiate in der obigen Aufstellung kommt eine zunehmend geringe Bedeutung bei der Durchführung einer

Allgemeinanästhesie zu. (6)

Bei der Wirkung aller Opioide lassen sich zentrale von peripheren Angriffspunkten unterscheiden. Weiters können zur Betrachtung der Wirkmechanismen die einzelnen Rezeptoren herangezogen werden, über welche ein Effekt ausgelöst wird. (4,5)

Zu den drei für das klinisch-anästhesiologische Verständnis wichtigsten Rezeptoren zählen die μ-, κ-, und δ-Rezeptoren. Daneben werden in der Literatur auch noch ε- und σ-

Rezeptoren erwähnt. (7)

Der Hauptteil der gewünschten Effekte aber auch der im Anschluss zu besprechenden Nebenwirkungen wird über den μ-Rezeptor erzielt, dessen Benennung von der

hauptsächlich mit ihm interagierenden Substanz Morphin herrührt. (6)

Es folgt nun eine Betrachtung der unterschiedlichen Wirkungen, welche Rücksicht auf die unterschiedlichen Angriffspunkte nimmt.

Die für die anästhesiologische Praxis wichtigste Wirkung der Analgesie und der Sedierung wird auf der Ebene des Zentralnervensystems (ZNS) erzielt, und zwar sowohl im Bereich des Rückenmarks als auch supraspinal im Mittelhirn. Dabei wird einerseits die

Übertragung von Reizen an die für die Schmerzwahrnehmung wichtige Leitungsbahn

(17)

größten Teil über einen Agonismus am μ-Rezeptor in der Formatio reticularis im Hirnstamm. Weiters beschrieben wird eine euphorisierende Komponente, welche ihren Ursprung im Mittelhirn findet. (4,5)

Ob es zum Eintritt dieser Euphorie kommt und in welcher Intensität diese erfolgt, wird durch die Art der Applikation und die Geschwindigkeit, mit der das ZNS erreicht wird, bestimmt. (8)

Die zuletzt noch zu erwähnende Wirkung als Antitussivum hat im perioperativen Einsatz keine Bedeutung.

Der einzige peripher erzielte erwünschte Effekt einer Analgesie wird an peripheren Nervenendigungen erreicht, indem entzündungsfördernde Neuropeptide wie etwa die Substanz P nicht mehr freigesetzt und zur Schmerzwahrnehmung führende Reize nicht mehr weitergeleitet werden. (9)

Alle anderen perioperativ nicht erwünschten zentralen und peripheren Wirkungen werden im Zuge des Vergleichs der Nebenwirkungsprofile besprochen.

(18)

1.1.1.1.1.1 Morphin

1805 wurde von einem Apotheker namens Friedrich Wilhelm Sertürner eine

Zuschrift an Trommsdorffs Journal der Pharmacie geschickt, in welchem er von einem Wirkstoff im Opium schreibt, dessen Isolierung ihm gelungen sei. (10) Da das häufig auch als Morphium bezeichnete Morphin, dessen Name sich von Morpheus, der Gottheit der Träume, ableitet, somit als erstes Opioid aus dem Opium gewonnen wurde und die weitere

Entwicklung der synthetischen Opioid-Analgetika somit auf diesem aufbaut, soll am Anfang ein Einblick in dieses „Ur-Pharmakon“ gegeben werden. (4)

Dies geschieht trotz der Tatsache, dass es im perioperativen Setting und in der anästhesiologischen Praxis nur mehr gelegentlich Verwendung findet, da mit den synthetischen Opioiden Wirkstoffe mit höherer Affinität und Wirkstärke zur Verfügung stehen. (9)

Morphin wirkt zum größten Teil am μ-Rezeptor (zu einem geringen Teil auch am κ- Rezeptor) als reiner Agonist und erreicht eine analgetische therapeutische Potenz von 1.

Diese wird herangezogen, um die Wirkstärke unterschiedlicher Opioide miteinander vergleichbar zu machen. Wird Morphin oral verabreicht liegt die Bioverfügbarkeit bei ca.

20-25%. (5,6) Dies ist der Metabolisierung im First-Pass-Effekt in der Leber geschuldet und führt zur Notwendigkeit, Morphin oral dreifach höher zu dosieren als etwa bei intravenöser Gabe. (4) Die hohe Wasserlöslichkeit von Morphin führt zu einem großen Verteilungsvolumen durch Aufnahme in hydrophile Kompartimente wie die Muskulatur und das Vorliegen in überwiegend ionisierter Form zu einer schlechten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke. Nach Metabolisierung in der Leber und Konjugation mit

Glucuronsäure erfolgt die Ausscheidung über die Niere. (5,6)

Abbildung 1: Strukturformel Morphin (50)

(19)

1.1.1.1.1.2 Fentanyl

Fentanyl ist der erste zu besprechende Vertreter der synthetischen Opioide.

Dieses vom mittlerweile nur mehr gelegentlich verwendeten Pethidin abgeleitete Pharmakon ist chemisch mit den weiteren nachfolgenden synthetischen Opioiden Sufentanil, Alfentanil und Remifentanil, welche alle den 4- Anilinopiperidinopioiden zugerechnet werden, eng verwandt.

Die perioperativ in der Anästhesie

erwünschten Effekte der Analgesie und Sedierung erzielt Fentanyl wie auch Morphin über die Bindung an den μ-Rezeptor. Die über diesen Agonismus erreichte analgetische Potenz beträgt ungefähr 100, Fentanyl ist also ungefähr 100-mal stärker analgetisch wirksam als die Vergleichssubstanz, das „Ur-Pharmakon“ Morphin. (5,6)

Da Fentanyl die in der Einführung von einem „idealen“ Pharmakon geforderten

Eigenschaften des raschen Wirkeintritts und der guten Steuerbarkeit erfüllt, ist es eines der perioperativ am häufigsten eingesetzten Opioide. (5,9)

Nach intravenöser Verabreichung wird Fentanyl zu ungefähr 85% an Proteine gebunden.

Im Gegensatz zu Morphin ist Fentanyl sehr lipophil, damit nur schlecht wasserlöslich und verteilt sich nach erfolgter Applikation sehr rasch in den Zielorganen sowie in Muskulatur und Fettgewebe, was zu einem Wirkeintritt nach wenigen Minuten führt. (11)

Der gewünschte Effekt einer starken Analgesie hält nach intravenöser (i.v.) Verabreichung zwischen 30 und 60 Minuten an, und die erwähnte Anhäufung in Muskulatur und

Fettgewebe führt zu einer langen Halbwertszeit (HWZ) von 3-12 Stunden. In der Leber kommt es durch Cytochrom-P450-Enzyme (CYP-Enzyme) zu einer Metabolisierung zum inaktiven Metaboliten Norfentanyl. Andere Möglichkeiten der Verabreichung sind

transdermale Systeme beziehungsweise orale Applikationsformen wie Lutscher, welche vor allem in der Therapie chronischer Schmerzen zur Anwendung kommen und den Vorteil einer wesentlich längerer Wirkdauer bieten. (4,5)

Abbildung 2: Strukturformel Fentanyl (51)

(20)

1.1.1.1.1.3 Alfentanil

Alfentanil ist ein Abkömmling des Fentanyl, gehört damit auch zu den synthetischen Opioiden und in die Klasse der 4-Anilinopiperidinopioide und ähnelt diesem daher in seiner Pharmakologie mit dem Unterschied eines schnelleren

Wirkeintritts und einer kürzeren

Wirkdauer. Fentanyl ist ungefähr 8-mal potenter als Alfentanil, was zu einer analgetischen Potenz von ca. 10-15 führt.

(12)

Der bereits erwähnte Unterschied des schnelleren Wirkeintritts von ungefähr 1,5 Minuten rührt von einer höheren Membranpermeabilität her, welche ihre Ursache im Vorliegen in überwiegend nichtionisierter Form hat. Dies führt zu einem schnelleren Erreichen des für die Wirkung notwendigen Agonismus am μ-Rezeptor. Durch die im Vergleich mit Fentanyl geringere Lipophilie kommt es zu einer weniger ausgeprägten Anreicherung im Fettgewebe und damit zu einem geringeren Verteilungsvolumen und das Risiko, dass bei repetitiver Verabreichung Nebenwirkungen durch Kumulation auftreten, fällt geringer aus.

Somit ergeben sich als Indikation für das heutzutage nicht mehr allzu häufig verwendete Alfentanil vor allem Operationen von geringer Dauer. (6)

Der Abbau erfolgt ähnlich dem Fentanyl durch Metabolisierung über hepatische CYP- Enzyme. (4)

Abbildung 3: Strukturformel Alfentanil (52)

(21)

1.1.1.1.1.4 Sufentanil

Wie das Alfentanil ist auch das Sufentanil ein Fentanyl-Abkömmling und besitzt eine analgetische Potenz von ca. 700- 1000. (4)

Damit ist es das am stärksten wirksame perioperativ eingesetzte synthetische Opioid und in seiner Pharmakologie wie auch schon das Alfentanil dem Fentanyl sehr ähnlich. Der Wirkeintritt erfolgt nach ungefähr 2 Minuten, die Wirkung hält ca.

30 Minuten an und die kontextsensitive

HWZ, also die Verringerung der Konzentration einer Substanz um 50% nach Ende einer fortlaufenden Verabreichung, ist geringer als jene der beiden bereits besprochenen

Pharmaka Fentanyl und Alfentanil. Ursächlich für dieses Phänomen sind das im Vergleich zu Alfentanil sehr hohe Verteilungsvolumen von Sufentanil und die verglichen mit

Fentanyl geringere Kumulation, welche sich durch eine 93-prozentige Bindung an Plasmaproteine erklären lässt. Diese beiden Eigenschaften führen dazu, dass sich

Sufentanil für die fortlaufende perioperative Applikation mittels Perfusor wesentlich besser eignet als die beiden zuvor besprochenen Opioide. (6)

Die Tatsache, dass Sufentanil noch wesentlich lipophiler ist als Fentanyl, führt zur zügigen Entfaltung seiner Wirkung im ZNS, welche sich durch zeitgleiche Ableitung eines

Elektroenzephalogramms (EEG) während intravenöser Verabreichung darstellen lässt und zu messbaren Veränderungen sowohl in Amplitude als auch Frequenz führt. Sufentanil wird in der Leber metabolisiert, wobei zwei Metaboliten entstehen. Desmethylsufentanil und Norsufentanil konnten beide im Urin nachgewiesen werden: Ersteres ist in geringem Ausmaß pharmakologisch aktiv, ein Nachweis im Plasma gelang aber nicht. (13)

Nach intravenöser Applikation kommt es bei Sufentanil zu einem ausgeprägten „first-pass uptake“ in der Lunge. (14)

Abbildung 4: Strukturformel Sufentanil (53)

(22)

1.1.1.1.1.5 Remifentanil

In den 90er-Jahren kam es in den ersten Ländern zur Zulassung eines neuen Opioids, das wie Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil ebenfalls in die Gruppe der Piperidin-Derivate gehört. Die Ziele der Entwicklung dieser synthetischen Opioide, welche sich mit der

vorangegangenen Beschreibung eines für perioperativ-anästhesiologische Zwecke idealen Pharmakons decken, waren:

Zunehmende Sicherheit und Wirkstärke

sowie ideale pharmakokinetische Eigenschaften im Sinne eines möglichst raschen Wirkeintritts und schneller Wirkbeendigung. Remifentanil erreicht diese Anforderungen durch seine Esterbindung und den daraus resultierenden Metabolismus über Hydrolyse durch im Blut und anderen Geweben vorkommende unspezifische Esterasen. In seinen pharmakodynamischen Eigenschaften gleicht es als μ-Rezeptoragonist den anderen bereits besprochenen Opioiden. (15)

Es besitzt eine analgetische Potenz von ungefähr 200, was es zum zweitpotentesten Opioid nach Sufentanil macht, und eine kontextsensitive HWZ von 3-4 Minuten, welche keine Abhängigkeit von der Dauer der Zufuhr aufweist. Dies führt zur hervorragenden intraoperativen Steuerbarkeit dieses Opioids. (1,4,5)

Mit einem Wirkeintritt kann, ähnlich zum Alfentanil, bereits nach ca. 1,5 Minuten gerechnet werden. Die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Konzentration im Effektkompartiment Gehirn beträgt 1,6 Minuten. (6)

Insgesamt führen diese Eigenschaften dazu, dass dem anästhesiologischen Fachpersonal mit Remifentanil ein hervorragend titrierbares Opioid zur Verfügung steht, welches wie Sufentanil primär als kontinuierliche Infusion über eine Spritzenpumpe verabreicht werden sollte. (15)

Abbildung 5: Strukturformel Remifentanil (54)

(23)

1.1.1.2 Narkotika

Als zweiter zu besprechender pharmakologischer Teilaspekt einer Allgemeinanästhesie folgt nach den Ausführungen zu den unterschiedlichen, im anästhesiologischen Alltag zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Vollnarkose eingesetzten Analgetika die Betrachtung der unterschiedlichen Narkotika.

Hierbei lassen sich Inhalationsnarkotika und Injektionsnarkotika unterscheiden, wobei die letzteren auch als intravenöse Narkotika bezeichnet werden. (3)

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, wird auf Inhalationsnarkotika nicht näher

eingegangen, da das Ziel der Arbeit darin besteht, eine Zusammenschau aller unabhängig von der Art und Örtlichkeit der Operation sicher anwendbaren Pharmaka zu geben. Dies trifft auf Inhalationsanästhetika nicht zu, da für die Verwendung Verdampfersysteme notwendig sind, welche etwa in der Präklinik nicht zur Verfügung stehen.

Die Gruppe der Injektionsanästhetika bietet den Anästhesistinnen und Anästhesisten den Vorteil eines raschen Wirkbeginns, entzieht sich jedoch nach intravenöser Verabreichung dem Einfluss der Ärztinnen und Ärzte. Dies führt zur unbedingten Notwendigkeit, sich bereits vorab mit der Pharmakodynamik und -kinetik der unterschiedlichen Wirkstoffe auseinanderzusetzen, um etwaigen durch die eingeschränkte Steuerbarkeit auftretenden Nebenwirkungen vorzubeugen. (6)

Um über den sinnvollen Einsatz der unterschiedlichen Medikamente diskutieren zu können, folgt die Besprechung der pharmakologischen Eigenschaften der einzelnen intravenösen Narkotika, wobei die zu berücksichtigenden Nebenwirkungen analog zu den Analgetika separat diskutiert werden.

Dabei wird die in der Literatur übliche Unterteilung dieser Wirkstoffe in die Gruppen der Barbiturat- und Nichtbarbituratnarkotika berücksichtigt. Zur ersteren gehören die

Abkömmlinge der Barbitursäure, die letztere beinhaltet Pharmaka vieler unterschiedlicher Substanzgruppen. Den Medikamenten beider Gruppen ist gemein, dass der genaue

Mechanismus, über den die Wirkung der Hypnose erzielt wird, nicht zur Gänze bekannt ist. Eine relevante Rolle wird einem der wichtigsten hemmenden Überträgerstoffe im Gehirn, dem Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA), zugesprochen, dessen Wirkung durch Verabreichung der nachfolgend besprochenen Pharmaka zunimmt. (6)

(24)

1.1.1.2.1 Barbiturat-Narkotika

Der Ursprung der Namensgebung der 1864 von Adolf von Bayer zum ersten Mal

hergestellten Barbitursäure ist bis heute nicht gänzlich bekannt. Während der zweite Teil der Bezeichnung vom zur Synthese benötigten Harnstoff (Urea) herrührt, dürfte eine gewisse Barbara vom Entdecker zur Namensgeberin gemacht worden sein. Ob Adolf von Bayer damit eine Freundin ehren oder seiner Mutter Barbara Freude bereiten wollte, ist nicht überliefert. (16)

Zu den Barbiturat-Narkotika werden zwei heutzutage noch verbreitete Wirkstoffe gezählt:

Thiopental und Methohexital. (3)

Beide leiten sich von der bereits erwähnten Barbitursäure ab, welche aufgrund ihres pKs- Werts von 4 und dem damit einhergehenden Vorliegen in beinahe zur Gänze dissoziierter Form nicht zur Überwindung der Blut-Hirn-Schranke im Stande und damit

pharmakologisch inaktiv ist. Die narkotische Wirkung wird durch Anfügen von Seitenketten am C 5-Atom erreicht. Dies führt zu einem höheren pKs-Wert, damit zu einem geringeren dissoziierten Anteil und somit zur Überwindung der Blut-Hirn-Schranke und dem Erreichen des Wirkorts. Im ZNS kommt es durch Anwesenheit der Barbiturate zu einer Inhibierung der neuronalen Übertragung. Erzielt wird dieser Effekt durch eine

Verstärkung der Wirkung von GABA am GABAA-Rezeptor beziehungsweise durch eine direkte Aktivierung des Rezeptors bei höheren Wirkstoffkonzentrationen. (17)

Die beiden Wirkstoffe Thiopental und Methohexital unterscheiden sich nicht nur durch die angehängten Seitenketten, sondern auch durch das Ersetzen des C2-Atoms der

Barbitursäure durch ein Schwefelatom, das Charakteristikum der Thiobarbiturate, zu welchen Thiopental zählt. Bei Methohexital findet sich an dieser Stelle wie bei der Ursprungssubstanz Barbitursäure ein Sauerstoffatom. Dies führt zur Bezeichnung Oxybarbiturat. Beiden Substanzen ist gemein, dass sie keine Analgesie hervorrufen und daher zur Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung mit entsprechenden Medikamenten kombiniert werden müssen. (6)

(25)

1.1.1.2.1.1 Thiopental

Narkotika aus der Gruppe der Barbiturate sind bereits seit mehreren Jahrzehnten im anästhesiologischen Alltag in Gebrauch.

Besonders Thiopental war bis zur Einführung von Propofol, welches im Kapitel der Nichtbarbiturat-Narkotika behandelt wird, das Standard-Hypnotikum und wird auch heutzutage noch eingesetzt.

Dabei liegt das Präparat als Racemat zweier unterschiedlich stark wirksamer Isomere vor, mit halber narkotischer

Wirkstärke der R-Form verglichen mit dem L-Isomer. (17)

Die bereits erwähnte Schwefelgruppe am C2-Atom der Barbitursäure führt zur Einteilung von Thiopental in die Gruppe der Thiobarbiturate. Seine Effekte entfaltet es innerhalb von 20-30 Sekunden nach Injektion über eine Verstärkung der Wirkung von GABA am

GABA-Rezeptor, was zu einer ausgeprägteren Inhibition der Übertragung zwischen Neuronen im ZNS führt. Der schnelle Wirkeintritt ist Folge einer allen Barbituraten gemeinsamen, ausgeprägten Lipophilie. Ungefähr 10 Minuten nach Verabreichen der Einleitungsdosis ist mit einem Abklingen der Narkose zu rechnen, für die Beendigung der Wirkung ist eine Umverteilung des Wirkstoffs vom ZNS in die Muskulatur und das Fettgewebe verantwortlich. Mit zunehmender Verstoffwechselung in der Leber kommt es zu einem weiteren Absinken der Thiopental-Konzentration im Blut, was zu einer

Verschiebung von im Fettgewebe gespeicherten Anteilen zurück ins Blut führt und damit unter Umständen zu einer verlängerten Wirkung im Sinne eines Überhangs. (6)

Dazu trägt auch das bei der Verstoffwechselung entstehende Pentobarbital bei, welches selbst mittellang wirkt. Vor allem bei fortdauernder Verabreichung steigt die Gefahr der Kumulierung, Thiopental sollte deswegen nur zur Einleitung verabreicht werden. (3)

Abbildung 6: Strukturformel Thiopental (55)

(26)

1.1.1.2.1.2 Methohexital

Wie Thiopental gehört auch Methohexital zur Gruppe der kurzwirksamen Barbiturat- Narkotika. Aufgrund des Sauerstoff- Atoms am C2-Atom gehört es zur Gruppe der Oxybarbiturate, gleicht dem

Thiopental aber in Bezug auf Wirkungen und Nebenwirkungen bis auf einige wenige Unterschiede. Methohexital zeichnet sich durch einen rascheren Wirkbeginn aus, weiters durch eine kürzere Wirkdauer und eine geringere

Kumulationsgefahr aufgrund des zügigeren Metabolismus in der Leber verglichen mit Thiopental. (6)

Mit einem Wirkeintritt kann 30 Sekunden nach intravenöser Verabreichung gerechnet werden und schon nach 4-7 Minuten kommt es aufgrund von Verteilungsphänomenen zum Nachlassen der Wirkung. Anders als Thiopental kann Methohexital durchaus über eine fortlaufende Infusion verabreicht und somit auch zur Narkoseaufrechterhaltung genutzt werden. Die hepatische Metabolisierung läuft wesentlich schneller ab und verhindert somit eine Anreicherung im Fettgewebe. (17)

Abbildung 7: Strukturformel Methohexital (56)

(27)

1.1.1.2.2 Nichtbarbiturat-Narkotika

Der Gruppe der Barbiturat-Narkotika mit den beiden Vertretern Thiopental und Methohexital soll nun eine Gegenüberstellung aller anderen in der aktuellen anästhesiologischen Fachliteratur erwähnten Narkotika erfolgen. Diese können aus chemischer Betrachtung keiner einzelnen Gruppe zugeordnet werden, haben aber die Gemeinsamkeit, dass sie nach intravenöser Verabreichung im Stande sind eine Narkose hervorzurufen. Besprochen werden sollen an dieser Stelle die zur Gruppe der

Benzodiazepine gehörenden Wirkstoffe Diazepam und Midazolam, das Phenol Propofol, das Imidazol-Derivat Etomidat und das Phencyclidin-Derivat Ketamin. In dieser

Aufstellung findet sich mit Propofol jenes Narkotikum, das heutzutage in der Mehrheit aller Narkoseeinleitungen Verwendung findet und mit Ketamin ein Wirkstoff, der

potenziell die Möglichkeit bietet als Analgetikum und Narkotikum gleichzeitig eingesetzt zu werden und eine sehr hohe therapeutische Breite aufweist. (3,6)

Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln auch wird zunächst ein Überblick über Pharmakodynamik und -kinetik der einzelnen Pharmaka gegeben und auf die wichtigsten Wirkungen eingegangen, während die Nebenwirkungen gesondert zusammengefasst und gegenübergestellt werden um dem Ziel der Arbeit, den Schwerpunkt auf das

Nebenwirkungsprofil und die sichere Anwendbarkeit zu legen, gerecht zu werden.

(28)

1.1.1.2.2.1 Benzodiazepine

Zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie können die für die i.v.-Applikation zugelassenen

Wirkstoffe Midazolam und Diazepam verwendet werden, während die

prinzipiell auch injizierbaren Pharmaka Flunitrazepam und Lorazepam zugunsten des kurzwirksamen Midazolam nur noch selten angewandt werden. Dies hat seine Gültigkeit sowohl bezogen auf die Narkoseeinleitung als auch auf die

Aufrechterhaltung, da bei kontinuierlicher Verabreichung die kürzere kontextsensitive HWZ von Midazolam zu einer geringeren Kumulation führt. Nichtsdestotrotz besteht diese Gefahr auch bei Verwendung dieses Benzodiazepins und muss berücksichtigt werden. (3) Midazolam ist ein kurzwirksames

Anxiolytikum aus der Gruppe der Benzodiazepine, während Diazepam zu den lang wirkenden Vertretern gezählt wird. Das Wirkspektrum aller

Benzodiazepine ist vielfältig: So können sie in niedriger Dosierung zur Anxiolyse eingesetzt werden und im Status

Epilepticus als Antikonvulsivum. Sie haben einen zentral muskelrelaxierenden Effekt, bewirken eine antegrade Amnesie und außerdem eine Sedierung

beziehungsweise in höherer Dosis eine Narkose. (6)

Ihre Effekte entfalten sie, ähnlich wie die Barbiturate, über den GABA-Rezeptor und

Abbildung 8: Strukturformel Midazolam (57)

Abbildung 9: Strukturformel Diazepam (58)

(29)

wodurch es zu einer weiteren Unterdrückung der Erregungsausbreitung im ZNS kommt.

(18)

Der GABA-Rezeptor, der der Gruppe der ligandenaktivierten Ionenkanäle zugehörig ist, besteht aus fünf Untereinheiten, aus je zwei α- und β- sowie aus der bereits erwähnten γ- Untereinheit, welche in ihrer Gesamtheit einen Ionenkanal für Chlorid darstellen. Nach Bindung von Midazolam an die Bindungsstelle kommt es zu einem Agonismus der GABA-Wirkung, indem die Affinität des Neurotransmitter zu seinem Rezeptor verstärkt wird. Dies führt zu einer Hyperpolarisation der Nervenzelle nach zunehmendem Einstrom von Chloridionen durch den von den GABA-Untereinheiten gebildeten Kanal und damit insgesamt zu einer Hemmung. Nach der Art ihrer Verstoffwechselung werden die Benzodiazepine unterschiedlich eingeteilt: Unterschieden werden Pharmaka vom

Diazepamtyp von jenen vom Nitrazepamtyp, dem Oxazepamtyp und schlussendlich solche vom Typ der tetrazyklischen Benzodiazepine. Das Midazolam gehört in die letzte der aufgezählten Hauptgruppen der Benzodiazepine. Diese zeichnen sich durch eine sehr rasche Elimination aus. Diazepam wird der nach ihm benannten Gruppe zugeteilt, deren Vertreter verglichen mit Midazolam eine viel längere HWZ von 20-40 Stunden aufweisen, da der bei der Umwandlung entstehende Metabolit Nordazepam mit einer HWZ von 30-90 Stunden sogar eine die Ursprungssubstanz überdauernde Wirkung hat und bei wiederholter Gabe von Diazepam kumuliert. (19)

Das lipophile Diazepam erreicht schnell seinen Wirkort im ZNS und kann sowohl i.v. als auch intramuskulär (i.m.) oder oral verabreicht werden. Ungefähr 98% sind an

Plasmaproteine gebunden. Der Abbau erfolgt in der Leber, wobei aktive Metaboliten, darunter das schon erwähnte Nordazepam oder Desmethyldiazepam entstehen. Dieses früher häufig zur Prämedikation, Sedierung und Narkoseführung eingesetzte

Benzodiazepin wurde inzwischen beinahe zur Gänze von Midazolam abgelöst, dessen Unterschiede und Vorteile gegenüber Diazepam nun noch erwähnt werden sollen. (6) Midazolam unterscheidet sich im Wesentlichen in seiner Pharmakodynamik nicht von Diazepam oder anderen Benzodiazepinen. Es kann ebenfalls sowohl i.v., i.m. oder oral verabreicht werden, beziehungsweise in ausgewählten Situationen wie im Rahmen einer pädiatrischen Narkoseeinleitung oder zur Sedierung bei eingeklemmten Patientinnen und Patienten auch rektal, nasal oder buccal. Wie Diazepam wird auch Midazolam zum größten Teil an Plasmaproteine gebunden (70-99%). Der nicht gebundene Anteil ist im Stande, nach Verabreichung die Blut-Hirn-Schranke zu passieren, wobei der Wirkeintritt einer

(30)

auch für eine endotracheale Intubation notwendig sind, werden hingegen erst 3-5 Minuten nach Applikation der Dosis erzielt. Midazolam hat, verglichen mit anderen

Benzodiazepinen, eine stärkere hypnotische Wirkung, was seine Ursache im auch in der Strukturformel von Midazolam abgebildeten fluorierten Benzolring hat. Der wesentliche Vorteil, der wohl auch zur zunehmenden Verdrängung von Diazepam durch Midazolam geführt hat, ist die kürzere Wirkdauer und damit einhergehend eine bessere Steuerbarkeit.

In der Leber kommt es durch das CYP3A4-Enzym zur Biotransformation und Hydroxylierung am C1-Atom, was ursächlich für die verglichen mit anderen Benzodiazepinen schnelle Wirkbeendigung ist. (18)

Die HWZ von Midazolam wird mit 1,5-2,5 Stunden angegeben. (19)

Zukünftig könnte ein zur Gruppe der ultrakurzwirksamen Benzodiazepine gehörender und i.v. zu verabreichender Wirkstoff mit dem Namen Remimazolam, der am 23. Jänner 2020 in Japan erstmals zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie

zugelassen wurde, die Rolle von Midazolam einnehmen und dieses verdrängen.

Remimazolam ist, wie die anderen besprochenen Benzodiazepine ein Agonist am GABAA- Rezeptor und verstärkt ebenfalls die Wirkung von GABA nach Bindung an die

Benzodiazepinbindungsstelle. (20)

Die Metabolisierung von Remimazolam erfolgt organunabhängig und ohne Entstehung von aktiven Metaboliten durch Gewebsesterasen und nach einer Kinetik erster Ordnung, was eine Kumulierung auch bei kontinuierlicher Verabreichung sehr unwahrscheinlich macht. Mit einem Wirkeintritt kann nach 1-3 Minuten gerechnet werden und die HWZ nach einer fortlaufenden Infusion über 2 Stunden beträgt ungefähr 7-8 Minuten. Diese Eigenschaften könnten Remimazolam zu einem idealen Pharmakon für die Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie machen. (21)

(31)

1.1.1.2.2.2 Propofol

In der pharmakologisch-

anästhesiologischen Fachliteratur wird Propofol immer wieder als das am häufigsten verwendete Medikament zur Einleitung einer Narkose bezeichnet. Es erhält die Bezeichnung „Standard- Hypnotikum“ und wird als sehr beliebt beschrieben. (6,22,23)

Das zur Gruppe der Phenole gehörende Propofol wird bereits seit einiger Zeit

klinisch eingesetzt, 1986 kam es zur Zulassung in Großbritannien, 1988 und 1989 folgten Deutschland und die Vereinigten Staaten

von Amerika. (23)

Propofol ist ausgesprochen lipophil und erreicht das ZNS innerhalb kurzer Zeit. Mit einem Wirkeintritt kann nach intravenöser Verabreichung bereits innerhalb von 30-40 Sekunden gerechnet werden und nach ungefähr 3 Minuten erreicht die Konzentration im ZNS maximale Werte. Ursächlich für die nach erfolgter Applikation von Propofol erreichte dosisabhängige Sedierung oder Hypnose sind mehrere Mechanismen: So kommt es wie bei den anderen besprochenen Narkotika zu einer Verstärkung der Wirkung von GABA, zu einer Inhibierung der Freisetzung des erregend wirkenden Neurotransmitters Glutamat und schlussendlich zum direkten Einfluss auf Lipidmembranen. (6)

Das Verhalten von Propofol nach i.v.-Injektion wird am besten mittels eines Drei- Kompartimenten-Modells beschrieben, wobei es mit zunehmender Dauer nach

Verabreichung zu einer Umverteilung vom zentralen Kompartiment, welchem Gehirn, Herz, Lungen und Nieren zugerechnet werden, zu den beiden anderen sich schneller und langsamer angleichenden Kompartimenten, bestehend aus der Muskulatur und inneren Organen beziehungsweise aus dem Fettgewebe und den Knochen, kommt. Dies führt zu einer initialen Verteilungs-HWZ von ungefähr 1-4 Minuten wobei die terminale

Eliminations-HWZ wegen der hohen Lipophilie mit konsekutiver Anreicherung im

Fettgewebe mit 13-45 Stunden angenommen werden muss. Das hohe Verteilungsvolumen

Abbildung 10: Strukturformel Propofol (59)

(32)

Die kontextsensitive HWZ bei kontinuierlicher Verabreichung über 8 Stunden beträgt ungefähr 40 Minuten, was dazu führt, dass Propofol häufig zur Langzeitgabe auf Intensivstationen herangezogen wird. Inaktiviert wird Propofol zum größten Teil in der Leber, einen geringen Anteil an der Metabolisierung hat auch die Lunge. Die so

entstehenden Metaboliten werden anschließend renal eliminiert. Nur ein sehr geringer Anteil von Propofol wird unverändert über den Harn beziehungsweise den Stuhl ausgeschieden. (3)

Neben den bereits erwähnten Vorteilen eines schnellen Wirkeintritts und einer guten Steuerbarkeit führt die Tatsache, dass es nach Verabreichung von Propofol zu einem für die Patientinnen und Patienten sehr angenehmen Einschlafen und Erwachen aus der Narkose kommt neben der ausgesprochen guten Inhibierung der Reflexkette bei Einführen von Atemwegshilfen oder der endotrachealen Intubation dazu, dass dieser Wirkstoff aus dem anästhesiologischen Alltag kaum mehr wegzudenken ist. (23)

(33)

1.1.1.2.2.3 Etomidat

Etomidat, ein carboxyliertes

Imidazolderivat, ist vermutlich jenes Narkotikum mit der wechselhaftesten Geschichte bezogen auf die klinische Anwendung dieses Medikaments.

Nach erstmaliger Veröffentlichung wissenschaftlicher Publikationen zu diesem Wirkstoff im Jahr 1965 war es für über ein Jahrzehnt in ausgeprägter

Verwendung bis schlussendlich die ausgeprägte Etomidat-induzierte

Nebennierenrindensuppression zu einer deutlichen Reduktion der Anwendung führte. (25) Die narkotische Wirkung wird, wie bei den anderen bisher besprochenen Narkotika, über eine Interaktion mit dem GABA-Rezeptor hervorgerufen, wobei nur das R(+)-Enantiomer dies bewirkt. Da Etomidat keinerlei analgetische Potenz besitzt, wird zur

Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung die Kombination mit einem Analgetikum notwendig. (26)

Zu einem Wirkeintritt kommt es innerhalb von 30 Sekunden nach i.v.-Verabreichung, und die schnelle Metabolisierung in der Leber führt zu einer kurzen Wirkdauer von nur 3-4 Minuten. (6)

Neben diesen Eigenschaften zeichnet sich Etomidat durch seine sehr große therapeutische Breite und durch den Effekt einer Aktivierung von α2-Rezeptoren aus. Dies führt

zusammen mit der Tatsache, dass es nach der Verabreichung zu kaum einer

Beeinträchtigung der Hämodynamik kommt, zum häufigen Einsatz bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Beeinträchtigung des Herz-Kreislaufsystems. Etomidat ist im Plasma zu 75% an Proteine gebunden und wird nach der Verabreichung und Verteilung in gut durchbluteten Geweben von Esterasen in der Leber und im Plasma metabolisiert und zum größten Teil über den Urin und die Galle ausgeschieden. (25)

Abbildung 11: Strukturformel Etomidat (60)

(34)

1.1.1.2.2.4 Ketamin

Ketamin ist ein Abkömmling des Phencyclidin und liegt als Racemat der beiden Stereoisomere S(+)-Ketamin und R(-)-Ketamin beziehungsweise als Esketamin nur in der ersteren Form vor und nimmt aufgrund einiger nachfolgend beschriebener Eigenschaften eine

besondere Stellung unter den Narkotika ein. (6)

Die Geschichte des Wirkstoffs Ketamin reicht bis in die 60er-Jahre des letzten

Jahrhunderts zurück als der klinische Einsatz des erst kurz zuvor entwickelten Anästhetikums Phencyclidin wegen der auftretenden starken halluzinogenen

Nebenwirkungen abgebrochen werden musste. So folgte die Entwicklung von Ketamin als Derivat des Phencyclidin mit weniger ausgeprägten psychomimetischen Nebenwirkungen.

Eine der Eigenschaften von Ketamin, welche die Zusprechung einer besonderen Stellung unter den anderen Narkotika rechtfertigt, ist die mögliche Verwendung als

Monoanästhetikum. Dies verbietet sich bei den anderen besprochenen Wirkstoffen aufgrund ihrer fehlenden analgetischen Potenz, welche bei Ketamin sehr ausgeprägt ist.

Neben diesem Aspekt einer starken Analgesie bewirkt es außerdem noch eine Sedierung oder Narkose und führt zur Amnesie. Dabei ist stets das bereits beschriebene halluzinogene Potential zu berücksichtigen, was seine Gültigkeit vor allem für das R(-)-Enantiomer hat, da die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von halluzinogenen Nebenwirkungen bei Verwendung von Esketamin (also des S(+)-Enantiomers) wesentlich geringer ist. (18) Ursächlich für die soeben beschriebenen Effekte sind Mechanismen, die an

unterschiedlichen Rezeptoren angreifen. Als hauptverantwortlich für die nach Ketamin- Gabe auftretende Analgesie wird die Bindung von Ketamin an den N-Methyl-D-Aspartat- Rezeptor (NMDA-Rezeptor) gesehen, welche in Bereichen im ZNS erfolgt, die für

Abbildung 12: Strukturformel Ketamin (61)

(35)

unter anderem im Kortex, im limbischen System und im Thalamus führt. Als Resultat können die wahrgenommenen sensorischen Reize vom ZNS nicht verarbeitet und weitergeleitet werden. Die Patientinnen und Patienten befinden sich somit in einem Zustand, der dem einer Katalepsie ähnelt beziehungsweise häufig als dissoziative Anästhesie beschrieben wird. Dabei sind die Augen nicht selten geöffnet und die

Patientinnen und Patienten erwecken den Eindruck wach zu sein. Es fehlt jedoch jegliche Reaktion auf Reize von außen, welche durch die Ketamin-Wirkung nicht mehr bewusst werden. Die Spontanatmung und die Schutzreflexe bleiben in der Regel erhalten.

Zusätzlich zur Wirkung am NMDA-Rezeptor führt Ketamin über Inhibierung der NO- Synthase zu einer vom Neurotransmitter Stickstoffmonoxid vermittelten

Schmerzwahrnehmung im peripheren Nervensystem (PNS) und ZNS. (27,28)

Postuliert werden auch Effekte auf den früher den Opioid-Rezeptoren zugerechneten σ- Rezeptor und den im Kapitel der Opiodanalgetika besprochenen μ-Rezeptor, wobei die Interaktion von Ketamin an zweiterem einen gewissen Teil zur erzielten Analgesie beitragen dürfte, während ersterer für die nachfolgend besprochenen Nebenwirkungen verantwortlich gemacht wird. (6)

Eine ebenfalls einzigartige Eigenschaft von Ketamin ist der aktivierende Effekt auf das Herz-Kreislaufsystem. So kommt es nach Ketamin-Injektion zu einer Erhöhung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und des Herzzeitvolumens, was zur häufigen Verwendung vor allem bei Patientinnen und Patienten mit schon vor Narkoseeinleitung

kompromittierter Hämodynamik führt. Ursächlich dafür ist die durch Ketamin verursachte Hemmung der Wiederaufnahme von endogenen Katecholaminen und die daraus

resultierende vermehrte Sympathikusaktivierung. (26,27)

Der bronchodilatatorische Effekt, der dem Ketamin zugeschrieben wird, wird

hauptsächlich durch das R(-)-Ketamin erzielt, tritt also hauptsächlich bei Verwendung des Racemats auf und bleibt bei Verabreichung von Esketamin in der Regel aus. (18)

Mit einem Wirkbeginn kann aufgrund der niedrigen Plasmaproteinbindung von nur ungefähr 27% und einer fünf- bis zehnmal höheren Lipidlöslichkeit als bei Thiopental schon ungefähr 60 Sekunden nach i.v.-Gabe gerechnet werden. Die erzielten Effekte halten abhängig von der Applikationsart zwischen 5 und 25 Minuten lang an. Die

Metabolisierung erfolgt über die Leber, was unter anderem zum noch teilaktiven Metaboliten Norketamin führt. Nach weiterer Verstoffwechselung kommt es zur Ausscheidung über die Niere und zu einem geringen Teil über den Stuhl. (3,6)

(36)

1.1.1.3 Muskelrelaxantien

Wie in der Einleitung erwähnt, lautet eines der Ziele einer Allgemeinanästhesie für eine ausreichende Erschlaffung der Muskulatur zu sorgen, um so den Operateurinnen und Operateuren einen möglichst optimalen Zugang zum Operationsgebiet zu ermöglichen.

Dazu und um dem anästhesiologischen Personal die Umstände der Atemwegssicherung während endotrachealer Intubation zu erleichtern werden im klinischen Alltag

Muskelrelaxantien eingesetzt. Diese bilden die letzte noch zu besprechende

Wirkstoffgruppe, die zur Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose Verwendung findet. Der Vollständigkeit halber schließt als letztes Kapitel eine Aufstellung der häufigsten kreislaufunterstützenden Arzneien an, da diese regelhaft Verwendung finden um den nachfolgend besprochenen Nebenwirkungen der einzelnen Pharmaka

entgegenzuwirken.

Die Geschichte der Muskelrelaxantien begann mit der Einführung des Wirkstoffs Curare in die anästhesiologische Praxis in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Dies führte erstmals in der Geschichte der Anästhesie zur Möglichkeit eine gezielte

Muskelerschlaffung herbeizuführen, ohne die Narkotika dabei überdosieren zu müssen. Im Laufe der Zeit wurden besser steuerbare Wirkstoffe entdeckt und synthetisiert. Mit deren Pharmakologie setzen sich die nächsten Kapitel dieser Arbeit auseinander. (29)

Ziel der Anwendung aller Muskelrelaxantien ist, dem Namen entsprechend, für eine Erschlaffung der quergestreiften Muskulatur zu sorgen, indem es zur Verhinderung der Übertragung an der motorischen Endplatte kommt. Dies passiert über zwei diametral entgegengesetzte Mechanismen, und zwar einerseits über den Einsatz von Antagonisten und andererseits über die Verwendung von Agonisten. Medikamente beider

Substanzgruppen sind in der Lage die neuromuskuläre Übertragung zu blockieren, was zur Einteilung der verschiedenen Wirkstoffe in die Gruppen der nichtdepolarisierenden

Muskelrelaxantien auf der einen und der depolarisierenden Muskelrelaxantien auf der anderen Seite führt. (30)

Wirkort beider Substanzgruppen ist jeweils die motorische Endplatte, an der es zur Kontaktherstellung der Motoneurone mit den Zellmembranen der einzelnen Muskelfaser

(37)

(ACh), das nach Durchquerung des synaptischen Spalts nicotinerge cholinerge Rezeptoren, die sogenannten N2 -Rezeptoren, aktiviert. Die Aktivierung dieser Rezeptoren und der von ihnen gebildeten Ionenkanäle führt zur Kontraktion der Muskelfaser. Währenddessen wird das in den synaptischen Spalt freigesetzte ACh über Acetylcholinesterasen abgebaut. (6) Die Einteilung der Muskelrelaxantien kann nun wie schon angedeutet nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. Wird die schlaffe Lähmung der Muskulatur über eine länger andauernde Bindung des Wirkstoffs an den N2 -Rezeptor mit Depolarisation der

Zellmembran erzeugt, führt dies zur Bezeichnung dieser Gruppe als depolarisierende Muskelrelaxantien. Bewirkt die Bindung des Pharmakons an den N2 -Rezeptor mangels intrinsischer Aktivität jedoch keine Auslösung eines Aktionspotentials und führt sie demnach zu keinerlei Kontraktion der Muskelfasern, spricht man von

nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien. Weitere Möglichkeiten, die Wirkstoffe unterscheiden zu können, ergeben sich aus deren Pharmakologie. So macht etwa eine Einteilung nach Wirkdauer Sinn: Es ergeben sich daher die Gruppen der ultrakurz, kurz, mittellang und lang wirkenden Muskelrelaxantien. Die nichtdepolarisierenden

Muskelrelaxantien lassen sich außerdem noch nach dem Gesichtspunkt ihrer chemischen Struktur unterteilen: Es werden die Bisbenzylisochinoline von den Aminosteroiden unterschieden. (31)

Zu Ersteren zählen Atracurium, cis-Atracurium und Mivacurium, zu Letzteren

Pancuronium, Vecuronium und Rocuronium. Die depolarisierenden Muskelrelaxantien hingegen besitzen nur einen in klinischer Verwendung befindlichen Vertreter, das ultrakurzwirksame Muskelrelaxans Succinylcholin. Ihre Wirkung erzielen alle Muskelrelaxantien über ihre strukturelle Ähnlichkeit zur für die Übertragung im synaptischen Spalt verantwortlichen Substanz ACh. Wie das ACh auch besitzen sie

quartäre Ammoniumgruppen, die eine positive Ladung tragen, liegen bei einem im Körper vorherrschenden pH-Wert von 7,4 stark ionisiert vor und sind damit ausgesprochen

hydrophil und lipophob was zu einer schlechten Permeabilität physiologischer Barrieren führt. Dies betrifft sowohl die Blut-Hirn-Schranke, als auch die Plazenta oder die

Membranen von Hepatozyten. Deswegen werden die meisten Muskelrelaxantien zum größten Teil über die Niere ausgeschieden. Allen Wirkstoffen gemein ist die Abhängigkeit des Wirkeintritts vom Ort der Betrachtung dieser Größe. Ihre Wirkung entfalten sie

aufgrund der höheren Durchblutung dieser Organe primär im Bereich des Zwerchfells und des Kehlkopfs. Erst danach kommt es zur Erschlaffung der restlichen, schlechter

(38)

Perfusion führt schlussendlich auch zu einer rascheren Beendigung der Wirkung in eben diesen gut durchbluteten Organen. Um die unterschiedlichen Substanzen miteinander vergleichbar zu machen wurden bestimmte Größen definiert, welche sich vor allem auf die zu verabreichende Dosis beziehen. Diese sind die ED50- und die ED95-Dosis wobei ED für

„effective dose“ steht. Die tiefgestellte Zahl gibt an, zu wieviel Prozent die nach Verabreichung erzielte Blockade ausgeprägt ist, wobei dies über das Verfahren der Relaxometrie bestimmt werden kann. Die ED95-Dosis ist also jene Dosis, die notwendig ist, um eine 95%ige Blockade zu erreichen. Weiters lassen sich die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien voneinander durch Betrachtung ihrer Anschlagszeit, der Wirkdauer, der Gesamtwirkdauer und ihres Erholungsindex abgrenzen. Auf diese Begrifflichkeiten wird im nächsten Kapitel genauer eingegangen. (6)

(39)

1.1.1.3.1 Nichtdepolarisierende Muskelrelaxantien

Bei der folgenden Diskussion der Wirkungen der nichtdepolarisierenden

Muskelrelaxantien, also jener Wirkstoffe, die mangels intrinsischer Aktivität nach Verabreichung zu keiner Auslösung eines Aktionspotentials führen, wird, um einen sinnvollen Vergleich anstellen zu können, auf gewisse, in der Fachliteratur Verwendung findende Charakteristika zurückgegriffen, auf deren Bedeutung im Folgenden eingegangen werden soll. Im Anschluss werden die einzelnen Wirkstoffe, wie aus den vorangegangenen Kapiteln bereits bekannt, besprochen.

Um die Wirkstärke eines Muskelrelaxans angeben zu können, finden die bereits beschriebenen Größen ED50- und ED95-Dosis Verwendung. Diese können sowohl für depolarisierende als auch für nichtdepolarisierende Muskelrelaxantien angegeben werden.

Um das Wirkprofil der Medikamente, welche einen Nichtdepolarisationsblock erzeugen, auch in Hinblick auf den zeitlichen Verlauf ihrer Wirkung genauer beschreiben zu können, finden die Konzepte der Anschlagszeit (Onset-time), der klinischen Wirkdauer (DUR25), der Gesamtwirkdauer (DUR90) und des Erholungsindex (Recovery Index) Verwendung.

Als Anschlagszeit wird der Zeitraum vom Verabreichen des Medikamentenbolus bis zum Erreichen eines 95%igen neuromuskulären Blocks bezeichnet. Das Zeitintervall, in dem die Wirkung des Muskelrelaxans ausreicht, um für optimale Operationsbedingungen zu sorgen, wird als klinische Wirkdauer oder DUR25 (clinical duration of action) bezeichnet.

Es beinhaltet den Zeitraum von der Applikation des Bolus bis zum Wiederauftreten einer Reizantwort auf 25% des vor der Relaxierung erzielten Werts. Als Gesamtwirkdauer oder DUR90 wird folglich die Zeit bis zum Erreichen einer Reizantwort von 90% des

Ausgangswerts definiert. Der Erholungsindex ist der einzige dosisunabhängige Parameter und somit spezifisch für das jeweils verabreichte Muskelrelaxans. Dieses

Wirkcharakteristikum beschreibt das Zeitintervall zwischen dem Wiedererreichen einer 25%igen und einer 75%igen Reizantwort. Das ideale Muskelrelaxans hätte einen möglichst geringen Erholungsindex, da dieser die Zeitspanne beschreibt, in welcher die Wirkung des Medikaments bereits zu stark nachgelassen hat, um optimale Operationsbedingungen zu erreichen, gleichzeitig aber noch zu ausgeprägt ist, als dass mit einem Wiederauftreten von Spontanatmung und Schutzreflexen gerechnet werden könnte. (6,31)

Nachfolgend sollen diese Charakteristika bei der Diskussion der Wirkung der einzelnen

(40)

1.1.1.3.1.1 Pancuronium

Das zur Gruppe der Aminosteroide gehörende Pancuronium wurde in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts synthetisiert und ist das Muskelrelaxans mit der längsten Wirkdauer. (32,33) Dass die Entwicklung von Pancuronium ein großer Erfolg war, beweist die Tatsache, dass es nach über 40 Jahren in klinischer Verwendung immer noch gelegentlich zum Einsatz kommt, wenn auch die Verfügbarkeit von

Muskelrelaxantien mit kürzerer Wirkdauer und schnellerer Anschlagszeit zur

zunehmenden Verdrängung von Pancuronium aus dem anästhesiologischen Alltag führt.

Nichtsdestotrotz stellte die Einführung dieses Muskelrelaxans in die Klinik eine

Revolution dar, war doch die Unzufriedenheit mit den bis dato verwendeten Wirkstoffen Tubocurarin, Metocurin und einigen wenigen anderen ob der großen Zahl an

Nebenwirkungen und der schlechten Steuerbarkeit groß. (34)

Nach Verabreichung der doppelten ED95-Dosis kommt es über den bereits beschriebenen Mechanismus der Blockade des N2 -Rezeptors ohne intrinsische Aktivität zum Wirkeintritt nach einer Anschlagszeit von 4-5 Minuten, und die DUR25 beträgt ungefähr 1,5 Stunden, was zur Zuordnung in die Gruppe der langwirksamen Muskelrelaxantien und der

Anwendung bei länger dauernden Operationen führt. Der Erholungsindex von Pancuronium wird mit ungefähr 40 Minuten angegeben. (6)

Alle anderen durch Pancuronium erzielten Effekte, wie etwa der Einfluss auf das Herz- Kreislauf-System, werden im Zuge der Abhandlung der Nebenwirkungen auf den folgenden Seiten besprochen.

Die Pharmakokinetik von Pancuronium lässt sich am besten mittels eines Drei-

Kompartimenten-Modells beschreiben, wobei die resultierenden HWZ mit <5 Minuten, 7-

Abbildung 13: Strukturformel Pancuronium (62)

(41)

1.1.1.3.1.2 Vecuronium

Vecuronium weist zahlreiche Ähnlichkeiten mit dem zuvor beschriebenen Pancuronium auf. So wurde es ebenfalls bereits vor mehr als 50 Jahren synthetisiert und gehört auch zur Gruppe der Aminosteroide. Aufgrund des Erfolgs von Pancuronium erhielt dieses monoquarternäre Derivat initial nur wenig Beachtung. Erst als man auf der Suche nach einem kürzer wirksamen Präparat war, stieg das Interesse an Vecuronium.

(36)

Nach Applikation der doppelten ED95-Dosis als übliche Intubationsdosis erfolgt der Wirkeintritt nach einer Anschlagszeit von ungefähr 2-4 Minuten, die DUR25 beträgt ungefähr 30-40 Minuten und der Erholungsindex ca. 20 Minuten. Vecuronium zählt deshalb zur Gruppe der mittellang wirkenden Muskelrelaxantien. Der Metabolismus erfolgt zu einem größeren Teil in der Leber als bei Pancuronium. Dies hat seine Ursache in der höheren Lipophilie und damit besseren Aufnahme in Hepatozyten. Dabei entstehen, wie beim Pancuronium auch, aktive Metaboliten von denen der wichtigste 3-OH- Vecuronium ist. Die renale Ausscheidung spielt eine geringere Rolle als beim Pancuronium. (6)

Vecuronium war daher aufgrund all dieser Eigenschaften lange Zeit das bevorzugte

Muskelrelaxans besonders für kurze Eingriffe, wurde aber auch gerne bei länger dauernden Operationen verabreicht, da, anders als bei der Verwendung von Pancuronium, keine Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System zu erwarten sind. (32)

Abbildung 14: Strukturformel Vecuronium (63)

(42)

1.1.1.3.1.3 Rocuronium

Der letzte und jüngste Vertreter der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien aus der Aminosteroidgruppe ist das Rocuronium, das abgesehen von seiner sehr kurzen Anschlagszeit in seiner Pharmakodynamik Vecuronium ähnelt.

Nach Verabreichung der zweifachen ED95-Dosis kommt es zu einem Wirkeintritt mit maximaler Blockade bereits nach 1-2 Minuten. (37) Diese Eigenschaft führte zur

Namensgebung „rapid onset vecuronium“, das einfach zu Rocuronium zusammengekürzt wurde. Es zählt mit einer DUR25 von ungefähr 40 Minuten zu den mittellang wirksamen Muskelrelaxantien und hat einen Erholungsindex von ca. 15 Minuten. (6)

Vor allem der Aspekt der sehr kurzen Anschlagszeit, die von keinem anderen nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans erzielt wird, führt zur Anwendung von

Rocuronium in Notfallsituationen auch im extramuralen Bereich bei der Intubation der in diesen Situationen nicht nüchternen Patientinnen und Patienten. (8,33)

Im Unterschied zu Pancuronium und Vecuronium kommt es zu keiner hepatischen Metabolisierung. Die Ausscheidung von Rocuronium erfolgt zum größten Teil biliär, während ein geringer Anteil (10-20%) über die Niere eliminiert wird. Aufgrund der sehr schnellen Anschlagszeit, der mittellangen DUR25 und des kurzen Erholungsindex wird Rocuronium inzwischen auch als Standardpräparat unter den nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien bezeichnet. (6)

Seit einigen Jahren besteht außerdem die Möglichkeit, durch Verabreichung des Gamma- Cyclodextrins Sugammadex die neuromuskuläre Blockade zu reversieren und somit die klinische Wirkungsdauer zu verkürzen. (38)

Abbildung 15: Strukturformel Rocuronium (64)

(43)

1.1.1.3.1.4 Atracurium

Anders als die zuvor vorgestellten

nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien gehört Atracurium zur Gruppe der

Benzylisochinoline. (30)

Die Entwicklung von Atracurium verfolgte das Ziel, ein Muskelrelaxans herzustellen, das organunabhängig

eliminiert wird. Dies führte schlussendlich zu den Wirkstoffen Atracurium und Cisatracurium. (36)

Atracurium hat eine Anschlagszeit von ca.

2-4 Minuten bei Verwendung der doppelten ED95-Dosis zur Narkoseeinleitung. Daraus resultiert eine DUR25 von 30-40 Minuten. Der Erholungsindex beträgt ungefähr 15-20 Minuten. Atracurium gehört damit zur Gruppe der mittellang wirkenden

Muskelrelaxantien. (6)

Die Besonderheit dieses Muskelrelaxans liegt in den Mechanismen seiner Elimination.

Diese verläuft im Plasma über zwei Pfade, einerseits über Esterspaltung und andererseits über die nichtenzymatische Hofmann-Eliminierung, wobei die Esterspaltung unabhängig von Cholinesterasen abläuft und ungefähr zwei Drittel des Anteils von Atracurium, der im Plasma metabolisiert oder abgebaut wird, ausmacht. Das verbleibende Drittel wird über die eben erwähnte enzymunabhängige Hofmann-Elimination abgebaut, welche unbeeinflusst von Leber- oder Nierenfunktionseinschränkungen abläuft, aber über den pH-Wert und die Temperatur beeinflusst werden kann. Die so entstehenden Abbauprodukte sind Laudanosin und Olefin. Ersteres ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Nur ein

geringer Anteil von Atracurium wird über die Niere ausgeschieden. (6,30)

Abbildung 16: Strukturformel Atracurium (65)

(44)

1.1.1.3.1.5 Cisatracurium

Während das zuvor beschriebene Atracurium in seiner Gesamtheit aus 10 Stereoisomeren besteht, findet sich in Cisatracurium lediglich das 1R-cis-1’R- cis-Stereoisomer von Atracurium.

Cisatracurium ist somit ein Abkömmling von Atracurium und gehört ebenfalls zu den Benzylisochinolinen. (6)

Die Anschlagszeit von Cisatracurium ist etwas länger als die seiner

Vorgängersubstanz (5 Minuten im

Vergleich zu 3,5 Minuten bei jeweils zweifacher ED95-Dosis), die DUR25 hingegen ist ähnlich der von Atracurium und beträgt ungefähr 45 Minuten. Dies führt zur Einteilung in die Gruppe der mittellang wirksamen Muskelrelaxantien. Der klinische Erholungsindex wird mit ungefähr 15 Minuten angegeben. Im Gegensatz zu Atracurium hat die

Esterspaltung beim Abbau von Cisatracurium keine Relevanz. Dieser erfolgt zu ungefähr 80% über die bereits erwähnte organunabhängige Hofmann-Elimination mit dem ebenfalls bereits bekannten Endprodukt Laudanosin. Der verbleibende Anteil wird renal

ausgeschieden. Diese Eigenschaften führen zum Einsatz von Cisatracurium vor allem bei kritisch kranken und geriatrischen Patientinnen und Patienten mit bereits vorbestehend eingeschränkter Organfunktion. (37)

Abbildung 17: Strukturformel Cisatracurium (66)

(45)

1.1.1.3.1.6 Mivacurium

Der neueste Wirkstoff aus der Gruppe der Benzylisochinoline ist das kurz wirksame Mivacurium, welches 1996 in

Deutschland zugelassen wurde. Einige Unterschiede zu den beiden zuvor diskutierten Wirkstoffen dieser Gruppe sollen nachfolgend dargelegt werden.

Mivacurium besitzt eine Anschlagszeit von ungefähr 2,5 Minuten und mit ca. 20 Minuten die kürzeste DUR25 aller

nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien.

(39)

Mivacurium hat einen Erholungsindex von etwa 7 Minuten, der Abbau erfolgt im

Gegensatz zu Atracurium und Cisatracurium und wie beim nachfolgend zu besprechenden Succinylcholin über die Plasmacholinesterase. Nur ein äußerst geringer Anteil von

ungefähr 5% wird renal eliminiert. Dieser Abbaumechanismus ist ursächlich für die kurze klinische Wirkungsdauer und führt zum vorrangigen Einsatz von Mivacurium bei kurz dauernden, geplanten Operationen. Da die Plasmacholinesterase hepatisch synthetisiert wird, kann es bei Patientinnen und Patienten mit Leberfunktionsstörungen zu einer deutlichen Verlängerung der klinischen Wirkungsdauer kommen. Auch genetische Ursachen können zu einer längeren Lähmung führen. So liegt die Plasmacholinesterase gelegentlich als atypische Variante vor, was eine langsamere Spaltung von Mivacurium bedingt. (6,30)

Abbildung 18: Strukturformel Mivacurium (67)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dieses Buch hat mir besonders gut gefallen, da nicht nur über das Leben während dem Holocaust, sondern auch nach dem Krieg berichtet wird.. Seine Schilderung nach der Befreiung

Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich zeigte sich im Gespräch mit ARS MEDICI beeindruckt: Wenn bei der Hälfte der Ope- rierten über fünf Jahre keine Medikation mehr notwendig

Die Verschreibung von Betäubungsmitteln ist danach ausschließlich dem Arzt vorbehalten; ihre Verabreichung (bspw. durch Injektion) oder das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch

• Vergleich von verschiedenen prophylaktischen Behandlungen mit Antibiotika gegen Rindergrippe beim

Veränderte Sortenwahl für Kordonschnitt Viele Sorten, die ursprünglich im Mittelmeerraum be- heimatet waren, haben Einzug in die nördlichen Win- zerbetriebe gehalten. Einige davon,

● Leichte Blutdrucksenkung. ● Atemdepression insbesondere bei älteren Patienten; eine höher dosierte intra- venöse Injektion sollte daher nur dann erfolgen, wenn eine

Das Argument des Regierungsrats ist nicht stichhaltig, wonach mit einer Fusion die Vorgabe für den Rettungsdienst, innerhalb von 15 Minuten 90 Prozent der Unglücksfälle

„Kulturkritik“, und dementsprechend lebhaft, aber auch kontrovers stellt sich das „Netz der Resonanzen“ dar (S. 585ff.): Adorno beginnt zu einer öffentlichen Figur zu werden,